Ende der "Herr"schaft ?

Die mehr oder weniger regelmäßigen Personalnachrichten in Bibliothekszeitschriften haben im allgemeinen nichts Sensationelles an sich - es sei denn, die Leitung einer Staats- oder ähnlichen Bibliothek wird anders vergeben als Insider es vorher zu wissen glaubten! Nein, die normalen Personalnachrichten kommen eher unscheinbar daher, selbst wenn man, wie in diesem Heft, erfährt, daß am 1.August 1998 mit Frau Dr. Lankenau die erste Bibliotheks-direktorin an einer Hochschule im Land Rheinland-Pfalz ihren Dienst aufgenommen hat. Wie in Landau ist auch die zweite Berufung einer Frau in diesem Bundesland, an der UB Trier nur vier Wochen später, nicht als Sensation vom Himmel gefallen, obwohl mit diesen Berufungen der letzte weiße Fleck einer frauenlosen Bibliotheksleitung an Hochschul- und anderen Wissenschaftlichen Bibliotheken in den deutschen Bundesländern beseitigt wurde.

Nicht eine plötzliche Sensation bedeutet dies also, sondern eine seit vielen Jahren zu beobachtende Entwicklung – oder doch sensationell, wenn man das Jahrbuch der deutschen Bibliotheken genau durchsieht und daraus erfährt, daß immerhin etwa 30 Prozent der Wissenschaftlichen Bibliotheken inzwischen von Frauen geleitet werden!

Nähern wir uns somit auf leisen Sohlen einem Zustand, in dem der Anteil der Direktorinnen dem der Studentinnen oder gar dem Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung entspricht? Es scheint so, zwar wird es noch dauern, aber wir sind auf gutem Weg. Daß sich hier eine berufspolitische Revolution abspielt – im übrigen eine friedliche und überaus erfreuliche –, wird kaum registriert. Was im Ausland längst schon zur Normalität gehört, muß hier noch kräftig gefördert werden, wie die Stellenausschreibungen zeigen, "daß Frauen – bei gleicher Qualifikation, versteht sich – bevorzugt eingestellt werden". Und wenn das dann wirklich geschieht, wird es oft doch als Sensation empfunden. Sicherlich wird in dieser Hinsicht die Entscheidung in Frankfurt für Die Deutsche Bibliothek einen erheblichen Impuls bedeuten. Die Zeit ist wohl auch vorbei, daß Frauen in Leitungsfunktionen, auch des Bibliothekswesens, als exotische Wesen betrachtet wurden, denn die neue Generation von Frauen scheint sich nicht mehr mit der Rolle von Referentinnen zu begnügen und will sich begreiflicherweise keiner "Herr"-schaft mehr beugen. Ja, die Zeit ist wohl schon angebrochen, in der sich die Männer der ernsthaften und fairen Konkurrenz der Frauen stellen müssen, statt sich ihrer nur mit überheblichen Vorurteilen zu erwehren. Wir werden sehen, ob dann mit dem Ende der "Herr"schaft auch ein anderer Geist in unsere Bibliotheken einzieht?

Aber in diesem Heft soll nun keineswegs die Frauenfrage thematisiert werden. Es gibt so viele andere mitteilenswerte Themen. Daß z.B. die räumliche Situation der Bibliotheken in den neuen Bundesländern sich endlich langsam bessert, zeigen die Berichte über die Bibliotheks- bauten in Zwickau und Leipzig. Auf großes Interesse stoßen wird sicherlich die Arbeit von Rafael Ball über die Diversifizierung von Bibliotheksdienstleistungen in einer Zeit der finanziellen und personellen Engpässe. Auch die Untersuchung der beiden Kölner Professoren Osswald und Fuehles-Ubach über die Anforderungen an eine Betriebssoftware zur Betriebssteuerung mit aktuellem Vergleich der Angebote in Deutschland wird viele Bibliotheken interessieren. Einzelpersonen werden sich dagegen gerne in die Darstellung des EU-Projektes LIBERATION einlesen wollen, das die digitale Bibliothek als persönliche Wissensplattform ermöglichen will.

So gesehen glauben wir, mit diesem 1. Heft des 2. Jahrgangs der Zeitschrift B.I.T.online unseren Lesern/Leserinnen wieder ein aktuelles Leseprogramm zu bieten. Wir danken ihnen und den uns begleitenden Firmen für die Unterstützung im ersten, dem wohl immer schwierigsten Erscheinungsjahr und hoffen auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit in diesem Neuen Jahr.

Dr. Rolf Fuhlrott

Chefredakteur