Rheinland-Pfalz beruft erste Direktorin einer Hochschulbibliothek

Dr. Irmgard Lankenau in ihr Amt eingeführt

Noch kurz vor Ablauf des alten Jahres wurde am 9. Dezember 1998 Frau Dr. Irmgard Lankenau in ihr neues Amt als Direktorin der Universitätsbibliothek Koblenz-Landau eingeführt. Sie hat zwar schon im Sommer dort ihre Tätigkeit aufgenommen, als erste Frau an der Spitze einer Hochschulbibliothek des Landes Rheinland-Pfalz, aber die auf drei Standorte verteilte Universität – mit den Lehr- und Forschungsstandorten in Koblenz und Landau sowie einem dritten in Mainz mit der Hochschulleitung – ließ erst einen so späten Amtseinführungstermin zu. Damit verbunden war die Verabschiedung des langjährigen Direktors Dr. Hans Düvel. Er hatte die Bibliothek über 27 Jahre geleitet und gehört damit zu den dienstältesten Bibliotheksdirektoren.

So war natürlich auch die Würdigung der Leistung von Dr. Hans Düvel über mehr als ein Vierteljahrhundert ein wesentlicher Bestandteil der Feierstunde, zu der Bibliothekare aus dem ganzen Land und angrenzenden Bundesländern angereist waren. Es war Anfang der 70er Jahre, als die Pädagogischen Hochschulen gerade aufgelöst waren und an ihre Stelle die Erziehungswissenschaftliche Hochschule Rheinland-Pfalz (EWH) trat mit den Abteilungen in Koblenz, Landau und Worms, als der Bibliotheksaufbau für die Hochschule begann, die zu dieser Zeit auch das Promotions- und Habilitationsrecht erhielt. 1978 wurde die Abteilung Worms aufgelöst, und in Koblenz und Landau entwickelten sich die verschiedenen Studien- und Diplomstudiengänge, bis 1990 die EWH durch Landesgesetz zur Universität Koblenz-Landau umgewandelt wurde mit der heutigen Aufteilung in Fachbereiche. In Landau sind dies heute die vier Fachbereiche Erziehungswissenschaften, Philologie, Psychologie und Naturwissenschaften mit etwa 4.700 Studenten und in Koblenz die vier Fachbereiche Erziehungswissenschaften, Philologie, Naturwissenschaften und Informatik mit etwa 4.300 Studenten. Für die Universitätsbibliothek galt es zunächst, den Büchergrundbestand für Lehre und Forschung der an der Universität vertretenen Fachgebiete aufzubauen, wie überall mit zu wenig Personal und unzureichenden Räumlichkeiten.

In Koblenz wurde 1997 mit dem Um- und Ausbau der vom Bund erworbenen ehemaligen Pionierkaserne in Metternich zum neuen Universitätscampus begonnen, während der Campus Landau in den Fortifikationen des Festungsbaumeisters Vauban entstand.

Dieser Entwicklung hatte der Direktor Dr. Düvel mit dem Auf- und Ausbau sowie der Weiterentwicklung der Bibliothek vorzüglich Rechnung getragen, was sowohl der Präsident der Universität, Prof. Dr. Hermann Saterdag, als auch der Vorsitzende des Beirats für das wissenschaftliche Bibliothekswesen in Rheinland-Pfalz, Ltd. Bibliotheksdirektor Dipl.-Ing. Dieter Johannes, ausführlich würdigten. Der Geehrte sprach danach von seinen Glücksgefühlen, als er die Bibliothek von den Studenten angenommen sah, aber auch von seiner Frustration angesichts der zögerlichen Planung eines Neubaus für die Universitätsbibliothek in Landau. Seine Dankesrede wurde jedoch insgesamt zu einer Liebeserklärung an die Universität.

Der zweite Teil der Feierstunde, umrahmt von Klaviervorträgen des Akademischen Direktors Peter Imo, war der Amtseinführung der neuen Bibliotheksdirektorin Dr. Irmgard Lankenau gewidmet. Natürlich konnte bei ihrer Begrüßung noch kaum auf ihre Leistungen für die Universität hingewiesen werden, da sie ja erst knapp fünf Monate im Amt war, aber ihre Vorstellung und bisherige Vita waren für die Universität so eindrucksvoll, daß die Begrüßung auch überaus freundlich ausfiel.

Dr. Irmgard Lankenau studierte an der Universität Karlsruhe Geschichte, Bau- und Kunstgeschichte sowie Germanistik und beendete ihre Studien 1977 mit dem Magisterabschluß. Anschließend war sie bis 1983 Assistentin am Institut für Geschichte, wo sie mit einer Arbeit über Elsaß-Lothringen promovierte. Danach entschloß sie sich zur Ausbildung als wissenschaftliche Bibliothekarin. Ihre Referendarzeit verbrachte sie an der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe und schloß die Fachprüfung an der Bibliotheksschule in Frankfurt am Main 1985 ab. Nach Abschluß ihrer Ausbildung wirkte sie zehn Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachinformationszentrum Karlsruhe, vorwiegend als Assistentin des Technisch-Wissenschaftlichen Geschäftsführers. In dieser Aufgabe sammelte sie vielseitige Erfahrungen in der Gremienarbeit, und zwar weltweit. 1995 wechselte sie als Leiterin des Servicebereichs an das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt am Main, wo sie Erfahrungen mit drei unterschiedlichen Standorten in Frankfurt, Leipzig und Berlin sammeln konnte. Auch dies macht Frau Lankenau qualifiziert für die Aufgabe der Leitung der Bibliothek der Universität Koblenz-Landau mit ihren ebenfalls drei Standorten in Landau, Koblenz und Mainz.

In ihrer Antrittsrede beschrieb Frau Dr. Lankenau Lösungsansätze für die der Universitätsbibliothek bevorstehenden Aufgaben, wie Bezug und Einrichtung der Neubauten in Koblenz und in Landau, Koordinierung der verschiedenen Standorte durch Online-Kataloge, Digitalisierung von gedruckten Medien, vor allem Zeitschriften, Hinwendung zu einem Verbundsystem im Lande, Informationsmanagement, Unterrichtung von Benutzern und Lesern im Gebrauch elektronischer Medien, Einrichtung von Learning Centers und vieles mehr. So listete die neue Direktorin ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf, die ihr vorschweben, damit die Universtätsbibliothek in die Lage kommt, für Lehre und Forschung gleichsam ein Ariadnefaden durch die sich ausweitende und immer unübersichtlicher werdende elektronische Informationswelt zu werden.

Rolf Fuhlrott, Karlsruhe

Die Zeitschrift B.I.T.online möchte nun gerne aus diesen Vorstellungen von Frau Dr. Lankenau einige Gesichtspunkte auswählen, um sie in einem Gespräch mit ihr zu vertiefen.

 

B.I.T.online:

Frau Dr. Lankenau, wir gratulieren herzlich zu Ihrer Berufung in das Amt einer Leitenden Direktorin an der Universitätsbibliothek Koblenz-Landau. Wir haben schon in unserem Editorial darauf hingewiesen, daß damit der letzte weiße Fleck in der frauenlosen Bibliotheksleitung einer Hochschule in Rheinland-Pfalz beseitigt wurde und auch angedeutet, daß dadurch, daß mehr Frauen in Leitungsfunktionen auch Wissenschaftlicher Bibliotheken aufsteigen, möglicherweise dort ein anderer Geist einzieht oder ein anderes Klima sich einstellt. Sehen Sie das auch so und was glauben Sie, können Sie in dieser Hinsicht bewirken?

Dr. Lankenau:

Zunächst vielen Dank für die freundlichen Glückwünsche zu meiner Berufung.

Ich habe während meiner Berufstätigkeit die Erfahrung gemacht, daß es nicht so sehr darauf ankommt, ob die Leitungspositionen mit Frauen oder Männern besetzt sind, sondern daß es vielmehr darauf ankommt, wie die Führungsposition ausgefüllt wird. Für mich persönlich ist es sehr wichtig, konstruktiv mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Aufsichtsgremien und Benutzern umzugehen; die Bereitschaft zu zeigen, Verantwortung zu übertragen und ein offenes und faires Arbeitsklima zu schaffen. Wie gesagt, diese Einsichten sind nicht unbedingt eine Frage des Geschlechts, sondern der grundsätzlichen Einstellung. Was nun die Zunahme von Frauen in Führungspositionen in Bibliotheken angeht, ist dies vor allem dadurch bedingt, daß immer mehr Frauen sehr gut ausgebildet sind und vielfältige Kompetenzen erwerben konnten. Da in den meisten Bibliotheken der Frauenanteil unter den Beschäftigten sehr hoch ist, ist ja auch nicht einzusehen, warum dies gerade in den Führungspositionen nicht sein sollte. Also, eine normale Entwicklung, die sich sicherlich noch weiter fortsetzen wird.

B.I.T.online:

Vor Ihrer Berufung nach Landau waren Sie, Frau Dr. Lankenau, an einer Forschungseinrichtung tätig, die auf drei Standorte verteilt ist. In dieser Hinsicht treffen Sie an der Universität Koblenz-Landau auf eine ähnliche Situation. Wie glauben Sie, daß im Bereich der Literaturversorgung und Informationsvermittlung diese Situation überbrückt werden kann?

Dr. Lankenau:

Es ist in der Tat eine organisatorische und logistische Herausforderung, zwei Bibliotheken, die jeweils aus mehreren Bibliotheken zusammengewachsen sind, zu einer "virtuellen" Universitätsbibliothek zusammenzuführen. Die modernen technischen Möglichkeiten geben uns aber viele Instrumente in die Hand, dies zu tun. Ein wichtiges Ziel für uns ist die Einführung eines einheitlichen Bibliothekssystems in beiden Bibliotheken, so daß z.B. ein gemeinsamer Katalog und ein gemeinsames Zeitschriftenverzeichnis erzeugt werden können. Das gibt uns intern die Möglichkeit, unseren Benutzern das Gesamtangebot der Bibliothek zur Verfügung zu stellen u.a. auch durch eine "Fernleihe" zwischen den beiden Standorten. Außerdem fällt es dann leichter, Erwerbungsabsprachen zu treffen und die Zeitschriftenabonnements abzustimmen. Ein erster wichtiger Schritt war der Aufbau eines CD-ROM-Servers für die gesamte Universität, so daß die Informationsversorgung an beiden Standorten den heute üblichen Erfordernissen angeglichen werden konnte.

B.I.T.online:

Was wird hier in Koblenz-Landau anders gemacht oder kann anders gemacht werden, damit die Entwicklung nicht so verläuft wie in Trier-Kaiserlautern?

Dr. Lankenau:

Da wir an der Universität Koblenz-Landau ein Präsidialamt haben, das übrigens neutral in der Mitte, nämlich in Mainz angesiedelt ist, ist die Klammer für beide Standorte gegeben. Es ist ein ganz wichtiges Anliegen, die Corporate Identity der Gesamtuniversität zu stärken. Hier können die zentralen Einrichtungen wie Bibliothek und Rechenzentrum, die ja an beiden Standorten tätig sind, sehr positiv und verbindend wirken. Im übrigen werden an der Universität Koblenz-Landau auch Veranstaltungen standortübergreifend angeboten. Auch hier sind wir in der glücklichen Lage, die technischen Möglichkeiten ausnutzen zu können, um die Verbindung zwischen beiden Standorten weiter wachsen zu lassen.

B.I.T.online:

An beiden Forschungsstandorten der Universität Koblenz-Landau werden in den nächsten Jahren neue Bibliotheken gebaut. Welche Wünsche und Vorstellungen verknüpfen sich damit für Sie?

Dr.Lankenau:

Zunächst ist es für uns alle sehr erfreulich, daß das Land Rheinland-Pfalz und die Universität sich für diese beiden Neubauten entschieden haben, was ja heute nicht unbedingt selbstverständlich ist. Ich selbst erhoffe mir bessere Arbeitsbedingungen für die Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sowie für die Studierenden und die Angehörigen der Universität. Sicherlich wird es an beiden Standorten in den nächsten Jahren zu Engpässen und Schwierigkeiten kommen, vor allem in Landau, da die Bibliothek hier für mehr als zwei Jahre in ein Ausweichquartier umziehen muß, aber für uns alle ist es eine große Herausforderung und eine aufregende Erfahrung. Wir sind aber sicher, auch diese schwierige Zeit bewältigen zu können.

B.I.T.online:

Welche Aufgaben oder auch Gefahren sehen Sie für Universitätsbibliotheken generell in den nächsten Jahren, vor allem vor dem Hintergrund der immer stärker werdenden Endnutzerkompetenz?

Dr. Lankenau:

Wir sind mitten in einem dramatischen Umbruch. Unsere Endnutzer können vom Arbeitsplatz aus auf Kataloge, Bibliographien und Volltexte zugreifen und es hat dann manchmal den Eindruck, daß man in dieser virtuellen Welt keine Bibliotheken mehr braucht. Ich möchte dagegen halten und sagen, jetzt erst recht. Allerdings müssen sich die Bibliotheken von ihrer traditionellen Rolle zu "learning centres" wandeln. Das heißt, wir müssen analysieren, wo unser Know-how benötigt wird, zum Beispiel im Bereich Schulung von Benutzern, bei der Aushandlung von Konsortiallösungen, beim Angebot von Multimedia-Arbeitsplätzen in der Bibliothek und auch in erweiterten Aufgabengebieten. Ich denke hierbei besonders an die Versorgung von Fernstudenten oder von solchen Personen, die sich an der Universität weiterbilden, dies ist ja im übrigen auch ein besonderer Schwerpunkt der Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz. Generell gesagt: die Bibliothek sollte die Entwicklungen an und in ihrer Universität begleiten und sich überlegen, wie sie daran teilhaben kann bzw. wo es Möglichkeiten gibt zum Mitgestalten.

B.I.T.online:

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, daß an den Universitäten Globalhaushalte eingeführt werden. Welche Auswirkungen wird das Ihrer Ansicht nach auf die Bibliotheken haben?

Dr. Lankenau:

Zunächst müssen sich Bibliotheken meiner Ansicht nach konsequent als Betrieb begreifen - und dies nicht nur in Zeiten von Globalhaushalten. Wir müssen akzeptieren, daß Fragen wie Budgetierung, Qualitätsmanagement, Kostenrechnung, Organisationsfragen etc. vor der Bibliothekstüre nicht halt machen, das heißt also, daß Mangementfragen sehr viel stärker als bisher in den Vordergrund rücken werden. Auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Bibliotheksfachleute vor allem in diesem Bereich muß intensiviert, systematisiert und koordiniert werden. Erst dann können wir unsere Leistungen innerhalb der Universität glaubhaft darstellen und "verkaufen".

B.I.T.online:

Was, Frau Dr. Lankenau, würden Sie sich wünschen, wenn es um die politische Dimension des Bibliothekswesens geht?

Dr. Lankenau:

Zum einen natürlich mehr Aufmerksamkeit, sprich Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Und zum anderen wünsche ich mir, daß sich Bibliothekare noch mehr als bisher als eine Interessengemeinschaft artikulieren. Wir alle unterliegen den gleichen Änderungsprozessen, und von wem könnte man besser lernen oder sich inspirieren lassen als von Fachkollegen, die bereits entsprechende Erfahrungen und Prozesse durchgemacht haben? Dies sollte nicht zufällig, sondern organisierter als bisher stattfinden. In diesem Zusammenhang ist es natürlich zu bedauern, daß das DBI als zentrale Anlauf- und Kontaktstelle möglicherweise nicht mehr zur Verfügung stehen wird. So werden die Bibliothekare/Innen wie auch die Bibliotheken wieder mehr auf sich alleine gestellt sein und ihr Erfahrungsprozess hängt sehr stark von ihrer Eigeninitiative ab. Vielleicht kann dabei eine Universität bzw. Bibliothek mit mehreren Standorten auch beispielhaft sein?

B.I.T.online:

So also schließt sich der Kreis unserer Fragen wieder. Uns, Frau Dr. Lankenau, bleibt daher nur übrig, Ihnen für dieses Gespräch sehr herzlich zu danken und Ihnen für die Verwirklichung Ihrer Ziele in Ihrem neuen Amt alles Gute und eine glückliche Hand zu wünschen.