UB Karlsruhe führt "elektronischen Kardex" ein

von Uwe Dierolf und Clemens Tubach

Mitte 1997 wurde an der UB Karlsruhe ein auf der i3v-Technologie basierendes Erwerbungssystem für den Bereich Monographien eingeführt. Das System entstand im Rahmen einer Entwicklungskooperation zwischen der UB Karlsruhe und der GINIT GmbH Karlsruhe. Als konsequente Weiterentwicklung nahm im Oktober 1998 ein System zur Periodikaverwaltung seinen produktiven Betrieb auf, das seit Januar 1999 den bisher manuell geführten Kardex komplett abgelöst hat.

1. Motivation

Der Solidarpakt sichert den Hochschulen in Baden-Württemberg einerseits eine verstärkte Autonomie zu, auf der anderen Seite müssen die Hochschulen im Laufe der kommenden Jahre den Personalbestand reduzieren. Die Entscheidung der UB Karlsruhe für die Einführung eines integrierten in-house-Systems zur Abwicklung aller Geschäftsgänge innerhalb der Bibliothek entstand somit aus der Notwendigkeit heraus, die wachsenden Aufgaben bei sinkendem Personalbestand auch in Zukunft noch bewältigen und - falls möglich - sogar die Dienstleistungen weiter ausbauen zu können.

Im Herbst 1996 startete die UB Karlsruhe eine Entwicklungskooperation mit der GINIT GmbH Karlsruhe. Ziel war die Entwicklung eines integrierten Bibliothekssystems auf Basis der i3v-Technologie. Ihren Ursprung fand die i3v-Technologie an der Fakultät für Informatik der Universität Karlsruhe (1) und (2). Hier entstand ein Werkzeug zur Erstellung leistungsfähiger, integrierter Informationssysteme. Seit 1994 wird dieses System von der GINIT GmbH Karlsruhe weiterentwickelt und erfolgreich eingesetzt. Mit ausschlaggebend für die Entscheidung der UB Karlsruhe für i3v waren die langjährigen Erfahrungen und das Vorliegen ausgereifter, technischer Lösungen bei der Abbildung universitärer Verwaltungsprozesse seitens des Kooperationspartners GINIT. i3v erschien dadurch auch besonders geeignet für die EDV-gestützte Bearbeitung aller bibliotheksinternen Geschäftsprozesse.

Bereits im 1. Quartal 1997 wurde die i3v-Personaleinsatzplanung zur Verwaltung personeller Ressourcen der Bibliothek in der Benutzungsabteilung und im Direktionssekretariat eingesetzt (5). Mitte 1997 wurde anschließend die i3v-Bibliothekserwerbung eingeführt (3) und (6). Sie deckt den Bereich Monographien ab. Anfang 1998 wurde in der Direktion der UB Karlsruhe die Mittelbewirtschaftung auf das i3v-Haushaltsmanagement (7) umgestellt. Die beiden Module, i3v-Bibliothekserwerbung und i3v-Haushaltsmanagement, wurden zu Beginn des 2. Quartals gekoppelt. Die Bestellung eines Bandes führt direkt zu einer Mittelfestlegung. Auf von der Erwerbungsabteilung erfasste Rechnungsdaten kann die Rechnungsstelle online zurückgreifen.

Die Synergie- und Rationalisierungeffekte, die sich aus dem Einsatz des integrierten i3v-System für die UB Karlsruhe ergeben haben, sind so hoch, dass der Einsatz an allen Bildschirmarbeitsplätzen innerhalb der UB Karlsruhe angestrebt wird (9). Die Konsequenz war, dass sogar der als sehr schwierig eingestufte Bereich der Periodikaverwaltung Ende 1997 für den i3v-Einsatz evaluiert und kurz darauf mit der Implementierung begonnen wurde (10). Im Oktober 1998 wurde die i3v-Periodikaverwaltung eingeführt, welche seit Januar 1999 den bisher manuell geführten Kardex komplett abgelöst hat.

2. i3v- Periodikaverwaltung

In der UB Karlsruhe waren seit einigen Jahrzehnten Benutzerservice und Periodikaverwaltung zentral im Zeitschriftenlesesaal (ZL) zusammengeführt. Diese organisatorische Struktur sollte mit Hilfe der i3v-Periodikaverwaltung aufgebrochen und durch eine räumlich getrennte Struktur ersetzt werden. Der Benutzungsbetrieb führte oft zu Unterbrechungen bei der Erfassung erscheinender Medien oder bei der Rechnungsverwaltung.

Seit Januar 1999 manifestiert sich diese neue Struktur auch im Geschäftsverteilungsplan der UB Karlsruhe. Benutzungsbetrieb findet nach wie vor im ZL statt, die gesamte Periodikaverwaltung konnte jedoch in ein anderes Stockwerk verlagert werden.

2.1 Einführung der i3v- Periodikaverwaltung

Es galt also einen Bereich umzustrukturieren, der in den letzten 30 Jahren kaum Veränderungen durchmachen mußte. Da die Entwicklung gemeinsam in ständiger Absprache mit den Mitarbeiterinnen des ZL stattgefunden hatte, waren nur wenige Grundlagenschulungen zu i3v notwendig. Die eigentliche Einarbeitung fand bei der praktischen Arbeit (also "on the job") statt.

Von Vorteil für die rasche Aufnahme des Betriebs war eine etwa 1800 Titel umfassende Excel-Liste. Diese Daten wurden als Rohmaterial eingespielt und mussten ergänzt und korrigiert werden. Ergänzungen wurden einerseits im Moment des Eingangs der Zeitschriftenhefte durchgeführt. Andererseits wurden die Stammdaten für Lieferanten und Verlage parallel dazu erfasst. So wuchs der Bestand innerhalb der dreimonatigen Einführungsphase derart rasant, dass zum Jahresbeginn bereits etwa 85 Prozent der Kardexdaten in i3v vorlagen.

Da zum Zeitpunkt der produktiven Inbetriebnahme die Buchbinderkartei noch nicht komplett implementiert war, sollte jedoch auch für kommenden Bindearbeiten die ungebundenen Hefte rückwirkend erfasst werden. Hierzu wurde eine sehr einfache Möglichkeit geschaffen, eingehende Hefte auch ohne Etikettdruck und unter Verwendung einer automatischen Numerierung einzugeben.

2.2 Struktur der i3v- Periodikaverwaltung

Die i3v-Periodikaverwaltung gliedert sich grob in folgende Bereiche Titel, Abo und Ausgaben. Unter Ausgaben versteht man alle Medien (Zeitschriftenhefte, Zeitungen, CDs, Disketten, Lieferwerke, Loseblattausgaben, Mikrofiches etc.), die erfasst werden können. Den Regelfall bilden die Zeitschriftenhefte. Die nachfolgenden Beispielen beziehen sich daher auch nur darauf. Natürlich werden auch Kombiabos (sog. Packages) unterstützt. Lieferanten und Verlage basieren auf dem Firmenstamm, der bereits der i3v-Bibliothekserwerbung zugrundeliegt.

Abbildung 1: Maske zur Erfassung der Titeldaten

Die Titelmaske umfaßt neben den eigentlichen Angaben zum Titel die Daten, welche auch bei einem Mehrfachabo (mehrere Abos der gleichen Zeitschrift) nur einmal erfaßt werden müssen. Um ein Abo zu erfassen, muß zuerst ein Titelsatz angelegt werden (Abb. 1). Die Abomaske ist die zentrale (Arbeits-) Maske der Kardex-Anwendung. Sie umfaßt alle Daten, die sich bei Mehrfachabos unterscheiden können.

Ziel der Entwicklung war natürlich auch, den gewohnten Umgang mit dem manuell geführten Kardex gut nachzubilden. Die meiste Zeit bei der Verwaltung von Periodika entsteht bei der Bearbeitung von eingehenden Lieferungen. Diese Arbeiten können komplett über die Karteikarte "Ausgaben" der Abo-Maske durchgeführt werden (Abb. 2). Die Werte in den Feldern "neue Ausgabe" am unteren Rand der Maske werden vom System automatisch vorbelegt und können bei Bedarf verändert werden. Bei Eingang eines Heftes wird nach einem Klick auf einen der Buttons "m. Druck" bzw. "o. Druck" der entsprechende Datensatz mit dem Tagesdatum als Eingangsdatum und dem Status "ungebunden" angelegt. Bei "mit Druck" wird außerdem ein Etikett gedruckt. Mit einem Klick auf "Nein" wird ein Datensatz für ein Heft angelegt, bei dem bemerkt wurde, daß es schon eingegangen sein müßte. Das Heft befindet sich dann im Status "nicht eingegangen" und kann anschließend auf der Ausgabemaske reklamiert werden (siehe unten). Im Feld rechts oben auf der Abomaske werden die wichtigsten Daten angezeigt, die beim Erfassen eines neuen Heftes von Interesse sind.

Abbildung 2: Hefterfassung auf der Abomaske

Es steht außerdem eine Funktion zur Verfügung, mit deren Hilfe sich der Benutzer alle Abos anzeigen lassen kann, bei denen der Eingang des nächsten erwarteten Heftes überfällig ist. Die Ausgabemaske umfaßt neben den eigentlichen Mediendaten wie Jahrgang, Band- bzw. Heftnumerierung, Ausgabeart und Status die Daten, die im Zusammenhang mit Reklamationen von Interesse sind (Abb. 3).

Hier werden nicht eingegangene oder beschädigte Hefte (oder andere Medien) reklamiert. Dazu stehen entsprechende Funktionen zur Verfügung, mit deren Hilfe Reklamationsformulare gedruckt werden können. Bereits reklamierte Hefte werden außerdem vom System überprüft. Geht innerhalb einer bestimmten Frist kein Ersatz ein, kann das entsprechende Heft erneut reklamiert werden.

Abbildung 3: Informationen zu einem Zeitschriftenheft

Im Rahmen der Buchbinderverwaltung anzulegende Buchbindervertreter und entstehende Bände werden ebenfalls erfasst. Die Eintragung von Bänden im UB-eigenen Ausleihsystem OLIX ist aus i3v heraus möglich. Diese Offenheit von i3v war bereits bei der Inventarisierung im Rahmen der i3v-Bibliothekserwerbung ein grosser Vorteil.
Rechnungen (sowohl Einzel- als auch Sammelrechnungen) werden derzeit noch ohne Kopplung ans i3v-Haushaltsmanagement in i3v erfasst. Der Zugriff auf die Rechnungsdaten wird aber schon in Kürze möglich sein (siehe Kapitel 2.4).

Weiterhin ist innerhalb der i3v-Periodikaverwaltung auch eine (vorerst noch einfach strukturierte) Umlaufverwaltung integriert. Für jeden Mitarbeiter, der an einem Umlauf teilnimmt, wird ein Umlaufkürzel vergeben. Die Kürzel aller Umlaufteilnehmer eines Abos finden sich auf dem Etikett wieder, das für jedes eingehende Medium gedruckt wird. Die Umlaufkontrolle erfolgt momentan noch nicht durch i3v (siehe Kapitel 2.4).

2.3 Integration in vorhandene Online-Dienste

Schon während der Einführungsphase entstand seitens der Mitarbeiter der weiteren Abteilungen der UB Karlsruhe der Wunsch nach Einblick in den neuen "elektronischen Kardex". Hierzu wurde eine WWW-Schnittstelle geschaffen, die eine Suche innerhalb der Zeitschriftentitel und ausgehend von einer Zeitschrift den Zugriff auf die Heftinformationen aller Abos erlaubt (Abb. 4).

Abbildung 4: Integration im WWW

Parallel dazu wurde der WWW-OPAC der UB Karlsruhe sowie der nur für die Mitarbeiter der Universität Karlsruhe zugängliche Zeitschrifteninhaltsdienst (kurz ZID) (4) dahingehend erweitert, dass ausgehend von einem Zeitschriftentitel die Angaben zu allen Heften aus der i3v-Periodikaverwaltung abgefragt werden können. Ein Grossteil aller Benutzeranfragen ("Ist Heft x der Zeitschrift y schon da?") entfällt somit für die Mitarbeiterinnen des Zeitschriftenlesesaals. Der dezentrale Zugriff auf Heftinformationen im "i3v-Kardex" erleichtert auch die Arbeit der in die Abwicklung der Dokumentlieferdienste LEA (Lokaler Elektronischer Aufsatzlieferdienst) (8) und Subito involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

2.4 Offene "Baustellen"

Die Buchbinderkartei befindet sich derzeit noch in der Fertigstellungs- und Testphase. Der produktive Betrieb wird aber für das 2. Quartal 1999 angestrebt. Dann können auch die in der Einband- und Schlussstelle anfallen Geschäftsabläufe in i3v integriert werden.

Die Dokumentlieferdienste erfordern es, alle Zeitschriften als Präsenzbestand zu halten. Allerdings gibt es ja bekanntermassen keine Regel ohne Ausnahme. So ist eine Kurzausleihe nach wie vor noch möglich. Darunter fallen auch die Entnahme eines Heftes im Rahmen des Umlaufs oder bei der Erledigung eines Scan-Auftrags. Da für jedes eingehende Medium ein Etikett mit einem eindeutigen Barcode inklusive Signatur und Umlaufkürzel gedruckt wird, kann ein Standortwechsel (=Kurzausleihe) an allen Arbeitsplätzen im Haus mittels kostengünstiger Barcodelesegeräten dem i3v-System mitgeteilt werden.

Die Kopplung von i3v-Bibliothekserwerbung und i3v-Haushhaltsmanagement brachte sehr grosse Rationalisierungseffekte mit sich. Diese Lösungen werden in den nächsten Monaten auf die i3v-Periodikaverwaltung übertragen.

3. Fazit

Der manuell geführte Kardex galt lange Zeit als ein Gebiet, das sich nach Aussage der Bibliothekare nicht durch EDV-Systeme abbilden lässt, bzw. dessen EDV-gestützte Bearbeitung keine Vorteile mit sich bringt.

Die UB Karlsruhe ist sich jedoch sicher, dass die vorliegenden Ergebnisse der letzten vier Monate schon jetzt als sehr positiv zu werten sind. Nicht nur in-house ergeben sich grosse Vorteile, sondern gerade auch für die Benutzer konnten - natürlich nicht im einzelnen messbare - qualitative Verbesserungen erzielt werden. Die Ausrichtung nach den Wünschen der Kunden ist immer ein oberstes Ziel aller Bibliotheken, dem wir hoffentlich ein gutes Stück nähergekommen sind.

Literatur

  • (1) Bodack, Jens Eric: Integrierte, institutionelle Informationsverarbeitung - Planung und Implementierung eines Prototyps. Studienarbeit, Fakultät für Informatik der Universität Karlsruhe, Mai 1991

    (2) Dierolf, Uwe: i3v - Integrierte, institutionelle Informationsverarbeitung. - In: Tagungsband zum Symposium "PCs in kleinen und mittleren Unternehmen" der Fachgruppe 2.0.1 der Gesellschaft für Informatik, September 1991

    (3) Dierolf, Uwe: Entwicklung eines i3v-basierten Erwerbungsmodul. – In: Bibliotheksdienst Heft 10, 1997, S. 1991-2003
    http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/bd_art/97_10_10.htm

    (4) Dierolf, Uwe; Mönnich, Michael: Zeitschrifteninhaltsdienst (ZID) – In: EUCOR-Bibliotheksinformation, Heft 9, Oktober 1996
    http://www.ub.uni-freiburg.de/eucor/infos/9-1996/06.html

    (5) GINIT GmbH: Datenblatt i3v-Personaleinsatzplanung. http://www.ginit.de/ginit/00175910/i3v/Pdf/persopl.pdf

    (6) GINIT GmbH: Datenblatt i3v-Bibliothekserwerbung. http://www.ginit.de/ginit/00175910/i3v/Pdf/erwerbung.pdf

    (7) GINIT GmbH: Datenblatt i3v-Haushaltsmanagement", http://www.ginit.de/ginit/00175910/i3v/Pdf/hms.pdf

    (8)Radestock, Günter; Tangen, Diana M.: Elektronische Lieferung von Zeitschriftenaufsätzen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Karlsruhe. – In: RZ-News, Oktober/November 1997
    http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/vvv/guenter/rznews97b/index.html

    (9) Schubert, Lars: EDV-gestützte Vorgangsbearbeitung am Referentenarbeitsplatz". Studienarbeit, Fakultät für Informatik der Universität Karlsruhe, August 1998

    (10) Tubach, Clemens: Entwicklung eines Systems zur Verwaltung periodisch erscheinender Medien und dessen Integration in ein Hochschulinformationssystem. Diplomarbeit, Fakultät für Informatik der Universität Karlsruhe, Juli 1998

  • Ansprechpartner

    Neben den beiden Autoren Dierolf und Tubach auch Dipl.-Informatiker Ulrich Kammerer, Geschäftsführer der GINIT, Vincenz-Prießnitz-Str.1, D-76131 Karlsruhe,

    E-Mail: Kammerer@ginit.de

     

    Zu den Autoren

    Dipl.-Inform. Uwe Dierolf

    ist seit 1995 an der UB Karlsruhe als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Er ist stellvertretender Leiter der EDV-Abteilung. Seine Aufgabenschwerpunkte sind die Internetdienste der UB Karlsruhe sowie die UB-internen Büroinformationssysteme.

    Universitätsbibliothek Karlsruhe
    Postfach 6920
    D-76049 Karlsruhe
    E-Mail:
    Uwe.Dierolf@ubka.uni-karlsruhe.de
    WWW:
    http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/~uwe
    Tel: 0721/608-6076 (Fax -4886)

     

    Dipl.-Inform. Clemens Tubach

    arbeitet seit 1998 an der UB Karlsruhe als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der EDV-Abteilung. Er ist zuständig für die Fortentwicklung der i3v-Periodikaverwaltung und Betreuung der Mitarbeiterinnen der Abteilung Medienbearbeitung, Bereich Zeitschriften.

    Universitätsbibliothek Karlsruhe
    Postfach 6920
    D-76049 Karlsruhe
    E-Mail:
    tubach@ubka.uni-karlsruhe.de
    Tel: 0721/608-3133 (Fax -4886)