Neubau der Hochschulbibliothek in Zwickau

Zeitgemäße Architektur und modernster Bibliotheksservice im Stadtzentrum

Von Steffi Leistner

Erstmals in Ihrer über 100jährigen Geschichte erhielt die Westsächsische Hochschule Zwickau (FH) einen eigenständigen Bibliotheksbau.

 

Nach vierjähriger Bauzeit wurde der Zweckbau aus Glas mitten im Stadtzentrum von Zwickau seiner Bestimmung übergeben. Zeitgemäße transparente Architektur verbunden mit modernster Bibliotheksausstattung und Technik kennzeichnen das Gebäude. Als einzige wissenschaftliche Bibliothek der Region Zwickau und Hauptbibliothek der Hochschule erfüllt das neue Haus gleichzeitig fächerübergreifende und kommunikative Aufgaben im Raum Westsachsen.

 

The newly built library at the University of Applied Sciences in Zwickau

Modern architecture and the most up-to-date library services in the city centre

For the first time in its over 100 year history, the University of Applied Sciences in Zwickau has obtained its own central library. After a four year construction period, the functional glass building situated in the city centre of Zwickau has finally been opened to serve its function. The modern, transparent architectural style combined with state of the art library equipment and technology are the principal characteristics of this building. As the only scientific library in the area of Zwickau and as the main library of the University, this new building fulfills the functions as both an interdisciplinary and communicative centre for the region of West Saxony.

 

La nouvelle construction de la bibliothèque de l’Université de Zwickau

Une architecture moderne et les services bibliothécaires les plus actuels au centre de la ville

Pour la première fois dans son histoire vieille de plus de cent ans, l’Université de Zwickau a obtenu sa bibliothèque indépendante. Au terme d’une période de construction de quatre ans, le bâtiment fonctionel en verre, situé en plein centre ville de Zwickau, a été mis en fonction. Une architecture actuelle et transparente liée a un équipement de bibliothèque et à une technique ultra-modernes sont les principales caractéristiques de la bâtisse. En tant que seule bibliothèque de type scientifique de la région de Zwickau et bibliothèque principale de l’université, ce nouveau batiment assure simultanément une fonction pluri disciplinaire et communicative dans l’espace ouest-saxon.

Die neue Bibliothek der Westsächsischen Hochschule Zwickau (FH) vollzieht den Sprung in die Gegenwart.

Gesamtansicht von Norden

Mitten im Stadtzentrum, angelehnt an das innerstädtische Areal der Hochschule, unmittelbar neben einem denkmalgeschützten Bürgerhaus aus dem Jahre 1437 und mit Blick auf den geschichtsträchtigen Kornmarkt, bringt sie zeitgemäße Architektur mit modernstem Bibliotheksservice in Übereinstimmung. Die Zwickauer Hochschule erhielt damit 1998 erstmals in ihrer über 100jährigen Geschichte einen eigenständigen Bibliotheksbau.

Geschichte und Bauvorbereitung

Die Hochschule in Zwickau – seit 1992 als Fachhochschule neu gegründet – erreichte in den letzten Jahren eine wesentliche Verbreiterung ihres Ausbildungsprofiles und ist als einzige Hochschule der Stadt auch regional prägend.

Traditionell werden in Zwickau Kraftfahrzeugtechnik, Maschinenbau und Elektrotechnik gelehrt. Hinzu kamen technisch-naturwissenschaftlich orientierte Studiengänge wie Versorgungs- und Umwelttechnik, Physikalische Technik und Informatik. Außerdem wird in Betriebswirtschaft, Wirtschaftsingenieurwesen, Wirtschafts-sprachen und Pflegemanagement ausgebildet. Im Reichenbacher Hochschulteil kann eine Ausbildung in Textil- bzw. Ledertechnik oder Architektur absolviert werden. Schneeberg bietet die Studiengänge Holzgestaltung, Modedesign und Textildesign und Markneukirchen Musikinstrumentenbau an.

Bibliothekskonzeption und Bibliotheksbauplanung

Nach der Wende zeigte sich, dass die Bibliothek den Erfordernissen der modernen Literatur- und Informationsversorgung von Studenten, Hochschulmitarbeitern und regionalen Nutzern nicht gerecht werden konnte. Die Situation war gekennzeichnet durch riesige Bestandsdefizite, schlechte technische Ausstattung und unzureichende, nicht erweiterungsfähige Bibliotheksflächen. Bereits 1991 wurde deshalb über einen Bibliotheksneubau nachgedacht. Eine Studie zum Bibliotheksbau wurde 1992 durchgeführt, wobei sich das Grundstück in der Klosterstraße als besonders geeignet erwies, da es unmittelbar auf dem Weg der Studenten zwischen Wohnheim, Mensa und den Vorlesungsräumen liegt.

Blick vom Kornmarkt auf die Nordwest-Ecke

Im einschichtigen Bibliothekssystem der Hochschule wurde der Neubau als Hauptbibliothek und gleichzeitig Fachbibliothek für Naturwissenschaft, Technik und Umwelt konzipiert. Zuständig auch für die Zweigbibliotheken Scheffelstraße, Schneeberg und Reichenbach, befinden sich außerdem die Normenauslegestelle und der Magazinbereich im neuen Gebäude. Die 1993 bestätigte Nutzeranforderung ging von 80% Freihandpräsentation sowie einer mehrgeschossigen Verteilung der Bestände aus. Am 31.08.1993 wurde der Bauantrag gestellt und anschließend vom Staatshochbauamt Zwickau im Auftrag des Sächsischen Finanzministeriums ein Architektenwettbewerb ausgelobt. Parallel dazu verliefen der Ankauf von Grundstücksflächen zur Erweiterung des Bauplatzes, der Abriss alter Bausubstanz sowie die archäologischen Ausgrabungen.

 

Wettbewerb und Architektur

Der Architektenwettbewerb wurde am 6. und 7. Oktober 1994 mit der Sitzung des Preisgerichtes abgeschlossen. Die Jury hatte die Aufgabe, aus 71 zugelassenen Arbeiten den geeignetsten Entwurf zu ermitteln. Ausschlaggebend war insbesondere das bewusste Bekenntnis zur neuen, modernen Architektur im Stadtzentrum von Zwickau als Gegensatz zu alter Bausubstanz, wobei zum damaligen Zeitpunkt die Bebauung des gegenüberliegenden Areals am Kornmarkt bereits im Entwurf vorlag.

Der 1. Preis wurde für den Entwurf des Büros "Scheuring-Architekten" (Köln) vergeben.

Bewusst markiert der Bibliotheksbau die Verbindung zwischen Hochschule und Stadt als Eingangsbereich zum innerstädtischen Hochschulcampus.

Vollständig verglast bietet die Bibliothek die Möglichkeit, für alle Interessierten einen Blick in die Welt der Bücher zu riskieren und am Spektrum der Lehre teilzunehmen. Als städtebauliche Besonderheit ist die Idee hervorzuheben, den Straßenzug an dieser Stelle zu öffnen und einen kleinen, etwas höher gelegenen Platz als Eingang in die Bibliothek herauszubilden.

Unter dem weitauskragenden Dach stehen einzelne Baukörper, die sich eigenständig und selbstbewußt darstellen wie z. B. der viergeschossige "Betonwinkel", der das über alle Geschosse durchgehende Treppenhaus umfaßt, der zweigeschossige Lesesaal, der mit seiner Ganzglasfassade Durchblicke bis in den Innenhof des Gebäudes ermöglicht oder der parallel zur Straße gesetzte Verwaltungsriegel, der durch einen zweigeschossigen Betonrahmen als Puffer zur Straße wirkt.

Eingangsbereich mit Ausleihtheke und Garderobe sowie 1. und 2. Obergeschoss

Dieser Betonriegel steht auf einzelnen runden Betonstützen, die als Arkaden den Straßenraum gliedern. Dahinter beginnt der Zeitschriftenlesesaal, der den mit einer Robinie bepflanzten und frei zugänglichen Innenhof integriert. Der Hof senkt sich im hinteren Teil um ein Geschoss ab und belichtet die Lesesaalfläche der Untergeschossebene.

Der Innenraum der Bibliothek wird bestimmt durch die in Sichtbeton belassenen Tragwerkselemente (runde Stützen, Betonflachdecken), eine einheitliche Ausstattung (Wand- und Bibliotheksregale (Fa. Schulz, Speyer), Tische und Stühle in hellem Ahorn sowie Natursisalbelag im gesamten Haus.

Leseplätze 1. Obergeschoss mit Blick zum Atrium

 

Bauausführung und technische Ausstattung

Das viergeschossige, vollunterkellerte Gebäude hat eine Nutzfläche von 2069 m² (Hauptnutzfläche 1953 m²), einen umbauten Raum von 12 610 m³ sowie eine Grundfläche von (31,5 x 23,0) m. Der Baukörper besteht aus einer Stahlbetonkonstruktion (Säulen und Deckenscheiben), die von einer selbsttragenden Stahl-Glas-Außenfassade (geschweißte Pfosten-Riegel-Konstruktion) umschlossen wird.

Freihandbereich und Leseplätze im 1. Obergeschoss

Es wurden etwa 1 500 m² Glasscheiben eingesetzt. Die in glatter Schalung ausgeführten größeren Sichtbetonflächen sind als Gestaltungselemente in die Architektur einbezogen (Grundrisse).

Heizung und Lüftung werden in Kombination von Fußbodenheizung und zentralem Lüftungssystem für Heizung, Filterung und Wärmerückgewinnung realisiert (RLT-Anlage mit Lüftungsboden als Quellfüllung).

Da wegen der offenen Architektur keine Möglichkeit zur Unterbringung der Installationsgeräte besteht, wird die Beleuchtung über einen europäischen Installationsbus (EIB) gesteuert, an den Jalousien sowie teilweise Fensteröffnungen im Wechselspiel zwischen Regen, Wind und Beleuchtung angekoppelt sind.

Das gesamte Bibliotheksgebäude ist mit einem Datennetz (Übertragungs-geschwindigkeit bis 100 Mbit/s) in strukturierter Sterntopologie als Twisted-Pair-Verkabelung ausgelegt. Eine Einbindung in das Campusnetz erfolgt über LWL-Kabel.

Der Brandschutz wird durch den Einsatz einer Rauch- und Wärmeabzugsanlage (RWA) sowie eine automatische Brandmeldeanlage mit Aufschaltung auf die örtliche Feuerwehr gewährleistet.

Zur Sicherung der Bibliotheksbestände werden ein Buchsicherungssystem (Fa. Sensormatic) sowie eine Videoüberwachungsanlage eingesetzt.

Bibliotheksausstattung und Bibliotheksservice

Im Bibliotheksneubau sind z. Zt. 80 000 Bücher, Zeitschriftenbände und andere Medien in Freihandaufstellung zu finden. Außerdem sind 30 000 Bestandseinheiten im Magazin untergebracht, das mit einer Kompaktanlage der Fa. Mauser ausgestattet ist. Zusätzlich befindet sich im Untergeschoss die Normenauslegestelle (130 000 DIN; 50 000 TGL).

Die Mediothek – ebenfalls im Untergeschoss untergebracht – bietet die Möglichkeit, an zwei Sprachlernplätzen zu studieren, den Videoplatz zu nutzen oder multimedial mit CD-ROM oder Flachbettscanner zu arbeiten.

Im Erdgeschoss befinden sich direkt neben dem Eingangsfoyer mit seinen gläsernen Garderobenschränken die Ausleihtheke sowie die zentrale Auskunft (6 PCs, Zettelkatalog, Touchscreen, Bibliografien). Der Zeitschriftenlesesaal schließt sich direkt an und bietet den Zugriff auf über 400 Zeitschriftentitel.

Die Freihandbereiche befinden sich im Untergeschoss sowie im 1. und 2. Obergeschoss, wobei die Bestände der Fachgebiete mit den entsprechenden älteren, gebundenen Zeitschriftenbänden kombiniert aufgestellt wurden.

Zeitschriftenlesesaal mit Blick zum Atrium

Der mehrgeschossige Lesebereich mit 126 Leseplätzen, 44 PC-Arbeitsplätzen, 5 Carrels und dem Gruppenarbeitsraum bietet in die Freihandbereiche integriert beste Arbeitsbedingungen.

Zeitschriftenlesesaal im Erdgeschoss zur Straßenseite

Zentral gelegen im 1. Obergeschoss bzw. im Dachgeschoss über den Fahrstuhl gut erreichbar befinden sich die Räume der Verwaltung.

Carrells im 2. Obergeschoss mit Blick zum Atrium

Leseplätze im 2. Obergeschoss

Neben den zentralen Rechercheplätzen im Erdgeschoss ist es möglich, an PCs auf allen Etagen in lokalen, regionalen und überregionalen Bibliothekskatalogen und Datenbanken zu suchen (vgl. Internet: http://www.fh-zwickau.de/hsb/hp-hsb.htm). CD-ROM-Datenbanken werden seit einiger Zeit über das WIN-Center auch im Intranet der Hochschule bereitgestellt.

Um mit Umberto Eco zu sprechen: "Die Bibliothek .... muß leicht zugänglich sein, ihre Pforten müssen allen Mitgliedern der Gesellschaft offen stehen ... Das Gebäude, in dem die Bibliothek untergebracht ist, sollte zentral gelegen sein, auch für die Behinderten leicht zugänglich und zu vernünftigen Zeiten geöffnet. Das Gebäude und seine Einrichtung müssen ansprechend, bequem und freundlich sein; und es ist vor allem wichtig, daß die Leser direkten Zugang zu den Regalen haben." (Aus:Umberto Eco: Die Bibliothek. München,Wien 1987)

So ist die Zwickauer Hochschule mit ihrem Bibliotheksneubau diesem Ziel entscheidend näher gekommen. Bereits einen Tag nach der Eröffnung konnten Studenten, Hochschulmitarbeiter und die Zwickauer Einwohner die neue Bibliothek in Beschlag nehmen. Lesungen z. B. von F. Schorlemmer, W. Opaschewski u. a. lockten in das "gläserne" Haus, das im Zentrum von Zwickau als Stadt-Baustein auf historischem Grund eine Atmosphäre kreativer Offenheit sowohl architektonisch als auch bibliothekarisch und kulturell bietet.

Zur Autorin

Dr. Steffi Leistner ist seit 1991 Direktorin Hochschulbibliothek der Westsächsischen Hochschule Zwickau (FH)

Westsächsische Hochschule Zwickau (FH)
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