Der Wiederaufbau der Bibliotheca Albertina – der Universitätsbibliothek Leipzig

von Robert Klaus Jopp

Die Universitätsbibliothek Leipzig wurde gegen Ende des zweiten Weltkriegs teilweise zerstört und nach dem Kriege wurden Sicherungs- und/oder Wiederherstellungsmassnahmen nur sehr begrenzt und zögerlich durchgeführt. Nach der Wende wurde rasch gehandelt und der Wiederaufbau der Universitätsbibliothek begonnen. Der erste Abschnitt der Wiederaufbauarbeiten wurde jetzt abgeschlossen.

The reconstruction of the University Library of Leipzig

At the end of the World War II the University Library of Leipzig had suffered severe damages, and after the war the responsible administration undertook only limited and delayed securing measures. Immediately after the political changement the reconstruction of the library building was begun. The first stage of these reconstruction works now came to an end.

La réconstruction de la Bibliothèque Universitaire de Leipzig

C’était vers la fin de la Deuxième Guerre Mondiale que la Bibliothèque Universitaire de Leipzig fût en partie détruite, mais après la guerre l’administration entreprît des travaux de protection des ruines et de réconstruction que d’une manière limitée et hésitante. Après le changement politique le projet de réconstruction du bâtiment de la bibliothèque fût commencé vite. C’est maintenant que la première section des travaux fût terminée.

Am 12. Oktober 1998 wurde der wiederaufgebaute Ostflügel der Leipziger Universitäts-bibliothek an der Beethovenstrasse in Betrieb genommen und am 4. November offiziell eingeweiht (Abb.1). Dieser Bauteil stellt den ersten von drei Bauabschnitten des Wiederaufbaus des Gebäudes dar; die weiteren Bauabschnitte umfassen die Wiedererrichtung des zentralen Treppenhauses und des grossen Lesesaales sowie den Umbau des Westflügels.

Zur Geschichte

Die Alma Mater Lipsiensis wurde im Jahre 1409 gegründet und bestand zunächst aus einer Reihe von Kollegien, die jeweils ihre eigenen Bibliotheken besassen. Die Einführung der Reformation in Sachsen prägte auch die Universität protestantisch. Sie fand ihr Domizil im säkularisierten Paulinerkloster, und 1543 wurde dann die zentrale Universitätsbibliothek - als Bibliotheca Paulina - mit Beständen aus verschiedenen Klosterbibliotheken gegründet. In den folgenden dreihundert Jahren wuchsen die Bestände stark an und auch die Benutzung nahm erheblich zu, so dass schließlich in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts ein neues Bibliotheksgebäude geplant und gebaut werden musste. 1885 wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, den der Leipziger Architekt Arwed Rossbach mit dem ersten Preis gewann; er wurde mit der Planung und Ausführung des Neubaus beauftragt. Rossbach war auch der Architekt so bedeutender Bauten in Leipzig wie der Alberthalle, des Albertinums und der Deutschen Bank. Bereits 1891 konnte das neue Bibliotheksgebäude eingeweiht werden (Abb. 2).

Im Katalog einer Ausstellung 1909 schrieb der damalige Direktor der Bibliothek, Karl Boysen: 'Das Gebäude hat eine Grundfläche von 4.838 m² und umfasst 105.720 m³. Die Erstellungskosten betrugen 2.330.000,- Reichsmark. Die Benutzungshäufigkeit der Bibliothek beläuft sich derzeit auf 115.000 Bestellungen, 4.000 Benutzer und 47.000 Leser im Lesesaal, die durch einen Direktor, 10 Beamte und 10 Mittlere und Unterbeamte betreut werden‘.

Zum Wiederaufbau

Das 1891 nach Plänen des Architekten Arwed Rossbach errichtete und Ende der 20er Jahre unter Otto Glauning erweiterte Bibliotheksgebäude war gegen Ende des Zweiten Weltkrieges durch Bomben schwer beschädigt worden; etwa zwei Drittel des Gebäudes waren zerstört, vor allem das zentrale Treppenhaus (Abb.3), der große halbrunde Lesesaal und der Ostflügel (Abb.4). Erst 1950 konnte ein regelmäßiger Bibliotheksbetrieb wieder aufgenommen werden. In den ersten zehn Nachkriegsjahren wurden lediglich Teile des Ostflügels und einige Gebäude-teile an der Nordseite wiederaufgebaut beziehungsweise notdürftig gesichert. 1955 begannen Planungen für einen umfassenden Wiederaufbau, die aber nicht realisiert wurden. Gleich nach der Wende, im Jahre 1990, wurde von dem hannoverischen Architektenbüro HJW (Herwig-Jaenisch-Wisch-Wittig) mit der Planung für den Wiederaufbau begonnen; es wurden dafür 45 Millionen Mark aus dem SED-Vermögen bereitgestellt. Die ersten Sicherungsarbeiten sowie die vorbereitenden Arbeiten für den Wiederaufbau wurden 1992/93 begonnen.

Der Wiederaufbau war von zwei wesentlichen Bedingungen geprägt: Das denkmalgeschützte Gebäude sollte in seiner ursprünglichen äußeren Form vollständig wiederhergestellt und zugleich sollte die verfügbare Nutzfläche vergrößert werden. Beides wurde – und wird – in vorbildlicher Weise erreicht.

Für die Vergrößerung der Nutzfläche wurde eine neue Geschosseinteilung geplant, die indessen nicht mit der Fassadenteilung kollidieren durfte. Zu diesem Zweck wurden zwar die früheren – und im übrigen Gebäude zu erhaltenden – Geschossebenen beibehalten, es konnten aber Zwischengeschosse mit etwa der halben früheren Geschosshöhe vorgesehen werden (Abb.5).

Die Trümmer des Ostflügels wurden zunächst abgeräumt, und es mussten neue Fundamente für die nun erheblich höheren Lasten aus der vorgesehenen größeren Geschosszahl gelegt werden. Eine zusätzliche Schwierigkeit ergab sich aus dem Umstand, dass die Nordwand des Ostflügels begonnen hatte, sich durch die Witterungseinflüsse, die fast fünfzig Jahre lang ungehindert eindringen konnten, zu neigen, damit an Tragfähigkeit verloren hatte und abgefangen werden musste. Dies wurde bewerkstelligt, indem im Nordteil eine von der Außenwand unabhängige Tragkonstruktion für die Geschoss- und neuen Zwischendecken eingebaut wurde, an der dann wiederum die Aussenwand zur Stabilisierung verankert werden konnte.

Der östliche – also zum wiederaufgebauten Ostflügel gehörende – Innenhof wurde mit einer Glaskuppel überdacht und wird nun als Lesesaal genutzt (Abb.6 und 7). Die Fenster zum Innenhof wurden geöffnet, damit konnte eine dezente Transparenz zwischen dem Innenhof und den oberen Geschossen erreicht werden (Abb.9, 10 und 11).

Die Netto-Grundrissfläche beträgt derzeit etwa 12.000 m², im Endausbau sind 25.000 m² vorgesehen. Ursprünglich hatte das Gebäude eine Netto-Grundrissfläche von 18.580 m². Die Magazine haben eine Kapazität von etwa 2,1 Millionen Bänden, diese Kapazität wird sich im Endausbau auf 3,2 Millionen Bände erhöhen (Abb. 8).

In den Freihandbereichen ist derzeit Platz für 83.000 Bände; nach Beendigung des Wiederaufbaus werden sich dort 440.000 Bände unterbringen lassen. Den Benutzern stehen zur Zeit 200 Leseplätze zur Verfügung; deren Zahl wird sich im Endausbau auf etwa 700 erhöhen lassen.

Zur Einrichtung

Die Regalanlagen sowohl der Magazine als auch der Freihandbereiche wurden von der Firma Mauser Office geliefert. Die Magazine wurden mit handbetriebenen Fahrregalanlagen in Rahmenbauweise ausgestattet. Fahrregalanlagen mit elektrischem oder gar hydraulischem Antrieb werden heute, nicht zuletzt wegen der höheren Investitionskosten und der nicht unerheblichen Wartungs- und Unterhaltungskosten sowie der höheren Störanfälligkeit, immer seltener eingebaut, wobei natürlich auch eine Rolle spielt, dass gemäß den Unfallverhütungs-vorschriften Anlagen mit mehr als 5.000 kp Nutzlastaufnahme nicht mehr manuell betätigt werden dürfen, sondern mechanisch angetrieben werden müssen. Umgekehrt begrenzt dies die Länge der Regaleinheiten je nach Zahl der vorzusehenden Regalböden pro Einzelregal auf sechs bis sieben Regale von einem Meter Standard-Achsmaß. In den Lesesälen wurden feststehende Stahlregale in Rahmenbauweise eingesetzt; die Stirnseiten dieser Regale wurden mit Holz verkleidet, was zu einer warmen, geradezu vornehmen Atmosphäre beiträgt (Abb. 12 und 13).

Die Tische mit den integrierten Leuchten für die Benutzer-Arbeitsplätze wurden vom Architekten entworfen; die Tiefe der Tischfläche dürfte allerdings mit 65 cm etwas knapp geraten sein. Die Abdeckung der röhrenförmigen, über die ganze Breite des Arbeitsplatzes reichenden Leuchte lässt sich dem Bedürfnis des jeweiligen Benutzers entsprechend drehen. Für die Auswahl der Stühle, vor allem unter funktionellen Gesichtspunkten, wurden Produkte einer ganzen Reihe von Anbietern verglichen, ohne dass eine befriedigende Entscheidung getroffen werden konnte. Schließlich wurde eine Leipziger Möbeltischlerei beauftragt, die seit nunmehr gut hundert Jahren in der Bibliothek benutzten Stühle mit geringfügigen Änderungen in Form und Abmessungen nachzubauen. Das Resultat ist ein sehr bequemer und in der Gestaltung vorzüglicher, geradezu modern wirkender, Lesesaalstuhl, der obendrein preislich durchaus im unteren Mittelfeld liegt (Abb. 14 und 15).

Die Magazinbereiche – mit Anschluss an die Leihstelle – sind mit einer automatischen Behälter-transportanlage der Firma Thyssen-Telelift ausgestattet. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung der bekannten Technik. Fahrgestelle und Transportbehälter sind hier getrennt (Abb. 16 und 17), so dass ein wesentlich flexiblerer Betrieb im Vergleich zu den bisher eingesetzten Anlagen möglich ist. Sowohl zum Beladen als auch zum Entladen werden die Behälter frei bewegt, zum Beispiel im Bereich des Magazins oder der Leihstelle. Die Behälter werden auf Bücherwagen zwischen den Regalen beladen und dann auf eine Wartebahn gestellt (Abb. 18), von der aus sie von jeweils verfügbaren Fahrgestellen aufgenommen und zu der am Behälter programmierten Empfangsstelle transportiert werden. An der Empfangsstelle werden die Behälter wiederum von den Fahrgestellen automatisch auf einer Wartebahn abgestellt, von der sie abgehoben und entladen werden können. Die Ankunft eines beladenen Behälters, zum Beispiel an der Leihstelle, wird durch ein optisches oder akustisches Signal angezeigt. In der gleichen Weise werden die Behälter von der Leihstelle wieder in das Magazin transportiert.

Das Gebäude wurde mit rollstuhlgerechten Personen- und Lastenaufzügen ausgestattet, die den Zugang für Rollstuhlfahrer zu allen Ebenen gewährleisten. Da es keine Möglichkeit gab, die Aufzüge vom Straßenniveau aus direkt zugänglich zu machen und die Anlage einer Rampe sich wegen des Denkmalschutzes verbot, wurde neben der Treppe zum Haupteingang ein Treppenlift eingebaut (Abb. 19).

Viel bleibt noch zu tun, und die Mitarbeiter der Bibliothek werden noch eine ganze Zeit lang unter recht erschwerten Bedingungen arbeiten müssen, auch die Benutzer müssen noch für längere Zeit Behinderungen in Kauf nehmen, aber nach dem Ende der Wiederaufbau- und Wiederherstellungsarbeiten sowie mit der Einführung moderner Bibliothekstechniken wird Leipzig – nicht nur die Universität Albertina – wieder über eine reiche und allen Anforderungen unserer Zeit gewachsene Universitätsbibliothek verfügen.

Zum Autor


Der Architekt Robert Klaus Jopp ist nach Tätigkeiten beim ehem. Zentralarchiv für Hochschulbau und an der UN Stuttgart seit vielen Jahren Berater bei deutschen und internationalen Bibliotheksbauprojekten

Gänsheidestraße 15 a
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Tel. + Fax: (0711) 246080