Die medienkompetente Bibliothek in der Informationsgesellschaft

Eine internationale Konferenz vom 6. bis 10. Dezember 1998 in der Zentral- und Landesbibliothek von Berlin

 

Es war eine internationale Konferenz, veranstaltet von der Bibliothekarischen Auslandsstelle beim DBI, vom DBI und der Zentral- und Landesbibliothek von Berlin, zu der sich 96 Teilnehmer aus allen Herren Länder im winterlichen Berlin trafen.

Fast ganz Europa war vertreten, aber auch Besucher aus Afrika und den USA zählten zu den Teilnehmern.

Medienkompetenz in der Informationsgesellschaft unter aktiver Beteiligung der Bibliotheken war das Thema von Referaten und Diskussionen, dazu Kompetenz im Umgang mit den Medien, technologisch und inhaltlich. Letztes ist für Bibliotheken ein Gebiet ihrer höchsteigenen Kompetenz. Diese Kernkompetenz ist den neuen Informationsträgern anzupassen. Wie die Erfindung des Buchdrucks, so ist es jetzt die Digitalisierung, die die Macht des Wissens globalisiert. Wie schon früher ist die Wissensverwaltung gefragt; und das "wie" ist jetzt zu diskutieren. Welche Unterstützung kann den Benutzern durch den Bibliothekar zur Schlüsselqualifikation für die Mediennutzung gegeben werden?

Das heißt Orientierung in der Menge des Wissensstoffes und in der Entwicklung der Medienkompetenz der Benutzer. Das gilt besonders bei der älteren Generation, für die dort häufig anzutreffenden "Selbstlerner"; es ist also eine Verschmelzung der Lern- und Lernmitteldienstleistungen. Mehr denn je muß zielgruppenorientiert gefragt werden, was der Nutzer braucht. Im Informationsnetz sind die auf die einzelnen Länder zugeschnittenen Netzwerkprobleme zu lösen. Hierfür sind Beratung und Vermittlung von Experten mit dem Hintergrundwissen des Bibliothekars angesagt.

Bibliotheken müssen sich zu Warenhäusern der Information entwickeln, wo der medienkompetente Bibliothekar die Information beschafft, zusammenstellt, als Kommunikator weitergibt/vermittelt und verfestigt, d.h. verwertet, berät. Dafür sind Bibliothekare medienkompetent zu Spezialisten auszubilden, die nicht nur die aufgenommene Information präsentieren und die Auswahl allein dem Benutzer zur Entscheidung überlassen. Jetzt ist auch intensives Selektieren, Entscheiden und Auswählen gefragt, entsprechend der vom Benutzer vorgetragenen Fragestellung.

Als treffendes Beispiel wurde folgendes Ereignis vorgetragen: Ein Fluggast erkundigt sich am Flughafen nach der schnellsten Verbindung in die Stadt. Eine Aufzählung der Möglichkeiten wie U-Bahn, Tram, Taxi ist nicht gefragt. Im vorliegenden Fall ist es die Empfehlung "Taxi". Ähnlich wie ein Politiker von seinen Beratern "gebrieft" wird, so soll der Bibliotheksbenutzer möglichst ausgereifte Entscheidungshilfen erhalten. Damit wurde in der Konferenz wiederum der Ausbildungskatalog der Bibliothekare angesprochen. Mehr als einmal war zu hören, wie notwendig Schulung und Training der Bibliothekare ist, unter dem Stichwort "lebenslanges Lernen". Nicht zuletzt, um als Tutoren für die Benutzer im Sinne von coaching zu fungieren.

Und nicht die Ausbildung der Bibliothekare für die nächsten 10 oder 20 Jahre, sondern für die nächsten zwei, drei Jahre ist ins Auge zu fassen.

Das bibliothekarische Callcenter wurde in die Diskussion gebracht, das in der Auskunft bibliothekarisch und in der Auskunftstechnik gut geschulte Mitarbeiter verlangt. Nicht nur Schlüsselqualifikationen in den sogenannten Inbound- (Anrufentgegennahme) oder Outboundbereichen (Telefonmarketing) sind gefordert, sondern vielmehr das bibliothekarische Fachkönnen, d.h. Tendenz zum Informationsbroker mit Callcenter-Technik. Kurzfristig gesehen ist der Einsatz von Callcentren für geringe Informationstiefen denkbar, langfristig muß es den Benutzerwünschen angepaßt und mit großer bibliothekarischer Servicetiefe versehen werden. Wieder wurde der Ruf nach Ausbildung und Training medienkompetenter Bibliothekare artikuliert. Neben einer auch zu fordernden größeren Eigenwerbung ist die dahinterstehende bibliothekarische Qualitätsarbeit unabdingbar einzufordern und anzubieten.

Telearbeit, wie sie gleichfalls für andere bibliothekarische Arbeiten anwendbar ist, wurde auch an diesem Punkt angeschnitten. Um sich nicht nur in Theorie und akademische Diskussion zu verlieren, bot eine Videokonferenzschaltung zwischen Prag, Tallin, Münster, Hagen in Westfalen und Berlin nicht nur eine angenehme Abwechslung, sondern auch Einblick in die Arbeit mit dieser Technik. Eine Technik, die sowohl Disziplin der Teilnehmer fordert als auch dem Moderator eine ausgefeilte Dramaturgie abverlangt. Ebenso auflockernd wie lehrreich war der Besuch des Berliner Callcenter Viafon GmbH. Bei unerwartet hoher Beteiligung wurde die Arbeit in diesem Center lebhaft diskutiert. Wobei es sich nach bibliothekarischem Verständnis mehr um ein Callcenter geringerer Informationstiefe handelte.

Videokonferenz und Callcenter können und werden andere Techniken/Verfahren nicht ersetzen, wohl aber ergänzen. Und wie der in seiner Qualität nicht durch technische Hilfsmittel zu ersetzen. Das persönliche Gespräch zwischen den Teilnehmern, das Aufnehmen neuer und Wiederbeleben alter Kontakte, das gegenseitige Vorstellen eigener Projekte wurde durch die kommunikationsfördernde Atmosphäre bei den verschiedenen, gesponserten Empfängen nachhaltig gefördert. Den jeweiligen Sponsoren sei es gedankt. Besonderer Dank gilt den MitarbeiterInnen der Bibliothekarischen Auslandsstelle, deren HelferInnen, welche die Veranstaltung unter nicht immer einfachen Bedingungen zu einem erfolgreichen Ende führten. Die für die gegenwärtige Diskussion aktuellen Beiträge sollen in einem Konferenzband im Frühjahr 1999 veröffentlicht werden.

Clemens Deider
DBI, Altmoabit 101 A
D-10559 Berlin
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