Römer, Gerhard: Bücher – Stifter – Bibliotheken. Buchkultur zwischen Neckar und Bodensee. – Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer 1997. 296 S. u. 226 Abb.

ISBN 3-17-013025-0. DM 98.-/ ÖS 715.-/ SF 89.-

Ein Buch, dessen Titel einigermaßen unspezifisch ist und dessen Inhalt sich auch nach dem Lesen des Untertitels nicht völlig erschließt, nimmt man als Leser zunächst einmal in die Hand – schon wegen seines Gewichtes und seiner Opulenz - , durchblättert es und versucht sich so einen ersten Eindruck zu verschaffen. So tat es auch der Rezensent, allerdings mit anderen Augen und deshalb auch gleich ein wenig beckmesserisch!

Das erste, was dabei ins Auge springt, ist die große und fette Paginierung, die sofort den Blick vom Wesentlichen ablenkt, auf die gleich daneben fehlenden Kolumnentitel, die verhindern, den Blick zum Wesentlichen und zur Orientierung hinzuführen. Der zweite, dann aber positive Eindruck ist die reichhaltige, schon erwähnte opulente, meist farbige Illustration (insgesamt 226, davon etwa ein Drittel in Farbe), die meist dem Satzspiegel folgt und dadurch zu Zwängen der Unleserlichkeit (S.238, S.274 u.a.) oder Bilddeutung (S.190, S.214 u.a.) führt. Warum müssen Autographen oftmals so unleserlich klein und andere Abbildungen, die durch ihre Größe nicht mehr aussagen (z.B. S.243 ein Tessiner Aquarell von Hermann Hesse), so groß wiedergegeben werden, zumal man oft genug den Satzspiegel verläßt, um einer modernen Bildgestaltung bis an die Seitenränder Platz zu geben? Die Qualität der Bildwiedergabe allerdings ist durchweg gut bis sehr gut. Warum aber gerade die Abbildungen der Bibliotheken, an denen der Autor selbst gewirkt hat, so daneben geraten sind, ist unerklärlich. Warum das Foto der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe (S.139) so klein (spaltenbreit) und so miserabel sein mußte – mit einem Sommerfoto, auf dem unter den belaubten Bäumen das typische Gebäude der 60er Jahre kaum zu erkennen ist, ist nicht einzusehen, zumal es bessere Fotos davon gibt! Nicht viel besser verhält es sich bei der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart (S.150), wo nur der Kenner das Gebäude auf dem Stadtteilfoto ausmachen kann, die anderen aber durch die Bildunterschrift sogar noch irritiert werden und der Blick auf andere Gebäude gelenkt wird!

Ja, überhaupt die Bildunter- bzw. -überschriften erweisen sich als problematisch. Durch die viel zu große Grotesk und den dauernden Wechsel der Legenden über und unter den Abbildungen weiß der Leser oft nicht, ob er sich im Text oder in der Legende befindet. Es ist ja besonders zu loben, wenn der Autor in der Bildunterschrift nicht nur das Ablesbare in Worte faßt, sondern umfangreiche Zusatzinformationen gibt, wodurch sich Bild- und Textinformation vermischen, was sie aber nicht in der Schriftgröße und -type tun sollten. Allerdings ist manchmal trotz der Zusatzinformation in den Legenden zu wenig gesagt. Auf manche Unlesbarkeit bei den Autographen wurde schon hingewiesen, was besonders dann mißlich ist, wenn der handschriftliche Text nicht lesbar nachgedruckt ist, z.B. bei dem Goethe-Zitat über die Göttinger Bibliothek (S.275), dem ein ganzes Kapitel gewidmet wird, ohne daß der Text für den lesbar gemacht wird, der nicht so bewandert ist, um ihn zu kennen – den man aber auch als Leser gewinnen möchte!

Auf der einen Seite ist also eine starke Beschränkung zu beobachten, auf der anderen aber ein großzügiger Aufwand wie z.B. die zweimalige Abbildung der Vorsatzblätter mit der Schwarzwaldkarte von Thomas Münster, dazu noch ein drittes Mal im Text (S.152). Aber damit genug der Abbildungskritik.

Was aber beim Durchblättern noch weiter auffiel ist, daß zwar nicht wenige Literaturangaben zu jedem Kapitel beigegeben sowie ein Orts- und ein Personenregister zu finden sind, aber ein wünschenswertes Sachregister fehlt. Der Rezensent weiß aus eigener Arbeit, wie mühsam und zeitaufwendig die Erstellung eines Registers ist, aber bei so einem inhaltsreichen (und auch teuren) Werk darf es einfach nicht fehlen.

Will man sich nun dem Inhalt nähern, über den man ja von Titel und Untertitel nicht ausreichend informiert wird, so liest man am besten das Vorwort, in dem der Autor es von vornherein ablehnt, eine komplette Beschreibung der südwestdeutschen Bücherlandschaft liefern zu wollen. Er sieht sich vielmehr als Wanderer durch diese Kulturlandschaft, der Geschautes beispielhaft wiedergibt, als Ergänzung zu anderen Beschreibungen, wie wir sie z.B. von der der Historischen Buchbestände Baden-Württembergs her kennen. Natürlich wandert sein Blick nicht nur zu den Sammlungen, sondern auch zu den Gebäuden, die diese beherbergen, ebenso zu den Stiftern, die sie begründet haben, oder zu den Sammlern, die sie gepflegt und weiterentwickelt haben bis hin zum Staat, der sie häufig aus Privathand übernommen hat und den der Autor als häufigen Retter in der Not sieht!

In der Tat gibt der Staat heute viel Geld für die Büchersammlungen und deren sogenannte Schatzkammern aus, aber sicherlich nicht als Gönner oder Retter auch dann nicht, wenn die hochgelobten Sammler, wie z.B. Fürstenhäuser ihre Schätze versilbern, wie jüngst in Baden-Baden oder Donaueschingen geschehen, und der Staat durch Ankauf einiges "rettet". Die Verantwortung dieser Sammler erscheint dann in einem anderen Licht und der Staat kann nicht retten, was diese zu Geld machen wollen und in alle Welt zerstreuen!

Aber der Autor will ja auch vor allem zeigen, was in den Jahrhunderten im südwestlichen Raum entstanden, gesammelt, gepflegt und bewahrt wurde, wobei er sich nicht auf die Karte der Frontispize beschränkt, sondern darüber hinausschaut ins Elsaß und in die Schweiz.

In fünfzehn Kapiteln zeigt er die bunte Vielfalt der Bücherwelt im Südwesten auf, von der klösterlichen Buchkultur über die Sammlungen der Hochschulen, der Reichsstädte sowie der Fürsten und hebt dabei einzelne Sammler, Stifter oder Mäzene hervor, wie Beatus Rhenanus als Bibliotheksstifter von Schlettstadt, Freiherr von Laßberg, Heinrich von Wessenberg und am Karlsruher Hof die gelehrte Markgräfin Caroline Luise, und, natürlich ausgewogen zwischen Baden und Württemberg, die Herzogin Franziska von Württemberg. Ebenso, der Ausgewogenheit folgend, beschreibt er den Weg der fürstlichen Sammlungen zu den Landesbibliotheken in Stuttgart und Karlsruhe. Der Bogen spannt sich also von der frühen Buchkultur in der mönchischen Schreibstube bis ins heutige 20. Jahrhundert, in das z.B. die einstmals bedeutende Bibliothek der wüttembergischen "Centralstelle für Handel und Gewerbe" hineinwuchs, bevor sie als Bibliothek des Landesgewerbeamtes aufgelöst und in Teile zerstückelt wurde. Ein Gegenbeispiel, wie man im 20. Jahrhundert mit historischen und wissenschaftlichen Beständen mit Hilfe modernen Mäzenatentums pflegsam umgehen kann, stellt die Eisen-Bibliothek bei Schaffhausen dar, die von einer Firmen-Stiftung behutsam betreut und in restaurierten Klostergebäuden der Öffentlichkeit "Alles Geschriebene und Gedruckte über Eisen" anbietet.

So finden wir in diesem Reiseführer des Wanderers Gerhard Römer durch die Buchlandschaft des Südwesten Bekanntes wie Unbekanntes, Traditionelles wie Kleinodien, zu Bewunderndes wie kritisch zu Sehendes, auf jeden Fall viel Interessantes, das zu lesen sich lohnt, das auch dem Freude macht, der noch das Glück des Lesens zu schätzen weiß. Vieles für den Buch- und Bibliotheksfreund ist angesprochen, wenn auch der große wirtschaftliche Bereich des Herstellens von und Handelns mit Büchern, nämlich der Verlage und des Buchhandels, nur am Rande gestreift wird. Jedenfalls ist es ein Buch für den Bücherfreund sowie für die geisteswissenschaftlich orientierten Bibliotheken und natürlich für die Regionalbibliotheken.

Anschrift des Rezensenten:

Dr.-Ing. Rolf Fuhlrott
Berliner Straße 9a

D-76185 Karlsruhe

E-Mail: fuhlrott@ubka.uni-karlsruhe.de