Europäische Agenda für eine Bibliotheksgesetzgebung

Der Europarat-Entwurf

von Rolf Fuhlrott

Knapp 100 000 Bibliotheken stehen den Bürgern der EU zur Verfügung. Doch die meisten von ihnen entbehren staatlicher Regelungen, insbesondere staatlicher Unterstützung, die ihren Bestand sichert. Diesen Zustand zu bessern, gab es verschiedene Aktivitäten des Europarates für eine gemeinsame Bibliotheksgesetzgebung, z.B. durch die Konferenz "Libraries and Democracy: the responsibilities of the State, local authorities and professionals", die im November 1998 in Straßburg stattfand. Ihr folgte im Februar 1999 die Veröffentlichung des "Entwurfs einer Empfehlung für eine Bibliotheksgesetzgebung in Europa" durch den Europarat.

Diese Aktivitäten veranlaßte das Goethe-Institut zusammen mit dem Europarat und mit fachlicher Unterstützung der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (BDB), dem Deutschen Bibliotheksverband (DBV), dem Deutschen Bibliotheksinstitut (DBI) und dem Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt am 29./30.April 1999 im Goethe-Forum München eine internationale Konferenz zur europäischen Bibliotheksgestzgebung zu veranstalten. Europäische Partner dieser LOKAL<=> GLOBAL genannten Konferenz waren das British Council, das spanische Ministerium für Bildung und Kultur sowie die italienischen Regionen Piemont und Emilia Romagna.

Ziel der Konferenz war eine europäische Agenda zur Formulierung von Grundsätzen eines Bibliotheks-Rahmengesetzes in Ländern mit föderativer und dezentraler Struktur aufzuzeigen und damit eine Anwendung der anschließend abgedruckten Empfehlung des Europarates möglich zu machen.

Dieser Entwurf gibt eine Fülle von Empfehlungen zur gesetzlichen Regelung des freien Zugangs zur Information, des Bestandsaufbaus, des Internet-Zugangs und der elektronischen Vernetzung der Information, der Sicherung des aufbewahrten geistigen Erbes, des Copyrights, der Bibliotheksfinanzierung und nicht zuletzt der Aus- und Fortbildung der Bibliothekare. Also auch alles Fragen, die gegenwärtig in Deutschland auch aktuell sind, die in den EU-Ländern diskutiert und – möglichst einheitlich – geregelt werden müssen, deren Wichtigkeit aber noch nicht in allen europäischen Gremien im Interesse der Bibliotheken und ihrer Nutzer behandelt werden. Deshalb ist die Initiative des Goethe-Instituts besonders zu begrüßen, an der über 80 Teilnehmer aus vielen europäischen Ländern zugegenwaren.

Eröffnet wurde die Konferez nach der Begrüßung durch den Generalsekretär des Goethe-Instituts, Dr.Sartorius, der Leiterin des Kulturreferats des Europarates, Vera Boltho, und Birgit Dankert vom BDB mit einem Vortrag von Staatsminister Dr.Michael Naumann, der als Höhepunkt der Konferenz angesehen wurde weil ein leibhaftiger Bundesminister auf Bibliothekskonferenzen eher eine Seltenheit darstellt. Ob es aber durch ihn den Push nach vorne für die Bibliotheken geben kann, muß eher skeptisch beurteilt werden, wenn er das Bewahren des kulturellen Erbes in den Vordergrund stellt sowie das haptische Vergnügen des Bücherlesens und gegen die unaufhörlich fortschreitende Digitalisierung eher Einwände hat.

Auch eine kostenlose Nutzung der digitalisierten Information hält er für eine Illusion, ist aber der Meinung, daß beim Zugang zum Netz die Bibliotheken nicht umgangen werden sollten.

Nach dieser Eröffnungsrede wurde die Empfehlung des Europarates diskutiert und dabei festgestellt – trotz des Neumannschen Plädoyers für das Buch – daß Bibliotheken nicht mehr nur das Gedächtnis der Menschheit repräsentieren, sondern vielleicht in noch stärkerem Maße die Aufgabe der Informationsvermittlung haben, und dies können eben nur durch Digitalisierung und über Netze geschehen.

Wie diese kommunikationstechnische Verknüpfung von lokaler und globaler Ebene über die Netze erfolgen können, wurde am Nachmittag mit Situationsberichten aus Deutschland, Spanien, Großbritannien und Italien aufgezeigt und am Folgetag mit konkreten Beispielen vernetzter Informationsvermittlung fortgesetzt.

Die Konferenz jedenfalls hat gezeigt, daß die Bibliotheken ihren Ausbau der Online-Verfügbarkeit – auch auf Druck der Nutzer - fortsetzen müssen und daß bei den heutigen kommunikations- und medientechnischen Möglichkeiten eine Bibliotheksgesetzgebung dringlicher denn je ist, wohlwissend, daß sie noch in weiter Ferne liegt, daß aber mit dem Empfehlungs-Entwurf des Europarates ein wichtiger Markstein gesetzt wurde, weshalb er nachfolgend auch zu lesen ist.

Entwurf einer Empfehlung für
eine Bibliotheksgesetzgebung in Europa

http://www.goethe.de/z/30/biblkonf/deempf.htm