Auf der Frankfurter Buchmesse

Erster Fernleihverbund mit Verfügbarkeitsüberprüfung

von Christoph-Hubert Schütte, Axel Maurer und Sebastian Pulkowski

Ziel der bibliothekarischen Leistungserstellung ist heute das Angebot benutzerspezifischer vernetzter Dienstleistungen. Der Benutzer soll vom vernetzten, heimischen Arbeitsplatz oder einem Internetarbeitsplatz in der Bibliothek aus nach einer bibliographischen Recherche in regionalen oder überregionalen Bestandsverzeichnissen wie den regionalen Verbundkatalogen oder Metadatenbanken wie dem Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK) direkt das gefundene Dokument auch bestellen können. Wünschenswert wäre, wenn aus der Recherche heraus gleich eine Bestellung über die Fernleihe eingeleitet werden könnte. Dies würde ein lästiges und sicher auch fehleranfälliges Übertragen der Daten auf den Leihschein vermeiden. Dieser Schritt wurde an der Universitätsbibliothek Karlsruhe bereits Anfang des Jahres gemacht: Der Benutzer kann ein Buch aus einem World Wide Web (WWW)- Formular heraus bestellen, die Buchdaten werden automatisch aus der Recherche in den Leihschein eingefügt und dieser wird bearbeitet und anschließend ausgedruckt. Dadurch wird der Benutzer entlastet, gleichzeitig wird die Bearbeitung durch den Bibliothekar vereinfacht und beschleunigt, da die wichtigsten Buch- bzw. Aufsatzdaten bereits durch die Recherche erfaßt wurden und nur noch bei Bedarf vom Bibliothekar ergänzt werden müssen.

Ein Nachteil dieser Methode allerdings besteht weiterhin: Der Benutzer kann zwar bei der Bestellung ein Datum festlegen, bis zu dem er die Fernleihbestellung benötigt, die Lieferung in diesem Zeitraum kann aber nicht garantiert werden. Im schlimmsten Fall erfährt der Benutzer nach Ablauf seiner Frist, daß das Buch nicht beschafft werden kann.

An diesem Punkt setzt der Fernleihverbund Bayern / Baden-Württemberg / Sachsen ein:

Nach der Recherche findet eine Verfügbarkeitsüberprüfung des gewünschten Buches in den am Verbund beteiligten Bibliotheken statt. Eine Bestellung innerhalb der Verbundbibliotheken wird nur dann durchgeführt, wenn sie auch wirklich erfüllt werden kann. Im folgenden sollen das Szenario, der Ablauf und die Besonderheiten des Systems dargestellt werden, der schematische Ablauf ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Ablauf einer Bestellung im Fernleihverbund

Zunächst werden die Kataloge des Bayerischen Verbundes und des Südwestverbundes in einem gemeinsamen virtuellen Katalog zusammengefaßt. Dieser Katalog bildet die Grundlage für Bestellungen im Fernleihverbund Bayern / Baden-Württemberg / Sachsen. Hat der Benutzer in diesem Katalog den gewünschten Titel gefunden, so setzt er mit Hilfe eines WWW-Formulares direkt eine Bestellung unter Angabe von maximalen Lieferfristen ab. Titel- und Bestandsdaten werden ähnlich dem derzeit in Karlsruhe eingesetzten Fernleihsystem aus dem Rechercheergebnis übernommen. Der Besteller authentifiziert sich unter Angabe seiner Kontonummer bei seiner Heimatbibliothek und löst damit die Bestellung aus.

Nach der Überprüfung von Kontonummer und Paßwort im Ausleihsystem der Heimatbibliothek findet in jener eine Verfügbarkeitsüberprüfung des Buches statt. Sollte das Buch lokal verfügbar sein, wird die Fernleihe abgebrochen und der Benutzer informiert. Mit dieser Überprüfung werden unnötige Bestellungen vermieden.

Ist das Buch lokal nicht verfügbar, werden diejenigen Bibliotheken des Heimatverbundes ermittelt, die den Titel besitzen. Anschließend werden alle Bibliotheken einzeln kontaktiert und in deren Lokalsystem die Verfügbarkeit überprüft.

Es können zwei Fälle unterschieden werden:

Im ersten Fall werden zunächst die Bibliotheken des Heimatverbundes des Benutzers, die das Buch liefern können, nach dem Weg des Bücherautos sortiert, um möglichst kurze Wege und damit Lieferzeiten zu erhalten.

Im Falle der Nichtverfügbarkeit in den Bibliotheken des Heimatverbundes werden die Bibliotheken des jeweils anderen Verbundes kontaktiert und dort die Verfügbarkeit erfragt. Ist das Buch im anderen Verbund verfügbar, so findet die Bestellung dort statt.

Sollte das Buch in beiden Verbünden nicht verfügbar aber vormerkbar sein, so wird die Vormerkung bei derjenigen Bibliothek mit der voraussichtlich kürzesten Wartezeit eingetragen. Nur wenn das Buch in keiner der Verbundbibliotheken in dem angegebenen Zeitraum beschafft werden kann, wird der Leihschein auf herkömmliche Art und Weise ausgedruckt und von Hand weiter bearbeitet.

Bei allen Bestellungen wird zunächst versucht, den Leitweggedanken aufrechtzuerhalten und zuerst in der Heimatregion zu bestellen. Es ist geplant, Statistiken über die Bestellungen anzufertigen und diese bei der Auswahl der Lieferbibliothek zu berücksichtigen. Auf diese Weise soll erreicht werden, daß die beteiligten Bibliotheken in etwa gleich oft als gebende- und nehmende Bibliothek auftreten.

Neben dem Eintrag der Bestellung im Lokalsystem der gebenden Bibliothek findet zusätzlich ein Eintrag in Karlsruhe, in einer zentralen Verwaltung aller online-Bestellungen statt. Diese werden in I³V, einem System der Firma GINIT, eingetragen. In dieser zentralen Verwaltung werden alle Schritte bei der Bestellung protokolliert und sowohl gebende als auch nehmende Bibliothek können den Zustand einer Fernleihbestellung abfragen und teilweise auch verändern. Für diese Modifikationen an dem Datenbestand stellt die Universitätsbibliothek WWW-Oberflächen mit folgenden Eigenschaften zur Verfügung:

Die Vorteile dieser neuen Online-Fernleihe liegen klar auf der Hand:

Im Gegensatz zur herkömmlichen Bearbeitung sparen sich die Bibliotheken das erneute Recherchieren der Daten. Diese Arbeit wird bereits zum größten Teil vom Benutzer selbst übernommen. Auch die Verfügbarkeitsüberprüfung findet aufgrund aktueller Daten und sofort statt. Durch die Verfügbarkeitsüberprüfung und die Möglichkeit sowohl im Magazin als auch im Freihandbereich Bücher vorbestellen zu können, bekommt der Benutzer eine Garantie auf die zeitgerechte Durchführung seiner Bestellung.

Ein weiterer Vorteil des Systems ist eine schnelle und einfache Hinzunahme weiterer Fachbibliotheken in das System. Unabhängig vom lokal verwendeten Ausleihsystem und OPAC ist die einzige Voraussetzung zur Integration ein Internetzugang zum Ausleihsystem der Bibliothek, welcher folgende Funktionen umfassen muß: Authentifizierung eines Benutzers, Abfrage der Verfügbarkeit eines Buches und die Möglichkeit ein Buch zu bestellen. Sind diese Funktionen gegeben, ist es möglich, die neue Bibliothek innerhalb weniger Tage zu integrieren und ihren Benutzern die Vorteile der Online-Fernleihe zugute kommen zu lasen.

Derzeit befindet sich das System in einer prototypischen Testphase, an der zunächst folgende drei Bibliotheken teilnehmen: Aus Baden-Württemberg die Universitätsbibliotheken aus Freiburg und Karlsruhe, aus Bayern die Universitätsbibliothek Bayreuth. Das System ist derzeit so ausgelegt, daß bei der Bestellverwaltung sowohl Monographien als auch Zeitschriftenkopien möglich sind. Ungelöst ist jedoch das Problem des Nachweises, ob ein bestimmtes Heft einer Zeitschrift in einer Bibliothek vorhanden ist. In einem weiteren Projekt soll die Übernahme von Artikeldaten aus Zeitschriftendatenbanken entwickelt werden.

Am 26. Mai diesen Jahres erfolgte bereits eine Vorstellung des Konzepts mit einer ersten kurzen Demonstration auf dem Bibliothekartag in Freiburg. Im Oktober wird auf der Frankfurter Buchmesse ein lauffähiger Prototyp vorgestellt, der bereits die Verfügbarkeit in einigen Bibliotheken überprüfen und Bestellungen in den Ausleihmodulen der drei Pilotbibliotheken eintragen kann. Außerdem werden die WWW-Masken zur Anfrage und Weiterbearbeitung der Bestellung und zum Eintragen der Fernleihbestellung in die zentrale Verwaltung an der Universitätsbibliothek Karlsruhe vorgeführt.

Weitere Informationen findet man auf der Projekt-Homepage http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/flvbbs.html oder können unter der E-Mail flv-projekt@ubka.uni-karlsruhe.de erfragt werden.


Zu den Autoren

Dipl.-Ing. Christoph-Hubert Schütte ist Direktor der Universitätsbibliothek Karlsruhe

E-Mail: schuette@ubka.uni-kalrsruhe.de

Dipl.-Inform. Axel Maurer ist seit 1989 an der UB Karlsruhe als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Er ist Leiter der EDV-Abteilung.

E-Mail: Maurer@ubka.uni-kalrsruhe.de

Dipl.-Inform. Sebastian Pulkowski arbeitet seit 1999 an der UB Karlsruhe als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der EDV-Abteilung. Er ist zuständig für die Konzeption und Entwicklung des Fernleihverbundes Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen.

E-Mail: Pulkowsk@ubka.uni-kalrsruhe.de

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