Die Einrichtung einer Computerbibliothek
in der Stadtbibliothek Gütersloh

von Thomas Lanninger und Wolfgang Reuther


1. Stationen auf dem Weg zur Computerbibliothek
2. Planung und Realisierung der Computerbibliothek

  2.1 Möblierung und Hardware

  2.2 Software und Benutzeroberfläche

3. Perspektive: Gleichrangigkeit von Printmedien und elektronischen Medien

Anhang: Bezugsquellen

1. Stationen auf dem Weg zur Computerbibliothek

[Computerbibliothek]

Anfang 1997 wurde in Gütersloh eine repräsentative Kundenbefragung durch das Infas-Institut durchgeführt. Thema: die elektronischen Medien. Die Stadtbibliothek Gütersloh bot zum Zeitpunkt der Umfrage weder CD-ROM noch Software zur Ausleihe an. Das Internet-Café mit 8 Plätzen war gerade erst eröffnet worden. Computerarbeitsplätze im engeren Sinn für Kunden gab es nicht, lediglich OPACs. Das Medienangebot zum Thema Computer wies Defizite in Aktualität und Präsentation auf und lag "systematisch versteckt" in den Sachgebieten "Technik" und "Mathematik".

Die Auswertung der Infas-Fragebögen kam zu zwei für die Bibliothek nicht wirklich überraschenden Ergebnissen:

Mit der Umfrage war die Ausrichtung der zukünftigen Angebote der Stadtbibliothek nicht nur intern deutlich, sondern auch extern kommunizierbar geworden und gleichzeitig der Einwand, elektronische Medien wären nur "etwas zum Spielen", empirisch widerlegt.

1996 begann die Stadtbibliothek Gütersloh GmbH in Zusammenarbeit und mit finanzieller Unterstützung ihres Minderheitsgesellschafters Bertelsmann Stiftung ein Projekt zur "Weiterentwicklung von Konzeption und Angebot". Dieses Projekt hatte unter anderem die Schwerpunkte "Integration elektronischer Medien" und "Weiterentwicklung der kundenorientierten Bestandspräsentation".

Im Rahmen des Weiterentwicklungsprojektes sind nacheinander drei unterschiedliche Möglichkeiten der Präsenznutzung elektronischer Medien in der Stadtbibliothek Gütersloh eingeführt worden:

  1. das Internet-Café (11/96),
  2. die E.Punkte (05/99),
  3. die Computerbibliothek.(08/99)

Komponente 1, das Internet-Café, ist seit November 1996 in Betrieb. Konzeptionell, räumlich und technisch immer wieder überarbeitet, besteht es heute aus fünf PCs im Erdgeschoss in der Nähe des Lesecafés, auf denen unter Windows NT die beiden marktführenden Browser und zwei Chat-Clients installiert sind. Das eher spielerische Erforschen des Mediums Internet beim Surfen und Chatten ist hier nicht nur möglich, sondern erwünscht. Hilfestellungen oder Erklärungen werden hier grundsätzlich nur dem Anfänger und bei technischen Problemen gegeben.

Komponente 2 sind die E.Punkte, dezentrale CD-ROM-Stützpunkte. Im Prinzip ist der E.Punkt nichts weiter ist als ein PC, auf dem 6 - 12 ausgewählte CD-ROM-Datenbanken installiert sind. Die Auswahl orientiert sich an den Themen der Sachgebiete, in denen das E.Punkt-Möbel, eine Art Stehpult mit Monitor aufgestellt ist. So findet man zwischen den Regalen der Sachgebiete Wirtschaft und Recht einen E.Punkt mit den bekannten Datenbanken Schönfelder, Hoppenstedt u.a., auf dem der Kunde oder der helfende Bibliotheksmitarbeiter seine Stichworte recherchieren und ausdrucken kann.

Komponente 3, die Computerbibliothek, verfolgt mehrere Zwecke gleichzeitig:

"Vor dem Kurs - Nach dem Kurs":
die Zielgruppen der Computerbibliothek

Die Zielgruppen, die die Computerbibliothek ansprechen will, sind:

Wir nennen diese beiden Gruppen "Vor dem Kurs" und "Nach dem Kurs". Die einen, die noch keinen Computergrundkurs gemacht haben, die anderen, die ihn gerade hinter sich haben und keine private oder berufliche Möglichkeit zur Anwendung haben.

Ausserdem wollen wir ein Angebot machen für:

Keinesfalls soll die Stadtbibliothek selbst zum Anbieter von EDV-Schulungen werden - ausser im internen Bereich. Eine Stärken-Schwächen-Analyse im Vorfeld machte dies schnell deutlich. Es fehlen zum Einen die Personalkapazität, zum Anderen das didaktische und auch noch das technische Know-How.

Kooperation statt Konkurrenz

In Konsequenz wurde die Kooperation mit den Weiterbildungsinstitutionen am Ort gesucht. Volkshochschule, Arbeitsamt, nicht-kommerzielle Betreiber von Internet-Cafés, berufliche Bildungsstätten usw. schickten ihre Vertreter zu einem Expertengespräch, das unser Konzept "Vor dem Kurs - Nach dem Kurs" im Wesentlichen bestätigte. Grundlage der weiteren Zusammenarbeit ist der wechselseitige Nutzen für die eigene Klientel: Kunden der Computerbibliothek sollen durch uns auf die organisierten Weiterbildungsmöglichkeiten hingewiesen und bei der Auswahl des richtigen Anbieters beraten werden. Umgekehrt werden die Kursanbieter auf die freien Übungsmöglichkeiten in der Stadtbibliothek hinweisen.

Für die Anbieter im EDV-Weiterbildungsbereich bietet die Bibliothek ein gut besuchtes "Schaufenster". Konkurrenzvorteil der Stadtbibliothek ist dagegen der Zusatznutzen durch die breite Auswahl an Fachliteratur. Auch die Möglichkeit zum selbstbestimmten Lernen ohne zeitliche Restriktionen und ohne Erfolgsdruck in Form eines Zertifikates o.ä. spricht für die Computerbibliothek.

2. Planung und Realisierung der Computerbibliothek

Von der Geschäftsleitung wurde der räumliche, zeitliche und finanzielle Rahmen gesteckt und die Ziele definiert. Die Konkretisierung und praktische Umsetzung des Projekts Computerbibliothek wurde an eine Arbeitsgruppe delegiert. Sie setzt sich aus 2 DiplombibliothekarInnen, einer Bibliotheksassistentin und dem Betriebswirt der Bibliothek zusammen, die als weitgehend autonomes Team nicht nur die Planungs- und Realisierungsphase begleiten, sondern auch die Computerbibliothek in der weiteren Entwicklung personell betreuen sollen.

Zugunsten der Computerbibliothek wurde im zweiten Obergeschoss etwa die Hälfte der Fläche umgewidmet, die bislang für Kunstausstellungen und die Präsentation der Artothek genutzt wurde. (Als Ersatz ist ein dezentrales, mobiles Konzept für Ausstellungen vorgesehen, bei dem kleinere Ausstellungen in den thematisch verwandten Sachgebieten präsentiert werden können).

Für das Projekt wurde ein Gesamtetat in Höhe von 194.500 DM festgelegt. 149.500 DM bringen die beiden Gesellschafter, Stadt Gütersloh (45.000 DM, davon 35.000 DM aus dem Medienetat) und Bertelsmann Stiftung (104.500 DM aus Mitteln des Projekts Weiterentwicklung) auf, 45.000 DM steuert das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Projektförderung bei.

Beginn des Projekts war im März 1999, Fertigstellung und Eröffnung im August 1999 geplant. Natürlich ist ein derart dynamischer Bereich niemals wirklich "fertig". Die kontinuierliche Optimierung und Anpassung an die Kundenbedürfnisse ist Teil der Planungen. Z. B. wurden Mittel aus dem Medien- und Softwareetat zurückgehalten, um nach Eröffnung auf gezielte Nachfragen reagieren zu können.

Zur Konkretisierung der anstehenden Arbeiten wurde ein Strukturplan erstellt, der folgende Umarbeitungsschritte umfasste:

Diese zum großen Teil parallel angelegten Teilschritte wurden mit Urlaubs- und Dienstplänen abgestimt und auf den Zeitraum vom 10. März bis zum 15. August aufgeteilt.

Der vorhandene Bestand von ca. 1.500 Medieneinheiten wurde umsystematisiert. Anstelle der Duisburger Klassifikation WGL 10 und TEP wurden Themenkreise gebildet. Leichte Verständlichkeit und Zugänglichkeit für die definierten Zielgruppen und Übersichtlichkeit waren die Kriterien. Es wurden nur elf verschiedene Themenkreise gebildet, mit Untergruppen bei zu großer Stückzahl:

Eine 100%ige Trennschärfe läßt sich auf diesem Wege natürlich nicht erreichen: z.B. mußte entschieden werden, ob "Java" eher Programmierung oder dem Bereich Internet zugeordnet werden soll.

2.1 Möblierung und Hardware

Wichtig für ein offenes Angebot der Weiterbildung ist die atmosphärische Gestaltung. Die Räumlichkeiten sollen zum Aufenthalt einladen und nicht wie eine abweisende Lernstube oder ein Klassenzimmer wirken. Der "Wohlfühleffekt" ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Neben den flexibel positionierbaren Sondermöbeln für die Arbeitsplätze wurden deshalb auch ansprechende Sondermöbel für Zeitschriften und Medienpräsentation eigens entwickelt. Auch in komfortable Sitzecken wurde investiert, die Wartezeiten erträglicher machen können und zum Durchblättern der Computerzeitschriften einladen.

Da die Computerbibliothek sowohl innerhalb der Öffnungszeiten individuell wie außerhalb der Öffnungszeiten in Gruppen nutzbar sein sollte, wurden an die PC-Möbel besondere Anforderungen gestellt. Die Lösung brachte ein Möbelstück in Form eines dreigeteilten Kreises, der geschlossen während der Öffnungszeit als Arbeitsplatz genutzt wird, aber durch Drehung um zwei Angelpunkte als "Schulbank" auf die Projektionsfläche des Referenten ausgerichtet werden kann. Der Referent kann von einem Stehpult aus mit Laptop und Beamer Gruppen von bis zu 12 Teilnehmern unterrichten.

[Tisch zugeklappt]
Möblierung der Computerbibliothek als Selbstlernzentrum während der Öffnungszeiten, mit kreisrund gestellten Tischen (oben), oder als Schulungsraum außerhalb der Öffnungszeiten, mit aufgeklappten Tischen (unten).

[Tisch aufgeklappt]

In unmittelbarer Nähe des Auskunftsplatzes wurde ein Info-PC aufgestellt, an dem allgemeine Fragen per Internetrecherche oder CD-ROM-Datenbank beantwortet werden können. Als Attraktion und Blickfang dient das Möbel dazu: in ein Gehäuse aus transparentem Acryl sind die Komponenten des PC eingebaut und geben den Blick frei auf Chips und Kabelsalat im Inneren des Computers. Diese erste Anlaufstelle symbolisiert das Anliegen der Computerbibliothek - das geheimnisvolle Innenleben eines Computers zu entzaubern und für jedermann durchsichtig und einsichtig zu machen.

[Sessel mit eingebautem PC]

Ein weiterer "Eye-Catcher" ist das futuristisch anmutende Sondermöbel für den Spiele-PC. Der PC ist hier in ein Möbel integriert, das von Ferne an eine Harley-Davidson ohne Motor und Räder erinnert. In extrem entspannter Rückenlage kann man hier Stategiespiele und Simulationen wie "Die Siedler" oder SIM-City spielen. Knaller-Baller und Hit-and-run-Spiele werden allerdings nicht angeboten. Dieses attraktive Möbel schafft den Anschluß zum zukünftigen Freizeit-Bereich, in dem schwerpunktmäßig von jugendlichen Nutzern gewünschte Medien angeboten werden.

Die Bibliothekare des Auskunftsdienstes, die in der Computerbibliothek erheblich höheren Beratungseinsatz werden erbringen müssen, sollten von technischen Reparaturarbeiten nach Möglichkeit entlastet werden. Unserer Erfahrung nach wird jedoch von Kunden alles manipuliert, was sich manipulieren läßt. Mit restriktivem Einsazt von Windows NT als Betriebssystem, das sich im Internet-Café bewährt hat, wird so weit wie möglich entgegengewirkt. Darüber hinaus wurden die PCs mit einer Zusatzkarte ausgestattet, die beim Kaltstart des Gerätes die Ausgangskonfiguration zuverlässig wieder herstellt, selbst nach groben "Fouls".

Zugangskontrolle und Nutzungsstatistik erfolgt über ein einfaches, aber wirkungsvolles System. Während die Rechner tagsüber in Betrieb bleiben, wird die Stromzufuhr zu den Monitoren nur auf Anforderung freigeschaltet. Dazu wurde vom hauseigenen Techniker ein Schaltpult eingerichtet, das die Bedienung aller Geräte von einem zentralen Auskunftsplatz ermöglicht.

Der Kunde legt seinen Ausweis vor wie an der Verbuchungstheke, die Nutzung des EDV-Platzes wird wie eine Entleihung mit der Bibliothekssoftware verbucht. Dadurch wird die Zahl der Nutzungen erhoben. Durch Einschieben des Bibliotheksausweises in den vorgesehenen Schacht im Steuerpult wird anschließend der Stromkreis zum Monitor geschlossen und der Kunde kann den Platz nutzen. Über Leuchtdioden (bei Freischaltung) kann der Mitarbeiter an der Info jederzeit die Belegung der Geräte überprüfen. Über Meßuhren wird auch die Dauer der Nutzung ermittelt. Beim Verlassen des PCs wird der Ausweis wieder abgeholt und die Stromzufuhr zum Monitor unterbrochen.

Die Computerbibliothek bietet sechs Benutzerarbeitsplätze, einen Info-PC und einen Spiele-PC. Diese Hardware ist in das bestehende Kundennetz integriert, das vom Bibliotheks-Intranet getrennt gehalten wird. Im Kundennetz sind die fünf Geräte des Internet-Cafés, acht E.Punkte und sieben PCs der Computerbibliothek sowie der Dozentenplatz eingebunden und über eine 64 kBit Standleitung mit dem Internet vernetzt.

[Kundennetz der Stadtbibliothek Gütersloh]
Kundennetz der Stadtbibliothek Gütersloh

In der Computerbibliothek sind SNI-PCs mit Pentium-II-Prozessor (400 Mhz) eingesetzt. Über jeweils ein bis zwei CD-ROM-Wechsler mit je sechs CD-ROM-Plätzen ist der Zugriff auf festinstallierte Software realisiert. Diese Miditower-Geräte sind unter den Tischplatten der drei kreisförmigen PC-Möbels fest montiert. Auf je einem kompletten dreiteiligen Möbel sind zwei PCs und ein Drucker, ggf. Scanner aufgestellt.

Die Geräte sind mit 15" LCD-Flachbildmonitoren ausgestattet, die ein brillianteres, flimmerfreies Bild mit geringerem Platzbedarf verbinden. Sie tragen ausserdem zum atmosphärischen Gesamteindruck der Computerbibliothek bei.

Der Referentenplatz wird aus Gründen der Flexibilität mit einem leistungsstarken Laptop ausgerüstet, wobei sowohl Laptop als auch Beamer auf dem Referentenpult Platz finden.

2.2 Software und Benutzeroberfläche

Nicht die Geräte, sondern die Inhalte und ihre Präsentation sind entscheidend für den Erfolg. Software steht auf den Geräten der Computerbibliothek in drei Formen zur Verfügung:

Um unseren Zielgruppen die Nutzung so leicht zugänglich wie möglich zu machen, wählten wir den Weg, thematische Zusammenstellungen zu konfigurieren für ganz bestimmte, typische Anwenderinteressen. Als Ausgangspunkt werden folgende Themen-PCs angeboten:

Nicht zuletzt natürlich der Info-PC mit Lexika, Zeitschriftenarchiven und dem selbst erstellten Internet-Portal, das den Zugang zu Suchmaschinen und Internet-Quellen vereinfacht.

Die Verteilung der Software sei am Beispiel des Bewerbungs-PC noch einmal verdeutlicht:

3. Perspektive: Gleichrangigkeit von Printmedien und elektronischen Medien

Am 15. August 1999 wurde die Computerbibliothek mit einem Rahmenprogramm feierlich eröffnet. Es ist als politisches Signal zu verstehen, dass zeitgleich die Ära der Münzeinwurfgeräte im Internet-Café der Stadtbibliothek endete. Das Internet ist erwachsen geworden. Dass seine Nutzung Kosten verursacht, unterscheidet es nicht grundsätzlich von der Bereitstellung von Printmedien. Die Träger der Stadtbibliothek haben sich entschieden für eine Gebührenpolitik, die nicht mehr zwischen den Print- und den E-Medien unterscheiden will. Kunden mit gültigem Bibliotheksausweis stehen - sofern sie zahlen müssen - mit Zahlung der Tagesgebühr von 5,00 DM oder der Jahresgebühr von 25,00 DM alle Angebote der Bibliothek gleichermaßen offen. Nutzungsgebühren nur für elektronische Medien entfallen bis auf den Ersatz der Materialkosten für Ausdrucke und Disketten.

Anhang: Bezugsquellen

Im Laufe der Realisierung des Projektes haben uns zahlreiche Firmen und Institutionen durch schnelle und zuverlässige Lieferung zu günstigen Konditionen geholfen; ohne ihre Unterstützung sähe die Computerbibliothek anders aus...

PC-Tische und vieles mehr...
EisenArt
Frank Bäcker
33829 Borgholzhausen

Daten- und Videogroßbildprojektor
Audio-Visions-Zentrum
Reinhard Gehring GmbH
33619 Bielefeld

Spezialmöbelstück Spiele-PC
Fa. Snowcrash
Finnland
FIN-00120 Helsinki

Spezialmöbelstück Info-PC
Crystal Design
Flügel
56566 Neuwied

Drehstühle
SITAG Sitzmöbel GmbH
32457 Porta Westfalica

Innenarchitektonische Beratung
Zentrale Bauabteilung
Bertelsmann AG,
Astrid Schütze


Zu den Autoren

Thomas Lanninger, Stadtbibliothek Gütersloh GmbH

Wolfgang Reuther ist Geschäftsführer der Stadtbibliothek Gütersloh GmbH

Stadtbibliothek Gütersloh
Blässenstätte 1
D-33330 Gütersloh
E-Mail: Thomas.Lanninger@gt-net.de bzw. Wolfgang.Reuther@gt-net.de