Schritte zur Neuen Bibliothek.
Rudolf Frankenberger zum Abschied aus dem Dienst.

Herausgegeben von Otto Weipert.
- München: Saur 1998, 288 S.
ISBN 3-598-11348-X, DM 128,00

Schon wieder eine Festschrift, wird der Leser denken - wie auch der Rezensent - und gleich zwei Besprechungen solcher in diesem Heft! Aber über Sinn und Unsinn von Festschriften ist schon soviel geschrieben und gesprochen worden, daß man hier nicht bereits Gesagtes wiederholen muß. Festschriften gehören heute weiterhin dazu - zur Karriere? -- und wer im kulturellen wie im wissenschaftlichen Leben eine leitende Funktion hat und keine Festschrift bekommt - na ja der....

Nun, bei einer Festschrift für Rudolf Frankenberger darüber die Nase zu rümpfen, ist sicherlich nicht angebracht. Denn ob seiner außergewöhnlich langen Amtszeit an der UB Augsburg, seiner Aufbauleistung für diese Bibliothek, seines breiten beruflichen Interessen- Kanons sowie seiner Fachkompetenz in nationalen und inernationalen Gremien und nicht zuletzt wegen seiner unbestrittenen Erfolge auf den vielfältigsten Gebieten, ist es nur gerechtfertigt, sein Wirken und seine Verdienste mit einer Festschrift zu würdigen.

Leider wird aber in dieser nun vorliegenden Ehrungsschrift weder das breite Arbeits- und Interessenspektrum noch die vielschichtige Persönlichkeit ausführlich oder gar gebührend gewürdigt. Die Gremienarbeit in DFG, IFLA, VDB und Wissenschaftsrat, der sich Rudolf Frankenberger aufopfernd und mit Inbrunst verschrieben hatte, zu beschreiben, hat sich leider nicht ermöglichen lassen, wie der Herausgeber bedauernd feststellt. Warum - sagt er allerdings nicht und verweist stattdessen auf einen Widmungsaufsatz von Berndt Dugall zum 65. Geburtstag von Rudolf Frankenberger in der von diesem mitbegründeten Zeitschrift ABI-Technik, in dem die Arbeit des Wissenschaftsrates und seiner ‚Arbeitsgruppe Bibliotheken` beschrieben wird, ohne zu erwähnen, wer da nun verantwortlich mitgewirkt hat. Nur im letzten Absatz wird kurzbetont, daß auch Rudolf Frankenberger beigetragen hat, „das Bibliotheksschiffchen auf Kurs zu halten``. Ein bißchen wenig für eine fast 10jährige Tätigkeit, für die die dort wirkenden Bibliothekare noch heftigste Prügel von fast der gesamten Kollegenschaft (wegen der Magazin-Empfehlungen) bezogen haben - allerdings ohne Wirkung für Sache und Personen!

Ebenso ist zu bedauern, daß in dieser Festschrift kein Beitrag aus dem eigenen Haus zu finden ist, das Rudolf Frankenberger aufgebaut hat. Stattdessen verweist der Herausgeber auch hier auf einen Widmungsbeitrag in der ABI-Technik, diesmal zum Ausscheiden aus dem Amt, in dem Rudolf Frankenberger ebenfalls nur kurz im ersten Absatz erwähnt wird. Am Rande und außerhalb dieser Rezension sei noch kritisch vermerkt, daß diese Zeitschrift ABI-Technik ihrem Mitbegründer und langjährigen Mitheraus- und Impulsgeber an biographisch so wichtigen Lebensabschnitten nicht einmal eine Laudatio hat zukommen lassen, die das mangelhafte Bild dieser Festschrift hätte abrunden undaufpolieren können. Aber damit genug zu einer ungebührenden Würdigung!

So bietet diese Festschrift eine Würdigung Frankenbergers nur auf den Teilgebieten EDV und Verbund, Dokumentenaufbau und - erhalt sowie Bibliotheksbau mit Beiträgen mehr aus dem regionalen Umfeld, denn mehr als die Hälfte der Beiträge kommt aus Bayern, ein Hauch von Internationalität durch zwei aus dem benachbarten Österreich für den Austria-Freund Frankenberger.

Nach einer Schilderung des Generaldirektors der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken Eberhard Dünginger über das Wirken des Gefeierten für die Universität Augsburg, die Region und den gesamten Bayerischen Verbund folgen zwei sehr persönlich gehaltene Beiträge von Karl Franz Stock und Harro Heim, die sich damit bewußt von den „abgegriffenen Themen bibliothekarischer Verwaltung bei solchen Gelegenheiten`` abheben wollen. Karl Stock erzählt von seinem Hobby des Linolschneidens von Exlibris für seine Freunde, mit zahlreichen abgebildeten beispielen und einer ausführlichen Biblographie zum Thema, und wohlmeinend, das gute Buch sei wieder im Kommen und damit auch ein steigender Bedarf zur Anbringung solcher Buchkennzeichen. Grafische und typografische Untugenden - wie Schusterjungen und Hurenkinder - schreibt er den modernen Textdatenbanken zu, wohl übersehend, daß auch diese Festschrift solche enthält.

Harro Heim hat ein Autograph des Nobelpreisträgers Paul Karrer in seiner Bielefelder Bibliothek ausgegraben, worin dieser seine Entdeckung zu schildern beginnt, daß Carotin nach intermediärer Spaltung in Vitamin A übergeht, das er dem Gefeierten „als gerontologische Hilfe bei Altersstreß`` empfiehlt. Ob dieser das wohl nötig hat?

Den längsten Beitrag liefert Walter Neuhauser von der Innsbrucker UB mit einer Darlegung

der Rolle der neuen Medien für die Texterhaltung. Seine Ausführungen sind zwar unter Bibliothekaren weithin bekannt oder sollten es zumindest sein, wurden aber in dieser Ausführlichkeit und Eindringlichkeit bislang noch nicht zu Kenntnis gebracht und wahrgenommen, daß füü die Erhaltung und Überlieferung der Texte unbedingt weiterhin in erster Linie das Printmedium infrage kommt und die neuen Medien mit ihrer Geräteabhängigkeit und geringen Lebensdauer in der Gegenwart zwar besseren Komfort und weitere Verbreitung in der Nutzbarkeit bieten, für die Texterhaltung aber wohl weniger geeignet sind. Also ein Sowohl-als Auch-Plädoyer für Digitalisierung und das Printmedium.

Vor einer weiteren Euphorie bei der rektospektiven Digitalisierung warnt Hermann Leskien. Nach seiner Einschätzung verbietet sich die 1:1-Digitalisierung schon aus Kostengründen. Trotzdem wird eine weitergehende Digitalisierung die Informationskette vom Autor über Verlag, Händler, Bibliothek zum Leser beeinflussen und muß überdacht werden. Es wird nur über die Kooperation unter den Bibliotheken und mit den Verlagen möglich sein. So wird die Rolle der Bibliotheken neu zu definieren sein, wenn immer mehr Texte auf elektronischem Weg vom Autor direkt zum Leser gelangen können.

Ulrich Hohoff setzt sich mit der Frage der Profilfindung der Universitäten auseinander, die durch eine geforderte größere Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und infolge sinkender Etats und damit Zwang zur Kooperation erforderlich wird. In zwei Szenarien zeigt er auf, wie auch die Universitätsbibliotheken mit ihrem Beständen zum Universitätsprofil beitragen können, wenn Wissenschaftler und Institute sich an den Bestandsschwerpunkten der Bibliothek ausrichten. Er verdeutlicht das am Beispiel der Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek der UB Augsburg.

Dem Wirken des Gefeierten für die Rahmenplanun des Wissenschaftsrates sind drei Beiträge gewidmet, die zeigen, wie sich Rudolf Frankenberger über diese Aufgabe hinausgehend engagiert für den Auf- und Ausbau der wissenschaftlichen Bibliotheken in den neuen Bundesländern eingesetzt hat.

Christiane Schmiedeknecht schildert den Neuaufbau der Universitätsbibliothek Erfurt. Konrad Marwinski zeigt den schwierigen, über 5o Jahre dauernden Weg, den die Thüringer

Universitäts- und Landesbibliohek warten oder zurücklegen mußte, um nach der Kriegszerstörung ihres Bibliotheksgebäudes nun nach dem Baubeginn im letzten Jahr wieder zu einem eigenen Gebäude zu gelangen.

Den ebenfalls schwierigen Weg, den die Dresdner Bibliothekare zur Neustrukturierung ihrer Bibliotheken gehen mußten, versucht seit einige Zeit Jürgen Hering in verschiedenen Beiträgen nachzuzeichnen (s.dazu die Rez.der Geh-Festschrift in diesem Heft). So dankens- wert solche zeitnahen Schilderungen aus dem eigenen Haus auch sind, so leiden sie doch meist unter erforderlichen Rücksichtnahmen. Es war nicht nur ein heftiger Widerstand, wie der Autor meint, der sich gegen die Fusion von Landesbibliothek und TUB erhob, sondern es war eine wahre Schlammschlacht, die mit allen Mitteln und auch öffentlich geführt wurde, und in der die bibliothekarischen Befürworter von andersdenkenden Kollegen als Verräter bezeichnet wurden.

Die letzten vier Beiträge sind mehr regional beeinflußt, sei es durch die Autoren, ihre Bibliotheken oder die Thematik. So berichtet Rolf Griebel am Beispiel des Outsourcing in der Erwerbung über Kosten- und Qualitätsmanagement der Bayerischen Staatsbibliothek. Friedrich Geißelmann, aus Frankenbergers Bibliothek nach Regensburg gekommen, erläutert die Veränderungen der RSWK, an deren Beginn Rudolf Frankenberger in der Kommission für Sacherschließung mitgewirkt hat, von einem Instrument des Zettel- und Listenkatalogs hin zur Gebrauchsanwendung in OPACs. Fritz Junginger, UB München, zeigt die Zusammenarbeit der bayerischen Bibliotheken im Benutzungsbereich auf und weist auch auf die Defizite in der Kooperation der Bibliotheken hinsichtlich des Leihverkehrs hin. Er plädiert dafür, die LV von 1993 mit der Dokumentenlieferung über Subito abzustimmen nd sich auch auf eine einheitliche Schutzgebühr zu einigen. Bei der Nutzung der CD-ROM-Netze weist er auf die Erfahrungen des Arbeitskreises CD-ROM-Bibliothek München und schildert die noch bestehenden Schwächen bei den Onlinekatalogen hinsichtlich Handhabbarkeit und Benutzeroberfläche. Manfred Vorholzer zeigt die Entwicklung der Bayerischen Verbundzentrale, die die Abteilung Datenverarbeitung der Generaldirektion der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken darstellt, zum Dienstleistungszentrum als First-Level-Hotline für die im gesamten Bibliotheksbereich eingesetzte Anwendungssoftware. Dabei würdigt e als einer der wenigen die Leistung des Gefeierten auf diesem Gebiet.

Zum Abschluß läßt Hans-Jürgen Schubert mit seiner Literaturstudie über die Benutzerschulung in den USA noch einmal einen Hauch von Internationalität aufkommen. Seine Feststellung, daß bei uns in dieser Hinsicht noch ein Nachholbedarf besteht, ist das, was Amerikareisende schon vor Jahrzehnten feststellten, wenn auch heute auf den Gebieten der Online-Recherche und des Internet sich die Situation verbessert hat. Selbst unkonventionelle Methoden, wie die Schnitzeljagd für Erstsemester, die der Autor an deutschen Hochschulen für undenkbar hält, werden bei uns praktiziert, wie sie der Rezensent schon vor Jahren an seiner Karlsruhe Universität beobachtet hat.

Mit vielen dieser Beiträge streifen die Autoren Arbeitsfelder des Gefeierten, ohne jedoch, wie einangs beklagt, auch nur annähernd seinem umfassenden Arbeits- und Interessenspektrum nahe zu kommen. Die Festschrift liefert vorwiegend ein Bild regionaler Aspekte und wird deshalb oder trotzdem in den meisten wissenschaftlichen Bibliotheken zu finden sein.

Anschrift des Rezensenten
Dr.Rolf Fuhlrott
Berliner Straße 9 a
D-76185 Karlsruhe
E-Mail: fuhlrott@ubka.uni-karlsruhe.de