Elektronische Zeitung von IBM

Elektronische Bücher sind ja schon seit einiger Zeit auf dem Markt und erfreuen sich vor allem in den USA zunehmender Nutzung und Verbreitung. In Deutschland ist der Schritt in die Öffentlichkeit durch Präsentationen auf der CeBIT in Hannover und den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig zwar auch schon getan, aber in der allgemeinen Öffentlichkeit oder gar den Bibliotheken noch lange nicht angekommen. Deshalb haben auch Clemens Deider und Rolf Fuhlrott vor nicht langer Zeit in dieser Zeitschrift <2(1999) Nr.2,S.173-178> ausführlich darüber berichtet. Dort wurde auch die neueste Entwicklung am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge/USA hinsichtlich der elektronischen Tinte aufgezeigt, die das Bedrucken mehrerer Doppelseiten mittels Herunterladen aus dem Internet ermöglichen und so das Gefühl eines wirklichen Buches vermitteln soll.

Diese Forschungen wurden auch von IBM unterstützt, die nun selbst dabei sind, mit einer Elektronischen Zeitung dieser Art die Informationsverbreitung zu erforschen, die gleichzeitig auf den heutigen Lese- und Lebensgewohnheiten beruhen. IBM entwickelte daher ein Designkonzept, um zu zeigen, was machbar ist und auch um den Markt zu testen. Dieses neue Forschungsprojekt der Elektronischen Zeitung von IBM wurde im Juni in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt und bereits mit dem Gold Award beim Wettbewerb der Industrial Design Society of America ausgezeichnet. Dieser Wettbewerb wird von Business Week unterstützt und gilt als einer der renommiertesten Design-Wettbewerbe weltweit.

Die Elektronische Zeitung von IBM ist also ein Designkonzept und verfügt über (fast) alle Eigenschaften einer herkömmlichen Zeitung.: Sie kann genauso gelesen, gefaltet und getragen werden. Der Leser schließt seine Elektronische Zeitung an das Internet an, lädt Texte, Grafiken und Bilder in den Zwischenspeicher und projiziert diese auf 16 beidseitg mit elektronischer Tinte "bedruckte", flexible und haltbare Seiten. Hat er die ersten 16 Seiten gelesen, ruft er die nächsten aus dem Speicher ab. Dadurch erhält die Elektronische Zeitung das "gute alte Zeitungsgefühl", bereichert mit modernen neuen Funktionen: Artikel lassen sich sofort online versenden und archivieren.

Die Elektronische Zeitung ist ein dünnes, leichtgewichtiges "Buch", ähnlich dem eBook, das von einem soliden Metallrahmen zusammengehalten wird. Der "Buchdeckel" ist eine durchsichtige Schutzfolie. Das Buch umfaßt 16 Seiten mit Glasfaser verstärktem Papier, das aufgrund seiner Haltbarkeit, Biegsamkeit und natürlichen Beschaffenheit gewählt wurde. Die Seiten werden mit der erwähnten sogenannten elektronischen Tinte bedruckt, die zur Zeit noch von Media Lab am MIT erprobt wird. Sie reagiert auf elektrische Ladung und konfiguriert sich zu Wörtern, Grafiken und Bildern. Die elektronische Tinte ist eine bistabile Chemikalie, deren Moleküle durch die elektrische Ladung entweder weiß oder schwarz erscheinen. Sie behalten ihren Zustand jeweils bis zu einer Veränderung der Ladung bei.

Die Größe der Elektronischen Zeitung entspricht ungefähr DINA4. Sie kann flach in einer Mappe, gerollt oder gefaltet transportiert werden. Über Tasten werden die Funktionen "neue Abschnitte zeigen", "Artikel ausschneiden" und "Ausgabe aktualisieren" gesteuert.

Die Vorteile der Elektronischen Zeitung sind:

Der praktische Einsatz der elektronischen Tinte, des Last Book des MIT oder der Elektronischen Zeitung selbst von IBM wird wohl noch etwas auf sich warten lassen müssen. Die anderen im Konzept eingesetzten Technologien aber sind jedoch bereits heute verfügbar: eine kleine energiesparende Einheit (mit wesentlich geringerem Energieverbrauch als beim eBook), kostengünstiger Speicher (ein Vielfaches des eBook-Speichers) und individueller Nachrichtenabruf über das Internet.

So will die Elektronische Zeitung von IBM mögliche zukünftige Methoden der Nachrichten- und Informationsverarbeitung und –vermittlung erforschen und dabei berücksichtigen, was die Menschen tatsächlich mit einer Zeitung tun – sie lesen, falten und tragen, ohne sie zum Einwickeln zu mißbrauchen!

Der General Manager der IBM Personal Systems Group EMEA, Doug LeGrande, bringt die Bedeutung der Elektronischen Zeitung für die Zukunft auf den Punkt, wenn er sagt: "Beim Thema Design geht es nicht darum, schöne, bunte Geräte herzustellen, sondern dem Kunden die Funktionen zu geben, die er braucht – und zwar in einer nützlichen und ästhetischen Verpackung".

So ist zu hoffen, daß auch Bibliotheken sich überlegen, wie sie auf solche Forschungsergebnisse der Industrie reagieren und sich mit Zukunftsvisionen auseinandersetzen und sich nicht nur am täglichen Bedarf orientieren.

Weitere Informationen unter:
http://www.pc.ibm.com/europe/design_innovation99/
http://www.idsa.org/idea99/winners/epaper.htm

Clemens Deider und Rolf Fuhlrott