Editorial

Kommt der Jahr-2000-Crash?

Wir nähern uns unaufhaltsam dem Jahrtausendwechsel, ja stehen ihm unmittelbar bevor: die einen mit Euphorie, um den Wechsel irgendwo auf der Welt mit Galas und Feuerwerk zu feiern, andere befürchten die Apokalypse, und wieder andere bleiben einfach cool: weil das Problem sie angeblich nicht betrifft, es für alles eine Lösung gibt und im übrigen alles nur Panikmache sei!

Nun, wir wissen inzwischen, daß so einfach das Ganze nicht ist und irreal ebenfalls nicht. Es ist ein reales und zwar technisches Problem, das den Namen Jahr-2000-Problem (J2P) inzwischen bekommen hat, im englischsprachigen Raum Year-2000-Problem (Y2K) – 2K für zwei Kilo = 2000. Mit diesem Problem wird die möglicherweise fehlerhafte Behandlung des Datumswechsels vom 31.12.1999 zum 01.01.2000 in informationstechnischen Systemen bezeichnet. Das J2P besteht nämlich in der Darstellung des Datums und zwar dort, wo die Jahresangabe eines Datums in nur zwei Stellen "99" anstatt "1999" erfaßt, verarbeitet oder gespeichert wird. Durch die fehlende Angabe des Jahrhunderts ist die Bezugsgröße des Datums nicht bekannt; ist es die Distanz zum Jahr 1900 oder zum Jahr 2000?

Zu diesem Datumsproblem kommt noch die Schaltjahrproblematik hinzu. Erste Tests hatten gezeigt, daß der Algorithmus zur Berechnung von Schaltjahren nicht in allen Produkten der Informationstechnik richtig realisiert wurde. Denn entgegen der üblichen Regel, daß alle vier Jahre der 29.Februar auftaucht, sieht die Korrektur des Gregorianischen Kalenders bei Jahreszahlen, die durch 100 teilbar sind, kein Schaltjahr vor. Alle 400 Jahre aber ist zur Anpassung an den Sonnenzyklus dennoch ein Schaltjahr vorgesehen. 2000 ist es wieder soweit.

Was geschieht nun, wenn der Datumswechsel nicht richtig vollzogen wird und/oder später der 29.Februar fehlt, zumal man inzwischen weiß, daß 80% aller informationstechnischen Anwendungen einen Zeitbezug haben? Wir wissen es mit Sicherheit nicht genau, werden es aber nun wohl bald erfahren.

Aufmerksam gemacht wurde auf diese Problematik ja schon Anfang der 90er Jahre frühzeitig genug. Umfangreich ist inzwischen die Literatur dazu, und ganze Verzeichnisse von Homepage-Adressen gibt es mit Hilfsinformationen bis hin zu Nachbarschaftshilfen und Überlebenstips. In Deutschland war dies lange Zeit kein Thema. Der umfangreiche OECD-Bericht aus dem Jahre 1998 stellte Deutschland in dieser Hinsicht auf die Stufe von Entwicklungsländern (http://www.oecd.org/puma/gvrnance/it/y2k/htm) Aber inzwischen hat sich das geändert. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat einen umfassenden Internet-Service installiert (http://www.bsi.bund.de/aufgaben/projekte/2000) und ebenso hat die Bundesregierung (spät) im April 1999 einen Forschungsbericht zu dieser Problematik erstellt (http://www.info-jahr-2000.de). Alle einschlägigen Firmen bieten zudem ihre Hilfe im Internet an.

Dass man aber trotz allem von öffentlicher Seite nur wenige Wochen vor dem Wechsel noch immer nicht sicher ist, dass alles problemlos verlaufen wird, zeigen die zunehmenden Berichte in der Tagespresse, dass zahlreiche Bundesländer Polizei und Einsatzkräfte für die Sylvesternacht erheblich zu verstärken und ebenso viele Gemeinden ihr Personal bei Feuerwehr, Rettungsdiensten, Krankenhäusern und ihren Verwaltungen deutlich aufstocken.

Trotz aller nun auch bei uns in den letzten beiden Jahren aufgekommener und jetzt wieder zunehmender Diskussionen und entwickelter Szenarien sowie empfohlener und erreichter Lösungen, ist es im Bibliothekswesen nochmals ruhiger geblieben. In der Berichterstattung finden sich kaum Hinweise und Lösungsvorschläge. Clemens Deider machte im allerersten Heft dieser Zeitschrift (1.1998.Nr.1-2,S.102-103) einen zaghaften Versuch. So werden wir wohl abwarten müssen, ob die Bibliotheken datumsfest am 3.Januar öffnen können, Licht und Heizung haben werden, ihr Ausleihsystem funktioniert, die Benutzerausweise gelesen und akzeptiert oder unberechtigte Mahnungen oder erhöhte Gebühren erhoben werden?

Wir aber, die Redaktion, wollen sicher sein, daß Sie liebe Leserin und Leser, vor einem solchen eventuellen Crash Ihr B.I.T.online-Heft in die Hand bekommen oder es auf dem Bildschirm lesen können, weshalb wir uns bemüht haben, es vor diesem "Fall" erscheinen zu lassen mit einem Inhalt, der Sie hoffentlich wieder interessiert.

Darin zeigt Beate Tröger die Möglichkeiten des Multimedia-Einsatzes an einer Hochschule am Beispiel von MILESS auf, dem Projekt eines multimedialen Lehr- und Lern-Services an der Universität Essen. Über ein weiteres Projekt, dem DFG-Projekt "Dissertationen online", das an der Humboldt-Universität zu Berlin unter der Leitung von Prof. Peter Diepold steht, informieren wir umfangreich in mehreren Teilberichten, die von Susanne Dobratz herausgegeben werden. Ziel dieses Projektes ist es, Vorschläge für die Umstellung der Veröffentlichung von Dissertationen vom Papier auf die digitale Form auszuarbeiten. Diann Rusch-Feja setzt ihren weltweiten Bericht über Digitale Bibliotheken fort. Schließlich schildern uns Barbara Pagel und Barbara Sigrist die Katalogisierung von elektronischen Zeitschriften und den Stand der Katalogisierungsvorschriften bei der ZDB.

Ebenso wie die genannten Kolleginnen blickt Hans Zotter von der Grazer UB in die Zukunft wenn er Visionen für die Zukunft des wissenschaftlichen Bibliothekars entwickelt. Für viele, die eine Berichterstattung aufgrund von erhobenen Daten machen wollen, ist sicher der Beitrag von Dieter Schwartz sehr interessant, der konventionelle und innovative Visualisierungstechniken für solche Daten aufzeigt. Wir freuen uns, Ihnen auch diesmal wieder neue Bibliotheksbauten vorstellen zu können, die Klaus Kempf und Irmgard Lankenau auf ihrer Bibliotheksreise nach Schottland und Nordengland besichtigt haben. Auch haben wir wieder etliche Berichte von Veranstaltungen und Messen. Besonders aufmerksam wird man die Eindrücke von Clemens Deider über die Internationale Funkausstellung in Berlin verfolgen.

Im zweiten Heft dieses Jahres hatten wir erstmals auf die auf den Markt drängenden E-Books aufmerksam gemacht und auf die Forschungen des MIT mit elektronischer Tinte hingewiesen. Jetzt hat IBM eine solche Elektronische Zeitung entwickelt, auf die wir gerne hinweisen wollen. Sie kann den elektronisch gespeicherten Zeitungstext aus dem Internet herunterladen und auf 16 Blättern doppelseitig mit elektronischer Tinte ausdrucken. Wir berichten in diesem Heft gerne wieder darüber in der Hoffnung, daß Bibliotheken und Bibliothekare/Innen nicht achtlos an diesen aufkommenden neuen Möglichkeiten vorübergehen.

So hoffen wir, Ihnen, liebe Leserin und Leser, mit unseren Beiträgen und weiteren nützlichen und hoffentlich interessanten Informationen genügend Lesestoff für die Zeit nach den Feiertagen an die Hand zu geben. Für die Tage selbst wünscht Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest sowie trotz aller Unkenrufe und Befürchtungen einen guten und gesunden Übergang ins neue Jahrtausend

Ihr Dr.Rolf Fuhlrott
Chefredakteur