Qualitäts- und Technologiemanagement in Bibliotheken.

Ulrich Hofmann. (Bibliotheksarbeit ; 6)
- Wiesbaden: Harrassowitz, 1998. XII; 172 S.
ISBN 3-447-04063-7, DM 88,00

Mit Aspekten des Bibliotheksmanagements beschäftigen sich mittlerweile alle deutschen bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Zeitschriften. Und so war der Rezensent über die Anzeige eines Buches zum Qualitäts- und Technologiemanagement in Bibliotheken sehr erfreut, denn eine erste Zusammenfassung des Gegenstandes und von Entwicklungstendenzen benötigen sowohl die Studenten der Bibliotheks- und Informationswissenschaft als auch die Manager in Bibliotheken und die Praktiker in den einzelnen Abteilungen. Die Qualität in den Bibliotheks- und Informationsdienstleistungen gehört spätestens seit Schaffung der ISO 2000 "Familie", die alle gesellschaftlichen Bereiche zur Qualität nach gültigen Standards verpflichtet, und seit der Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zum Grundanliegen jeder Bibliothek. Eine solche Zusammenfassung ist das Buch von Ulrich Hofmann leider nicht.

Die Veröffentlichung ist wegen des hohen Abstraktionsniveaus, der theoretischen Diskussion  und der fast ausschließlich verwendeten betriebswirtschaftlichen Terminologie ein Fachbuch für den Theoretiker. Für den Studenten und in der Fortbildung ist es teilweise geeignet, aber der Leser benötigt ein gerüttelt Maß an wirtschaftswissenschaftlichen Spezialkenntnissen. Für den Praktiker in den Bibliotheken ist es ungeeignet, weil es mit Theorie überfrachtet ist und nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Qualitäts- und Technologiemanagement behandelt. Das umfangreiche Glossar hilft über einige Schwierigkeiten hinweg.

Der Zugang zu diesem Buch und der Einstieg in die Materie wird durch eine mit Fremdwörtern überladene Einleitung ("Vorwort" und - als erstes Kapitel - "Problemanlaß") erschwert. Der Verfasser präsentiert eine "ganzheitliche, theoriegeleitete empirische Untersuchung", in der zunächst "die globalen kritischen Erfolgsfelder im Rahmen einer Branchenuntersuchung ermittelt" werden. "In der Folge werden die Bausteine zu einem Entscheidungs-Unterstützungsystem für qualitätsorientierte Technologieentscheidungen entwickelt. Dabei sind Qualitäts- und Technologieportfolios handlungsleitend. Dazu wird die Qualität bibliothekarischer Dienstleistungen in Teilqualitäten und dazugehörige detaillierte Indikatoren zerlegt bzw. definiert und die Technologieattraktivität und die Qualitäts(Ressourcen)stärke für Bewertungen und Wirkungsanalysen operationalisiert. Anhand des Beispiels einer zwischenbetrieblichen Integration zwischen Bibliotheken und Vorlieferanten wird die praktische Durchführbarkeit und Effektivität des Entscheidungsmodells unter Beweis gestellt." (S. VII) Das Ziel des Autors: "Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Entscheidungsunterstützungsbedarfe auf die Handlungssituationen eines strategischen technologiegestützten Qualitätsmanagements einer Dienstleistungsproduktion am Beispiel der Bibliotheken als öffentlichen Informationsdienstleistungsbetrieben abgebildet werden."  (S. 1-2)

Das zweite Kapitel trägt die Überschrift "Bezugsrahmen." Hier nennt der Verfasser eine Reihe von theoretischen Begriffen und Konzepten, "von denen angenommen wird, daß sie einmal Bestandteil von Modellen bzw. Theorien sein könnten. Dabei werden häufig explizit und implizit Aussagen über funktionale Zusammenhänge gemacht, ohne daß diese näher präzisiert werden." (S. 5) Dieser deduktive Methodenansatz findet seine Fortsetzung im dritten Kapitel "Die Branche: Wissenschaftliche Bibliotheken als öffentliche Verwaltungsbetriebe für Informationsdienstleistungen." Hier wird der allgemeine Bezugsrahmen auf die spezifischen Besonderheiten der Wissenschaftlichen Bibliotheken übertragen. Das vierte Kapitel enthält eine "Empirische Branchenuntersuchung," in dem die in den vorangegangenen Kapiteln entwickelten und erläuterten Begriffe und Instrumentarien angewendet werden. Der im vierten Kapitel empirisch ermittelte "Strategiekorridor" wird im fünften Kapitel als "Migrationspfad" umgesetzt. Das sechste Kapitel enthält ein in den vergangenen Kapiteln vorbereitetes "Strategisches Entscheidungs-Unterstützungssystem". Das siebente Kapitel ist die "Zusammenfassung".

Die vom Verfasser im Rahmen von 15 strukturierten Experteninterviews in privaten und staatlichen Universitätsbibliotheken und Verbundzentren der USA erhobenen Daten und sog. Hintergrundgespräche in sechs Institutionen der USA stammen aus dem Jahre 1991 und bedürfen dringend der Aktualisierung. Einleitend zum sechsten Kapitel heißt es u.a.: "Mit Ausnahme der hier angestellten Wirtschaftlichkeitsrechnung dominieren qualitative Einschätzungen über die Qualität bibliothekarischer Dienstleistungen bzw. deren Wertschöpfungskette und die Attraktivität neuer Technologien. Zum Aufbau einer Wissensbasis bedarf es daher prinzipiell umfangreicher empirischer Informationshandlungen bei Entscheidungskollektiven, Nachfragern etc., deren Tiefe bzw. Intensität stets unter Aufwand-Nutzen-Gesichtspunkten gesteuert werden muß. Dabei wurde die makrostrukturelle Sicht der Branche durch die empirische USA-weite Branchenuntersuchung abgebildet. Das "Herunterbrechen" in die mikrostrukturelle Ebene wurde auf der obigen Grundlage anstelle von Entscheidungskollektiven und Befragungen der Nachfrager ersatzweise durch den Autor durchgeführt." (S. 115) Dieses "ersatzweise" zeigt m.E. die Schwäche des ganzen Buches. Was der Verfasser nicht vorgibt und mit dem potentiellen Leser diskutiert, kann der Leser auch nicht in der Praxis, d.h. vor der Einführung einer Neuerung in "seiner" Bibliothek, anwenden. So bleibt vieles sehr allgemein, konkrete Aussagen hat der Rezensent kaum gefunden.

Die Ergebnisse der empirischen Branchenuntersuchung (viertes Kapitel) sind ausschließlich für das Methodengerüst des Verfassers in den nachfolgenden Kapiteln von Bedeutung, kaum für die deutsche Bibliothekspraxis. Es muß erlaubt sein zu fragen, ob ein ganzes Buch samt Schlußfolgerungen ausschließlich auf Experteninterviews und Hintergrundgesprächen aufgebaut werden kann und ob ein Migrationspfad ohne Ableitung zu einem strategischen Entscheidungs-Unterstützungssystem hinführen kann. Der Rezensent bezweifelt dies.

Anschrift des Rezensenten
Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Sanddornstraße 8
D-12439 Berlin