Management unstrukturierter Informationen.
Wie Unternehmen die Informationsflut beherrschen können.

P. Königer, W. Reithmayer.
- Frankfurt a.M.: Campus Verlag 1998, 270 S.
ISBN 3-593-36051-9

Die zunehmende Bedeutung unstrukturierter Information in Unternehmen artikuliert sich inzwischen auf vielfältige Weise. Ob unstrukturierte, also vorwiegend textuelle Informationen nun 80%, 60% oder 40% des Wissens eines Unternehmens dokumentieren, spielt dabei weniger eine Rolle, als die nach wie vor wichtige Erkenntnis, daß für das Management unstrukturierter Informationen noch ein erheblicher Nachholbedarf in Unternehmen und Organisationen besteht. Dieser Frage gehen die Autoren Paul Königer und Walter Reithmayer auf insgesamt 270 Seiten nach. Das Buch gliedert sich dabei in vier Teile mit insgesamt 25 Kapiteln.

Teil eins (Informationsparadoxon) dient mit insgesamt sechs Kapiteln der Einführung und Motivation in das Themengebiet. Dabei wird ausgehend von dem 'Informationsparadoxon' von zu vieler verfügbarer gegenüber zu wenig relevanter Information ein erster Lösungsvorschlag vorgestellt. Dieser bezieht sich auf die Themengebiete Metainformation, Informationsqualität, Klassifizierung und Strukturierung, die sich durch das gesamte Buch wie ein roter Faden ziehen. Anhand von Beispielen, wie Tageszeitungen, wissenschaftliche Zeitschriften oder dem Buch werden diese Themengebiete eingeführt. Großer Wert wird dabei auf dieEigenverantwortlichkeit des Einzelnen und der Kontextualisierung von Information gegeben. Es wird auf die klassischen Lösungen der Minderung der Informationsflut eingegangen, angefangen bei der Rhetorik, den Hilfsmitteln der Bibliothekswissenschaften und Publizistik bis hin zu der Problematik der Schriftlichkeit im Umgang mit den neuen Medien und der Demokratisierung durch die Informationsmärkte.

Teil zwei mit den Kapiteln 7 bis 13 beschreibt als wissenschaftliche Grundlagen die Methoden, die für die genannten Anforderungen des Managements unstrukturierter Informationen in Unternehmen von Interesse sein können. Dabei wird im wesentlichen auf die Prinzipien der Strukturierung, Klassifizierung, Auszeichnung mit Metainformation und auf Qualitätsmethoden im Umgang mit Information eingegangen. Es werden Verfahren vorgestellt, die im Prozeß der Informationsvermittlung vom Autoren zum Rezipienten benutzt werden können, um Information besser zu lagern und verwalten, als auch auf sie zugreifen zu können. Dabei werde verschiedene Konzepte der Bibliotheks-, Dokumentations- und Informationswissenschaft benutzt und dargestellt. Die Autoren zeigen, daß sie sich in verschiedenen Bereichen mit den entsprechenden Methoden auseinandergesetzt haben. Dabei handelt es sich vorwiegend um Standardwerke, wie etwa häufig zitierte Beiträge aus dem LaiLuMe [Buder et al. 1997].

Im dritten Teil werden die beschriebenen Probleme und Methoden in die Probleme der betrieblichen Umgebung eingepaßt und pragmatische Lösungsansätze vorgestellt. Es wird eine Art 'how to do' beschrieben, um hilfreiche Ansätze aus den vier genannten Themengebieten im Unternehmen realisieren zu können. Dabei werden konkrete Beispiele angesprochen, wie etwa Email-Kommunikation durch die Ergänzung mit Metadaten effizienter gehandhabt werden kann oder wie erfolgversprechend hierarchische Strukturierung von Informationen sein kann.

Im abschließenden vierten Teil werden vier Fallbeispiele vorgestellt, die zu einer erfolgreichen Implementierung der genannten Methoden geführt haben. Zunächst werden die Organisation und die Leitlinien des Intranet bei Siemens Nixdorf vorgestellt, wobei das Kernelement zwölf Empfehlungen zum 'Grundverständnis und allgemeine Regeln für den Umgang mit Informationen im Intranet' sind, die leider nur im Anhang des Kapitels aufgeführt werden. Es folgt ein Kapitel über die Rolle des Informationsmanagers im Unternehmen, dessen Kernaufgabe darin besteht, 'Informationsproduzenten und Informationsnutzer zusammenzubringen' und dazu die im Buch angesprochenen vier Lösungsmethoden zu verwenden. In den letzten beiden Abschnitten werden das Archiv des Nachrichtenmagazins 'Der Spiegel' und 'Xenia, die Stadt des Wissens' vorgestellt. Das weltbekannt Spiegel-Archiv wird dabei in seinen Grundzügen vorgestellt und dessen durchstrukturierte Ordnung dargestellt. Im Projekt Xenia steht der Versuch im Vordergrund, Informationen nach inhaltlichen Kriterien zu ordnen, so daß Informationsbestände jeweils in ihrem kontextuellen Umfeld wiederauffindbar sind. Beide Projektbeschreibungen bilden leider etwas kontextlos den Schluß des Buches, sind aber als Anschauungsmaterial gut geeignet. Allerdings hätte die Beschreibung der doch eher klassischen Dokumentationsorganisation des Spiegel-Archivs vermutlich erheblich an Wert gewonnen, wenn man ihr bspw. die Dokumentation des FOCUS entgegengestellt hätte, die sich die relevanten Informationen vorwiegend über die Ressourcen des internationalen Informationsmarktes besorgt.

Wenn auch nicht explizit geäußert, so richtet sich das Buch doch vorwiegend an einen Personenkreis, der mit dem Management und der Organisation von Informationen betraut ist und damit noch wenig Erfahrungen besitzt. Dabei wird eindeutig der richtige Schwerpunkt auf die Problematik des Umgangs mit Information gelegt und nicht, wie häufig zu finden, die Lösung der Informationsprobleme in der Anwendung von Informationstechniken gesehen. Dies ist auch ganz eindeutig die Stärke dieses Buches, welches sich ohne Wenn und Aber auf Lösungsmöglichkeiten und –strategien stützt, die es dem Einzelnen und dem Unternehmen oder der Organisation erlauben, Verfahren einzuführen oder zu benutzen, die den sinnvollen und effektiven Umgang mit Information erlauben. Gefragt ist die Fähigkeit, relevante Informationen zu identifizieren und bewerten zu können und im eigenen beruflichen Kontext einordnen zu können. Diese Absicht und Zielsetzung wird gleich zu Beginn sehr deutlich und mit vielen praktischen, anschaulichen, auch unterhaltsamen Beispielen beschrieben. Die Schwäche des Buches liegt für den Fachmann im Informationsgeschäft doch eher in der Tiefe, mit der die einzelnen Themen behandelt werden. So werden die vier Themengebiete Metainformation, Informationsqualität, Klassifizierung und Strukturierung, die mit unterschiedlichen Zielsetzungen in den verschiedenen Teilen des Buches bearbeitet werden, auf dem Einführungsniveau behandelt und verharren leider meistens auch dort. Aktuelle Trends werden zwar zum Teil angesprochen, aber nicht vertieft. Wichtige Aspekte heutiger Informationsbe- und –erarbeitung wie etwa die Frage nach dem Vertrauen in Information und Informationsanbieter oder der Relevanz der Dublin Core bleiben unberücksichtigt. Auch stellen die Autoren zu wenig ihren eigenen Ansatz in Frage. Gibt es doch schon lange Jahre die Diskussion, ob eine Vorklassifizierung und –strukturierung von Information oder der effektive und intelligente Einsatz von Suchwerkzeugen erfolgversprechender sind. Wenn auch in vielen Organisationen die Strukturierung und Klassifizierung der Information vorherrschend ist, so führt die Diskussion über die hohen Kosten bspw. der Erstellung von Metadaten in vielen Anwendungsbereichen zur Zeit dazu, deren Nutzen zu überprüfen.

Formal gibt es nichts zu bemängeln. Flott geschrieben, sowie ausführliches Inhaltsverzeichnis, Register, Glossar und Literaturverzeichnis erlauben es, auf die Inhalte auf unterschiedlichste Art und Weise zuzugreifen. Das Buch selbst kann einem Informationsspezialisten wenig Neues bieten. Für denjenigen, der sich zum ersten Mal mit der Organisation und Handhabung größerer Mengen unstrukturierter Daten im Unternehmen beschäftigt, bietet das Buch einen motivierenden Einstieg, um die vorhandenen Problembereich und einige Lösungsansätze kennenzulernen und sich anhand des Literaturverzeichnisses eventuell weiterzubilden.

Anmerkung


[Buder et al. 1997]  M.Buder, W.Rehfeld, T.Seeger, D.Strauch:
Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. Ein Handbuch zur Einführung in die fachliche Informationsarbeit.
München - K.G. Saur, Band 1 und 2 1997

 

Anschrift des Rezensenten
Dr.Marc Rittberger
Universität Konstanz
E-Mail: Marc.Rittberger@uni-konstanz.de