Die Informationsgesellschaft und ihre Werterscheinungsformen

von Heinrich Badura


Abstract

0. Einleitung
1. Begriffserklärung

  1.1 Informationsgesellschaft, was ist das?

  1.2 Was ist ein Wert?

2. Die Werte-Welt der Informationsgesellschaft

  2.1 Sicht der Europäischen Institutionen

  2.2 Politische Maßnahmen

3. Diversifizierung der Werte

4. Schlussbemerkungen


 

0. Einleitung

Das Thema "Informationsgesellschaft" zählt gegenwärtig zu jener Kategorie von Diskussionsansätzen, die am häufigsten gebraucht und missbraucht, gedeutet und missdeutet, begrüßt und gehasst, für hoffnungsstiftend und angsterregend, zukunftsichernd und zukunftzerstörend gehalten werden. Der Grund dafür ist nicht nur in der allmählich immer schwerer zu überblickenden Fülle einschlägiger Informationen zu suchen. Er liegt gewiss auch darin, dass die hypothetische Annahme einer allgemein verordneten Zustimmung zu dieser Gesellschaftsform eine Utopie ist. Utopien sind wiederum der europäischen Ideengeschichte nicht fremd und haben sich - nicht gerade immer - auch als konstruktiver Beitrag zur Erhaltung und Förderung des Humanums herausgestellt.

Was bleibt einem Wissenschafter anderes übrig, als an den Anfang seines Beitrages eine kurze Begriffserklärung zu setzen. Ferner möge gleich zu Beginn der nachfolgenden Überlegungen festgehalten werden, dass die Zielsetzung dieses Aufsatzes keine moralisierend empfehlende Urteilsabgabe ist, sondern, gemäß der Themenstellung, eine soziologische, besser gesagt sozialphilosophische, der offenen Reflexion verpflichtetete, gesellschaftliche Befindlichkeitswiedergabe darstellt.

1. Begriffserklärung

1.1 Informationsgesellschaft, was ist das?

Gestützt auf die aktuelle Quellenliteratur ist die Informationsgesellschaft als eine Gesellschaftsform zu definieren, "in der die Gewinnung, Speicherung, Verarbeitung, Vermittlung, Verbreitung und Nutzung von Informationen und Wissen einschließlich wachsender technischer Möglichkeiten der interaktiven Kommunikation eine entscheidende Rolle spielen". (Definition des Rates für Forschung, Technologie und Innovation. In: BM für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Hrsg.), Informationsgesellschaft. Chancen, Innovationen und Herausforderungen; Feststellungen und Empfehlungen, Bonn, Dez.1995, S.9f ).

Im aktuellen Grünbuch zur Österreichischen Forschungspolitik (Wien 1999) scheint man sich überwiegend für den Begriff "Wissensgesellschaft" entschieden zu haben. /http://www.bmwv.gv.at/

Für die - von der Europäischen Kommission in diesem Bereich eingesetzte - Gruppe hochrangiger Experten ist die Informationsgesellschaft jene, "die gegenwärtig entsteht und in der sich kostengünstige Technologien zur Speicherung von Informationen und Daten und deren Übertragung allgemein durchsetzen. Die Tatsache, dass alle Bereiche von der Nutzung von Informationen und Daten durchdrungen werden, geht mit organisatorischen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Neuerungen einher, die sowohl das Erwerbsleben als auch das allgemeine gesellschaftliche Leben grundlegend verändern werden". (Eine europäische Informationsgesellschaft für alle. Abschlussbericht der Gruppe hochrangiger Experten, Luxemburg 1997, S.17)

Für H.F. Spinner ist die Informationsgesellschaft "ein weit komplexeres Phänomen, als die plakativen populären Beschreibungsformeln vortäuschen - vom Nachindustrialismus und Postmaterialismus über den vierten volkswirtschaftlichen Sektor der Informationsökonomie bis zum Computerstaat und Multimediazeitalter. Sie ist ein Verschmelzungsprodukt aus wissensbasierter Technik, technisiertem Wissen und neuer Wissensordnung für globalisierte Information und Kommunikation. Technisch und institutionell verbunden". (Vision und Realität der Informationsgesellschaft. Die neue Hoffnung des 21. Jahrhunderts. Das Parlament 33-34/96/2)

In etwas gekürzter Form läßt sich die Informationsgesellschaft als eine Gesellschaftsordnung definieren, deren Innen- und Außenleben, mit allen dazugehörigen Organelementen, durch den Faktor Information determiniert sind. Mit anderen Worten: Es ist hier die Rede von einer Gesellschaftsform, die ihre An-sich-Existenz der Lebenspenderin Information verdankt. Information ist das wichtigste Ordnungs- und Organisationsprinzip dieser neuen sozialen Konstellation und Konfiguration. (Offenlassen möchte ich hier einen einleuchtenden Vergleich mit Gesellschaftsformen älteren Datums wie z.B. Industriegesellschaft, Freizeitgesellschaft, Bürgergesellschaft usw. Siehe dazu u.a. : H. Badura, Europa und die Schicksalhaftigkeit des europäischen Menschen, Vortrag aus Anlass der Eröffnung der POLIS PANNONIA und Aufnahme in das Interreg-Programm der Europäischen Kommission, Eisenstadt, 25.Sept.1998. In: Pannonia. Magazin für internationale Zusammenarbeit 2/1998/ S.38-40).

Frank Hartmann sieht in der Informationsgesellschaft eine "soziokulturelle Transformation, die nicht allein in technischen Begriffen zu fassen ist. Information wird zur ebenso signifikanten wie abstrakten Eigenschaft des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts, um die sich praktisch alles dreht. Information zu haben bedeutet, gesellschaftlich eine Rolle zu spielen, während sich die Kulturtechnik der Informationsbeschaffung und Informationsweitergabe gravierend ändert". (Cyber.Philosophy. Medientheoretische Auslotungen, Wien 1996, S. 40-41) "Information scheint gegenwärtig an die Stelle jenes Fluidums oder jener frühen Auffassung von Elektrizität getreten zu sein, um etwas bislang Unbedachtes in der Welt begreifbar und nutzbar zu machen. ,Information‘ wird damit aber mehr, als die Informationstheorie zugeben möchte, auch zur Sprachgeburt, zu einer Metapher für soziale Prozesse, die mit ihrer semantischen Transformation gleichwohl eine radikale Verschiebung der Kommunikationsverhältnisse am Ende der Gutenberg-Galaxis indiziert".(S.42) "Information ist Arbeit des sozialen Austausches". Ihre ökonomische Komponente verheißt wahre Wirtschafts- und Arbeitsmarktwunder. "Anstelle des Warenaustausches lassen sich auf der Wertpapierbörse etwa oder in der kulturindustriellen Produktion lukrative Geschäfte mit dem Angebot bzw. der Konstruktion entsprechender Informationen machen. Information ist eine Bezeichnung für die meistgehandelte Ware der postindustriellen Gesellschaft." Sie wird als reales "Konstruktionsprinzip" allgemein eingesetzt. Die Schnelligkeit und Treffsicherheit bei ihrer Beschaffung "schaffen Kommunikationsvorteile und sichern die soziale Position". (S.54)

Für Neil Postman ist die problemlösende Komponente des Begriffes Information etwas zynisch, sarkastisch formulierbar. Er meint: "Auf die Frage ,Welches Problem löst die Information?‘ erhält man meist die Antwort: ,Das Problem, wie sich größere Informationsmengen denn je sowohl bequemer als auch schneller denn je erzeugen, speichern und verteilen lassen.‘ Damit wird die Information in einen metaphysischen Status erhoben: sie wird zugleich Mittel und Zweck menschlicher Kreativität". Und er wird noch deutlicher wenn er sagt: "Unter der Herrschaft des Technopols werden wir dazu gedrängt, unser Leben mit dem Streben nach ,Zugang‘ zu Informationen zu verbringen. Es ist nicht an uns, zu fragen, wozu das geschieht oder wo die Grenzen dieses Strebens liegen; und wir sind auch gar nicht darauf vorbereitet, so zu fragen, denn dieses Problem gab es nie zuvor. Nie zuvor war die Welt mit einer Informationsschwemme konfrontiert, und bisher hatte sie kaum Zeit, über deren Konsequenzen nachzudenken". (Das Technopol. Die Macht der Technologien und die Entmündigung der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1992, S.70)

Das Technopol, als totalitäre Ausprägung der Technokratie, definiert in seinen Augen Begriffe wie Religion, Kunst, Familie, Politik, Geschichte, Wahrheit, Privatsphäre und Intelligenz ausschließlich in der Perspektive eigener Systemanforderungen. (In Amerika längst Wirklichkeit geworden) Als Nebenwirkung ist eine Auseinanderhaltung, Entkontextierung von Information an sich und Informationsgehalt einschließlich seiner Zuordnung zu beobachten. "Die technologische Entwicklung forciert einen zwischen Information und Bedeutung bestehenden Unterschied, der in früheren geschichtlichen Situationen vielleicht nicht so sehr ins Gewicht fiel. Bedeutung verweist immer auf semantische Bezüge, also auf einen Kontext". So hat es auch mit dem Begriff Kultur. Sie "bildet eine semantische Meta-Ebene, auf der ein Kontext von Symbolen die Synthese von Sinn aus Kommunikationsbezügen möglich macht". (S.58) Setzt man nun dieses Phänomen in Relation zur geglaubten und geförderten Furiosität modernster Informations- und Kommunikationstechnologien, dann drängt sich die allzu selbstverständliche und einleuchtende, somit auch schwer widerlegbare, Erkenntnis auf: "Eine Maschine verarbeitet nur Informationen, keine Bedeutungen". (S.59)

Information genießt in einer so verstandenen Informationsgesellschaft den Status eines - das Menschsein an sich, besonders aber eingebettet ins Netz sozialer und sonstiger Bezüge - bestimmenden Hegemonen, der - sowohl das Selbstverständnis und den Selbstwert des Individuums als auch seine Lebensgestaltung und seinen Du-Wert - wesentlich und nachhaltig prägt. Information ist Lebensform geworden (vgl.S.55). Sie mutiert den seinerzeitigen, gar nicht alt gewordenen, homo oeconomicus zum homo informaticus und entscheidet über seine Gesellschaftsfähigkeit und -wichtigkeit! Aktiver Informationsbesitz präsentiert sich in einem solchen Kontext als leitende Triebkraft bei der Entstehung einer neuen Zivilisation und entwickelt sich zur dominierenden, um nicht zu sagen exklusiv erstrebenswerten, Werthaltung der Informationsgesellschaft.

1.2. Was ist ein Wert?

An dieser Stelle sind damit nicht Werturteile oder Normen, sondern Güter gemeint, die - erst in Relation zu verschiedenen Bezugspunkten gesetzt - zu normativen Maßstäben und Regeln werden. Kurz: es geht hier nicht um die Formel "Etwas hat einen Wert" sondern "Etwas ist An-und-für-Sich ein Wert", der - verständlicherweise - vielfältig also auch unterschiedlich wahrgenommen, interpretiert und dergleichen auch verwirklicht werden kann und es auch wird.

Es liegt weder im Sinne des Autors noch wäre es im Sinne dieses Beitrags, mit Werten rein subjektive Wahrnehmungseinheiten, Bewusstseinsbefindlichkeiten bestimmter Gegenständlichkeiten menschlichen Strebens bzw. Besitzdenkens gleichzusetzen.

Der Politischen einschließlich der Staats- und Rechtsphilosophie verpflichtet, werden hier in den Mittelpunkt ausschließlich jene Wertbegriffe gestellt, die - als Inbegriffe bestimmter Güter - für das Gemeinwesen, das Gesellschafts- und Staatsgefüge als solches eine Art Normenkonformität möglich und politisch umsetzbar machen; bei aller gebührenden Achtung gegenüber individuellen Werthaltungen. "Angesichts der Vielfalt der Wertüberzeugungen in einer pluralistischen Gesellschaft ist es ein Gebot der politischen Vernunft, den einzelnen die Befolgung staatlicher Normen unabhängig von ihren individuellen Werthaltungen zuzumuten, und zwar mit Rücksicht auf das Allgemeininteresse, das die Aufrechterhaltung der Rechtsgrundsätze gebietet". (G. Maluschke, Das Menschenbild und das Problem der ,Werte‘ in der Sicht der Politischen Philosophie. Aus: Politik und Zeitgeschichte 28/87/3).

Was sind nur die zentralen Werte, Güter jener Informationsgesellschaft, die zwar noch lange kein abgeschlossener Prozess ist und es wohl auch nie sein wird und doch - über weite Strecken unserer Lebensgestaltung - deren Kreisläufe subjektiv wie objektiv bereits nachhaltig bestimmt?

2. Die Werte-Welt der Informationsgesellschaft

2.1 Sicht der Europäischen Institutionen

Welche Wertartefakte sind in den Augen der Organe der Europäischen Union, als dem - für das Sein und Werden der Informationsgesellschaft in Europa - politisch verantwortlichen Gremium von herausragender, wegweisender Bedeutung?

Umfangsbedingt seien hier nur ganz wenige repräsentative Stellen aus den aktuellen offiziellen Dokumenten herauszugreifen, die für diesen Diskurs von paradigmatischer Bedeutung sind und offiziell als Markiersteine auf dem Weg Europas zur Informationsgesellschaft angesehen werden.

Im Jahre 1996 veröffentlichte die Europäische Kommission das Grünbuch mit dem markanten, vielversprechenden Titel: "Leben und Arbeiten in der Informationsgesellschaft : Im Vordergrund der Mensch". /KOM (96)389 endg.v. 24.7.96. Vgl. KOM (96)389-C4-0522/96 v. 23.7.96 finve / Ordnungsgemäß folgte am 11.2.1997 ein Bericht des Europäischen Parlaments über dieses Grünbuch ( A4-0045/97 ) als auch ein anderer vom 11.6.97 (A4-0208/97) über die Mitteilungen der Kommission "Die Informationsgesellschaft - von Korfu bis Dublin; neue Prioritäten" und "Die Bedeutung der Informationsgesellschaft für die Politik der EU" /KOM (96) 0395 - C4-521/96 / sowie "Europa als Wegbereiter der globalen Informationsgesellschaft: Dynamischer Aktionsplan". /KOM (96)607 - C4-0648/96 /

Ferner erschien 1997 - in Anlehnung an den im April desselben Jahres fertiggestellten, oben bereits erwähnten, Abschlussbericht der Gruppe hochrangiger Experten - ein weiterer Teil dieser Dokumentenreihe, nämlich "Die soziale und arbeitsmarktspezifische Dimension der Informationsgesellschaft. Untertitel: Im Vordergrund der Mensch - Die nächsten Schritte". /KOM (97) 390 endg./

"Das Grünbuch ersuchte (nach kommissionseigenen Angaben - eig. Einfügung) um Stellungnahmen dazu, wie die vollen Nutzeffekte der Informationsgesellschaft, insbesondere in den Bereichen Arbeitsorganisation, Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt, am besten zum Tragen gebracht werden können, und forderte zu einer Reflexion über einen Katalog gemeinsamer Grundsätze für die Gestaltung der Informationsgesellschaft in Europa auf". ( Die soziale und arbeitsmarktpolitische Dimension..., S.11) In diesem Grünbuch "wurde auf der Grundlage der Vorstellungen und Werte, die die Europäische Union geformt haben, ein Katalog gemeinsamer Grundsätze vorgeschlagen, die als Anleitung für die Schaffung des ordnungspolitischen Rahmens der Informationsgesellschaft dienen sollen".(S.7)

Eine genaue Analyse dieses Dokuments läßt neuerlich das richtungweisende Bekenntnis der Kommission erkennen: "Unsere Gestaltung der Informationsgesellschaft - der tiefgreifendste Wandlungsprozess unserer Zeit - muss sich an den Wertvorstellungen orientieren, auf denen die Europäische Union beruht. Diese Wertvorstellungen sollten einleuchtend sein, damit sie eine umfassende Unterstützung der europäischen Bürger finden und auch verdienen". (Grünbuch, S.3)

Was die Kommission dabei nicht berücksichtigt hat, ist jedoch eine klare, unmittelbare, bürgernahe Benennung, Aufzählung der von ihr gemeinten Wertvorstellungen. Bereits im nächsten Satz übersieht sie einen wesentlichen Unterschied zwischen den Termini "Wert" und "Norm" und schreibt: "Zu diesem Zweck fordert die Kommission alle interessierten Kreise auf, sich über die Möglichkeiten der Formulierung einer Reihe allgemeiner Leitlinien der Gemeinschaft für die Entwicklung der europäischen Informationsgesellschaft Gedanken zu machen". (S.3-4, vgl.S.41)

Etwas genauer - wenn auch sehr spärlich - artikuliert sie sich diesbezüglich im Kap.6: "Die Informationsgesellschaft - der europäische Weg". Hier heißt es: "Die europäische (Informationsgesellschaft) ist aufgebaut auf einer starken Tradition der kulturellen Vielfalt, der politischen Demokratie und der Marktwirtschaft". "Das europäische Sozialmodell" beinhaltet zwei Komponenten: den Wettbewerb und die Solidarität. Es folgt ein weiterer Hinweis auf das Problem der Werte: "Die Art und Weise, in der wir diese Gesellschaft entwickeln, muss die Ideen und Werte widerspiegeln, die die Europäische Union geformt haben. Um die Unterstützung der Bürger zu erhalten, sollten diese Ideen und Werte transparent und mit sozialer Gerechtigkeit verbunden sein".(S.41)

Wenn man den Text richtig verstanden hat, dann konzentriert sich das Bekenntnis der Kommission auf drei Werterscheinungsgruppen:

1. Kultur - kulturelle Vielfalt,
2. Demokratie - Transparenz,
3. Marktwirtschaft - Wettbewerb (soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Solidarität beachtend ) - Zusammenhalt.

Subtilere und detailliertere Formen der Wertewelt Europas werden an dieser Stelle ausgeblendet, möglicherweise aber als impliziter Bestandteil des Verweises auf den Formungsprozess der EU verstanden sein wollen.

Etwas differenzierter aber auch nüchterner als das "Grünbuch" sieht das Axiologie- Problem der Informationsgesellschaft in den Augen der o.g. Expertengruppe aus. Informationsgesellschaft ist für sie in erster Linie eine lebenslang lernende Gesellschaft.

Gleich zu Beginn wird hier unmissverständlich zwischen "Informationen" und "Wissen" unterschieden. Ihrer Auffassung nach "...führt die Erzeugung unstrukturierter Daten nicht automatisch zur Schaffung von Informationen, so wie man Informationen nicht grundsätzlich mit Wissen gleichsetzen kann. Informationen lassen sich stets einteilen, analysieren, überdenken und anderweitig verarbeiten, um sodann Wissen zu erzeugen".(S.17-18) Es handelt sich hier ausschließlich um einen "Rohstoff", der unterschiedlich wahrgenommen und verarbeitet werden kann. Es folgt eine kritische Feststellung: "Auf die Erzeugung und den Erwerb von Wissen, geschweige denn auf den Fundus an menschlicher Weisheit (gemeint ist der ‘Extrakt‘ aus Lebenserfahrung, natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen, Ethik und Philosophie - S.18, Anm.2) hatten diese neuen Technologien allerdings keine derartigen Auswirkungen". Und sie führt fort: "Es wäre natürlich wünschenswert, dass sich die Gesellschaft immer mehr in eine ,weise Gesellschaft‘ verwandelt, in der wissenschaftlich belegte Daten, Informationen und Wissensinhalte zunehmend dafür genutzt werden, fundierte Entscheidungen zu treffen, um die Qualität aller Aspekte des Lebens zu verbessern. Eine solche Weisheit würde zur Gestaltung einer mit der Umwelt in Einklang stehenden Gesellschaft beitragen, der das Wohl ihrer Mitglieder am Herzen liegt und die den sozialen und kulturellen Aspekten des Lebens einen ebenso hohen Wert beimisst wie den materiellen und wirtschaftlichen Aspekten. Wir hoffen, dass sich die entstehende Informationsgesellschaft in einer Weise entwickeln wird, die eine solche Vorstellung der Weisheit voranbringt". (S.18)

Ein, von der Expertengruppe konstatierter, technologischer Determinismus stößt hier ebenfalls auf eine eindeutig ablehnende Kritik, soziale Einbettung wird eingefordert.

Sie will es auch aufgezeigt wissen, "dass es im Zusammenhang mit einer künftigen europäischen Informationsgesellschaft zahlreiche sozialpolitische Herausforderungen gibt, die darauf hinweisen, dass diese über die vereinfachte Vorstellung einer schnellen Anpassung an eine von der ,externen‘ Macht des technologischen Wandels bestimmte Zukunft hinausgehen, in der die Menschen keinen Einfluß und keine Möglichkeiten der Mitwirkung haben, sowie die unzähligen Möglichkeiten der Gestaltung einer europäischen Informationsgesellschaft für alle vorzustellen".(S.21-22).

Damit sich die europäische Informationsgesellschaft zu einer Gesellschaftsform entwickeln kann, zu der alle einen Zugang und von der alle auch einen Nutzen haben, wird hier die Wichtigkeit der sogenannten "komplementären Vermögenswerte" betont.

Es sind:
- allgemeine,
- berufliche Bildung und
- lebensbegleitendes Lernen. (S.23)

Es gibt noch eine weitere, für die Problematik der Werte in der Informationsgesellschaft nicht unbedeutende Stelle, und zwar der Hinweis auf die - für diese Gesellschaftsform typische - "virtuelle Wertkette".

Aus der Sicht der genannten Experten besteht "ein wesentliches Merkmal der sich herausbildenden Informationsgesellschaft darin, dass hinsichtlich des Wertes ein Übergang zu immaterieller Produktion und immateriellem Konsum zu verzeichnen ist, der manchmal auch als Tendenz der ,Entmaterialisierung‘ bezeichnet wird". Diese Wertverschiebung "von immer mehr kodifizierbares Wissen einschließenden Industriegütern zu auf dienstleistungsgestütztem impliziten Wissen beruhenden Aktivitäten ist typisch für die sich herausbildende Informationsgesellschaft".(S.34-35)

Eine weitere Stelle dieses, durchaus lesewürdigen, Dokuments, scheint klassisch postmodern zu sein. Sie trägt die - für eine derartige Dokumentenreihe eher untypische - Überschrift: "Von der Zeit zum Arbeiten zur Zeit zum Leben". Die weitere Unterteilung dieses Kapitels lautet:

1. Zeit zum Arbeiten
2. Zeit zum Konsum
3. Zeit zum Leben (S.46-52)

In allen drei Bereichen besteht an sich ein mehr oder weniger akuter Handlungsbedarf, der entweder mit einem Mangel des Wertes "Zeit" zusammenhängt oder in der Art und Weise des Umgangs mit der Zeit fußt oder auch auf ein grundsätzlich unausgewogenes Zeitmanagement zurückzuführen ist (Folgen: Gesundheitsschäden, Zivilisationskrankheiten etc.). Die im Zusammenhang mit den Gesellschaftsveränderungen stehenden Gegenwarts- und Zukunftsprobleme "lassen sich teilweise durch Nutzung der Forschungsergebnisse aus Physiologie und Psychologie lösen, was der Entwicklung einer menschengerechten - im Gegensatz zur ,technozentrischen‘ - Technik und Arbeitsorganisation starken Aufschwung verleihen würde. Dazu bedarf es einer stärkeren Berücksichtigung der Bedürfnisse und Meinungen der Nutzer, als dies bisher der Fall war". Dieser Erkenntnis will die Europäische Kommission im laufenden Rahmenprogramm für F&E (1999-2002) auch Rechnung tragen.

Die umfangreichen Dokumente der Jahrtausendwende, nämlich die Agenda 2000, /KOM (97) 2000 endg./, das EUREK (Europäisches Raumentwicklungskonzept), das 5. F&E Rahmenprogramm 1999-2002, das Struktur- & Kohäsiondsfonds Programm für den Zeitraum 2000-2006, das Grünbuch über die Informationen des öffentlichen Sektors in der Informationsgesellschaft. Informationen des öffentlichen Sektors - eine Schlüsselressource für Europa vom 15.1.1999 /KOM (98) 585/, das 1. Programm der Europäischen Gemeinschaft zur Kulturförderung 2000-2004 (Kultur 2000) /KOM (98) 266 endg./enthalten - was das Wertverständnis der Informationsgesellschaft Europas und seine programmatische Verankerung einschließlich der politischen Umsetzung angeht - keinerlei weiterführende inhaltlich essentielle Vertiefung oder Erweiterung. Sie sind vielmehr eine Art modulare Verwirklichung von Ankündigungen und politischen Forderungen der letzten sechs Jahre. Faktisch werden in allen Papieren die Erkenntnisse der oben analysierten Vorläufer - jeweils aspektbezogen - übernommen und schwerpunktgerecht berücksichtigt.

Die postulative Grundaussage des soeben erwähnten Grünbuchs über den öffentlichen Sektor und die Informationsgesellschaft läßt sich in der Formel umschreiben: öffentlicher Zugang aller Bürger zu allen - das Leben und Arbeiten in der Informationsgesellschaft betreffenden - Informationen und Förderung der damit verbundenen individuellen, strukturellen und politischen Maßnahmen in der Perspektive einer modifizierten Aufgabenstellung des öffentlichen Sektors an sich. Sichtweisen anderer Art sind als "anachronistisch" zu bezeichnen, was für den Informationsdienst der EU gleichermaßen gilt. Auf diese Art soll das Innenleben der Gesellschaft Europas, die Arbeitsweise aller Institutionen "offener und für das alltägliche Leben relevanter" und der Integrationsprozess erlebbarer, greifbarer und erfolgreicher werden.

Das Kultur 2000 Programm unterstreicht - stärker als das bisher der Fall war - den Integrationswert der Kultur. Auf die selbstgestellte Frage: "Bieten unsere Gesellschaften die Voraussetzungen für eine tolerante und tragfähige soziale Integration oder sind sie nur ein Nebeneinander von Kulturen, denen wirkliche Verbindungen fehlen"? weiß die Kommission zu antworten: "Die Europäische Union muss eine Integration auf der Basis der Grundwerte (Menschenrechte, Freiheit, Solidarität, Toleranz) fördern".

Es ist zweifellos beachtenswert, wenn der Bericht des Europäischen Parlaments über die Entwicklung und Anwendung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im nächsten Jahrzehnt (22.4.97: A4-0151/97) sagt: "Die Europäische Union ist gut beraten, wenn sie die großen Umwälzungen, die die Digitalisierung für unsere Gesellschaft mit sich bringt, auch kommunikativ gut begleitet. Information ist erforderlich, um in Verbindung mit den neuen IKT-Systemen und IKT-Produkten außer für die nötige Grundlage auch für die nötigen Emotionen bei den Bürgern der EU zu sorgen. Ohne Emotionen sind die IKT-Systeme tote Objekte, ohne System führen Emotionen bei den Menschen zum Chaos.

Es ist eine Herausforderung, beides miteinander zu verbinden".(S.13) Eine diesbezügliche Festlegung politischer Prinzipien sollte nicht ausschließlich vom Wert "Wirtschaftswachstum" ausgehen, sondern mehr Aufmerksamkeit dem Wert "geistiges Kapital" widmen. "Europa darf nicht zu einem Absatzgebiet für IKT-Produkte aus Ländern wie den Vereinigten Staaten werden". (Ebd.) Inhalte sollten im Mittelpunkt politischer Maßnahmen der EU stehen. Der Inhalt darf nicht der Technik untergeordnet werden.(S.12)

Bereits im Jahr 1996 mahnte das Europäische Parlament in seinem Bericht über Informationsgesellschaft, Bildung und Medien: "Das europäische Modell der Informationsgesellschaft hat von demokratischen, gesellschaftlichen, kulturellen und bildungspolitischen Anliegen und nicht von wirtschaftlichen und technologischen Interessen beherrscht zu sein" (16.10.96).

2.2. Politische Maßnahmen

Welche Schritte will man nun setzen, damit die Informationsgesellschaft Europas eine wird, in deren Vordergrund der primäre und irreduzible Wert mit dem Namen "Mensch" steht, stets "weiser werdend", mit freiem Zugang zur grenzenlosen Welt der Informationen, ausgestattet mit der Fähigkeit, diese zum persönlichen Wissen umzuwandeln, eingebettet in das Klima kultureller Vielfalt, im Besitz von Zeit zum Kulturerleben und Wissen für eine ganzheitliche Wahrnehmung ihrer Inhalte?

Die operativen Zielvorgaben, bzw. die normative Umsetzung der oben skizzierten Wertformen, verbunden mit angemessenem Appell an die staatlichen Politiken, können in den Augen der Europäischen Kommission folgerichtig nur lauten:

Konkrete Vorgaben für die Weiterentwicklung der Informationsgesellschaft in Europa enthält das derzeit jüngste Dokument der Europäischen Kommission in diesem Bereich (vom 8.12.1999), die Mitteilung über eine Initiative der Kommission für den Europäischen Sondergipfel von Lissabon am 23./24. März 2000, mit dem Titel: eEurope. Eine Informationsgesellschaft für alle. Diese Aktion R. Prodis verfolgt prinzipiell das Ziel, die Umstellung Europas auf die Informationsgesellschaft allseits massiv zu beschleunigen.

"eEurope soll in erster Linie

Was man hier positiv anmerken darf: Ihr 10-Punkte-Aktionsprogramm scheint durchaus aposteriorische Züge zu tragen und aus einer kritischen Auseinandersetzung mit den Ergebnissen einschlägiger Aktionen der vergangenen Jahre hervorgegangen zu sein. So auch der Vorwurf "an Europa", dass " es sich nicht rasch genug auf das digitale Zeitalter einstellt", daher auch die Vorteile der Informationsgesellschaft "nur teilweise" nutzt. (S.4) Europa "muß seine Stärken nutzen und seine Schwächen ausbügeln".(S.5)

In Anlehnung an das oben bereits dargelegte Wertverständnis der Vordokumente, zeugt diese Mitteilung vom einigermaßen gereiften Bewusstsein der Notwendigkeit einer besonderen, unumgänglichen Beachtung die gesamten Reallage der Interessen europäischer Bevölkerung die Bewertung, die Beurteilung, die breite Akzeptanz und die Verwirklichung der Informationsgesellschaft betreffend. Die etwas verwirrend wirkende reziproke Verwendung der Begriffe Informationswirtschaft / Weltwirtschaft / Informationsgesellschaft könnte - höchstens durch apriorische Annahme eines Zeitdruckes bei der Erstellung dieses Dokuments - zu rechtfertigen sein.

Es ist schier grotesk, die Behauptung aufzustellen: "Die Weltwirtschaft wandelt sich immer mehr von einer Industriegesellschaft zu einer Informationsgesellschaft, für die neue Regeln gelten". (S.4) / "The world economy is moving from a predominantly industrial society to a new set of rules - the information society"./ S.(4) Wenn dem so wäre, dann müsste man hier die Sicht von V. Forrester "Der Terror der Ökonomie" /München 1997/ als durchaus bestätigt und die daraus resultierenden Antimaßnahmen als zweifellos angebracht betrachten. Wirtschaft und Gesellschaft sind - ihrem Wesen nach - zwei autonome Begriffskategorien, die in ihrem gegenseitigen Verhältnis irreziprok, irreduzibel und irreversibel sind, daher auch einen solchen Wandel an und für sich ausschließen. Wirtschaft kann nicht zur Gesellschaft werden, sosehr auch ein metamorphisierender Einfluss wirtschaftlicher Entwicklungen auf die Natur der Gesellschaft, deren Entwicklungs- somit auch Erscheinungsformen eine unleugbare, historisch relevante Tatsache ist.

Aufklärungs- und näher definierungsbedürftig sind auch die hier - der Form nicht aber dem Inhalt nach - erstmalig verwendeten Termini: "digitale Mündigkeit" und "neue Ökonomie". In der "Umformung digitaler Information in wirtschaftliche und soziale Werte" sieht dieses Dokument "die Grundlage der neuen Ökonomie" und in der anzustrebenden Erreichbarkeit "digitaler Mündigkeit" im Sinne von Grundfertigkeit eine unverzichtbare Voraussetzung ihrer Realisierung.(S.7) Der an dieser Stelle prophezeite Nutzen davon: 1. "Wohlstand für alle Europäer" (S.6) und 2. globale Wettbewerbsfähigkeit Europas. Konkret heißt es: "Durch eine Kombination digitaler Mündigkeit mit seiner Stärke auf dem Gebiet der Mobilkommunikation kann Europa beim nächsten großen Sprung in die drahtlose Internet-Welt führend sein".(S.4)

Trotz der, auch in diesem Dokument verbreiteten, paradiesisch anmutenden Zukunftsvisionen bleibt die durchaus legitime Frage eines personalen Gesellchaftssubjekts offen: Geschieht diese Entwicklung in seinem Sinn? Und wenn es an einer weiteren Stelle kategorisch heißt: "Der Zugang zum Internet und dessen Nutzung über Computer, Mobiltelefon oder einen Fernseh-Decoder, die sogenannte Set-Top-Box, müssen Allgemeingut werden" - dann ist die Frage nach einer Respektierung demokratischer Mitentscheidungs- und Mitbestimmungsrechte wohl nicht mehr vom Tisch zu weisen. Ist die in den o.g. Quellen stets hervorgehobene Synonymisierung von Präsenz und Einsatz modernster Informations- und Kommunikationstechnologien mit gesellschaftlichem Wohlstand d.h. auch persönlichem Wohlergehen demokratiepolitisch vertretbar? Kann die "neue Ökonomie"- mit dem Diktat "digitaler Mündigkeit" gekoppelt - automatisch als Gegenstand der freien und bejahend kontinuierlich getroffenen Entscheidung der BürgerInnen Europas gesehen oder muss sie nur als eine Art zentral verordnetes Glückstrachten mit dem Beinamen einer ideologisierten "Zwangsbeglückung" verstanden bzw. interpretiert werden? Auf jeden Fall richtig ist der Untertitel der europäischen Beschäftigungsstrategie, der lautet: In Menschen investieren. Ein angemessener Handlungsbedarf scheint legitimerweise das Gebot der Stunde zu sein.

Zusammenfassend: Wir leben, leben und arbeiten in einer Gesellschaft, in einem Staat. Der Staat existiert nur als vertraglich verankerter, begründeter und mehr oder minder vom allgemeinen Willen getragener Strukturbegriff politischer Natur. Die Gesellschaft wiederum - als Inbegriff des Gemeinwesens, Sozialgebildes - bedeutet "Leben". Sie ist ein "Existentialmoment", jene Dimension der Koexistenz der Individuen, der "Bürger", in der die Güter als spezifische Wertinhalte leben und Interessen einem schier grenzenlosen Wettbewerb unterworfen sind.

3. Diversifizierung der Werte

Das oben ausgeführte Spektrum der Werte jener Informationsgesellschaft, in der wir - unterschiedlich bewusst - leben, lässt sich z.B. folgendermaßen differenzieren:

  1. Werte, die eine sich entwickelnde Informationsgesellschaft als solche ihren Bürgern mit sich bringt, ihre Umsetzung eigenmotorisch einfordert und gleichzeitig - an sich allgemein und frei zugänglich - offeriert.
  2. Werte, die - programmatisch verankert - Gegenstand nationaler bzw. gemeinschaftlicher politischer Aktivitäten und, für die Weiterentwicklung der Informationsgesellschaft - als richtungweisende Leitlinien - von einer (relativ) verbindlichen Normativität sind. In beiden Fällen verkörpert der Wert "Information" den formalen Aspekt des Reflexionsansatzes.

Jedes dieser Paradigmen genießt gesellschaftsstrukturell einen basalen Stellenwert und bringt als solches ein eigenes Produkt in Form eines angemessenen Gesellschaftsmodells hervor. Diese lassen sich folgendermaßen beschreiben:

Zu 1.: Technopolistische Informationsgesellschaft: Information als Fetisch -> Informationsabsolutismus:

Primäre Werte:

Sekundäre Werte:

Zu 2.: Bürgergerechte / menschenfreundliche Informationsgesellschaft: Information als Instrument -> Informationsrelativismus

Primäre Werte:

Sekundäre Werte:

4. Schlussbemerkungen - Aussichten:
Quo vadis? - Informationsgesellschaft...

Zu allen Werten, die den Blutkreislauf eines gesellschaftlichen Organismus ausmachen, gibt es - wie wir gesehen haben und es auch täglich erfahren - andere Werte, die eine potentielle Kollisionsgefahr bedeuten. Bekannt ist wahrscheinlich den Ausspruch von Popper: "Die Freiheit, ihre Fäuste zu bewegen, ist begrenzt durch die Nase ihres Nachbarn".

Die Freiheit, die die Menschen anstreben, ist für Fichte das "sich gegenseitig zugrunde zu richten".

Der Mathematiker, Philosoph und Physiker Pascal sieht die Menschheitsgeschichte als "ein Gewebe von Gewalt, Zufall und Bestialität".

Für Hegel ist die Menschheitsgeschichte die "Schlachtbank", auf der Unzählige geopfert werden. Derartige Formen gesellschaftlicher und geschichtlicher Wahrnehmung, ließen sich eigentlich problemlos fortsetzen.

Im Band 1 des bekannten Werkes von Peter Sloterdijk "Vor der Jahrtausendwende: Berichte zur Lage der Zukunft", Frankfurt 1990, im Aufsatz "Blick auf das Jahr 2000" von Gerda Lerner, ist zu lesen: "Wir halten die Saat der Zukunft schon in der Hand. Die größte Gefahr für das Überleben der Menschheit sind Machos in Machtvorstellungen, ganz egal, welcher Teilbereich der antiquierten Sozialstrukturen ihnen untersteht./.../Da sie sich auf nichts anderes verstehen als auf die Maximierung ihrer kurzfristigen Vorteile über andere sowie darauf, an just der illusorischen Macht zu kleben, die sie gerade haben, können sie sich nicht schnell genug den Veränderungen anpassen, die für das Überleben der Menschheit nötig sind". (S.306). Und im Nachwort schreibt Sloterdijk (Bd.2) selbst: "Irgend etwas geht seinen Gang, das sich offenbar der Moral und der Planung entzieht. Ist es nur ein dumpfes Verhängnis? Ich stelle die Frage anders: sind selbstläufige Prozesse oder Schicksale oder Verhängnisse per se etwas Dumpfes - oder kann man sich auch ein kluges Verhängnis, ein intelligentes Schicksal, einen sich selbst belehrenden Prozess vorstellen? Eine Lawine ist eine ,dumme‘ selbstläufige Prozessform; ein Curriculum hingegen wäre eine intelligente und organisierte. Der Menschheitsprozess ist offensichtlich weder bloße Lawine noch reines Curriculum, sondern ein zusammengesetztes Gemischtes - eine lernende Lawine, eine sich selbst reflektierende Turbulenz. Weil die Humanlawine selbstbezüglich, also ,intelligent‘ driftet, gibt es die Hoffnung, sie könne ihre Drift jeweils gerade soweit zu steuern lernen, dass sie sich diesseits ihrer Maximalkatastrophe zu bewegen weiss". "Selbstzerstörung kann demnach nur auf der Linie einer blinden Drift liegen, niemals ein Weg der intelligenten selbstgeregelten Beweglichkeit sein". ( S.723-724) Diese Kraft und Fähigkeit traue ich auch dem Menschen - als einer rational beschaffenen individuellen Existenz - durchaus zu, selbst wenn die politischen Entwicklungen allzu oft Franz Kafka Recht zu geben scheinen: "Es gibt ein Ziel, aber es gibt keinen Weg. Was wir Weg nennen, ist Zögern". (S.732)

Zugänge zu o.g. Dokumenten der EU:

Zahlreiche weitere Dokumente der EU
sind grundsätzlich erreichbar über:

http://europa.eu.int - Die Europäische Kommission, Zentralserver
http://inforegio.cec.eu.int - INFOREGIO: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung und Kohäsionsfonds,
http://europa.eu.int/comm/dg05/dgv_de.htm - GD 5: Beschäftigung und Soziales
http://europa.eu.int/comm/dg10/index_de.html - GD 10: Information, Kommunikation, Kultur, Audiovisuelle Medien
http://europa.eu.int/comm/dgs/information_society/index_de.htm bzw. http://europa.eu.int/infoso/index_de.htm - GD 13: Informationsgesellschaft
http://www.ispo.cec.be - ISPO: Information Society Promotion Office


Zum Autor

[Heinrich Badura]

MR DDr. Heinrich Badura ist Referatsleiter und Geschäftsführer der Arbeitsgruppe "Digitales Wissens- und Kulturerbe" im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Wien und Lehrbeauftragter an der Donau-Universität in Krems a.d. Donau

BMWV Ref.I/A5c
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