200 Jahre Library of Congress

 

Ein Gespräch mit Roberta Stevens, Bicentennial Program Manager, Library of Congress,
geführt von Dr. Ruth Wüst

Dr. Wüst: Was ist das Thema der 200-Jahr-Feier?

Stevens: Das Ziel des Bicentennial (200-Jahr-Feier) ist, die Sammlungen der Library of Congress und Bibliotheken einem breiten Publikum bekannter zu machen und deren Benutzung zu fördern. Das Bicentennialthema "Bibliotheken, Kreativität und Freiheit" wird mit einer Mischung von Projekten, speziellen Programmen, Veranstaltungen und Ausstellungen ausgefüllt. Bereits letztes Jahr haben wir mit den Feierlichkeiten begonnen, zum offiziellen Bicetennialtag wurde jedoch der 24.April 2000 bestimmt. Zusätzlich wurden viele unserer normalen Aktivitäten wie Ausstellungen in das Bicentennial Programm einbezogen.

Dr. Wüst: Wann begann die Planung?

Stevens: Bereits 1996 wurde mit der Planung begonnen. Seit 1997 wurden regelmässige Planungssitzungen abgehalten und ein Bicentennial Programm Büro eingerichtet.

Dr. Wüst: Wieviele Mitarbeiter sind am Bicentennial beteiligt?

Stevens: Die Library of Congress hat ein Bicentennial Büro mit einigen vollamtlichen Mitarbeitern eingerichtet. Dort arbeiten zusätzlich Bibliotheksmitarbeiter, die für einige Monate oder Wochen für bestimmte Projektaufgaben von ihren jeweiligen Abteilungen freigestellt werden. Gleichzeitig unterstützen uns Mitarbeiter v.a. in den Spezialsammlungen. Der Leiter der Rare Book Division ist beispielsweise dabei, die uns fehlenden Werke aus dem Katalog der Originalbibliothek von Thomas Jefferson zu beschaffen.

Dr. Wüst: Was für Ausstellungen sind geplant?

Stevens: Bereits letztes Jahr wurde die Eames-Ausstellung (http://lcweb.loc.gov/exhibits/eames/) über das Werk des Designer-Ehepaars Charles und Ray Eames zum Thema Kreativität gezeigt. Zur Zeit läuft die Ausstellung John Bull and Uncle Sam (http://lcweb.loc.gov/exhibits/british/), welche die Beziehung Grossbritanniens und der USA zum Thema hat und Schätze der Library of Congress und der British Library zeigt. In Vorbereitung ist eine Thomas Jefferson- Ausstellung (http://lcweb.loc.gov/bicentennial/exhibitions_tj.html) zum Thema Freiheit, welche Jeffersons Bibliothek präsentieren wird, welche den Grundstock zur Sammlung der Library of Congress bildete. Ebenfalls im April wird die Ausstellung The Wizard of Oz: An American Fairy Tale (http://lcweb.loc.gov/bicentennial/exhibitions_oz.html) gezeigt.

Dr. Wüst: Gibt es Publikationen zum Bicentennial?

Stevens: Zu allen Ausstellungen erscheinen Ausstellungskataloge. Drei wichtige Publikationen erscheinen zur Feier des Bicentennial: Ein reich bebilderter Band über die Geschichte der Library of Congress, ein neuer ausführlicher Führer zur Benutzung der Library of Congress und eine Library of Congress Enzyklopädie.

Eine Konferenzreihe wurde letztes Jahr mit dem Symposium Frontiers of the mind eröffnet (http://lcweb.loc.gov/bicentennial/programs_symposium.html). Im März findet ein Symposium Democracy and the world of law in Zusammenarbeit mit der New York University School of Law statt.

Zwei weitere Konferenzen zum Thema Bibliotheken sind für dieses Jahr geplant: Das Symposium Preservation and Security befasst sich mit dem Thema Bestandserhaltung und Sicherheit. Die Teilnehmer werden sich u.a. mit Fragen zur Messung von Effektivität von Bestandserhaltungsmaßnahmen auseinandersetzen. Ein weiterer Schwerpunkt bildet das Thema Maßnahmen zur Sicherung von Bibliothekssammlungen.

Unter der Leitung von John Cole, dem Director des Library of Congress Center of the Book, wird ein internationales Symposium National Libraries of the World durchgeführt. Im Anschluss daran ist weiter eine Katalogisierungskonferenz geplant. Einige dieser Konferenzen werden live über das Internet als Cybercast-Konferenzen übermittelt, um so einem breiten interessierten Publikum Zugang zu ermöglichen.

Dr. Wüst: Welches Projekt war für Sie die größte Herausforderung?

Stevens: Das publikumswirksamste und bei weitem spannendste Projekt der Feierlichkeiten ist das Local Legacies Projekt (http://lcweb.loc.gov/bicentennial/legacies.html). Dieses Projekt dokumentiert die kulturellen Traditionen der verschiedenen Teile der USA. Öffentliche Bibliotheken, Gruppen von Bürgern und verschiedenste Organisationen beteiligen sich an der Sammlung von amerikanischem Kulturgut. Meiner Ansicht nach ist es das wichtigste Projekt. Die Library of Congress, insbesondere das Folklife Center, kann so ihre Sammlung mit dem Local Legacy Archiv bereichern. Wichtiger jedoch ist, dass sich in diesem Projekt nicht nur die Bibliothek engagiert, sondern weite Teile des Kongresses und amerikanische Bürger aktiv ihre lokalen Traditionen dokumentieren. Bis jetzt weit wurden weit über 1000 Projekte angemeldet; alle Staaten, Territorien und der District of Columbia beteiligen sich. 84 Senatoren und etwa zwei Drittel des Repräsentantenhauses arbeiten am Projekt mit.

Dr. Wüst: Inwieweit sind andere Bibliotheken am Bicentennial beteiligt?

Stevens: Öffentliche Bibliotheken können sich am Local Legacy Projekt beteiligen. Der US Postal Service, die amerikanische Post, feiert die 200 Jahre Library of Congress durch die Herausgabe einer Briefmarke. Die Abbildung ist eine Repräsentation der Kuppel des Library of Congress Lesesaals.

Regionale Bibliotheken in den USA können sich als sog. "second day issue sites" bei der Post bewerben. Diese Bekanntmachung der Briefmarke durch Veranstaltungen in öffentlichen Bibliotheken gibt diesen Institutionen die Gelegenheit, für sich selbst zu werben. Um den vielen kleineren Bibliotheken, welche nicht über genügend Mittel und Personal für die Durchführung solcher Aktivitäten verfügen, trotzdem die Möglichkeit zur Teilnahme am Bicentennial zu geben, haben wir hier detaillierte Promotionsmittel entwickelt.

In Zusammenarbeit mit der American Library Association wurde ein sog. Toolkit entwickelt, das unentgeltlich an Bibliotheken versandt wird. Darin schlagen wir Ideen für eine Werbekampagne zur Bekanntmachung der Briefmarke vor und unterstützen die Bibliotheken bei der Planung von Veranstaltungen bis zum Plakatdesign. Das Toolkit enthält u.a. ein Informationsblatt über die Library of Congress und die Marke, eine Veranstaltungscheckliste und ein Beispiel einer Pressemitteilung.

Es war uns wichtig, den Bibliotheken soviel wie möglich zu helfen, damit auch kleinere Bibliotheken teilnehmen können. Auf Wunsch der Bibliotheken wird ein Mitglied des Kongresses des jeweiligen Bezirks an der Veranstaltung teilnehmen. Wir versuchen so, eine traditionelle Veranstaltung wie die Herausgabe einer Sondermarke, zu mehr als einer Zeremonie in der Library of Congress zu machen und somit die Bibliothek in Zusammenhang mit all den anderen regionalen Bibliotheken zu bringen. Bereits jetzt haben wir Anmeldungen von mehr als 100 Bibliotheken erhalten.

Dr. Wüst: Zur Feier werden ebenfalls zwei Library of Congress Gedenkmünzen herausgegeben. Was ist das Besondere dieser Münzen?

Stevens: Jedes Jahr werden in den USA nur zwei Sondermünzen herausgegeben. Wir haben beide bekommen und sind zudem die erste Institution, welche eine Münze bestehend aus zwei Metallen, aus Platin und Gold, erhält. Der Erlös des Verkaufs der 50000 Silber- und 200000 Platin-Goldmünzen wird in die Bibliothek zurückfließen und wahrscheinlich vorwiegend für Bildungsprojekte verwendet werden.

Dr. Wüst: Sie haben die Bibliothek von Thomas Jefferson erwähnt. Welche Bedeutung hat diese für die Library of Congress und was hat sie mit dem Bictennial zu tun?

Stevens: Nachdem die Bestände der Library of Congress während des Krieges von 1814 einem Brand zum Opfer fielen, bot Thomas Jefferson dem Kongress seine Bibliothek als Ersatz an. Die Bibliothek verlor einen Großteil dieser Werke wiederum während eines Brandes 1851.

Als Teil des Projektes Gifts to the Nation wird jetzt versucht, Thomas Jeffersons Bibliothek wieder zu vervollständigen. Eine private Spende von einer Million Dollar wird dazu benutzt, fehlende Werke zu erwerben und die bestehende Sammlung zu erhalten. Eine Bestandsaufnahme ergab, dass uns nur etwa 1000 Titel fehlen. Jefferson war nicht etwa ein Sammler von wertvollen oder seltenen Werken, sondern kaufte, was zu seiner Zeit im Buchhandel erhältlich war. Viele dieser Werke hatte die Library of Congress nach dem Brand als Teil ihrer allgemeinen Sammlung bereits wieder erworben, und wir haben jetzt diese Titel in einer speziellen Sammlung in der Rare Book Division vereinigt. Jeffersons usprüngliche Bibliothek bildete den Grundstock für die heutige Library of Congress und gab ihr ihre allumfassende Ausrichtung. Ihm ist es zu verdanken, dass wir heute nicht nur eine Sammlung amerikanischer Publikationen haben, sondern eine über 400 Sprachen umfassende Universalsammlung, welche sich über alle Wissensbereiche erstreckt.

Dr. Wüst: Wie kann man sich weiter über das Bicentennial informieren?

Stevens: Wir haben eine eigene Bicentennial Internetadresse (http://lcweb.loc.gov/bicentennial/bicenweb.html), wo sich ein detaillierter Veranstaltungsplan und ein Archiv mit Informationen über stattgefundene Konferenzen befindet.

Dr. Wüst: Frau Stevens, ich danke Ihnen im Namen der Leser von B.I.T.online für dieses informative Gespräch, und ich wünsche Ihnen für die Durchführung dieser Feierlichkeiten viel Glück und Erfolg.


Zur Autorin

[Dr. Wüst]

Dr. Ruth Wüst ist Informationswissenschaftlerin und arbeitet als Consultant für Automatisierung in der Erwerbungsabteilung der Library of Congress.

2828, Connecticut Ave. #807
Washington, D.C., 20008, USA
E-Mail: ruthwuest@hotmail.com