Intelligent Library Buildings


(Proceedings of the 10th Seminar of the IFLA Section
on Library Buildings and Equipment; 10)
The Hague, Netherlands, 24-29 August 1997
Ed. by Marie-Françoise Bisbrouck and Marc Chauveinc.
- München: Saur 1999. (IFLA Publications; 88) DM 98,-
ISBN 3-598-21810-9

Der Verlag Saur, München, hat jetzt den Bericht über das zehnte Seminar der IFLA Section on Library Buildings and Equipment, das vom 24. bis 29. August 1997 unter dem Titel "Intelligent Library Buildings" in Den Haag stattfand, vorgelegt; der Band wurde von Marie-Françoise Bisbrouck und Marc Chauveinc herausgegeben.

Der Band ist sehr lesenswert, schon weil die meisten der 15 Referenten neue geplante und gebaute Bibliotheksgebäude aus elf verschiedenen Ländern vorstellten. Eine gewisse Schwierigkeit stellt dabei die Begriffsbestimmung für ein "intelligentes Bibliotheksgebäude" dar. Bibliothekare neigen dazu, die "Intelligenz" eines Gebäudes hauptsächlich unter dem Aspekt der heute verbreiteten Euphoria Inphormatica als Ausdruck der installierten Computersysteme für den Betrieb der Bibliothek, das heisst für die Verwaltung der Materialien und des Leihverkehrs sowie für den Zugang zu Datenbasen und -netzwerken zu verstehen; dies kommt in den meisten Referaten des Seminars zum Ausdruck, scheint jedoch in gewissem Masse ein Missverständnis zu sein. Der Begriff "intelligente Gebäude" wird heute allgemein von Ingenieuren und Architekten für Gebäude mit modernem technischem und Energiemanagement benutzt, deckt sich aber eben nur sehr teilweise mit dem, was Bibliothekare unter "intelligenten Bibliotheksgebäuden" verstehen.

Im Eingangsreferat erläutert Harry Faulkner-Brown, der sehr kurzfristig für den krankheits-halber ausgefallenen ursprünglich vorgesehenen Referenten eingesprungen war, anhand seiner schon vor einiger Zeit formulierten ‘Zehn Gebote‘ die grundsätzlichen Anforderungen an grosse Bibliotheksgebäude, die nach wie vor eben auch für "intelligente Bibliotheksgebäude" gültig bleiben müssen; technisches Gebäudemanagement darf diese Anforderungen nicht einschränken.

Wim Renes und Hanke Roos beschreiben in ihren Referaten ausführlich die Planungsabläufe, die gute Kooperation mit dem Architekten Richard Meier und die bisherigen Erfahrungen mit der Nutzung der Zentralbibliothek von Den Haag. Hanke Roos erörtert kritisch die Frage, ob ein "intelligentes" Bibliotheksgebäude auch automatisch ein funktionelles sei; Antwort: Nein. Sehr positiv hat sich ausgewirkt, dass die Bibliothek in das Gebäude der Stadtverwaltung integriert wurde und dass sich ausserdem im Erdgeschoss des Gebäudes ein grosses Einrichtungshaus befindet.

Jacques Mol hält sich bei seiner Beschreibung des Gebäudemanagements des Gebäudekomplexes von Rathaus und Zentralbibliothek in Den Haag an die Definition dass ein intelligentes Gebäude für die Benutzer möglichst gut nutzbar und die Betriebskosten dabei möglichst niedrig bleiben sollten. In diesem Beitrag werden die Kontroll- und Steuerungssysteme des Gebäudes erläutert.

Ingo Kolasa von der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main beschreibt die technischen Einrichtungen und das Gebäudemanagement der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main. Er geht insbesondere auf die automatisch gesteuerten Brandschutz- und Brandbekämpfungs- massnahmen und -anlagen ein.

Elvira Muñoz-Gimenez berichtet über die Planung des neuen Gebäudes der venezolanischen Nationalbibliothek in Caracas und ihrer technischen Ausstattung und hebt hervor, dass die Planung von Anfang an unter dem Gesichtspunkt betrieben wurde, ein intelligentes Gebäude zu errichten, das sie mit den folgenden Stichworten definiert: Flexibilität, niedrige Betriebs- und Unterhaltskosten, ergonomische und damit angenehme Arbeitsbedingungen sowie weitestgehend ökologisch bestimmte Bau- und Betriebsbedingungen.

Hans Geleijnse von der Katholischen Universität Brabant in Tilburg (NL) beschreibt die Entwicklung der Bibliothek als digitale Bibliothek, womit ausdrücklich die automatisierten Dienstleistungen gemeint sind, nicht das Bibliotheksgebäude. Ein Missverständnis des Seminarthemas?

Ein ähnliches Missverständnis scheint vorzuliegen, wenn Frans Meijer von der Stadtbibliothek Rotterdam zwar ausführlich die baulichen und organisatorischen Veränderungen der Bibliothek seit ihrer Eröffnung im Jahre 1983 beschreibt, aber nicht die Frage diskutiert, ob es sich um ein "intelligentes Gebäude" - bei allem Vorbehalt in Bezug auf die Definition – handelt.

Kenneth Dowlin von der San Francisco Public Library (SFPL) bezeichnet ein intelligentes Bibliotheksgebäude als eines, dessen Kontrollsystem notwendige Änderungen zur Steuerung der Gebäudefunktionen anzeigt. Dazu gehören zum Beispiel auch Steuerungseinrichtungen für Buchtransportsysteme. Finanzielle und technische Schwierigkeiten ergaben sich für die SFPL bei der Einrichtung eines online-Systems für die Funktionssteuerung. Kenneth Dowlin beschreibt auch allgemeine Schwierigkeiten beim Betrieb des Bibliotheksgebäudes wie zum Beispiel die Sicherheit in den Toilettenbereichen (ausserhalb der Bibliothek gibt es weit und breit keinerlei öffentliche Toiletten) und Diebstähle von Einrichtungsgegenständen.

Rick J. Ashton von der Denver Public Library beschreibt die Bibliothek mit ihren etwa 500 Beschäftigten, zwei Millionen katalogisierten Bänden sowie ebenfalls zwei Millionen Amtsschriften, dazu tausende Meter Archivmaterial und Manuskripte, auch in ihrer Funktion als Pflichtexemplarbibliothek als "Dienstleistungsmaschine". Er beschreibt dannn ausführlich den Planungsablauf für das 1995 fertiggestellte Gebäude.

Paul LeClerc von der New York Public Library stellt zunächst die Finanzierung des neuen Gebäudes der Science, Industry, and Business Library (SIBL) vor; der Bau erforderte eine Investition von Mrz 105 Millionen. Es schliesst sich ein Bericht von William D.Walker über den Ablauf der Planung sowie eine Beschreibung der baulichen Struktur, der technischen Systeme, der Bestände und schliesslich auch der Informationssysteme an.

Der Beitrag von Graham Bulpitt ist eine Aktualisierung des Referates, das er bei dem IFLA-Seminar gehalten hat und gibt zunächst eine Darstellung der gegenwärtigen bildungspolitischen Situation in Grossbritannien und einer Einführung in die erst 1992 geschaffene Sheffield Hallam University mit dem Adsetts Learning Centre. Es folgt eine Übersicht über die Planungsprinzipien des Architekten Faulkner-Brown sowie eine Beschreibung des Gebäudes mit seinen technischen Einrichtungen.

Der letzte Text von Jean-Marc Czaplinski von der Bibliothèque Nationale de France befasst sich mit der Organisation des immerhin 365.000 m2 umfassenden Gebäudes und ausführlich mit den dort entwickelten und eingesetzten informationstechnischen Systemen - leider nicht mit der Gebäudeautomation, die Hinweise geben könnte auf die "Intelligenz" des Gebäudes.

In seinen abschliessenden Bemerkungen betont Wim Renes, wie wichtig die Begriffe "Flexibilität" und "Funktionalität", die in den meisten der Referate eine Rolle spielen, für den Betrieb und die Wirtschaftlichkeit von grossen Bibliotheken sind und vertritt die Meinung, dass Flexibilität und Funktionalität die Grundvoraussetzungen für eine "intelligente Bibliothek" seien; auch die Aus- und Fortbildung sowie das Teamwork der Mitarbeiter hält er für wichtige Komponenten.

Marc Chauveinc stellt fest, dass die etwas provokativ gewählte Bezeichnung "intelligent" für Bibliotheksgebäude vielleicht besser "reaktionsfähig" geheissen haben könnte, zumal der Unterschied zwischen "intelligent" und "reaktionsfähig" von den Referenten nicht eindeutig auf entweder das Gebäude oder die von elektronischen Systemen unterstützten bibliothekarischen Funktionen bezogen wurden.

Die etwa 70 Teilnehmer an diesem IFLA-Seminar werden jedenfalls viel Stoff zum Nachdenken mitgenommen haben, ebenso wie die Leser dieser Publikation viele Anregungen aus den Texten nehmen können.


Anschrift des Rezensenten
Robert Klaus Jopp
Gänsheidestraße 15/A
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