Von ETHICS zu NEBIS oder
vom Do-it-yourself zum Kauf von der Stange

von Wolfram Neubauer und Annette Trinkler


1. Vorbemerkung
2. Das System ETHICS

3. Entscheidungsprozesse für ein neues Bibliothekssystem

4. Das Bibliothekssystem Aleph 500

5. NEBIS (Netzwerk von Bibliotheken und Informationsstellen in der Schweiz)

6. NEBIS im Informationsverbund Deutschschweiz (IDS)

7. Aleph im Produktionsbetrieb der ETH-Bibliothek

8. Schlussbemerkung

 

1. Vorbemerkung

Etwa seit Ende der 60er Jahre hielt die "Elektronische Datenverarbeitung" (EDV)2 mehr oder weniger vehement Einzug in wissenschaftlichen Bibliotheken. Nur wenige werden sich noch an die "graue Vorzeit" erinnern, in der der Einsatz der EDV u.a. noch die Arbeit mit Lochkartensystemen bedeutete, letztlich jedoch die konventionelle Erledigung der Aufgaben bei weitem im Vordergrund stand.

Die darauf folgende zweite Phase brachte dann schließlich den Durchbruch für den IT-Einsatz und war gekennzeichnet durch große Mainframe-Anwendungen, auf die mit aus heutiger Sicht einigermaßen "dummen Endgeräten" zugegriffen wurde.

Die dritte Phase beginnt bereits Anfang der 90er Jahre und bedeutet die Abkehr von den Dinosauriern und die Hinwendung zu relationalen Datenbanken, die auf relativ kleinen Rechnern laufen, als Betriebssystem häufig UNIX bzw. dessen Derivate einsetzen und angeblich alles viel besser und kostengünstiger erledigen. Etwa ab Mitte der 90er Jahre beginnt sich das Internet als bevorzugter Weg der elektronischen Kommunikation durchzusetzen. Dies hat auch auf die konkrete Arbeit der wissenschaftlichen Bibliotheken erhebliche Auswirkungen. Die Online-Kataloge dieser BibIiotheken sind mittlerweile nur noch ein Element im Dienstleistungsangebot, da nun elektronische Zeitschriften, CD-ROM-Datenbanken im Netz, elektronische Volltexte usw. parallel zur Verfügung stehen. Dies charakterisiert die vierte Phase der Bibliotheksautomatisierung, in der wir uns jetzt befinden.

2. Das System ETHICS

Die Entwicklungsphase des von der ETH-Bibliothek initiierten Eigenprodukts ETH Library Information Control System (kurz ETHICS) fällt in den Zeitraum zwischen den Jahren 1978 bis 1983. Als Basis für den schrittweisen Auf- und Ausbau dieser Inhouse-Entwicklung dienten bereits vorhandene Einzelsysteme, durch die bis zu diesem Zeitpunkt in der ETH-Bibliothek die bibliothekarische Alltagsarbeit erledigt wurde. Diese Einzelanwendungen reichen teilweise zurück bis zum Beginn der 70er Jahre. Angesprochen sind hier u.a. das Ausleihsystem ELAS, der Katalognachweis durch das System MIKAS, die Verwaltung der Periodika durch das Periodikakontrollsystem PEKOS usw.

Alle über diese Anwendungen erledigten bibliothekarischen Aufgaben wurden durch ETHICS nun in einem einzigen System integriert und über eine zentrale Datenbank verbunden, wobei die Integration der Teilsysteme sowohl auf der Ebene der Daten als auch der Geschäftsfunktionen erfolgte.

Die Weiterentwicklung zu ETHICSplus ermöglichte darüber hinaus die Integration nicht nur auf Ebene der unterschiedlichen Arbeitsbereiche einer einzelnen Bibliothek, sondern über einen Verbund mehrerer Bibliotheken. Hiermit war die Grundvoraussetzung für den Auf- und Ausbau des ETHICS-Verbundes gegeben.

So waren Mitte des Jahres 1999 etwa 60 einzelne Bibliotheken Teil dieses Verbundes, der durch die Funktionalitäten des Bibliothekssystems wesentlich mehr als ein loser Zusammenschluss unabhängiger Bibliotheken war. Die am Verbund teilnehmenden einzelnen Einrichtungen wurden sozusagen zu einer virtuellen Bibliothek zusammengefasst, ohne jedoch auf ihre jeweilige Eigenständigkeit verzichten zu müssen.

Im Laufe der Jahre ist mit ETHICSplus ein hochkomplexes, integriertes Bibliothekssystem entstanden, dessen besondere Leistungsmerkmale in den ausgezeichneten bibliotheksrelevanten Funktionalitäten lagen. Weniger zufriedenstellend gelöst waren hingegen Aspekte bei der Schnittstellendefinition zwischen Bildschirmdarstellung und Benutzerin/Benutzer bzw. von notwendigen Recherchekenntnissen und Benutzerin/Benutzer. Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie Fragen nach der Kosten-/Nutzenrelation waren ebenfalls ungelöst. Somit wurde es vor allem in den 90er Jahren (parallel zur Entwicklung des WWW bzw. der damit verbundenen Möglichkeiten) zunehmend drängender, für diese weniger gut gelösten Aspekte befriedigende Lösungen zu finden. Dies bedeutete konkret, dass in einer Zeit abnehmender finanzieller Ressourcen die Frage auftauchte, ob die Investition in neue Hard- und Software letztlich nicht doch sehr viel kostengünstiger sein könnte als der kontinuierliche Weiterbetrieb einer großen Mainframe-Anlage, für die in absehbarer Zeit weder ausreichende Mittel noch das entsprechende intellektuelle Knowhow vorhanden sein dürften.

3. Entscheidungsprozesse für ein neues Bibliothekssystem

Die Diskussion über eine mögliche bzw. sinnvolle Ablösung von ETHICS gewann etwa ab Ende des Jahres 1994 in unterschiedlichen Gremien und Interessensgruppen der ETH Zürich den entscheidenden Schwung. Zunehmend standen nun Fragen im Mittelpunkt, die sich mit den notwendigen, umfangreichen Weiterentwicklungen von ETHICSplus befassten. Wie erwähnt wurde insbesonders diskutiert, ob die hierfür zu erwartenden erheblichen Kosten nicht doch den Wechsel auf ein kommerziell angebotenes Bibliothekssystem notwendig machen würden. Immerhin war in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass ETHICplus auf einer Mainframe-Plattform betrieben wurde und die Lösung der Probleme Userinterface und offene Schnittstellen keine triviale sein könnte.

Es wurde rasch deutlich, dass eine grundsätzliche Neuorientierung längere Zeit in Anspruch nehmen würde, dass somit eine interimistische Lösung anvisiert werden sollte. In relativ kurzer Zeit sollten einmal die Zugriffsmöglichkeiten für die Bibliothekskunden verbessert werden und darüber hinaus sollten diese Aktivitäten als Test dienen, ob das vorhandene IT-Know-how innerhalb der Bibliothek für Projekte dieser Art ausreichend ist. Es war also eine schlanke Lösung gefragt, die darauf abzielte, einerseits die für ETHICSplus getätigten Investitionen zu bewahren und andererseits ein günstiges, benutzerorientiertes Software-Tool zu ETHICSplus zu entwickeln, das mit jedem herkömmlichen WWW-Browser genutzt werden konnte.

In diesem Sinne wurde Ende 1995 das Pilotprojekt HotETHICS von der ETH-Bibliothek, den Informatikdiensten3 der ETH Zürich und der Zentralbibliothek Zürich begonnen. Basierend auf der Programmiersprache Java wurde der Zugriff auf das Bibliothekssystem ETHICSplus via Internet ermöglicht. Diese graphische Benutzungsschnittstelle, die die Recherchebedingungen im Sinne verbesserter Benutzerorientierung optimierte, konnte ab Oktober 1996 genutzt werden.

Es sei jedoch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Grundstrukturierung des Systems ETHICS in der Kürze der Zeit nicht ändern ließ. Im Jahr 1996 wurden durch die Hochschule externe Bibliotheksexperten beauftragt, hinsichtlich der Zukunftsträchtigkeit von ETHICSplus eine Stellungnahme zu erarbeiten.4 Dieses Gutachten empfahl die Abkehr von auf Großrechnerarchitektur basierenden zentralen Lösungen zu Gunsten des Aufbaus eines sog. "konföderierten Servernetzes". Weitere wichtige Aussagen des Gutachtens waren, dass sich durch die Eigenentwicklung von Bibliothekssystemen mittlerweile kein nennenswerter Wettbewerbsvorteil mehr gewinnen lasse. Die Vorteile kommerzieller Lösungen seien höher zu bewerten als die Tatsache, dass eingekaufte Systeme den spezifischen Bedürfnissen einzelner Bibliotheken bzw. Bibliotheksverbünden nicht optimal gerecht werden (können).5

Auf der Basis dieser Aussagen sowie aufgrund von Überlegungen zur künftigen Entwicklung der Bibliothekslandschaft in der Schweiz, fällte die Leitung der ETH Zürich im Oktober 1996 den Entscheid, das bisherige Bibliothekssystem ETHICS durch ein neues, kommerzielles Softwareprodukt abzulösen.

Parallel zu den Diskussionen an der ETH Zürich befasste sich auch die Konferenz Deutschschweizer Hochschulbibliotheken (KDH)6 mit einer gemeinsamen Konzeption (und möglichen Realisierung) einer neuen EDV-Plattform, was Ende des Jahres 1996 in die Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung mündete. Im Rahmen eines neuen Bibliotheksverbundes sollte eng kooperiert werden, ein neues Bibliothekssystem sollte gemeinsam evaluiert und dann gegebenenfalls an den KDH-Bibliotheken installiert werden.7

4. Das Bibliothekssystem Aleph 500

Ziel des Migrationsprojektes an der ETH-Zürich war der Aufbau eines zweischichtig organisierten Verbundsystems mit zentralen Komponenten. Eine offene Systemstruktur, standardisierte Datenbanksysteme, Client-Server-Architektur, der Einsatz standardisierter Kommunikationsprotokolle und ­schnittstellen sowie ein WWW-basiertes User-Interface gehörten zu den zentralen technischen Forderungen an das neue System.

Grundlage für die Evaluation des neuen Bibliothekssystems bildete das von beteiligten Bibliotheken gemeinsam erarbeitete Pflichtenheft.8 Auf dieser Basis erfolgte Anfang des Jahres 1997 die Ausschreibung nach GATT-Richlinien, der sich im gleichen Jahr die Entscheidung anschloss, das Softwareprodukt Aleph 500 zu beschaffen bzw. in entsprechende Verhandlungen zu treten. Die Leitung der ETH Zürich hatte der Beschaffung für einen Einsatz an der gesamten Universität bereits im Juni zugestimmt.9

Die langwierigen und komplexen Vertragsverhandlungen dauerten dann noch bis Mitte des Jahres 1998. Somit waren vom Beginn der Diskussion, das bisherige Bibliothekssystem ETHICSplus durch eine neue Software zu ersetzen, bis zum konkreten Vertragsabschluss, immerhin 18 Monate vergangen.

5. NEBIS (Netzwerk von Bibliotheken und Informationsstellen in der Schweiz)

Nach rund elfjährigem Einsatz des Bibliothekssystems ETHICS10 führten die ETHBibliothek und ihre Verbundpartner innerhalb des ETHICS-Verbundes am 14. September 1999 das neue Bibliothekssystem ALEPH 500 ein, wobei der bisherige ETHICS-Verbund unter der Bezeichnung NEBIS: Netzwerk von Bibliotheken und Informationsstellen in der Schweiz11 weitergeführt und gegebenenfalls ausgebaut wird.

Bei der Bibliothekssoftware Aleph 500 handelt es sich um ein kommerziell betriebenes Softwareprodukt, das auf einem mehrstufigen Client-Server-Konzept basiert und als Datenbanksystem das Softwaretool Oracle einsetzt. Sowohl dieses relationale Datenbankmanagementsystem als auch die Anwendungsprogramme laufen auf Hardware der Firma Sun Microsystems. Das Operating und die Betreuung der Verbundteilnehmer erfolgt durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ETH-Bibliothek.

Für einen Zugriff auf die Datenbank sind grundsätzlich zwei Möglichkeiten vorhanden. Einmal ist dies die OPAC-Nutzung via WWW-Client als präferierte Zugriffvariante für die Bibiothekskunden und zum Zweiten der Zugriff über den GUI-Client (Windows NT), der in erster Linie für die Nutzung der internen Funktionen durch das Bibliothekspersonal vorgesehen ist. Für die Kopplung mit anderen Anwendungen steht die standardisierte Schnittstelle Z39.50 zur Verfügung.

Zu den heute im Regelfall möglichen und wünschenswerten Synergieeffekten eines Bibliotheksnetzwerkes gehören einerseits die Verbundausleihe und des weiteren die einmalige Erfassung neuer Titelaufnahmen und Normdatensätze und deren Verwendung für unterschiedliche lokale Anwendungen. Innerhalb von NEBIS können Benutzerinnen und Benutzer aus etwa 60 Bibliotheken einfach und effizient auf die Medienbestände aller teilnehmenden Bibliotheken zugreifen und direkt Dokumente und Kopien von Dokumenten bestellen. Die internen Bibliotheksfunktionen ermöglichen eine effiziente Arbeitsweise und erlauben einen leichten Zugang sowohl zu den Datenbeständen anderer Bibliotheken als auch auf eingekaufte Fremddaten. Dies ermöglicht sowohl eine passive Bestandeskoordination als auch nicht unerhebliche Rationalisierungseffekte durch die Übernahme von Fremddaten.

Dem Stand der Technik entsprechend ermöglicht das neue Bibliothekssystem durch die offene Systemarchitektur auch die Einbindung anderer elektronischer Dienstleistungsangebote der jeweiligen Einrichtung.

So sind beispielsweise an der ETH-Bibliothek lizenzierte bibliographische Datenbanken an den Bibliothekskatalog gekoppelt, wodurch bei Recherchen in Datenbanken der Firma SilverPlatter der Bibliotheksbestand über die ISSN oder ISBN im Katalog von NEBIS direkt aufgerufen und (über einen Link zur Titelanzeige des betreffenden Dokumentes) ausgeliehen werden kann.12

In umgekehrter Richtung können auch Links aus dem Bibliothekskatalog auf katalogexterne digitalisierte Dokumente (einschließlich Zusatzinformationen13) bzw. auf digitalisierte Bibliotheksbestände (elektronische Dissertationen und Zeitschriften) eingerichtet werden.

Des weiteren ist vorgesehen, im Laufe des Jahres 2000 das Dokumentliefersystem DocUTrans14 mit dem Bibliothekssystem zu koppeln und auf diese Weise den elektronischen Dokumentenversand direkt aus der Datenbank heraus zu ermöglichen.

6. NEBIS im Informationsverbund Deutschschweiz (IDS)15

Wie erwähnt umfasst NEBIS gegenwärtig etwa 60 Einzelbibliotheken, basiert also auf der Philosophie eines gemeinsamen Zentralkataloges. Da parallel zur Evaluation bzw. zur Implementierung von Aleph 500 an der ETH Zürich auch die anderen Hochschulbibliotheken der deutschsprachigen Schweiz diese Software ausgewählt haben, stellt sich die Situation in der Hochschullandschaft der Schweiz folgendermaßen dar:

Die Universitätsbibliotheken der französischsprachigen Schweiz haben VTLS als Bibliothekssoftware im Einsatz.

Die Schweizerische Landesbibliothek (SLB; fungiert als Nationalbibliothek) verwendet ebenfalls VTLS, ist jedoch mit den anderen Anwendungen nicht verbunden.

Die Universitätsbibliotheken der deutschsprachigen Schweiz setzen Aleph 500 ein.

Ab Beginn des Jahres 1998 firmiert der neue (noch virtuelle) Verbund, der das Bibliothekssystem Aleph 500 als IT-Grundlage einsetzt, unter der Bezeichnung Informationsverbund Deutschschweiz (IDS)16. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, ein Bibliotheksverbundsystem mit den zentralen Komponenten Verbundkatalog, Verbundausleihe sowie Bereitstellung von Fremddaten einzuführen.17

Ab Mitte 1999 wurden die Daten aus den unterschiedlichen, "alten" Bibliothekssystemen (DOBIS/LIBIS, ETHICS, SIBIL, BIBLU) jeweils einzeln nach den neuen Katalogisierungsregeln bzw. dem neuen Format konvertiert und auf Aleph 500 portiert (Abbildung unten). Wie erwähnt ist in einem zweiten Schritt vorgesehen, diese fünf Einzelsysteme zusammenzuführen.


Aleph-Server im Informationsverbund Deutschschweiz (IDS). Im gesamten IDS-Verbund sind 5 Aleph-Server in Betrieb, auf denen sich die Daten der abgelösten Systeme SIBIL, BIBLU, ETHICS und DOBIS/LIBIS befinden. (Für die Auflösung der Kürzel vgl. Anmerkung 6.)

Hierbei wurde zu Beginn der Diskussion eine logisch einheitliche Datenbank favorisiert, da hiermit ohne größere Probleme ein gemeinsamer Katalog- und Ausleihverbund hätte realisiert werden können. Da mittlerweile in anderen Aleph-Anwendungen im deutschsprachigen Raum offensichtlich andere sinnvolle Lösungen gefunden bzw. entwickelt worden sind, werden in den nächsten Wochen und Monaten nun beide Varianten intensiv geprüft werden. Prinzipiell ist eine Lösung in Richtung des Modells des Kooperativen Bibliotheksverbunds Berlin-Brandenburg18 denkbar, oder aber die Universitätsbibliotheken der deutschsprachigen Schweiz entscheiden sich für einen Verbundkatalog wie in Österreich.19

Zeitplan für die "heiße Phase" bis zum NEBIS-Echtbetrieb
07/98 Vertragsabschluss mit der Lieferfirma Ex Libris
Kick-Off-Meeting (gemeinsam mit der Lieferfirma)
Sommer 98 Testinstallationen an den Universitätsbibliotheken Zürich, Basel und Luzern
09­11/98 Systemanalyse der verschiedenen (lokalen) Verbundsysteme 09/98 Installation der Standardsoftware
5.000 eigene Datensätze für Testzwecke liegen vor
10/98 Einführungskurs für Systemmanager und erste Anwenderkurse
12/98 Detailausarbeitung des Regelwerks für die Katalogisierung
Antrag für die Beschaffung des Produktionsservers
Erste vollständige Datenkonversion zu Testzwecken
03/99 Durchführen der notwendigen Datenbereinigungen
Installation des Produktionsservers und der entsprechenden Peripheriegeräte
Planung bzw. Neustrukturierung der betriebsinternen Arbeitsabläufe
07/99 Testen aller Funktionen des Gesamtsystems
Bibliotheksinterne Ausbildung in allen Funktionen des Aleph Clients
Erstellen von Schulungsunterlagen
08/99 Definitive Datenkonversion
14.09.99 Start des Aleph-Betriebes
31.12.99 Abschalten des Bibliothekssystems ETHICS
Ab 01/00 Kontinuierliche Bearbeitung von Fehlern und Problemen

7. Aleph im Produktionsbetrieb der ETH-Bibliothek

Mitte September des letzten Jahres ging die ETH-Bibliothek mit allen Aleph-Modulen in Betrieb. Dies erfolgte nach einer lediglich 10 Tage dauernden Unterbrechung der Ausleihe, die dazu genutzt wurde, die Ausleihdaten von ETHICS nach Aleph zu portieren. Dieser Konversionsphase waren bereits die seit August laufende Überführung der Daten in das von Aleph unterstützte Format USMarc sowie die Konversion der bibliographischen, der Autoritäts- sowie der Lokaldaten vorausgegangen.

Da die gewaltigen Datenmengen und die Zahl der Zugriffe auf die Datenbank falsch abgeschätzt worden waren, kam es anfänglich zu erheblichen Performance-Problemen im laufenden Betrieb. Nach einer Erhöhung der Zahl der zur Verfügung stehenden OPAC-Lizenzen und einem parallelen Ausbau der Hardware konnten die Probleme behoben werden; allerdings war der hierfür notwendige Aufwand in der Finanzplanung nicht berücksichtigt.

Auch die Funktionen für die Erledigung des bibliothekarischen Geschäftsgangs konnten nicht sofort reibungslos in Betrieb genommen werden. Dies galt vor allem für die Bereiche "Erledigung von Druckaufträgen" und für die Durchführung von "Mahnläufen"; teilweise treten diese Probleme auch heute noch auf. Um nun bei der Abarbeitung bzw. Erledigung dieser im Betrieb auftretenden Unzulänglichkeiten und Fehler voranzukommen, wurde ein Reportingsystem aufgebaut. Hierzu wurden die anfallenden Probleme (bis zur definitiven Systemabnahme wird dies weitergeführt) bei regelmäßig stattfindenden Sitzungen diskutiert und Lösungsvorschläge erarbeitet.

Die Kommunikation zwischen der Lieferfirma Ex Libris, der bibliotheksinternen Projektleitung, den Systembibliothekarinnen und den internen Anwendern konnte so vor, während und nach der Konversion konstant aufrecht erhalten werden.

Gegenwärtig erledigt die neue Bibliothekssoftware die wichtigsten Geschäftsgänge für die Bibliothekskunden sowie das Personal; der Routinebetrieb ist somit weitgehend sichergestellt. Hinsichtlich der Funktionalitäten, der Systemstabilität und der Datenkonsistenz sind allerdings noch einige Optimierungsarbeiten notwendig.

Eigentlich selbstverständlich ist die Tatsache, dass bei Systemumstellungen und Datenkonversionen in dieser Größenordnung (einschließlich des Herunterbrechens der im ETHICS-Katalog abgebildeten Hierarchien auf höchstens zwei Stufen!) immer mit Verlust gerechnet werden muss. Hiervon wissen auch diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ETH-Bibliothek zu berichten, die bereits eine frühere Systemumstellung erlebt haben.

Die "Kinderkrankheiten" des neuen Bibliothekssystems werden zunehmend weniger und die Vorteile beginnen zu überwiegen. Wer wollte heute noch auf eine moderne WWW-Benutzeroberfläche, auf die Integration anderer Informationsangebote und Dienstleistungen sowie auf eine Windows-Umgebung der internen Funktionen verzichten!

8. Schlussbemerkung

Die Möglichkeit, innerhalb einer Großbibliothek ein selbstdefiniertes Bibliothekssystem zu entwickeln und zum Einsatz zu bringen, ist eine einzigartige Gelegenheit. Die ETH-Bibliothek hat sie genutzt und mit ETHICS bzw. ETHICSplus ein für die damalige Zeit herausragendes Softwaretool entwickelt, das ganz wesentlich dazu beigetragen hat, das Dienstleitungsangebot der Bibliothek auf den heutigen, sehr hohen Stand zu bringen. Die Entscheidung, ETHICS durch ein neues, den Stand der Technik repräsentierendes System auf kommerzieller Basis zu ersetzen, war schmerzvoll, aber letztlich notwendig.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben nach anfänglichen Schwierigkeiten diese politische Entscheidung akzeptiert und sind augenblicklich intensiv damit befasst, das neue System NEBIS auf ein vergleichbares Niveau zu bringen. Dies geschieht im Bewusstsein, dass ein Bibliothekssystem immer ein Werkzeug für die Erledigung der eigentlichen Aufgaben einer wissenschaftlichen Bibliothek sein sollte.


Fußnoten

1. Die vorliegende Darstellung ist eine weitgehende Neubearbeitung eines Artikels in einer Inhouse-Veröffentlichung der ETH Zürich (Keller, A.; Neubauer, W.: Vom Eigenbau zum Fertigprodukt oder ­ von ETHICS zu NEBIS. In: input (1999), Nr. 12, S. 6 ­ 8).

2. Der damals üblichen Terminologie entsprechend verwenden wir an dieser Stelle diesen heute weitgehend ungebräuchlichen Begriff.

3. Die Informatikdienste sind die zentrale Infrastruktureinrichtung der ETH Zürich, die sich mit IT-relevanten Aufgaben befassen und als Service-Unit für die ganze Hochschule tätig sind.

4. König, W.: Der Paradigmenwechsel im Bibliothekswesen. Eine Studie zur Strategie der ETHBibliothek und des ETHICSplus-Verbundes sowie Folgerungen für das Bibliothekssystem ETHICSplus. Frankfurt a.M.: Institut für Wirtschaftsinformatik, 1996.

5. Vgl. zu diesem Thema auch: Carden, Mark: The globalisation of information systems suppliers. In: Managing Information 5 (1998), Nr. 1-2, S. 31-33.

6. Die KDH setzt sich zusammen aus den Direktoren der Universitätsbibliothek Basel (UB Basel), der Stadt- und Universitätsbibliothek Bern (StUB), der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern (ZHB), der Bibliothek der Universität St. Gallen (UB HSG), der ETH-Bibliothek Zürich (ETH-Bib), der Zentralbibliothek Zürich (ZBZ) und der Hauptbibliothek der Universität ZürichIrchel (HBI).

7. Für detaillierte Informationen vgl. http://www.ub.unibas.ch/ids/, Entscheide KDH.

8. Das Pflichtenheft ist abrufbar unter http://www.ub.unibas.ch/ids/.

9. Weitere Informationen zum Neuen Bibliothekssystem an der ETH-Bibliothek: http://www.nbs.ethz.ch/w3/NBS/NBS-Projektbeschreibung.html.

10. In diesem Zusammenhang ist ETHICS so zu verstehen, dass deren Weiterentwicklungen ETHICSplus bzw. HotETHICS hier subsummiert sind.

11. Einstieg in den Bibliothekskatalog NEBIS (WWW-Opac): http://www.nebis.ch/WebOPAC.html.

12. Vgl. http://www.ethbib.ethz.ch/db/erl/.

13. Z.B. kann bei Titelaufnahmen, die verschiedene kleinere Veröffentlichungen eines Autors zusammenfassend nachweisen, auf die eingescannten Inhaltsverzeichnisse verwiesen werden, vgl. in NEBIS: Heinrich P. K. Ursprung.

14. Das Dokumentliefersystem DocUTrans ist eine Gemeinschaftsentwicklung der Bibliothek der TU Delft und der Firma KN Minolta und erlaubt den elektronischen Versand von gescannten bzw. bereits in elektronischer Form vorhandenen Dokumenten. Dieses System ist in der ETHBibliothek im Routinebetrieb im Einsatz, die Anbindung an NEBIS wird in den nächsten Monaten realisiert.

15. Der Informationsverbund Deutschschweiz ist gegenwärtig noch ein eher "virtuelles" Gebilde, dessen inhaltliche und rechtliche Rahmenbedingungen zur Zeit noch abgeklärt werden.

16. Eingangsseite der Homepage des Informationsverbundes Deutschschweiz (IDS): http://www.ub.unibas.ch/ids/cat/.

17. Vgl. http://www.ub.unibas.ch/ids/ziele.htm.

18. http://www.kobv.de.

19. http://www.bibvb.ac.at/index.html.


Zu den Autoren

Dr. Wolfram Neubauer ist Direktor der ETH-Bibliothek Zürich

E-Mail: neubauer@library.ethz.ch

Annette Trinkler ist Wissenschaftliche Bibliothekarin und Projektassistentin des Direktors der ETH-Bibliothek Zürich

E-Mail: trinkler@library.ethz.ch
ETH-Bibliothek
Rämistrasse 101
CH-8092 Zürich
http://www.ethbib.ethz.ch