Zum Nutzen des Online-Buchhandels für Bibliotheken

von Dirk Balthasar


1. Buchkauf online
2. Online-Buchhandel und Bibliotheken

  2.1 Einsatz im Bestandsaufbau

  2.2 Einsatz bei der Bestellung

  2.3 Sonstige Einsatzmöglichkeiten

3. Fazit

Dieser Beitrag ist einer Diplom-Hausarbeit entnommen worden, die im Frühjahr 1999 an der Fachhochschule für das öffentliche Bibliothekswesen Bonn angefertigt wurde. Die Veröffentlichung wurde durch den Prüfungsausschuss der FHöBB genehmigt. ­ Das Inhaltsverzeichnis der Diplomarbeit ist online verfügbar: http://www.balthasar.net/online-buchhandel/

 

In diesem Beitrag soll nicht nur auf die direkten Nutzungsmöglichkeiten des Online-Buchhandels eingegangen werden. Es sollen auch wahrscheinliche Auswirkungen des neuen Vertriebswegs auf die klassischen Vertriebswege beschrieben werden.

1. Buchkauf online

Bücher sind für den Onlinehandel besonders geeignet. Bücher lassen sich durch die ISBN bzw. durch mehrere andere bibliographische Beschreibungen klar benennen. Ferner ist die Qualität des Produkts ­ mit Ausnahme der gekennzeichneten Mangelware ­ bei allen Anbietern gleich und der Zwischenbuchhandel ermöglicht zudem eine schnelle Lieferung.

Die Prognosen für den Online-Buchhandel sind recht unterschiedlich. L. Kilander (Libri) geht davon aus, dass sich der Anteil des Online-Umsatzes am Gesamtumsatz auf ein Niveau von 10 bis 20 Prozent einpendeln wird1. Das Marktforschungsunternehmen Jupiter Communications2 hat den Umsatzanteil des Online-Buchhandels am Buchvertrieb in Deutschland für 1999 auf 0,6% geschätzt. Bis zum Jahr 2002 soll der Umsatzanteil auf 6% steigen.

2. Online-Buchhandel und Bibliotheken

2.1 Einsatz im Bestandsaufbau

Die Kataloge der Online-Buchhandlungen bieten Bibliotheken gute Informationsquellen. Online kann somit kostenlos auf bibliographische Datenbanken zugegriffen werden, die sonst kaum oder nur mit hohen Kosten genutzt werden können.

Über das Internet können Bibliotheken kostenlos auf das Verzeichnis lieferbarer Bücher und die Kataloge der Barsortimenter zugreifen. Der Buchkatalog.de bietet zusätzlich zu den deutschsprachigen Titeln eine Recherche nach englischen, französischen und spanischen Titeln an. Da eine Schlagwortsuche möglich ist, haben Lektoren zusätzliche Rechercheeinstiege.

Die thematischen Buchtipps und Newsletter bieten besonders Öffentlichen Bibliotheken weitere Informationen.

2.2 Einsatz bei der Bestellung

Wissenschaftliche Bibliotheken schaffen einen nicht geringen Anteil fremdsprachiger Literatur an. Hier bietet das Internet eine interessante Bestellmöglichkeit. Nicht nur Amazon.com bietet englischsprachige Literatur an, die z.B. bei Amazon.de zum US-Ladenpreis gekauft werden kann. Für wissenschaftliche Literatur wird sich die Bestellung in den USA weniger lohnen, da hohe Versandkosten anfallen. Auch kann man bei wissenschaftlicher Literatur weniger mit hohen Rabatten rechnen.3

Aber auch Öffentliche Bibliotheken haben fremdsprachige Literatur in ihrem Angebot. Zu nennen wäre z.B. die Stadtbücherei Bonn mit der englischsprachigen Abteilung "Brücke" oder die Medien-Bibliothek der StadtBibliothek Köln mit einem großen Anteil englischer Fachliteratur. Für den Erwerb dieser Titel bietet der Online-Buchhandel eine preiswerte Bezugsquelle, da Preise verglichen werden können. Mit Acses4 erledigt diese Aufgabe eine Suchmaschine, die die Kataloge der Online-Buchhandlungen nach dem jeweils niedrigsten Preis durchsucht.

Für Bibliotheken ist die Gewährung der Bibliotheksrabatte bei der Wahl der Lieferanten sehr wichtig. Die meisten, an der Preisbindung teilnehmenden Verlage gewähren Wissenschaftlichen Bibliotheken 5% und Öffentlichen Bibliotheken 10% Rabatt. Für Online-Bestellungen beim stationären Buchhandel dürfte die Abrechnung des Rabatts wenig Probleme machen, da es sich um einen Routine-Geschäftsgang handelt. So gewährt die Fachbuchhandlung Lehmanns auch bei Online-Bestellungen Rabatte, "... wenn der Besteller die Bedingungen für die Gewährung des Bibliotheksrabattes erfüllt, bekommt er diesen unabhängig von der Art und Form der Bestellung"5.

Auch reine Online-Buchhandlungen gewähren Bibliotheksrabatte: Die Buecher.de AG richtet Bibliotheken hierzu einen Account ein, mit dem man "auch online auf offene Rechnung bestellen" kann und gewährt "einen Bibliotheksrabatt von 5%"6. Der Buecherwurm.de erstattet "den Bibliotheksrabatt grundsätzlich nur im Anschluss an eine Bestellung und nach vollständiger Bezahlung". Neben Angaben zur "Art der Bibliothek" soll auch der Vermehrungsetat der Bibliothek mitgeteilt werden.7

Sowohl Zahlungssysteme wie Lieferverfahren entsprechen nicht immer den Anforderungen, die für Bibliotheken wichtig sind. Lastschrift und Kreditkarte sind für Bibliotheken keine üblichen Zahlungsformen. Je nach Organisationsform ist die Bibliothek in der Abrechnung von der Stadt- bzw. Universitäts-Verwaltung abhängig und kann nur auf Rechnung kaufen.

Die Tübinger Buchhandlung Osiander, bei der bereits lokale Bibliotheken online bestellen, plant individuelle Bestellseiten für Bibliotheken. Spezielle Bestellformate, Lieferscheine, Rechnungen und Rabatte sollen dadurch berücksichtigt werden.8 Problematisch für Bibliotheken wäre eine zu intensive Nutzung der Online-Buchhandlungen zu Lasten des stationären Buchhandels. Wenn der Anteil der Medien, die nicht mehr beim Buchhandel vor Ort bestellt werden, zu groß wird, würde darunter die Zusammenarbeit zwischen der Bibliothek und dem lokalen Buchhandel leiden. Gemeinsame Veranstaltungen, Sponsoring oder auch Werbung in Faltblättern der Bibliothek würden seltener werden.

Bezüglich der Balance zwischen der Nutzung lokaler und überregionaler Lieferanten schrieb Konrad Umlauf (unabhängig vom Thema Online-Buchhandel): "Wenn die Bibliothek gar nichts im örtlichen Buchhandel bestellt, wird sie vielleicht nicht erwarten können, dass der örtliche Buchhandel ihren Veranstaltungskalender durch Inserate finanziert".9 Das gleiche Problem entsteht, wenn die Bibliothek hauptsächlich bei Online-Buchhandlungen und nur noch selten beim örtlichen Buchhandel bestellt.

Bibliotheken sollten dies bei der Wahl der Lieferanten bedenken. Eine intensive Nutzung des Online-Buchhandels zu Lasten der traditionellen Bestellwege ist eher unwahrscheinlich. Der stationäre Buchhandel bietet nämlich den Bibliotheken einen individuellen Service, den Onlineanbieter eher nicht bieten können.

Falls die Buchpreisbindung jedoch fällt und Online-Buchhandlungen Medien billiger anbieten können als der stationäre Buchhandel, könnten immer knapper werdende Bibliothekshaushalte eine vermehrte Beschaffung über den Online-Buchhandel nahelegen oder eventuell sogar erzwingen.

2.3 Sonstige Einsatzmöglichkeiten

Eine andere Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Online-Buchhandlungen und den Bibliotheken hat bisher keine breite Anwendung gefunden. Die Universitätsbibliothek Münster hat in ihrem Internet-Besprechungsdienst Literaturliste Internet (LITI) testweise Platz für Bannerwerbung vermietet. "Für die zahlreichen Online-Buchhändler ist LITI ein ideales Werbeumfeld. LITI wird ziemlich genau von demjenigen Marktsegment benutzt, das für Buchhändler interessant ist".10

Vor der Vermietung von Werbefläche musste jedoch geklärt werden, ob das Vorhaben gegen den Vertrag mit dem Deutschen Forschungsnetz verstößt.11 Die Universitätsbibliothek kam zu dem Schluss, dass die Erzielung von Werbeeinnahmen zulässig ist. Daraufhin wurde die Werbefläche für Online-Buchhandlungen ausgeschrieben und vermietet. Eine weitere Bibliothek, die in ihrem Online-Angebot Werbefläche an eine Buchhandlung vermietet hat, ist die Bibliothek der Fachhochschule Nürnberg.12

Die Buchhandlung Lehmanns und der Literatur-Service Leipzig bieten spezielle Partnerprogramme für Bibliotheken an.13 Auch hier sind eigene Bestellungen von der Provisionsgewährung ausgeschlossen.

3. Fazit

Für Bibliotheken bietet sich die Nutzung des Online-Buchhandels für den Bestandsaufbau an. Neben den guten Recherchemöglichkeiten bieten die von den Online-Buchhandlungen präsentierten Medien und die Kaufhitlisten interessante Informationen über Trends. Für die Bestellung fremdsprachiger Titel eignet sich der Online-Buchhandel besonders.

Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Liefer- und Zahlungsbedingungen der Online-Buchhandlungen i.d.R. nicht den Anforderungen der Bibliotheken entsprechen.

Wie intensiv Bibliotheken derzeit die Angebote des Online-Buchhandels nutzen, ist nicht bekannt. Allerdings zeigen Diskussionen in bibliothekarischen Mailinglisten (z.B. InetBib14), dass ein konkretes Interesse an der Nutzung besteht.


Fußnoten

1. Vgl. Kampf mit harten Bandagen, in: Spiegel Online 41/1998 vom 09.10.98, URL: http://www.spiegel.de/kulturarc/pool/kilander.html

2. Jupiter Strategic Planning Services (Hrsg.): Commere : Winning European Customers, from Both Sides of the Pond. (London), 1998, S. 11

3. Vgl. Meyer, Alice: Berichte über Vorträge zu Erwerbungsfragen, in: B.I.T.online 3/1998

4. http://www.acses.com wurde mittlerweile in dealpilot.com umbenannt

5. Vgl. Singelnstein, Bernhard: E-Mail vom 16.4.1999, <INFO@mailer.jf-lehmanns.de>

6. Vgl. Urban: Franziska: E-Mail vom 16.4.1999, <info@buecher.de>

7. Vgl. Mink, Norman: E-Mail vom 18.4.1999, <buecherwurm@primus-online.de>

8. Vgl. Riethmüller, Hermann-Arndt: InternetShopping und elektronischer Datenaustausch : Der klassische Sortimentsbuchhandel im Zeitalter der Vernetzung. ­ Unveröffentlichtes Manuskript der Rede zum 88. Bibliothekartag 5.6.98 und Frick, Johannes: E-Mail vom 26.4.1999,

9. Umlauf, Konrad: Öffentliche Bibliotheken und Buchhandel : Eine erste Empfehlung für die Zusammenarbeit, in: BuB 46 (1994),6/7, S. 520

10. Vgl. Obst, Oliver: Literaturliste Internet: Kommerzielle Werbung auf den Seiten der ULB Muenster, in: Bibliotheksdienst 4/1998, S. 736 - 741, URL: http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/bd_art/98_04_08.htm

11. Das DFN ist nämlich der Internet-Dienstleister der Universitäten und anderer Bildungs- und Forschungseinrichtungen.

12. Unter http://www.fh-nuernberg.de/bibliothek/obst2.html findet man die damalige Version der Internetseite mit dem Logo der Buchhandlung Edelmann. [Stand 14.11.1999]

13. Vgl. http://www.lob.de/cgi-bin/work/pages?id=382efef618cb0&frame=no&flag=jfl&menu-pic=yes&page=koop [Stand: 14.11.1999] und LSL wirbt virtuell, in B.I.T.online 2/1999, S. 103

14. Vgl. Inetbib-Archiv, http://lx1.ub.uni-dortmund.de/cgi-bin/suchen/INETBIB?key=amazon [Stand: 14.11.1999]


Zum Autor

Dirk Balthasar

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