3. Innovationsforum der Kommission Aus- und Fortbildung des VdDB

2. Verleihung des B.I.T.online-Innovationspreises

 

Das Innovationsforum der Kommission Aus- und Fortbildung des VdDB und die seit letztem Jahr damit verbundene Verleihung des Innovationspreises der im Verlag Dinges & Frick erscheinenden Zeitschrift B.I.T.online, stößt auf ein erfreulich wachsendes Interesse. Etwa 350 Zuhörer fanden beim Kongress "Information und Öffentlichkeit" in Leipzig den Weg in die Veranstaltung, die dem bibliothekarischen Nachwuchs die Möglichkeit bietet, sich und seine Arbeit dem Fachpublikum, und damit den potentiellen zukünftigen Arbeitgebern, zu präsentieren

Heike Brückner von der Kommission Aus- und Fortbildung moderierte das diesjährige Innovationsforum. In ihrer Einführung erläuterte sie, dass auch für die diesjährige Veranstaltung die Auswahlkriterien wieder der hohe Innovationsgrad oder die gute Umsetzbarkeit in der Praxis gewesen seien. Die von der Kommission unter den zahlreich eingegangenen studentischen Beiträgen ausgewählten Arbeiten würden diese Kriterien voll und ganz erfüllen. Heike Brückner wies außerdem darauf hin, dass rechtzeitig zum Leipziger Kongress, der erste Band der neuen Reihe B.I.T.online Innovativ im Verlag Dinges & Frick erschienen sei, der zwei Beiträge des letzten Innovationsforums enthält. Der zweite Band, dessen Erscheinen für die diesjährige Frankfurter Buchmesse geplant ist, wird die Beiträge zum Innovationsforum 2000 enthalten.

Auskunft durch E-Mail und Call-Center

Zu Beginn des Innovationsforums stellte Claudia Dickhaus, Absolventin der FH Köln, ihre Arbeit "E-Mail und Call Center - neue Wege der bibliothekarischen Auskunft" vor. Ein bibliothekarisches "Call Center" sollte nicht nur das Telefon sondern alle Arten moderner Kommunikationsmittel, wie z.B. auch Fax und E-Mail einsetzen. Das Ziel ist eine Verbesserung des Auskunftservices für externe Benutzer und damit eine Steigerung der Nutzerzufriedenheit. Die Planung und Einrichtung eines Call Centers kann damit ein wichtiger Baustein für eine moderne Bibliothek sein, die sich als serviceorientiere Informationseinrichtung begreift.

Claudia Dickhaus betonte, dass es kein Patentrezept für den Aufbau eines erfolgreichen Call Centers gibt. Jede Bibliothek muss hierbei ihren eigenen Weg finden, der sich an der jeweiligen technischen und personellen Ausstattung zu orientieren hat. Um eine angemessene personelle Besetzung des Auskunftzentrums zu erreichen, müssen im Vorfeld über einen längeren Zeitraum hinweg die telefonisch, per Fax und per E-Mail eingehenden Anfragen analysiert werden. Stellt sich heraus, dass es sich überwiegend um Fragen allgemeinen Charakters, z.B. zu Öffnungszeiten, Leihfristen und Gebühren, handelt, können im Call Center auch überwiegend Nichtfachkräfte, wie beispielsweise studentische Hilfskräfte, eingesetzt werden. Für thematische Anfragen wird bibliothekarisches Fachpersonal benötigt. Bei der Auswahl der im Call Center einzusetzenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist unter anderem darauf zu achten, dass diese über eine angenehme Telefonstimme und, im Fall der qualifizierten Auskünfte, über eine sehr gute Fragetechnik verfügen, da der visuelle Kontakt mit dem Benutzer nicht möglich ist.

Die technische Ausstattung sollte derart beschaffen sein, dass mit ihrer Hilfe bis zu einem gewissen Grad die Auskunftstätigkeit strukturiert und damit effizienter gestaltet werden kann. Hierbei kann die Einrichtung einer Datenbank der Anfragen und Antworten von großem Nutzen sein. Die Arbeitsplätze des bibliothekarischen Fachpersonals im Call Center sollten mit INTERNET- und Datenbankzugriff sowie gedruckten Nachschlagewerken ausgestattet sein.

Einen Aspekt von zentraler Bedeutung stellt selbstverständlich die Finanzierung dar. Auch hierbei gilt, dass jede Bibliothek, die ein Call Center einrichten möchte, den für sie am besten geeigneten Weg herausfinden muss, beispielsweise durch Sponsoring, durch ein Gebührensystem oder durch eine Mischung aus beidem.

Eine weitere Möglichkeit ist die Einrichtung eines gemeinsamen Call Centers mehrerer Bibliotheken. Dadurch können sowohl Kostensenkung als auch bessere personelle Ausstattung, und somit längere Zeiten persönlichen Services, erreicht werden. Auch können so die fachlichen Spezialisierungen der teilnehmenden Bibliotheken zum Vorteil der Nutzer optimal gebündelt werden.

Unverzichtbar für die Einführung der neuen Dienstleistung Call Center ist eine sorgfältig geplante, professionelle Öffentlichkeitsarbeit.

Den Abschluss des Vortrages von Claudia Dickhaus bildete die kurze Präsentation des niederländischen "Bibliofoon" (www.bibliofoon.nl). Hierbei handelt es sich um ein bereits seit ca. 10 Jahren existierendes Gemeinschaftsprojekt dreierniederländischer Bibliothekszentralen. Dieses bibliothekarische Call Center ist unter einer landesweiten Rufnummer und seit 1997 auch über das INTERNET erreichbar, wo seine Frage-und-Antwort-Datenbank recherchiert werden kann. Die Dienstleistung wird mit Stiftungsgeldern und Gebühren in Höhe von umgerechnet 50 Pfennig pro Minute finanziert. Bei der Eröffnung einer weiteren Geldquelle haben sich die Betreiber als durchaus kreativ erwiesen: Sie verkaufen Fragen und Antworten aus ihrer umfangreichen Datenbank an Quizsendungen.

Sind die Möglichkeiten vorhanden, ein gut funktionierendes Call Center einzurichten, kann eine Steigerung der Nutzerzufriedenheit und somit ein Imagegewinn für die Bibliothek erreicht werden.

Leit- und Orientierungssysteme für Bibliotheken

Beim zweiten Beitrag "Imagebildung in der Bibliothek - Konzeption eines Leit- und Orientierungssystems" handelte es sich um eine Projektarbeit - es ist die erste, die mit dem B.I.T.online-Innovationspreis ausgezeichnet wurde - von Studierenden der FH Frankfurt/M. Er wurde von Cora G. Molloy und Thomas Wollschläger, zwei Mitgliedern der Projektgruppe, vorgestellt. Zur Projektgruppe gehörten außerdem: Mario Frohnapfel, Isabella Gamroth, Silvia Kretschmer, Thomas Schmieder-Jappe und Kathrin Wilhelm. Nach Auffassung der Gruppe wird die Bedeutung eines nutzerfreundlichen, sinnvollen Leit- und Orientierungssystems für das Image der Bibliothek, besonders im Bereich der Wissenschaftlichen Bibliotheken, häufig unterschätzt. Das Image, das die Bibliothek in den Augen ihrer Nutzer genießt, ist jedoch das Ergebnis von deren Eindrücken, wozu eben auch die optischen zählen. Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass - obwohl die virtuelle Bibliothek in aller Munde ist - der Benutzer an die reale Einrichtung Bibliothek gebunden werden und sich mit dieser identifizieren soll. Dazu kann ein am Corporate Design ausgerichtetes Leit- und Orientierungssystem durchaus beitragen, das die Bedürfnisse der Benutzer mit den individuellen Eigenheiten und der Architektur der Bibliothek verbindet.

Ein gutes Leit- und Orientierungssystem wirkt organisationsfördernd für Benutzer und Bibliothekspersonal; erstere finden sich leichter und rascher in der Bibliothek zurecht und sparen dadurch Zeit, letzteres wird von Orientierungsfragen entlastet (Wo ist der Kopierer? Wo sind die Garderobenschränke?) und hat somit mehr Zeit für bibliothekarische Auskünfte und Informationsvermittlung.

Nach dieser generellen Einführung zur Bedeutung von Leit- und Orientierungssystemen durch Thomas Wollschläger, präsentierte Cora G. Molloy den von der Projektgruppe erarbeiteten Plan zur Konzeption und Einführung eines Leit- und Orientierungssystems. Der erste Schritt kann dabei ein Erstbenutzer-Protokoll in Form eines Fragebogens sein, wie er von der Projektgruppe entwickelt wurde. Zum Schluss des Vortrages wies die Referentin daraufhin, dass nach Implementierung des Systems dafür ein ständiger Verantwortlicher innerhalb der Bibliothek benannt werden müsse, da ein Leit-und Orientierungssystem ständiger Pflege bedarf.

Patentinformation

Für das Innovationsforum der VdDB-Kommission Aus- und Fortbildung und den B.I.T.online-Innovationspreis bewerben sich nicht nur Absolventinnen und Absolventen bibliothekarischer sondern auch dokumentarischer Studiengänge. Den dritten und letzten Vortrag des Innovationsforums mit dem Titel "Patentinformation - neue Entwicklungen und ihre Umsetzung in endnutzerorientierten Diensten" hielt Dipl.Dok. Heidrun Geyer, Absolventin des Studiengangs Informationsmanagement der FH Stuttgart. Der erste Teil der Präsentation hatte den Bezug von Patent-Volltexten aus kostenlosen INTERNET-Quellen zum Thema, der zweite Teil war der Einbindung dieser Quellen in ein innerbetriebliches Patentinformationssystem gewidmet.

Zunächst ging die Referentin kurz auf die Situation der Patentinformation in der Vergangenheit ein. Inzwischen sind Patente aller wichtigen Patentbehörden im WWW zugänglich, wobei viele Quellen kostenfrei sind. Außerdem bieten kommerzielle Dienstleister konfektionierbare Komplettlösungen im Bereich Patente via INTERNET an.

Folgende kostenfreie Quellen für Patente stellte Heidrun Geyer vor:

Keine dieser Quellen bietet eine Garantie für Vollständigkeit und Verlässlichkeit. Außerdem wies die Referentin darauf hin, dass die Aufbereitung der Suchergebnisse für professionelle Rechercheansprüche ungenügend und die Downloadmodi oft umständlich seien. Ein weiterer, für Unternehmen nicht zu unterschätzender Nachteil ist die Unsicherheit bei der Übertragung von Anfragen via INTERNET.

Anschließend ging Heidrun Geyer auf die Einrichtung eines INTRANET-Patentportals ein. Für die Ausbaustufe I schlägt sie die Hinterlegung vorformulierter Abfragen zu besonders relevanten Themen als anklickbare Links vor, also einen Current Awareness Service. Für die Ausbaustufe II empfiehlt sich ein Push Service, die Abfrage nach Profilen mit Versand der Ergbnisse per E-Mail an die Auftraggeber. Das INTRANET-Patentangebot der Informationsvermittlungsstelle sollte auch weiterführende Informationen, wie z.B. Gesetze und Abkommen oder Links zu den supranationalen Patentorganisationen enthalten.

Ganz wichtig ist auch die Präsentation eines eigenen, attraktiven Angebots zur Patentinformation. Hierzu zählen elektronische Formulare für Recherche- und Profilaufträge, Bewertung der und Hilfe zu den angebotenen kostenfreien WWW-Quellen. Die Grenzen der Laienrecherche sollten erläutert und die Indikationen für professionelle Recherchen aufgezeigt werden.

Ein gelungenes Inhouse-Patentinformationsangebot, so Heidrun Geyer, zeichnet sich durch die Verbindung der Vorzüge kommerzieller Anbieter und freier Ressourcen, ergänzt durch die Angebote der Informationsvermittlungsstelle, aus.

Im Anschluss an das Innovationsforum wurde den Vortragenden durch Prof. Dr. Rolf Fuhlrott von der B.I.T.online-Redaktion der diesjährige B.I.T.online-Innovationspreis in Höhe von 2.000,- DM pro Preisträger verliehen.

Auch in diesem Jahr war es wieder eine gelungene Veranstaltung mit vielversprechenden jungen Kolleginnen und Kollegen, die ihre Arbeiten kompetent und engagiert vortrugen. Die Kommission Aus- und Fortbildung des VdDB freut sich auf zahlreiche Bewerbungen junger Information Professionals für das nächste Innovationsforum beim Bibliothekartag 2001 in Bielefeld.

Romana Blechschmidt, Kommission Aus- und Fortbildung des VdDB

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