Bibliotheksbau: Theken im Wandel


Referate einer Fortbildungsveranstaltung der
Baukommission des Deutschen Bibliotheksinstituts
Redaktion: Ute Stephan.
- Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1998. 57 S. (dbi-Arbeitshilfen).
ISBN 3-87068-596-4.

Am 26.und 27.November 1998 veranstaltete die Baukommission des Deutschen Bibliotheksinstituts in den Räumen der EKZ in Reutlingen ein Fortbildungsseminar unter dem Titel "Theken in Bibliotheken – auch hier ein Wandel?". Die bei diesem Seminar gehaltenen Referate wurden jetzt in der Reihe dbi-Arbeitshilfen veröffentlicht.

Das Bändchen enthält zunächst eine allgemeine Betrachtung des Themas "Theke" von Konrad Heyde von der Staatlichen Fachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen in Freiburg/Breisgau unter funktionalen, ästhetischen, psychologischen und auch historischen Gesichtspunkten. Er untersucht insbesondere die Art der Kommunikationsvorgänge, denen die Theke dient und kommt zu dem Schluss, dass mit der Anwendung und der konsequenten Nutzung der neuen Techniken die Theke verschwinden wird. Die Erörterung ist durchaus lesenswert und hilfreich für das Nachdenken über das Thema – vielleicht etwas weniger hilfreich für unmittelbar praktische Planungsaufgaben, jedoch sehr nützlich zu deren Vorbereitung.

Es folgen vier Beiträge, die konstruktive und gestalterische Lösungen für Theken in unterschiedlichen Bibliotheken darstellen und kommentieren. Deutlich wird, dass das Thema "Theken" offenbar von den Architekten als nicht besonders wichtig betrachtet wird, obgleich es auf der Hand liegt, dass die Theke der wichtigste Kommunikationsbereich in der Bibliothek ist und dementsprechend funktionale und gestalterische Aufmerksamkeit erfordert.

Doris Schneider berichtet über die Verbuchungstheke der Fachhochschulbibliothek in Ingolstadt. Die Theke ist von aussen durch eine Glaswand sehr gut sichtbar und wurde daher vom Architekten in Zusammenarbeit mit den Bibliothekarinnen entwickelt, dann als Einzelstück entworfen und nicht aus Standardmöbelelementen eines Bibliothekseinrichters zusammengebaut; bei der Ausführung der Theke waren dann bedauerlicherweise die BibliothekarInnen nicht mehr so beteiligt, wie es sinnvoll gewesen wäre. Ein Problem stellt der Höhenunterschied zwischen den Benutzern und den BibliothekarInnen dar. Zitat: "… unangenehm wird … der Höhenunterschied zwischen dem sitzenden Personal und dem stehenden Benutzer empfunden. Der Aug-in-Aug-Kontakt ist erschwert, es entsteht eine Über- und Unterordnung der Kommunikationspartner, die so von beiden Seiten nicht gewollt ist.". Um dieses Problem zu lösen, wurde die Theke auf ein Podest gestellt; ob dies wirklich sinnvoll ist, mag dahingestellt bleiben.

Über die Theke in der neugestalteten Pfalzbibliothek Kaiserslautern äußert sich Claudia Schlimper, vor allem über die "… Diskrepanz zwischen den arbeitstechnischen Anforderungen und der Kreativität des Planers bei unserer Theke …". Ein weiteres Zitat: "… Die Planung erfolgte zwar zum großen Teil in Absprache mit dem Bibliothekspersonal, viele Bedenken, Anregungen und Anforderungen fielen jedoch der Ästhetik und der ‚Kreativität‘ des Architekturprofessors zum Opfer …". An der fertigen Theke stellten sich gravierende funktionale Mängel heraus: Die Tischplatte ist mit 60 cm Breite viel zu schmal, das heißt es gibt weder ausreichende Ablagefläche noch Platz für Computer und deren Zubehör, die Beleuchtung der Theke ist unzweckmäßig und der Bewegungsraum hinter der Theke ist viel zu knapp bemessen. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, beschreibt es doch eine Situation, der man bedauerlicherweise allzuoft begegnet, obgleich wirklich nicht einzusehen ist, dass Kreativität und Ästhetik von vornherein in einem unversöhnlichen Widerspruch zur Funktionalität muss.

Gaby Schuurmans-Aelberts von der Stadtbibliothek in Groningen (NL) arbeitet in ihrem Beitrag die unterschiedlichen ergonomischen und praktischen Anforderungen an die verschiedenen Theken heraus. So erfordert die Auskunftstheke einen Kompromiss zwischen der günstigen Höhe für die vor der Theke stehenden Benutzer und einer ergonomisch sinnvollen Arbeitsposition der BibliothekarInnen, während an der Anmeldetheke Benutzer und Personal sitzen können. Die schwierigsten Probleme zeigen sich an der Verbuchungstheke: Die Arbeitsvorgänge im Zusammenhang mit der Ausgabe bestellter Bücher und deren Rückgabe stellen hohe körperliche Anforderungen an die BibliotheksmitarbeiterInnen; Lösungen für die Stadtbibliothek Groningen, wie die Stellung der Theke und ein Förderband für die Rücknahme der Bücher, wurden unter intensiver Beteiligung der Bibliotheksmitarbeiter erarbeitet.

In seinem Beitrag über Ästhetik und Funktionalität der Theke in der Stadtbibliothek Münster betont Gunter Riemers die Notwendigkeit, die Wegeführung, die Transportvorgänge bei Ausgabe und Rückgabe von Büchern sowie die Anforderungen für den Einsatz von EDV im Bereich der verschiedenen Arten von Theken dem Architekten möglichst genau zu beschreiben; dies sollte immer unter Beteiligung der Mitarbeiter der Bibliothek geschehen. In seinem Kommentar zur Gestaltung und Ausführung der Theke in Münster merkt er unter anderem an, dass die Tiefe der Theke mit 60 cm zu gering sei und dass der Linoleumbelag den gegebenen Belastungen auf die Dauer nicht standhalte. Zusammenfassend sagt Riemers sinngemäß, dass er eine Standardtheke aus dem Katalog nur für einen Kompromiss zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren halte.

Christian Haker von der EKZ erörtert einige Planungsgrundsätze und Planungsgrundlagen für Bibliothekstheken. Allerdings: Dass die EKZ einen kostenlosen Planungsservice anbietet, ist ja nun nichts Außergewöhnliches – das tut jede Firma; solche oft erheblichen Planungsleistungen gehören heute zum Wettbewerb, das fängt ja auch schon bei den Architektenwettbewerben an; etwas rätselhaft erscheint auch die Anmerkung am Ende des Beitrags, dass er seine Tätigkeit ohne Honorar ausübe. Haker weist dann auf eine Reihe von Richtlinien, Vorschriften und Empfehlungen hin, die bei der Gestaltung von Theken zu beachten seien, richtigerweise auch darauf, dass die zweite Auflage des DIN-Fachberichts 13 an Verbindlichkeit verloren habe. Weiter bezweifelt er, dass die Forderung nach höhenverstellbaren Theken sinnvoll sei, weil die entstehenden Höhensprünge der Tischoberflächen das Hinüberschieben von Büchern erschwere oder gar unmöglich mache, empfiehlt aber gleichzeitig, eine zu geringe Tiefe der Thekenarbeitsplatte durch Aufmontieren einer zweiten, tieferen Tischplatte zu korrigieren – womit das Hinüberschieben von Büchern auch wieder problematisch wird. Etwas schwierig zu verstehen ist auch die Bewertung verschiedener Materialien für die Thekenoberfläche. Weshalb ein Furnier auf einer Trägerplatte (Spanplatte oder Multiplexplatte) eine geringe Lebens-erwartung haben soll, leuchtet nicht ein. Die Lebensdauer hängt von der Holzart des Furniers und dessen Dicke ab, wobei eine Lackierung (gegenüber z.B.einer Ölung) sowieso in der Regel nicht sehr sinnvoll ist, und wieso Wasser (woher denn?) in eventuelle Schadstellen eindringen soll, ist auch unklar. Problematisch erscheint die Ablehnung von Corean als Thekenbelag; die Begründung überzeugt nicht.

Das Bändchen ist recht lesenswert, sowohl wegen der einleitenden grundsätzlichen Überlegungen von Konrad Heyde als auch wegen der Erfahrungsberichte über die Gestaltung von Theken. Dem Rezensenten sei eine Schlussbemerkung erlaubt: Die Gestaltungsmöglichkeiten für Theken unter den Aspekten der Ergonomie und der Benutzerfreundlichkeit reichen durchaus von für den Einzelfall entworfenen Theken bis hin zum Einsatz von Elementsystemen der verschiedenen Bibliotheksausstatter; die Bibliotheken mögen verschont bleiben von "Designertheken", die unter rein ästhetischen Gesichtspunkten entworfen wurden.


Anschrift des Rezensenten
Robert Klaus Jopp
Gänsheidestraße 15/A
D-70184 Stuttgart