Direktor der Universitätsbibliothek Münster von 1963 bis 1979
Professor Dr. Gerhard Liebers ist am 5. Juni 2000 nach längerer Krankheit im Alter von 86 Jahren gestorben. Das Bibliothekswesen hat damit eine bedeutende Persönlichkeit verloren.
Professor Liebers, in Radebeul bei Dresden geboren, war lange Jahre, von 1963 bis 1979, Direktor der Universitätsbibliothek Münster und seit 1968 Honorarprofessor der Universität Münster. Seine Tätigkeit war von zahlreichen Interessen geprägt; zwei Festschriften, zu seinem 65. (1) sowie zu seinem 80. Geburtstag (2), bezeugen dies. Einen Schwerpunkt seines Interesses bildete der Bibliotheksbau, mit dem er sich bereits 1951 anlässlich einer Reise in die USA zu befassen begann; die Ideen, die er von dieser Reise nach Deutschland mitbrachte, nämlich die der flexibility, des modular systems und schließlich die des open plan, versuchte er mit viel Engagement auch in Deutschland publik zu machen. Dies schlug sich zunächst in Beratungen und Publikationen, aber auch in Vorträgen bei internationalen Seminaren und Kongressen nieder, bis er eine Plattform für diese Ideen schließlich in der Kommission für Baufragen des damaligen Vereins Deutscher Bibliothekare (VDB) fand, deren Vorsitzender er lange Jahre war. In dieser Kommission bemühte er sich besonders um eine Dokumentation des Bibliotheksbaugeschehens in Deutschland. Nicht unerwähnt bleiben darf deshalb der 1968 von Gerhard Liebers unter Mitarbeit von Franz-Heinrich Philipp und Gerhard Schlitt herausgegebene Band "Bibliotheksneubauten in der Bundesrepublik Deutschland" (ZfBB-Sonderheft 9) sowie der zusammen mit Rolf Fuhlrott und Franz-Heinrich Philipp herausgegebene Band "Bibliotheksneubauten in der Bundesrepublik Deutschland 1968 1983" (ZfBB-Sonderheft 39). Die Krönung seiner Bemühungen um den Bibliotheksbau stellte dann die Planung seiner eigenen Bibliothek für die Universität Münster dar, die schließlich 1973 bezogen werden konnte. Darüberhinaus engagierte er sich stark für die Erarbeitung von Standards für die Bibliotheksbauplanung wie sie dann als "Flächenstandards für wissenschaftliche Bibliotheken" im Bibliotheksplan '73 ihren Niederschlag fanden und später dann im DIN-Entwurf 31622 Teil 1 sowie im DIN-Fachbericht 13 weiterentwickelt wurden.
In diesem Jahr, kurz vor seinem Tode, erschien in der Reihe "Arbeiten und Bibliographien zum Buch- und Bibliothekswesen" eine Zusammenfassung seiner Veröffentlichungen unter dem Titel: "Funktion und Gestalt der Bibliothek" (3). Der Band vereinigt 27 Texte von Gerhard Liebers aus dem Zeitraum zwischen 1952 und 1991, die sich mit Problemen der Planung und des Baues von Bibliotheksgebäuden befassen.
Die ersten Beiträge handeln natürlich von den prägenden Erfahrungen des USA-Besuchs, in denen er sich zunächst mit der "Flexibility" auseinandersetzt, dann aber einen umfassenden Überblick über den Bibliotheksbau in den USA gibt, auf den er auch in späteren Veröffentlichungen immer wieder zurückkommt. Der Beitrag wird ergänzt durch eine umfangreiche Bibliographie.
Die Planung des Neubaus der Universitätsbibliothek Münster hat Gerhard Liebers natürlich in mehreren Veröffentlichungen beschrieben, die von einer Darstellung der Wiederaufbauphase des alten Bibliotheksgebäudes bis zu kritischen Analysen der Organisationsstruktur und des Neubaus reichen. Er hat sich aber auch immer wieder mit allgemeineren Fragen der Bibliotheksbauplanung befasst. So handelt er in seinem Beitrag in der Festschrift für Rolf Kluth 1979 die Frage der optimalen Größe und der Effektivität von Bibliotheksgebäuden ab; er erörtert die Vorteile des Skelettbaus in Bezug auf die dadurch mögliche Flexibilität und zugleich die Nachteile von Rasterbauweisen mit den Gefahren einer gewissen Gleichförmigkeit im Erscheinungsbild der Bibliotheksbauten. Zur Flexibilität und zur Erweiterbarkeit merkt er an, dass es, bei allen technischen Möglichkeiten, "... bestimmte, nach Art und Bibliothek verschiedene Größenordnungen gibt, über die hinaus eine Bibliothek organisatorisch und räumlich nicht mehr beherrschbar ist ..." Weiter setzt er sich mit der sehr schwierig zu bestimmenden Zahl der erforderlichen Leseplätze auseinander. Einige Texte handeln von grundsätzlichen organisatorischen und strukturellen Problemen, die unmittelbaren Einfluss auf die Bibliotheksbauplanung haben, und greifen auch bibliotheksgeschichtliche Themen auf wie dies etwa der hochinteressante Aufsatz über die Eigenständigkeit und Integration von Bibliotheksbauten im Laufe ihrer langen Geschichte zeigt. Man kann feststellen, dass die meisten Themen der Aufsätze dieser Sammlung nicht oder kaum an Aktualität verloren haben; der Band wird für alle, die die Planung eines Bibliotheksgebäudes vorzubereiten haben, eine wertvolle Hilfe bieten. Mit dem Tod von Gerhard Liebers ist nun eine Stimme verklungen, die sich immer für das Zusammenwirken von Funktionalität und Architektur ebenso eingesetzt hat wie für das von Nutzer und Architekt. Viele seiner Kollegen, die mit ihm zusammenarbeiten durften, haben dankbar diese Gedanken aufgenommen und werden sie weiter verbreiten und damit Gerhard Liebers ein ehrendes Andenken bewahren.
(1) Das Buch und sein Haus. Hrsg. v. Rolf Fuhlrott u. Bertram Haller: Bd. 1: Erlesenes aus der Welt des Buches; Bd. 2: Vom Bauen neuerer Bibliotheken. Wiesbaden: Reichert 1979.
(2) Bibliotheksbauten in der Praxis. Erfahrungen und Bewertungen. Hrsg. v. Roswitha Poll u. Bertram Haller. Wiesbaden: Harrassowitz 1994. ISBN 3-447-03496-3.
(3) Liebers, Gerhard: Funktion und Gestalt der Bibliothek. Hrsg.v.Horst Röhling. Frankfurt a.M.: 2000, 408 S. (Arbeiten und Bibliographien zum Buch- und Bibliothekswesen: Bd.14) ISBN 3-631-32397.
Robert Klaus Jopp, Stuttgart