The Open Library: Financial and Human Aspects

LIBER Architecture Group Seminar vom 10. bis 15. April 2000 in Warschau

von Robert Klaus Jopp

In den Räumen der neuen Warschauer Universitätsbibliothek fand im April das diesjährige Seminar der LIBER Architecture Group unter dem Thema "The Open Library: Financial and Human Aspects" statt. Etwa siebzig Teilnehmer aus fast allen europäischen Ländern waren zusammengekommen, um Kenntnis zu nehmen von den beträchtlichen Veränderungen auch auf dem Gebiet der Planung und des Baus von Bibliotheksgebäuden in den früher so genannten Ostblockländern, die längst zu Recht als die Länder Ost-Mitteleuropas bezeichnet werden. Das Seminar begann mit einer zweitägigen Exkursion nach Kattowitz (Katowice) und Krakau (Kraków). Ziel des Besuches in Kattowitz war der Neubau der Biblioteka “Slqska (vergleichbar einer Landesbibliothek), geplant von der kattowitzer Architektengruppe ARAR (Jarecki ­ Gierlotka ­ Kwa“sniewicz). Der Bau erhebt sich geradezu burgartig gewaltig (- Abb. 1) über seine Umgebung, einen Parkbereich, obgleich sich die Architekten redliche Mühe gegeben haben, einen Teil des Benutzungsbereiches sowie die Verwaltung und Technikräume unter einem Erdhügel so zu legen, dass diese beiden Untergeschosse durch geschickt verteilte Lichthöfe Tageslicht bekommen können. Die Ingenieure hatten wegen des Baugrundes erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden, da sich auch unter dem gesamten Stadtgebiet von Kattowitz Stollen vom Kohlebergbau befinden, deren Lage und Verlauf zum Teil nicht mehr bekannt sind, die aber ständige Bewegungen und Setzungen im Untergrund verursachen.

Das Projekt ist im Rahmen eines Berichtes über neue wissenschaftliche Bibliotheken in Polen in ABI-Technik 15 (1995) H.3 S.255-256 beschrieben. Buchtransport und Lagertechnik sind in einem LIBRO-MAG genannten System zusammengefasst. Für den Buchtransport wird TELE-LIFT eingesetzt und mit einem robotisierten Hochregalmagazin auf der obersten Geschossebene (+6) kombiniert; das Transportsystem verbindet außerdem die auf fünf Geschosse verteilten und mit Fahrregalen ausgestatteten geschlossenen Magazine mit einer Reihe von Stationen im Benutzungsbereich. Der hohe Grad von EDV-basierter Automatisierung erzeugt, mit den damit verbundenen Problemen in Bezug auf Störanfälligkeit und Kurzlebigkeit der Komponenten, beim Berichterstatter ein gewisses Stirnrunzeln, wenn er über die Eignung solcher Systeme für den Betrieb der auf langzeitige Zuverlässigkeit angewiesenen Bibliotheksbauten nachdenkt. Die nächste Station der Exkursion war Krakau, dort vor allem die Jagiellonische Universitätsbibliothek. Bis zum Ende der dreißiger Jahre war die Bibliothek in dem im 14. Jahrhundert errichteten Collegium Maius untergebracht; von 1931 bis 1939 wurde dann nach dem Entwurf des Architekten Wacl-aw Krzy·zanowski ein neues Gebäude an der Adam-Mickiewicz-Allee errichtet, das ebenso wie die sehr reichen Bestände die Kriegswirren fast unbeschädigt überstanden hat. Das Gebäude erhält nun, nach dem Entwurf des Architekten Romuald Legler, einen Erweiterungsbau mit immerhin fast 20.000 m2 Nutzflächen, von denen etwa 11.600 m2 als Magazinflächen vorgesehen sind (- Abb. 2+3). Die Gesamtkapazität des Bibliotheksgebäudes wird sich damit auf fast 6 Mio. Bände erhöhen. Der Rohbau ist fertiggestellt; gegenwärtig wird mit dem Ausbau begonnen. Auch dieses Projekt ist im Rahmen des bereits erwähnten Berichts in der Zeitschtrift ABI-Technik 15 (1995) H.3 S.256-258 beschrieben.

Dass sich ein Besuch in Krakau mit seinem sehr reichen baulichen und kulturellen Erbe immer wieder lohnt, muss wohl nicht besonders betont werden; die Zeit, die man dafür aufwendet, erweist sich jedes Mal als zu kurz!

Am dritten Tag des Seminars, nun in der Universitätsbibliothek Warschau (- Abb. 4), begrüßte deren Direktor Henryk Holender die Teilnehmer des Seminars und brachte dabei seinen Optimismus in Bezug auf die zukünftige Entwicklung Polens als Teil Europas und die Integration des polnischen Bibliothekswesens in das der westlichen Nachbarländer zum Ausdruck.

In seiner Einführung zum Inhalt des Seminars wies Elmar Mittler vor allem auf die Probleme der Finanzierung von Bibliotheksbauten hin, zu deren Lösung im Verlauf des Seminars einige interessante Beispiele zu erwarten seien; für Diskussionen würden auch die Probleme und Möglichkeiten des elektronischen Publizierens mit ihren Konsequenzen für Organisation und Betrieb der Bibliotheken sorgen.

Als erster Referent schilderte Robert Rzeso“s (Fa. Nowy “Swiat) die Finanzierung des Neubaus der Universitätsbibliothek Warschau (-Abb. 5). Die ersten Überlegungen für einen Neubau gehen bereits auf den Beginn der zwanziger Jahre zurück; diese damals noch wenig konkreten Pläne konnten aber erst zu Beginn der sechziger Jahre wieder weiter getrieben werden, wenn auch zunächst ohne Erfolg. Weitere fast dreißig Jahre sollten verstreichen, bis schließlich 1990 bei Gesprächen zwischen der Universität und der Regierung die Möglichkeit erwogen wurde, die Universitätsbibliothek im Gebäude des ehemaligen Zentralkomitees der Polnischen Arbeiterpartei unterzubringen.

Der Plan fand breite Zustimmung; bei näherer Prüfung stellte sich jedoch heraus, dass die Kosten für entsprechende Umbaumaßnahmen weitaus höher liegen würden als für einen Neubau. Als wesentlich günstigere Lösung ergab sich, das Gebäude an eine Reihe von in- und ausländischen Firmen zu vermieten und aus den Einnahmen ­ zusammen mit Zwischenkrediten ­ einen Neubau für die Universitätsbibliothek zu finanzieren. Zur Organisation dieser Aufgabe wurde die Firma Nowy “Swiat gegründet. Das neue Gebäude der Universitätsbibliothek (- Abb. 6-9) bietet 63.500 m2, von denen aber gegenwärtig nur 43.000 m2 von der Bibliothek genutzt werden. Die übrigen Flächen werden vermietet; aus den Einkünften werden Kredite zurückgezahlt und Rücklagen für zukünftige Investitionen gebildet; diese Flächen bilden zugleich zukünftige Nutzungsreserven für die Bibliothek.

Die Gesamtkosten für das Gebäude, ohne Kreditkosten, aber einschließlich aller Nebenkosten wie u.a. Kosten für die Vorbereitung des Baugrundstücks, Planungs-, Bau- und Umzugskosten werden sich auf etwa 79,8 Mio. US $ belaufen.

Szenenwechsel: Paul Sheehan von der Dublin City University Library stellte die Planungsgrundsätze der neuen Bibliothek vor. Die im Nordteil von Dublin gelegene Universität hat 11.000 Studenten und hat sich einen guten Ruf erworben für neue Wege im Bereich von Lehren, Lernen und Forschen; sie nimmt auch Einfluss auf die Öffentlichkeit, indem sie Zukunftsentwicklungen fördert. Darüberhinaus ist sie bestrebt, die Zusammenarbeit mit der privaten Wirtschaft zu erweitern. Die Bibliothek spielt dabei eine wichtige Rolle. Die bauliche Konzeption wird von Begriffen wie offen, hell, einladend und funktionell geprägt, wobei die Offenheit sich in einem durch alle Geschosse reichenden und sich auch längs durch fast das ganze Gebäude ziehenden zentralen Raum zeigt, an den sich seitlich Buchstell- und Leseflächen offen anschließen; was dies akustisch und raumklimatisch bedeutet, konnten die Teilnehmer an dem LIBER-Bauseminar 1998 in London gelegentlich einer Exkursion an den neuen Hochschulbibliotheken von Cranfield und Hatfield studieren.

Zum Thema Geldmittelbeschaffung ("Library Fundraising") für die Dublin City University Library beschrieb Alan McDougall die dort angewandten Taktiken zur Gewinnung von Sponsoren, die sich allerdings nicht einfach auf nicht-irische Verhältnisse übertragen lassen; in den angelsächsischen Ländern haben Hochschuleinrichtungen in der Regel eine sehr weitgehende Selbständigkeit und Handlungsfreiheit.

Jürgen Bloech aus Göttingen berichtete über die Zusammenarbeit der Universitätsbibliothek Göttingen mit der Universität Kaliningrad. Die Universität wurde bereits 1544 als Collegium Albertinum gegründet, und ist in den Wirren des zweiten Weltkriegs untergegangen. Nach einer langen Unterbrechung nimmt nun die Universität ihren Lehrbetrieb wieder auf. Ziel des laufenden Projektes ist die Neuorganisation und Unterbringung der Universitätsbibliothek. Geplant ist eine Baugruppe neben dem Dom auf der Kneiphofinsel.

Der nächste Berichterstatter war Steen Bille Larsen aus Kopenhagen, der über die kulturellen Aktivitäten der Königlichen Bibliothek sprach. Als gutes Mittel zur Verbesserung der öffentlichen Resonanz haben sich in erster Linie verlängerte Öffnungszeiten, aber auch stark vermehrter Einsatz von IT erwiesen. Art und Struktur der Dienstleistungsangebote konnte unter anderem nach Erhebungen über die Nutzungsfrequenzen in den verschiedenen Bereichen während des Tagesverlaufs sowie durch Auswertung von Nutzerbefragungen erreicht werden.

Franz Berger (Bozen) stellte zusammen mit Klaus Kempf (München) den Neubau der Freien Universität Bozen vor. Die erst 1997 gegründete Universität ist europäisch orientiert, zugleich hat sie eine Vermittlerfunktion zwischen der Autonomen Region Südtirol und Italien, deren Verhältnis zueinander in der jüngeren Vergangenheit öfter und lange mit politischen Schwierigkeiten belastet war. Es werden an den drei Standorten Bozen, Brixen und Bruneck wirtschaftliche Fächer angeboten; der Lehrbetrieb findet auf italienisch, deutsch und englisch statt. Den Hauptteil der Finanzierung trug die Autonome Provinz Südtirol mit 87,4 %, der italienische Staat gab 6,8 % auf der Basis der Studentenzahlen, Sponsoren und Stiftungen gaben 4,1 % und schließlich kam der kleinste Teil der Mittel aus Studiengebühren mit 1,7 %. Die laufenden Kosten betrugen im Jahre 1999: Erwerbung 49,4 %, Personal 32,6 % und übrige Kosten 18,0 %. Das neue Gebäude der Universitätsbibliothek wurde in der Nähe des Stadtzentrums in günstiger Lage zu den übrigen Universitätseinrichtungen errichtet. Die Hauptnutzfläche beträgt 4.700 m2 und bietet Platz für 3.000 Studenten, 2.000 andere Benutzer und 25 Bibliotheksmitarbeiter; die Stellflächen sind für 350.000 Bände ausgelegt. Die Kosten für den Neubau betrugen 16.840.000 Euro.

Über die britischen Erfahrungen mit der Finanzierung von Bibliotheken berichtete Graham Bulpitt, Direktor des Learning Centre der Sheffield Hallam University. Anstoß für neue Überlegungen zur Verbesserung der Finanzlage der Hochschulbibliotheken war der Follett-Bericht von 1993, in dem u.a. auf den Fehlbedarf von etwa 49.000 Leseplätzen, auch als Folge des verstärkten Einsatzes von neuen Techniken, hingewiesen worden war. Als Konsequenz wurde ein Hochschulbauprogramm für 140 Millionen £ aufgelegt, von dem 25 % vom Staat übernommen wurde; die übrigen Mittel müssen von den Universitäten aufgebracht werden. Etwa 3,5 % des Budgets der jeweiligen Universität ist für die Bibliotheken bestimmt; diese müssen etwa 10 % der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel aus eigenen Einkünften finanzieren. Einkünfte können erzielt werden aus Gebühren für die klassischen Bibliotheksdienstleistungen, aus Informationsdienstleistungen, aus dem Verkauf von Büroartikeln und Publikationen und aus Vermietungen von Räumen. Wichtig ist, dass diese Einkünfte ­ anders als bei uns ­ zur Verfügung der jeweiligen Bibliothek bleiben.

Der Direktor der Universitätsbibliothek Warschau Henryk Hollender, seine Stellvertreterin Ewa Kobierska-Maciuszko und der Architekt Prof. Marek Budzy“nski gaben einen Bericht über die Erfahrungen mit dem Neubau und den damit verbundenen angestrebten und erforderlichen organisatorischen Änderungen im Betrieb des neuen Hauses, das im vergangenen Jahr eingeweiht wurde. Grundsätzlich neu ist die freie Zugänglichkeit eines erheblichen Teils der Bestände. Schwierigkeiten gab es daher zunächst mit der Umgewöhnung der Benutzer und auch der Mitarbeiter der Bibliothek an diese für Polen neue Konzeption, die ­ vergessen wir es nicht! ­ auch bei uns erst vor wenigen Jahrzehnten Eingang gefunden hat. Über die Finanzierung des Neubaus hat bereits Robert Rzeso“s berichtet. Über die Planung erschien in der Zeitschrift ABI-Technik 15 (1995) H.3 S.258-261 der schon vorher erwähnte Artikel; weitere Informationen zur Bauplanung können der LIBER-Dokumentation ("The Open Library ­ Financial and Human Aspects", Documentation of New Library Buildings in Europe. Ed. by Ewa Kobierska-Maciuszko, Warszawa), entnommen werden. Im Anschluss an die Referate fand eine ausführliche Besichtigung des Neubaus mit dem Architekten statt (- siehe Abb. 4-9).

Helge Salvesen berichtete über die erst 1972 mit 420 Studenten gegründete, inzwischen (1999) auf 6.200 Studenten gewachsene Universität Tromsö. Die Bibliothek ist zuständig für Erwerbung und Katalogisierung für alle Fachbereichs- und Institutsbibliotheken; das Bibliothekssystem ist damit ein einschichtiges. Bill Cowan und Ian Butchart erläuterten am Beispiel der University of Teesside (siehe hierzu auch den Bericht von Kempf und Lankenau in: B.I.T.online 3.2000 Nr.4 S.487-489) Struktur und Funktion der bislang etwa 20 im UK gebauten Learning Resource Centres, die den Studenten und Wissenschaftlern einen verbesserten Zugang zu Informationen aller Art ermöglichen sollen. Dies wird unter anderem mit einem umfangreichen Angebot an für den Einsatz von IT geeigneten Arbeitsplätzen erreicht. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist die Senkung der Betriebskosten; ein passives Lüftungssystem gewährleistet ein gutes Klima im gesamten Gebäude während aller Jahreszeiten.

Hannelore Jouly (Stuttgart) stellte den Wettbewerbsentwurf des Architekten Eun Young Yi (Köln) für den Neubau der Stadtbücherei im Planungsgebiet "Stuttgart 21" vor. Anlass für die Planung ist ein erheblicher Platzmangel im gegenwärtigen Gebäude, dem Wilhelmspalais. Der geplante Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs, verbunden mit einer großräumigen städtebaulichen Neuordnung auf dem dann ehemaligen Bahngelände, eröffnete die Möglichkeit, dort einen Neubau für die Stadtbücherei zu errichten. Über das Gesamtprojekt ist noch nicht entschieden worden, somit bleibt ungewiss, ob das Bibliotheksgebäude überhaupt gebaut werden wird. Der prämierte Wettbewerbsentwurf sieht einen Kubus mit einer Kantenlänge von 40 Metern und einer Höhe von 35 Metern vor, dessen Außenflächen durchgehend aus Glasbausteinen bestehen. Die Lesesäle sind auf Galerien um eine Art trichterförmigem Atrium herum angeordnet, das vom 4. bis zum 8.Obergeschoss reicht. Insgesamt wurde eine Hauptnutzfläche von 11.200 m2 geplant. Der Beitrag von Lev Amlinski (Berlin) befasste sich mit Überlegungen zum Wandel von der klassischen Bibliothek zur Multimedia-Bibliothek. Die Schwierigkeit der Planer wie auch der Bibliothekarinnen und Bibliothekare bestehe darin, dass sie auf die raschen Veränderungen der neuen Techniken meist nicht schnell genug reagieren können.

Raf Dekeyser von der Katholischen Universität Leuven berichtete über die schwierigen Verhandlungen mit den Fakultäten und Instituten, die zum Ziel hatten, das Bibliothekssystem aus einer unwirtschaftlichen Zersplitterung in ein mehr oder weniger einschichtiges System zu überführen. Die Verhandlungen hatten Erfolg und es konnte ein Architektenwettbewerb für die zukünftige Zentralbibliothek ausgeschrieben werden, den der spanische Architekt Rafael Moneo gewann. Das Gebäude wird, unter Einbeziehung einiger Bauten des ehemaligen Celestiner-Konvents, in der Nähe von Schloss Arenberg im Süden von Leuven errichtet und wird für die gegenwärtig etwas über 1 Million Bände und etwa 650 Leseplätze über 10.350 m2 Hauptnutzfläche verfügen.

Für die Universitätsbibliothek Utrecht plant gegenwärtig der niederländische Architekt Wiel Arets einen Neubau mit etwa 24.000 m2 Hauptnutzfläche; über das Projekt berichtete Tanja Notten. Zu den

Flächen des Neubaus kommen weitere 3.800 m2 im benachbarten Van-Unnik-Bau, die der Universitätsbibliothek zur Verfügung stehen werden. Die Bibliothek verfügt über 4 Millionen Bände sowie über 470 Leseplätze im Neubau und 325 weitere im Van-Unnik-Bau. Das neue Gebäude soll 2002 eröffnet werden.

In Liberec (Republik Tschechien) ist derzeit die Wissenschaftliche Bibliothek ­ eine Art Landesbibliothek ­ im Bau. Das Projekt stellte V era Vohlķdalovį, die Direktorin der Bibliothek, vor. Das von dem Architekten Radim Kousal entworfene Gebäude wird an der Stelle errichtet, an der bis zur Kristallnacht 1938 die Synagoge stand; in dem Bau wird sich auch ein jüdischer Gebetsraum befinden ­ der erste Synagogenbau in der Tschechischen Republik nach dem Kriege. Zur Geschichte dieser Bibliothek gehören zwei Bibliotheken: die 1902 gegründete deutsche öffentliche Bibliothek und die 1904 gegründete tschechische öffentliche Bibliothek. Die Bestände der tschechischen Bibliothek wurden 1938 fast vollständig vernichtet. 1954 wurde das, was von den alten Beständen noch übrig und in den ersten Nachkriegsjahren wieder aufgebaut wurde, durch einen Brand zerstört; 1959 schließlich wurden beide Bibliotheken vereinigt. Das neue Haus wird den heute etwa 1 Million Bänden eine komfortable Unterbringung ermöglichen.

Dorrit Gustafsson erläuterte drei Projekte zur Erweiterung der Universitätsbibliothek in Helsinki: Die Rotunda, ein neuer Lesesaalbereich, sowie zwei unterirdische Magazinbereiche. Die Rotunda wurde im September 1999 eingeweiht, die beiden Magazinbereiche, von denen das größere mit 10.000 m2 tief in den Fels gesprengt wird, sind noch im Bau.

Die neue Bibliothek der 1973 gegründeten Universität von Aveiro (Portugal) wurde von Laura Oliva Correia Lemos vorgestellt. Der von Įlvaro Siza Vieira entworfene Bau wurde 1995 eingeweiht und beherbergt auf 6.500 m2 150.000 Bände, 5.100 Zeitschriften sowie 1.000 Leseplätze. Die Universität hat 8.500 Studenten, dazu 650 akademische Mitarbeiter, wobei die angegebenen Bestandsgrößen im Verhältnis zur Zahl der Studenten etwas überraschen. Das Gebäude ist auf vier Geschossen sehr klar organisiert, es sind indessen in den Grundrissen kaum Freihand-Buchstellflächen zu erkennen; dies mag an der speziellen Organisation der portugiesischen Bibliotheken liegen. Ein weiterer Beitrag von der iberischen Halbinsel: Daniel Osuna Pįez von der Bauabteilung der Universität Barcelona präsentierte eine Art Leitfaden für Bibliothekare zur Durchführung eines Bauprojektes. Schade, dass die Präsentation nicht optimal vorgetragen wurde ­ davon dürften die wenigsten Zuhörer etwas profitiert haben; das Papier hingegen lohnt sich zu lesen, denn es ist recht systematisch aufgebaut und enthält eine Menge brauchbarer Hinweise zur Durch- führung eines Projektes.

Marie-Dominique Heusse von der Universität Toulouse 1 (Sozialwissenschaften) stellte die Umnutzung einer ehemaligen Tabakfabrik für die Zentralbibliothek vor. Toulouse hat heute drei Universitäten und zwei Fachhochschulen mit insgesamt um die 100.000 Studenten; die Universität Toulouse 1 vertritt die Fächer Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaft, Politikwissenschaft und Informatik und hat 16.000 Studenten. Die Universität ist in der Stadtmitte gelegen, was Vorteile, aber auch erhebliche räumliche Nachteile mit sich bringt. Eine Lösung der räumlichen Probleme bot sich in Gestalt der etwa einen Kilometer vom jetzigen Standort gelegenen ehemaligen Tabakfabrik. Die unter Denkmalschutz stehende Anlage stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und umfasst 17.000 m2, die sich auf mehrere Gebäude verteilen. Die Universität benötigte für die Erweiterung, insbesondere die Unter-bringung der Bibliothek, allerdings 8000 m2 mehr. Die Lösung: in die sehr hohen früheren Produktions- und Lagerhallen wurde eine zweite Ebene mit einer von den Außenwänden unabhängigen Konstruktion hineingestellt.

Als nächstes Projekt wurde der Wiederaufbau und Ausbau der Großen Kirche Emden als Spezialbibliothek für den reformierten Protestantismus und Kulturzentrum von Walter Schulz vorgestellt. Von dem Kirchenbau waren nach Kriegsschäden nur noch die Umfassungswände vorhanden, die nun in die neue Struktur integriert wurden. Für die Bibliothek, die im Bereich eines der früheren Seitenschiffe untergebracht ist, wurden mehrere Zwischenebenen in einer Stahlkonstruktion eingestellt; vom übrigen Raum ist die Bibliothek durch eine Glaswand getrennt. Das Projekt wurde von Prof. Jochen Bunse, Rastede, begonnen und nach dessen Tode vom Büro Angelis + Partner, Oldenburg, zu Ende geführt.

Als letztes Projekt wurde von Anna Magre der Umbau eines großen Wasserreservoirs zur Zentralbibliothek der Universität Pompeu Fabra in Barcelona in einem sehr gut strukturierten Vortrag beschrieben. Das Reservoir wurde 1874 für den Ciutadella-Park gebaut und bietet nach dem Einbau von mehreren Zwischenebenen mehr als 10.000 m2 Nutzfläche, von denen im Juli 1999 etwa 3.500 m2 zur Benutzung freigegeben wurden. Da das Bauwerk unter Denkmalschutz steht, mussten für die technischen Installationen und Einbauten besondere Lösungen gefunden werden; so wird das Tageslicht über auf dem Dach befindliche Spiegelsysteme durch Schächte ins Innere gelenkt. Die Bibliothek wird eine Kapazität von 350.000 Monographien und 8.505 laufende Zeitschriften haben und über 512 Leseplätze verfügen.

Am Nachmittag des letzten Seminartages wurden Besichtigungen der polnischen Nationalbibliothek und der Zentralbibliothek der Technischen Universität Warschau (- Abb. 10+11) angeboten. Das Seminar klang aus ­ im Wortsinne! ­ · mit einer Exkursion nach Zelazowa Gora, dem Geburtsort Frédéric Chopins, in dessen von einem sehr hübschen kleinen Park umgebenen Geburtshaus der polnische Pianist Edward Wolanin Klavierwerke von Chopin vortrug.

Das Seminar war ausgezeichnet vorbereitet und verlief sehr gut organisiert, dank der Bemühungen von Ewa Kobierska-Maciuszko und Henryk Holender in Warschau sowie Marie-Franēoise Bisbrouck und Elmar Mittler von Seiten der LIBER. Zum Seminar erschien ein weiterer Band der LIBER-Dokumentationen neuer Bibliotheksgebäude, in dem auch einige der während des Seminars vorgestellten Bauten dokumentiert sind:

THE OPEN LIBRARY ­ Financial and Human Aspects
Documentation of the new library buildings in Europe
Ed. by Ewa Kobierska-Maciuszko Warsaw: The Warsaw University Library 2000
ISBN 83-913654-0-9. 236 S.
Bezugsquelle: Warsaw University Library Ul. Dobra 56/66, PL- 00-312 Warszawa. buw@plearn.edu.pl

Das eigentliche Thema des Seminars, nämlich die Gewinnung von Finanzmitteln auch durch Sponsoren, wurde zwar in einigen Beiträgen, vor allem denen unserer britischen und irischen Kollegen, behandelt, eine Diskussion über Grundsätzliches zum Sponsoring kam aber leider nicht in Gang. Die Ausgangslage bei der Finanzierung der Universitätsbibliothek Warschau ist sicher ein Sonderfall, der sich als Ansatz für eine Diskussion kaum eignet. In Deutschland haben wir das System der "Drittmittel", die allerdings hauptsächlich im naturwissenschaftlichtechnischen Bereich im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsaufträgen gezielt an einzelne Institute fließen. Es gibt seit langem eine auf recht kleiner Flamme köchelnde Diskussion um die Frage, wieweit diese Drittmittelaufträge, die ja überwiegend aus dem privaten Sektor kommen, Abhängigkeiten zwischen privaten Auftraggebern und Hochschulangehörigen schaffen, was eine Beeinträchtigung der Freiheit von Forschung und wissenschaftlicher Arbeit bewirken kann.

Etwas anders verhält es sich mit den Geldmitteln, die über Fördervereine den Hochschulen für nicht institutsgebundene Projekte zufließen können. Allerdings sind auch dabei in der Regel die Hochschulen mit naturwissenschaftlich-technischen Schwerpunkten im Vorteil, weil sich die von den meist aus dem privatwirtschaftlichen Bereich kommenden Mitglieder der Fördervereine als Gegenleistung für die gespendeten Gelder praktischen Nutzen für ihren Betrieb versprechen.

Dass die Hochschulen im Allgemeinen ­ mit ihnen die Bibliotheken ­ und insbesondere die in den ost-mitteleuropäischen Ländern mit knappen Haushalten zu rechnen haben, ist leider die Regel, ebenso, dass man dann auf die Idee kommt, privates "Sponsoring" zur Verbesserung der Finanzlage zu organisieren; die Gefahr liegt aber eben darin, dass eine öffentliche Einrichtung wie eine Bibliothek in einen privatwirtschaftlichen Interessenbereich geraten kann.

Das Seminar war sicherlich ein guter Erfolg wegen der sehr freundlichen Aufnahme in Polen, wegen des sehr guten Ablaufs der Veranstaltung und auch wegen der vielen neuen und aufgefrischten alten Kontakte mit Kolleginnen und Kollegen aus den europäischen Ländern.


Zum Autor:

Robert Klaus Jopp ist Architekt und Bibliotheksbauberater
Gänsheidestrasse 15/A
D-70184 Stuttgart
robert.jopp@ub.uni-stuttgart.de