Konferenz über Forschungsinformation in Helsinki ­ CRIS 2000 1

von Irmgard Lankenau

Vom 25. bis 27. Mai fand in Helsinki die diesjährige CRIS ( = Current Research Information Systems) Konferenz statt, die von der EU (DG Enterprise, Innovations, SMEs Programme) zusammen mit finnischen Einrichtungen organisiert wurde. Besonders ist hier die Bibliothek der Technischen Hochschule in Helsinki hervorzuheben, in deren Händen die lokale Organisation lag.

Die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Bereich Forschungsinformation mit der EU, koordiniert von der Generaldirektion Innovation, früher DG XIII, besteht bereits seit 1987 und hat nicht nur eine Fülle von Anregungen, sondern auch konkrete Projekte und Produkte hervorgebracht. Diese Erfolgsgeschichte soll dem Konferenzbericht vorangestellt werden, da es im Rahmen der EU-Kooperation im Bereich Information sicherlich nur wenige Beispiele dieser Art gibt:

1987: Workshop on European Research Databases in Brüssel und Einrichtung einer European Working Group on Research Databases2
1988: Schlussbericht der Arbeitsgruppe3
1991: Auf dieser Grundlage "Empfehlung der Kommission zur Harmonisierung der Datenbanken auf dem Gebiet der Forschung und technologischen Entwicklung in der Gemeinschaft" einschl. CERIF: Common European Research Information Format4
1995: Gründung von EuroCRIS, einer Interessenvertretung von Produzenten und Anbietern von Forschungsinformation5
1996: Arbeitsgruppe ERGO (European Research Gateways On-Line) nimmt ihre Arbeit auf
1997: Pilotphase von ERGO beginnt
1998: Beginn der Revision von CERIF6
2000: CERIF 2000 eingeführt7

Dazwischen gab es mehrere Konferenzen (Bergen 1991, Amsterdam 1993, Mailand 1995 und Luxemburg 1998), auf denen neue Entwicklungen im Bereich der Forschungsinformation vorgestellt und diskutiert wurden und die dazu geführt haben, dass sich die Zahl der entsprechenden Angebote in den vergangenen zehn Jahren drastisch erhöht haben. Inzwischen hat sich die Konferenz zu einem Forum nicht nur für Produzenten und Anbieter von entsprechenden Datenbanken, sondern vor allem auch für Transferbeauftragte, Bibliothekare und Informationsspezialisten aus der Industrie entwickelt. Dieser Aspekt wurde bereits in der Eröffnungsveranstaltung deutlich: U.a. sprach hier der Direktor des Nokia Forschungszentrums, Juhani Kuusi, zum Thema "Knowledge Transfer and Industrial Innovation" und machte deutlich, dass der Umgang mit und der Transfer von Informationen der Geschwindigkeit der Internetentwicklung angepasst werden muss, um als Firma auch in Zukunft erfolgreich sein zu können.

Selbstverständlich unterliegen auch jegliche Informationen über Forschungsaktivitäten der generellen Herausforderung des Internet. Dies wurde zum ersten Mal vorsichtig in Mailand 1995, vor allem aber massiv in Luxemburg 1998 formuliert.

So standen auf der Konferenz in Helsinki dann auch Fragen der Webtechnologie, einschließlich der Frage nach sog. Portals, und des Einsatzes von Metadaten im Vordergrund der Diskussion und der Präsentationen. Chaitanya Baru vom San Diego Supercomputer Centre gab mit seinem Beitrag "Information Integration Technologies for CRIS" eine ­ auch didaktisch ­ hervorragende Einführung in dieses Thema und Juha Hakala überzeugte mit seiner Vorstellung der Dublin Core Initiative. Vor insgesamt mehr als 200 Teilnehmern aus 29 Ländern, darunter aus Taiwan und den USA, wurde aber auch deutlich, dass Benutzer ­ zumal wenn sie aus der Industrie kommen ­ kein Verständnis dafür haben, durch zahlreiche Webseiten zu surfen, um umfassende Information über Forschungsaktivitäten zu erhalten. Zentraler Diskussionspunkt in diesem Zusammenhang war ERGO, da dieser Dienst, der im Rahmen von CORDIS von der EU angeboten wird, auf der Idee basiert, zentral die entsprechenden Daten in eine Datenbank einzutragen. Diese Idee ist durch die Internet-Technologie in dieser Form obsolet geworden. Es wird eine große Herausforderung sein, diesen Dienst, der heute immerhin 91.093 Projekte von 21 Datenbankproduzenten umfasst, so umzugestalten, dass er als eine Suchmaschine in den verschiedenen Datenbanken navigiert, damit man sich dort die gewünschten Informationen "selbst" beschaffen kann.

Allerdings ­ und das wird an diesem Beispiel besonders deutlich ­ ist dazu eine Minimalstandardisierung notwendig, wie sie z.B. mit CERIF vorgeschlagen wird. In diesem Zusammenhang wurde die Forderung an die EU laut, diese Bemühungen auch weiter zu fördern und die Weiterentwicklung entsprechender Tools in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Mitgliedsländer voranzubringen. Es bleibt die große Frage, ob und in welcher Form diese Standardisierungsforderungen und formen auch von den "Datenlieferanten" (das sollten im Internet-Zeitalter die sein, die Forschung betreiben) akzeptiert und angewendet werden.

Dass die Nutzung der Datenbanken weit über die Belange derer hinausgeht, die sich für europäische Forschungsprojekte interessieren, wurde sehr deutlich. So wird Forschungsinformation heute z.B. auch für die Außendarstellung oder Evaluierung von Universitätseinrichtungen genutzt oder für die Vergabe von Fördermitteln.

Außerdem wurde das Anliegen der Forscher selbst und der Transferbeauftragten nach Informationen über Experten sehr deutlich und die EU aufgefordert, über ERGO auch in diesem Bereich eine entsprechende Plattform zur Verfügung zu stellen. Auch die Notwendigkeit, Forschungsergebnisse, die in Gestalt von sog. Grauer Literatur vorliegen, zu integrieren, wurde überzeugend vorgetragen (Keith Jeffrey u.a.: Grey Literature and the knowledge society).

Interessant ist auch, dass auf der CRIS 2000 nicht mehr nur die verschiedenen nationalen Modelle und ihre Nutzung im Vordergrund standen, sondern dass weitere Aspekte wie juristische Fragen, Anwendungsfragen im Transferbereich (z.B. das von Hanno Wittig von der ZPT Saar vorgestellte System TEC-Search) und die Nutzung der Daten im sozialwissenschaftlichen Bereich im Vordergrund standen. Es ist aus deutscher Sicht erfreulich zu berichten, dass nicht nur mehr deutsche Teilnehmer als bei früheren Konferenzen angemeldet waren, sondern dass auch einige interessante, ja wegweisende Beiträge vorgetragen wurden: Dieter Kugelmann aus der juristischen Fakultät der Universität Mainz hob die Bedeutung des ungehinderten Zugangs zu EU-Dokumenten hervor und Wolfgang Adamczak, Forschungsreferent der Universität Kassel, stellte sein Forschungsinformationssystem vor, das gleichzeitig als "Forschungsbericht online" genutzt werden kann und dabei alle Möglichkeiten moderner Webtechnologie und Arbeitsorganisation ausnutzt (www.uni-kassel.de/forschungsbericht/).

Interessant war auch, dass zum ersten Mal ein round-table zum Thema "Research Funding Information Systems" stattfand, bei dem die verschiedenen Initiativen in einigen Ländern Europas vorgestellt wurden und über Möglichkeiten der Kooperation und Harmonisierung diskutiert wurde (siehe einen ersten vorläufigen Überblick unter http://www.uni-kassel.de/wiss_tr/fundinfo.ghk).

Alles in allem erhielten die Besucher der Konferenz einen umfassenden Überblick über die verschiedensten Aspekte von Forschungsinformation in Europa. Neben den Vorträgen gab es verschiedene Posterpräsentationen und wie schon bei der letzten Konferenz ein Cybercafe, in dem verschiedene Projekte, Portals und Datenbanken vorgestellt wurden und das sich besonderer Beliebtheit erfreute. Es ist abschließend zu wünschen, dass die Anbieter und Initiatoren der zahlreichen Aktivitäten und Angebote, die es in diesem Bereich in Deutschland gibt, langfristig dafür gewonnen werden können, sich entsprechenden Standardisierungsinitiativen anzuschließen, um so zu einem umfassenden und benutzerfreundlichen Zugang zu Forschungsinformation beizutragen.


Zur Autorin

Dr. Irmgard Lankenau ist Direktorin der Universitätsbibliothek Koblenz-Landau

Im Fort 7
D-76829 Landau
lankenau@uni-koblenz-landau.de


Fußnoten

1. Alles über CRIS 2000, einschl. der meisten Volltexte der Vorträge, findet sich auf der Webseite von CORDIS: www.cordis.lu/cris2000/

2. Proceedings of the workshop on European Research Databases. Brüssel 1987. PSS*-0019-B.

3. Towards Harmonization of Databases on Research in Progress. Final report of the European Working Group on Research Databases. Brüssel 1998. PSS*0058/B.

4. Veröffentlicht in: Official Journal of the European Communities. L 189, Vol. 34, 13. July 1991.

5. Vgl. dazu: Eric Cantarella, The EuroCris Platform: www.cordis.lu/cris2000/

6. Informationen zu ERGO: www.cordis.lu/ergo/

7. www.cordis.lu/cerif/. Vgl. auch Bernd Niessen, CERIF: Guidelines to harmonise CRIS for the purpose of easy information exchange: www.cordis.lu/cris2000/