Bücherwelten: von Menschen und Bibliotheken


Texte von Susanne von Meiss; Fotos von Reto Guntli. 2. Aufl.
- Hildesheim: Gerstenberg, 1999. 256 S.
ISBN 3-8067-2885-0. DM 128,­

In seiner Eröffnungsrede zur Frankfurter Buchmesse anno 1998 sagte der Doyen der englischen Verlegergilde Lord George Weidenfeld, der vor über 50 Jahren in London den Verlag Weidenfeld & Nicolson gegründet hat, u.a.: "Wir sehen mit unseren eigenen Augen, dass die Welten von Gutenberg und Gates zusammen leben und erfolgreich sein können. ... In einem Punkt sind wir uns einig ­ in der Überzeugung, dass das Buch die Grundlage von Wissen, Erziehung und Unterhaltung bleiben wird, ganz gleich, welche Formen oder Organisation der Märkte uns die Zukunft bringen wird."(1) Nun ist seine Bibliothek in Wort und Bild in ein opulentes Buch aufgenommen worden:

"Der Raum wirkt wie eine Höhle: schwarz lackiert, bis an die Decke mit Büchern vollgestopft, etwas geheimnisvoll, elegant und gemütlich zugleich. An den Wänden interessante Porträts berühmter Päpste der Renaissance, in der Mitte der lederne Lesesessel des Gralshüters. ... Die über 10.000 Bücher in seiner Londoner Wohnung mit Panoramablick über die Themse spiegeln seine große Leidenschaft für Geschichte und Literatur wider." (S. 231) Das großartige großformatige Buch ist ein gekonnter Spaziergang durch Bücherwelten aus der Sicht der Leidenschaft des Menschen für Bücher, mit einfühlsamen Texten von Susanne von Meiss und exzellenten Fotos von Reto Guntli. Es ist ein Fest der Sinne, ein Augenschmaus. Es verdrängt die Ängste um die traditionellen Medien angesichts der Übermacht neuer Medien im Zeitalter des Cyberspace.

Das Buch handelt von den Leidenschaften unterschiedlichster Menschen in den unterschiedlichsten Berufen. Sie berichten vom Umgang mit Büchern, sie öffnen die Tür zu ihren Bücherwelten und sie lassen uns an ihrer Leidenschaft für das Buch teilhaben. Zu ihnen gehören die Kunstsammlerin Inge Rodenstock, der Juwelier Paolo Bulgari, der Porträtist Stefan Riedl, der Multimedia-Künstler André Heller, der Politiker Mário Soares, der Schriftsteller Cees Nooteboom, der Antiquitätenhändler Hans Soller, der Verleger Siegfried Unseld und der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki.

Das Buch handelt auch von erlesenen Büchertempeln, altehrwürdigen Staatsbibliotheken und berühmten Spezialsammlungen, die mit Texten zu ihrer Entstehung und Geschichte und exemplarischen Fotografien vorgestellt werden wie die Bibliothek Friedrich II. in Schloss Sanssouci, die Stiftsbibliothek St. Gallen, die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, das Can Vivot in Palma de Mallorca und die Bibliotheca Riccardiana in Florenz.

Ergänzt und abgerundet wird der Band durch einen sehr nützlichen Anhang mit Bezugsadressen (Antiquariate, Literaturcafés, Exlibris-Handlungen und -Gesellschaften, bibliophile Vereine, Bibliotheksmobiliar), mit Anschriften von Bibliotheken und mit einer Auswahlbibliographie zu "Bücherwelten" (Bibliotheksgeschichte, Bibliotheksbau, Buchkunde, und Lesekultur).

Das Buch ist voller ganz unterschiedlicher Einblicke in Lebens- und Lesewelten. Es ist ein Buch für Büchernarren und für Voyeure, für Designer und Architekten, für Bibliothekshistoriker und Buchwissenschaftler und für Leseforscher. Wie ein roter Faden zieht sich durch den Band ein Ausspruch von Cees Nooteboom: "Lesen hält jung, das ist eine alte Weisheit, das ist essentiell, und Lesen öffnet bekanntlich die Augen".


Anmerkung:
Weidenfeld, Lord George: Gutenberg und Gates können zusammen leben. In: Die Welt v. 7.10.1998, S. 11.


Anschrift des Rezensenten:
Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin