Österreichischer Bibliothekartag 2000 in Wien

Rückblick und Ausblick

von Sigrid Reinitzer


Die Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare hatte sich für das Jahr 2000 die größte österreichische Bibliotheksstadt zum Tagungsort ausgewählt. Fast 700 Kolleginnen und Kollegen aus der Berufswelt des Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesens und 75 Firmen, die mit dem Bibliothekswesen und den verwandten Fachrichtungen enge wirtschaftliche Kontakte pflegen, sind der Einladung in die schönen Räumlichkeiten der Fachbibliotheken am Campus der Universität Wien gefolgt. Nicht nur Fachkolleginnen und Kollegen aus Österreich sind zu diesem Österreichischen Bibliothekartag gekommen, sondern ebenso aus allen Nachbarländern sowie der Europäischen Union, wohl nicht zuletzt aus Gründen der Attraktivität dieser wunderschönen österreichischen Hauptstadt. Eine Woche haben wir gemeinsam mit interessanten Fachgesprächen und Austausch von Erfahrungen und Informationen verbracht. Seit vielen Jahren sind die Bibliothekartage ein wichtiger Bestandteil unserer beruflichen Fortbildung.

Das Thema der Tagung "Produktionsfaktor Wissen" zeigt, dass sich die Vertreterinnen und Vertreter der BID-Berufe für das aktuelle Wirtschaftsprodukt Wissen verantwortlich fühlen. Wissen gehört zu den bedeutendsten Ressourcen des neuen Jahrtausends. Der Erfolg eines Unternehmens hängt vom Wissen jedes einzelnen ab. Damit die Flut an hereinbrechenden Informationen erfolgreich bewältigt werden kann, muss das Wissen auffindbar, verfügbar sein und richtig angeboten werden. Und gerade dies ist die Schwierigkeit, wie sich in den vielen Diskussionen immer wieder gezeigt hat. Nicht der Zugang zu den Daten bildet den Engpass, sondern die Bewertung, Auswertung und Verwertung dieser. Und hier sind die Bibliothekare/Innen gefordert. Dass es keine Barrieren für das Erlangen von Wissen geben darf, ist selbstverständlich. Der freie Zugang zur Information muss für jeden Bürger möglich sein ­ diesen Zugang können und sollen die Bibliotheken sicherstellen. Aber was dann? Die Schwierigkeit beginnt erst, wenn die Suchmaschinen im Internet gar Tausende von Treffern anzeigen. Wer hilft bei der Evaluation und Selektion? Das kann der Computer nicht, was wichtig und was richtig ist, was Wert hat und was Sinn macht. Informationen sind nur der Rohstoff, wie das Thema der Tagung es nennt, aus dem erst der Veredelungsgenerator Mensch das Wissen erzeugt. Auf ihn, den Menschen, auf seine Bildung und Ausbildung, seine fachliche Qualifikation, sein technisches Können, seine an Wertmaßstäben orientierte Urteilsfähigkeit kommt es in der Informationsgesellschaft an. Und da ist es tröstlich, wie es durch alle Gespräche geklungen ist, dass die Cyberwelt die Spiritualität des Menschen nicht ersetzen kann. So werden Bibliothekare/Innen weiterhin vor wichtigen Aufgaben stehen, ­ auch wenn Bibliotheken immer wieder totgesagt werden ­ von denen einige, wesentliche die Veranstalter in ihr Programm aufgenommen haben.

Folgende Themenblöcke bildeten daher das Rückgrat dieser Veranstaltung:

Der Festvortrag mit dem Thema "Bibliotheken ­ Wozu?" von Professor Wolf Rauch von der Universität Graz zur Eröffnung des Bibliothekartages forderte zum Nachdenken auf, suchte Antworten auf oben aufgeworfene Fragen und zeigte, wie sehr auch wir die "Richtlinien des Europarates für eine Bibliotheksgesetzgebung und -politik in Europa" brauchen. Besonders deshalb wird er auch nachfolgend abgedruckt.

Auch die Round-Table-Veranstaltung zum Thema "Internationale Zusammenarbeit und EU-Projekte der in- und ausländischen Berufsvereinigungen" zeigte, dass die Vertreter der BID-Berufe wissen, dass die Ziele gemeinsam leichter zu erreichen sind.

Aus vielen Veranstaltungen ging deutlich hervor, wo eine solche Zusammenarbeit dringend erforderlich ist und wo es in Österreich z.T. noch erheblichen Mangel gibt, wie z.B. die Schaffung eines Konsortiums für elektronische Zeitschriften und Informationsprodukte die Schaffung von umfassenden elektronischen Verbundkatalogen die Digitalisierung von Büchern und Dokumenten des kulturellen Erbes, um den Zugang zu dieser Literatur zu verbessern Bereitstellung von elektronischen Medien für Forschung und Lehre Vergleichende Leistungsmessung in Bibliotheken, insbesonders für ihre Serviceeinrichtungen Verstärkte Zusammenarbeit mit Schulen und Gymnasien sowie mit Schulbibliothekaren

Die Themenvielfalt jedoch stellte auch ungeheure Anforderungen an die Organisatoren, aber ebenso an die Teilnehmer. Allein schon das "Zippen" von Vortrag zu Vortrag zwischen den Vortragsblöcken war schwierig, manchmal unmöglich, besonders wenn das Zeitlimit von den Vortragenden oder auch von den Moderatoren der einzelnen Blöcke nicht eingehalten wurde und vorgesehene Pausen ausfielen. Vereinzelt traten Schwierigkeiten bei parallelen Vortragsblöcken mit Nutzung von Internettechnologie auf, zu deren Vermeidung es eine höhere Anzahl von EDV-Experten bedurft hätte. Dass Räume manchmal zu groß, d.h. schwach besetzt, andere zu klein, d.h. übervoll sind, trifft man bei Veranstaltungen, die ohne spezielle Voranmeldung zu besuchen sind.

Insgesamt jedoch wurden nicht nur die Vorträge und die verschiedenen Vortragsblöcke mit ihren qualitätvollen Inhalten gelobt, sondern auch die Firmenausstellung mit ihren instruktiven Firmeninformationen und Vorführungen, zumal die Aussteller nahe beisammen waren und die TeilnehmerInnen sich rasch einen guten Überblick verschaffen konnten.

So hoffe ich, dass alle Kollegen/Innen mit Informationen und Erfahrungen bereichert und nicht zuletzt beglückt von der Stadt Wien zurückgekehrt sind. Herzlichen Dank möchte ich allen fleißigen und stets um alle Details bemühten Helfern und Helferinnen besonders von der Universitätsbibliothek Wien sagen.

Hofrätin Dr. Sigrid Reinitzer
Präsidentin der VÖB
E-Mail: sigrid.reinitzer@kfunigraz.ac.at