An die Forschungs- und Wissenschaftsministerien des Bundes und der Länder:

Wissenschaftsstandort Deutschland in Gefahr!

Mit großer Sorge beobachten die unterzeichnenden Vereinigungen die verzweifelte Etatlage der Hochschulbibliotheken in Deutschland. Sie ist vor allem bedingt durch exorbitante Preissteigerungen bei wichtigen ausländischen naturwissenschaftlichen, technischen und medizinischen Zeitschriften. Seit 1997 ist eine Preissteigerung bei diesen Zeitschriften von über 50 Prozent zu verzeichnen, nicht zuletzt auf Grund der Schwäche des Euro. Allein von 1999 auf 2000 beträgt die Preissteigerungsrate 17 Prozent. Dies hat in vielen Fällen zur Reduzierung der Zeitschriftenabonnements um 30 Prozent geführt. Einige Bibliotheken müssen fast vollständig auf den Erwerb von Monographien verzichten, um wenigstens in strengster Auswahl Zeitschriften anbieten zu können. Von Jahr zu Jahr führt dies zu immer größeren Lücken in den technischnaturwissenschaftlichen wie in den geisteswissenschaftlichen Beständen.

Die Hoffnung, dass die Digitalisierung von Zeitschriften Kosten senken würde, hat bislang getrogen. Ganz im Gegenteil: Die Kosten müsssen aus stagnierenden Etats zusätzlich getragen werden. Zudem verschärft die Belastung der elektronischen Versionen von Zeitschriften bzw. elektronischer Lizenzen mit dem vollen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent die Situation. Auch müssen die elektronischen Publikationen mit hohem Kostenaufwand ständig gepflegt, ergänzt und erneuert werden.

Überproportional betroffen von den vor allem wegen des Erwerbs internationaler Zeitschriften notwendigen Sparmaßnahmen der Bibliotheken ist die in Deutschland verlegte Literatur. Dadurch sinken die Publikationsmöglichkeiten deutscher Autoren und Wissenschaftler wie die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Verlage. Zudem führt die Höhe der Einsparungen zu einer schwerwiegenden Reduzierung wissenschaftlicher Literatur auch aus den angelsächsischen Ländern. Dies schränkt den schnellen Forschungstransfer ein und droht, die deutsche Wissenschaft von der internationalen Entwicklung abzukoppeln, die Studienmöglichkeiten in Deutschland zu verschlechtern und die Attraktivität deutscher Hochschulen für ausländische Studierende zu vermindern. Kurz: Der Wissenschaftsstandort Deutschland ist durch die dramatische Lage in den Bibliotheken entscheidend geschwächt!

Die unterzeichnenden Vereinigungen fordern daher die Forschungs- und Wissenschaftsministerien des Bundes und der Länder auf,


Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände, Sprecher: Dr. Georg Ruppelt
Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Vorsteher: Roland Ulmer
Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis, Präsident: Dr. Horst Neißer
Deutscher Hochschulverband, Präsident: Prof. Dr. Hartmut Schiedermair
Deutsche Literaturkonferenz, Sprecher: Dr. Jens Sparschuh
Goethe-Institut, Präsident: Prof. Hilmar Hoffmann
Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften, Vors.: Prof. Dr. Clemens Zintzen
Verband Deutscher Schriftsteller in der IG Medien, Vors.: Prof. Dr. Fred Breinersdorfer

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