SwetsnetNavigator:
Gateway elektronischer Zeitschriften für Konsortien

von Meinhard Kettler


1. Elektronische Zeitschriften und Konsortien
2. Verlagsübergreifende Portale und Plattformen

3. SwetsnetNavigator

4. NESLI ­ das britische Konsortialmodell für E-Journals

1. Elektronische Zeitschriften und Konsortien

Vier bis fünf Jahre nach ihrem Entstehen gehören elektronische Zeitschriften, die online über das Internet angeboten werden, in vielen Fachgebieten ­ vor allem im STM-Sektor (Science, Technology, Medicine) ­ zum fast alltäglichen Instrumentarium. Derzeit werden ungefähr 7.000 elektronische Fachzeitschriften bzw. wissenschaftliche Zeitschriften veröffentlicht. Die Tendenz ist weiter steigend, doch handelt es sich bei dem Großteil immer noch um Parallelversionen existierender gedruckter Werke, die oftmals nicht unabhängig von der Printversion erhältlich sind. Ungeklärt sind noch viele Fragen ­ vor allem im Bereich der Langzeitarchivierung. Seit der Einführung dieses Mediums hat es dennoch eine unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher Preis- und Bezugskonditionen gegeben und eine Vereinfachung ist nicht in Sicht. Alternativ zum Einzelabonnement Print + Online werden von den Verlagen Pakete von E-Journals angeboten, um die Verwaltung der Zugriffe zu vereinfachen und die Umsätze mit gedruckten Zeitschriften zu erhalten.

Bibliotheken stehen gleichzeitig unter dem Druck sinkender Erwerbungsetats und suchen nach Einsparmöglichkeiten. Konsortiallösungen, wie die unten vorgestellte britische Initiative NESLI, werden favorisiert, um entweder günstiger einzukaufen oder den Nutzern kostenneutral ein erweitertes Online-Informationsangebot zu präsentieren.

Die steigende Anzahl elektronischer Publikationen stellt immer neue Ansprüche an die Informationssysteme und Arbeitsabläufe einer Bibliothek. Verwaltung und Bereitstellung dieser Datenmengen haben sich als wesentlich arbeitsintensiver erwiesen als ursprünglich angenommen. Daneben bedingt die Vielzahl der Anbieter nicht nur ein heterogenes Erscheinungsbild, sondern auch eine Vielzahl von Einstiegspunkten ­ Faktoren, die die zielführende Recherche und den schnellen Zugriff nicht unbedingt erleichtern.

2. Verlagsübergreifende Portale und Plattformen

Die Idealvorstellung für Nutzer von Online-Zeitschriften ist daher ein einheitliches benutzerfreundliches Portal, das schnellen und vor allem umfassenden Zugriff auf möglichst alle gewünschten Inhalte garantiert und überdies mit übergreifenden Datenbank- und Suchfunktionalitäten ausgestattet ist.

Stellvertretend für die erfolgreichen Bestrebungen der Bibliotheken sei das von der Deutschen Fors c h u n g s g e m e i n schaft geförderte Projekt Elektronische Zeitschriftenbibliothek Regensburg genannt. Eine Datenbank mit Links zu mehreren Tausend E-Journals einer Vielzahl von Verlagen kann für eine teilnehmende Bibliothek individuell konfiguriert werden, so dass die im Volltext verfügbaren (abonnierten) Online-Zeitschriften speziell für die jeweiligen Nutzer gekennzeichnet sind. Außerdem können sich alle teilnehmenden Bibliotheken an der aufwendigen Datenpflege beteiligen.

Datenbankanbieter erstellen z.T. eigene Volltextdatenbanken, wie z.B. Jour nals@Ovid von Ovid Technologies. Gedruckte Volltexte werden eigens für dieses Produkt digitalisiert, wenn entsprechende Vereinbarungen mit den Zeitschriftenverlagen vorliegen.

3. SwetsnetNavigator

Näher eingegangen werden soll an dieser Stelle auf die E-Journal-Plattformen der Zeitschriftenagenturen am Beispiel des SwetsnetNavigator von Swets Blackwell. Weitere Produkte dieser Art sind Information Quest von Rowecom und EbscoOnline von Ebsco.

Diese global operierenden Agenturen, die im Bereich Periodika traditionell als Bindeglieder zwischen Verlagen und wissenschaftlichen Bibliotheken fungieren, haben ihre Abonnementdienstleistungen seit langem auf elektronische Produkte ausgedehnt. Es liegt daher nahe, nicht nur Bezahlung und Administration der elektronischen Abonnements, sondern auch Fragen der Lizenzierung und des Zugriffs über die Agentur zu regeln. Ein weiterer logischer Schritt ist die Nutzung eines einheitlichen Zugriffssystems.

Mit SwetsNet existiert bereits seit 1997 ein solches System für den unkomplizierten und verlagsübergreifenden Zugriff auf elektronische Zeitschriften. Im März 2000 fusionierte der Anbieter dieses Systems Swets Subscription Service (Swets & Zeitlinger Holding) mit Blackwell`s Information Service und der weltweit marktführende Dienstleister dieser Branche Swets Blackwell entstand. Basierend auf SwetsNet und einigen Funktionalitäten des Electronic Journals Navigator von Blackwell's ging Mitte 2000 der Swetsnet-Navigator an den Start.

SwetsnetNavigator bietet einheitlichen Zugang zu:

Die Zugangskontrolle zu SwetsnetNavigator erfolgt wahlweise über individuelle passwortgeschützte Zugangskonten oder allein auf der Basis der IP-Überprüfung der jeweiligen Institution. Für den Kunden besteht jederzeit die Möglichkeit, die lokale Nutzung von SwetsnetNavigator über Statistiken online abzurufen.

Die Inhaltsverzeichnisdaten basieren im wesentlichen auf einer bereits ab 1993 bei Swets & Zeitlinger erstellten Datenbank, die durch das planmäßige Einscannen einer Auswahl der eingehenden Print-Zeitschriften entstanden ist.

Die elektronischen Volltextzeitschriften stammen von über 65 Verlagen, Verträge mit weiteren Verlagen werden folgen. Vor dem Hintergrund, dass die meisten dieser Verlage eigene Server mit unterschiedlichsten Zugangssystemen betreiben, wird deutlich, wie wichtig eine einheitliche Plattform ist.

SwetsnetNavigator ist mit übersichtlicher WWW-Navigation ausgestattet. "Header"-Informationen, wie Autorennamen, Titelangaben, Keywords sowie Abstracts sind suchbar, soweit sie abonniert sind. Die Volltexte liegen in der Regel im PDF-Format vor und sind entweder auf dem Swets Blackwell-Server oder über nahtlose Gateway-Verbindungen auf dem jeweiligen Verlagsserver abrufbar. Um noch mehr wissenschaftlichen Verlagen den Einstieg in das elektronische Publizieren zu ermöglichen, arbeitet Swets Blackwell eng mit Catchword zusammen, einer Organisation, die die Digitalisierung und Online-Bereitstellung für viele Verlage übernimmt.

Neben dem Zugriff auf Online-Abonnements sowie auf die umfangreiche Inhaltsverzeichnisdatenbank wird das Abrufen individueller Aufsätze im Pay-per-View-Verfahren in absehbarer Zeit in Zusammenarbeit mit verschiedenen Verlagen, die Volltexte anbieten, realisiert werden.

Dynamische Holdings

Zu jedem Titel, ganz gleich, ob die Volltext- oder lediglich die Inhaltsverzeichnisebene verfügbar ist, lässt sich in einem speziellen Feld eine sogenannte Holdings information hinzufügen. Zusätzlich kann ein Hyperlink hinterlegt werden. Dadurch ist es möglich, den Nutzer z.B. zu im Internet verfügbaren Volltextquellen zu leiten, auch wenn die jeweilige Zeitschrift noch kein Bestandteil von SwetsnetNavigator ist.

Neue Suchmaschine und maßgeschneiderte Profildienste

SwetsnetNavigator wurde kürzlich mit einer noch leistungsfähigeren Suchsoftware Verity ausgestattet. Seither sind professionelle Recherchen mit komplizierter Syntax über den Datenbestand, den ein Kunde abonniert hat, noch schneller und effizienter möglich.

Der benutzerdefinierten Informationsversorgung dienen Alerting-Funktion (aktuelle Inhaltsverzeichnisse per E-Mail) und individuelle Suchprofile (SDI). Diese Funktionen können vom SwetsnetNavigator-Administrator den Endnutzern verfügbar gemacht werden und Zeitschriftenumläufe und aufwendige Datenbankabfragen ganz oder teilweise ersetzen.

Integrationsmöglichkeiten: Linking in ­ Linking out

Da SwetsnetNavigator als offene Plattform konzipiert wurde, können vorhandene Daten auch aus anderen Quellen abgerufen werden. Möglich wurde dies durch das sogenannte "Multi Level Linking"-Verfahren, d.h. über mehrstufige Verknüpfungen, mit deren Hilfe man von beliebigen Webseiten direkt zu den gewünschten Stellen innerhalb von SwetsnetNavigator gelangen kann.

SwetsnetNavigator erlaubt zum Beispiel die Integration in web-basierte Bibliothekssysteme. Dies wird mittels einer Verknüpfung über einfache URLs im Holdings-Feld (z.B. MARC 856) realisiert ­ ein Verfahren, das immer mehr Nutzern ermöglicht, vom jeweiligen Bibliothekskatalog zu den gewünschten Heftdaten, Inhaltsverzeichnissen, Abstracts oder Volltexten in SwetsnetNavigator zu gelangen.

Ebenso können von der Recherche in einer bibliographischen Datenbank die entsprechenden Originalaufsätze direkt aufgerufen werden. Es bestehen dazu nahtlose Verknüpfungen von z.B. Silver-Linker (SilverPlatter), Internet Database Service (Cambridge Scientific Abstracts) Gold eDocs( Dialog) und auch vom Dokumentenbestellsystem Autodoc (FIZ Karlsruhe) zu den Inhalten in SwetsnetNavigator.

Links von der Inhaltsverzeichnisdatenbank zu Dokumentenlieferdiensten, bei denen der Nutzer die Originalaufsätze bestellen kann, werden im nächsten Schritt integriert werden.

4. NESLI ­ das britische Konsortialmodell für E-Journals

SwetsnetNavigator spielt als einheitliche Zugangsplattform eine immer größere Rolle auch bei den erwähnten Konsortialinitiativen, die den gemeinsamen Zugriff auf elektronische Inhalte zum Ziel haben. Als Beispiel dafür mag die National Electronic Site Licence Initiative (NESLI) der akademischen Einrichtungen in Großbritannien dienen.

Das für NESLI verantwortliche Joint Information Systems Committee (JISC) erkannte, dass für die geplanten Ziele ­ Koordination von Verlagsangeboten und Bereitstellung von E-Journals ­ ein Vermittler beauftragt werden musste ­ eine Organisation mit genügendem Fachwissen und Ressourcen.


NESLI Administrative Abläufe

Im März 1998 wurde ein Vertrag für drei Jahre mit der geschäftsführenden Agentur (Managing Agent), bestehend aus Swets United Kingdom Ltd, inzwischen Swets Blackwell, und Manchester Computing (Universität Manchester) geschlossen. Manchester Computing ist ein von JISC eingesetztes Nationales Datenzentrum, das elektronische Dienstleistungen wie Beilstein Cross-Fire, den elektronischen Archivierungsdienst JSTOR und Web of Science von ISI anbietet. Neben Hardwareressourcen konnte somit auch technisches Fachwissen genutzt werden, um die Voraussetzungen für die Initiative zu erfüllen.

4.1 Aufgaben des Managing Agent

Vertretung britischer Hochschulinstitute bei Verhandlungen mit wissenschaftlichen Verlagen, um günstige Abschlüsse für den Zugang zu elektronischen Zeitschriften zu erzielen; Kommunikation und Klärung der Ergebnisse mit den Institutionen; Standardisierung durch ein vom JISC ausgearbeitetes Lizenzmodell. Auftragsabwicklung für Zeitschriftentitel, die Teil der NESLI-Verträge sind. Bereitstellung einer einheitlichen Schnittstelle für den Zugang zu den im Rahmen von NESLI lizenzierten Zeitschriften. Untersuchung der Verwendung neuer Technologien wie Digital Object Identifiers (DOIs), um die Verknüpfung elektronischer Inhalte zu ermöglichen und zugleich die Frage der Archivierung elektronischer Zeitschriften zu untersuchen.

Obwohl eine kleine Zugangsgebühr für die Nutzung von SwetsnetNavigator als Schnittstelle erhoben wird, sind die Haupteinnahmen der Agentur die Abonnements selbst.

4.2 NESLI ­ Verlagsverhandlungen und Administration

Zu einem Zeitpunkt, als viele Verlage bereits die "Direktverhandlung" mit ihren Kunden angestrebt hatten, war die Aussicht, mit der Organisation, die zu umgehen sie versuchten, an einem Tisch zu sitzen, nicht spannungsfrei. Nichtsdestotrotz gab es viele Verlage, die in NESLI eine gute Gelegenheit sahen, ihr Angebot zu erweitern und ihre Strategien in Bezug auf Preise und Konsortien zu überprüfen.

Interessant war auch die Frage, inwieweit sich das Verhältnis zwischen Verlag und Zeitschriftenagentur durch NESLI verändern würde. Traditionell erhält der Vermittler vom Verlag einen Rabatt für die einheitliche Abwicklung der Zahlungen und Bestellungen. Wenn die Agentur jedoch die Seite der Käufer vertritt, wird dieser Rabatt z.T. in Frage gestellt. Zu einer Zeit, in der das Verhältnis zwischen Zeitschriftenagenturen und den großen Verlagen auf dem Prüfstand steht, hat NESLI diesen Diskussionen über die Informationskette eine zusätzliche Dimension verliehen.

Inzwischen sind für 85 britische Institutionen bereits 2.500 Zeitschriften der zwölf Verlage Academic Press, American Chemical Society, Blackwell Publishers, Blackwell Science und Munksgaard, Elsevier Science, Internet Archaeology, Johns Hopkins University Press, Kluwer Academic Press, MCB University Press, Mary Ann Liebert, National Research Council Canada und Oxford University Press über NESLI zugänglich. Ein Vorteil NESLIs für Verlage besteht in der zentralen Anlaufstelle für Verhandlung, Auftragserfüllung und Zahlung.

Neben einer Informationsstelle für alle Fragen rund um die Initiative ist die NESLI Webseite (www.nesli.ac.uk) auch ein Gateway zu SwetsnetNavigator, das Besuchern den Gebrauch ihres ATHENS Authentifizierungspassworts erlaubt und eine anklickbare, alphabetische Liste aller gegenwärtig verfügbaren Titel bietet. Viele Universitätsbibliotheken haben für ihre elektronischen Zeitschriften Webseiten mit direkten Links zum Volltext eingerichtet. Die Schnittstelle NESLI / SwetsnetNavigator erlaubt solch eine Verknüpfung, die den Nutzer direkt zum Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe führt.

Im Rahmen ihrer Verpflichtungen haben NESLI und der Managing Agent versucht, offene Diskussionen und Analysen in das Vorhaben zu integrieren. Die Gründung eines Diskussionsforums (lis-nesli) eröffnete die Möglichkeit, verschiedene Aspekte der Verlagsangebote offen in Frage zu stellen und zu diskutieren. Eine weitere geschlossene E-Mail-Liste hat sich als ein offizieller, unaufdringlicher und strukturierter Weg erwiesen, um Institutionen Abschlüsse zu unterbreiten, wobei eine Standardmaske verwendet wird, die alle kommerziellen und technischen Aspekte abdeckt. Bibliothekare vieler Institutionen haben Projektteams eingerichtet, um die verschiedenen Abschlüsse zu bewerten.

4.3 NESLI ­ Bilanz und Ausblick

Trotz anfänglicher Bedenken einiger Bibliothekare gegenüber dem NESLI Konzept und insbesondere gegenüber der Idee einer Zeitschriftenagentur als Managing Agent, hat sich die Akzeptanz mit der Vielzahl der Angebote und Vertragsabschlüsse deutlich erhöht. Die Verbindung zwischen einer kommerziellen Firma wie Swets Blackwell und einer öffentlich geförderten Organisation wie Manchester Computing wird überwiegend begrüßt.

Für die Verlage liefert die Reaktion der Bibliothekare auf die verschiedenen Angebote unschätzbare Informationen über die Erwartungen der britischen Hochschulgemeinde: Viele Institutionen können sich praktisch nicht auf Drei-Jahres-Verträge festlegen, insbesondere, wenn die Vereinbarung kein Rücktrittsrecht vorsieht. Darüber hinaus sind viele sehr viel mehr an einem Abschluss über einzelne Titel als einem Komplettpaket interessiert.

Der Managing Agent hat Grund, mit dem bisher Erreichten zufrieden zu sein, auch wenn weiter an der kritischen Masse der Inhalte und an Verlinkungsmöglichkeiten der Information gearbeitet wird. Zu einem Zeitpunkt, als viele Verlage glaubten, ohne Zeitschriftenagenturen auszukommen, lässt die Erfahrung des NESLI-Projekts, das international auf großes Interesse stieß, darauf schließen, dass die Agentur auch im elektronischen Umfeld ihren Platz hat. Obwohl NESLI die wissenschaftliche Kommunikationskette nicht vollständig revolutionieren wird, könnte das Modell den Übergang von Printmedien zu elektronischen Medien fördern und wird möglicherweise grundlegende Bedeutung für die Zukunft der Zeitschriftenagenturen haben.

Statt zu "verhandeln", übernehmen die Agenturen in Zukunft vielleicht eher die Rolle des Förderers, Verwalters und des Koordinators, in der sie traditionell auch im Printbereich stark sind. Offensichtlich gibt es auch in einem vollständig elektronischen Umfeld noch genügend Verwaltungsaufgaben, um Dienstleistungen aus ihnen zu entwickeln.


Zum Autor

Meinhard Kettler ist Electronic Product Manager

Swets Blackwell GmbH
Schaubstrasse 16
D-60596 Frankfurt a.M.