Editorial

Finanzlücken im neuen Jahrtausend

Nun haben es auch die letzten Skeptiker erfahren oder zumindest durch die Medien vermittelt bekommen, dass sie vor einem Jahr eigentlich zu früh gefeiert haben, weil das 3. Jahrtausend erst in diesem Jahr beginnt! Denn die neue (christliche) Zeitrechnung beginnt mit dem Tag der Geburt Jesu und somit das erste Jahr nach Christi Geburt als Jesus ein Jahr alt war. Folglich dauerte das 1. Jahrhundert bis zum 31. Dezember 100, das 2. Jahrtausend bis zum 31. Dezember 2000. Also doch zu früh gefeiert?

Wie dem in Wirklichkeit auch sei – zu früh gefeiert oder auch nicht – so hat sich im neuen Jahrtausend kaum etwas geändert, wenigstens nicht zum Besseren, im Gegenteil, Kriege werden weitergeführt, sogar noch schlimmere, verheerende Seuchen wie BSE kündigen sich an, und die europäischen Einigungsbemühungen lassen, so positiv sie im allgemeinen auch zu bewerten sind, doch vorausahnen, dass sie bei den reicheren Ländern zu erheblichen finanziellen Einbußen führen werden, um die weniger begüterten auf den gleichen Standard zu bringen. Das ist gut so und verständlich, hat aber die Konsequenz – wie wir es bei der deutschen Einigung bereits gesehen haben – dass an allen Ecken und Enden gespart werden muss. Auch das ist verständlich, aber dann nicht hinzunehmen, wenn es an die Existenzgrundlagen geht, die vor allem durch Forschung und Wissenschaft gelegt werden. Wie viel mehr wüssten wir heute z.B. über BSE, wenn schon vor 10 Jahren die Forschungsmittel dafür bereit gestanden hätten!

Ein Gutteil der aktuellen Forschung schlägt sich, wie wir alle wissen, in Zeitschriften nieder und wird durch sie in die wissenschaftliche Gemeinschaft transportiert. Die Bibliotheken aber sind in den letzten Jahren durch überproportionale Anstiege der Zeitschriftenpreise und stagnierende Etats immer weniger in der Lage, diese wichtigen Grundlagen für Wissenschaft und Forschung bereitzustellen. Elmar Mittler hat erst kürzlich berechnet, dass bei 48 deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken die enormen Preissteigerungen allein der letzten drei Jahre Kaufkraftverluste in Höhe von 30% brachten. Auch die Währungsverluste des letzten Jahres 1999/2000 reduzierten die Kaufkraft für amerikanische und britische Zeitschriften um 40%; zusammen bedeutet das 1/3 des Gesamtetats! Das führte zwangsläufig zu reihenweisen Abbestellungen von Zeitschriften, zum Verzicht auf neue Abonnements oder zum Bestellstopp von Monographien und damit zu einem echten Informationsverlust zum Nachteil von Forschung und Lehre und letztlich unserer eigenen Existenzgrundlage – siehe oben!

Vielleicht führt da der Antrag der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 16. Januar 2001 einmal zu einer Lageverbesserung, in dem ein Sofortprogramm für das laufende Jahr zum Ausgleich der durch Preissteigerungen und die Euro-Schwäche entstandenen Finanzierungslücke sowie weiter ein Finanzierungsprogramm für die nächsten 5 Jahre, bewusst ohne die Bundesländer, gefordert wird, um den Zugang zu wissenschaftlicher Information zu gewährleisten und den Wissenschaftsstandort Deutschland zu sichern. Es ist zu hoffen, dass diese Initiative wenigstens einige Früchte tragen wird.

Bis dahin aber müssen sich Wissenschaftler und Studenten sowie die Bibliotheken mit dem Vorhandenen arrangieren und ihre Probleme selbst lösen. Einige davon werden wir weiterhin in dieser Zeitschrift aufzeigen und einer Lösung näher zu bringen versuchen. So haben wir als ein Schwerpunktthema in diesem Heft das Berufsfeld der Bibliothekare/Innen vorgesehen. Gerhild Trüper-Rehberg zeigt Möglichkeiten für ausgebildete Bibliothekare/Innen auf, als Informationsmanager in Schulen tätig zu sein. Christiane Bohrer berichtet eingehend über eine Fachkonferenz zu Ausbildungsfragen im höheren Bibliotheksdienst im europäischen Kontext. Ganz anders ist die Thematik von Gerald Maier, der einmal umfassend aus unserem Schwesterbereich, dem Archivwesen, Online-Informationssysteme in Archiven schildert. Um die Bearbeitung multimedialer Dokumente in Digitalen Bibliotheken geht es Jürgen Hauser und Frank Scholze von der Universität Stuttgart. Werner Schweibens geht mit seinen Kollegen von der Universität des Saarlandes der Frage nach, was Suchmaschinen indexieren und Michael Mönnich macht den Bibliotheken Vorschläge, die ihr Internetangebot automatisch übersetzt haben wollen. Wie immer berichten wir Wissenswertes von verschiedenen Veranstaltungen in Form von Reportagen. Besonders beachtenswert sind dabei diesmal die Erfahrungen und Überlegungen der Schweizerischen Landesbibliothek Bern für den Katastrophenfall, ebenso wie dazu passend eine Buchbesprechung über Notfallvorsorge in Bibliotheken. Aufschlussreich unter den verschiedensten Aspekten wird auch ein aktuelles Interview mit der Generaldirektorin Der Deutschen Bibliothek, Dr. Elisabeth Niggemann sein.

So hofft, unseren Lesern und Leserinnen wieder ein buntes Kaleidoskop interessanter Nachrichten und Neuigkeiten zu bieten

Ihr Dr. Rolf Fuhlrott
Chefredakteur