Ausbildungsfragen im Bibliotheksdienst

Fachkonferenz in Leipzig im November 2000

von Christiane Bohrer

"Der höhere Dienst an deutschen Bibliotheken - Modelle für eine künftige Ausbildung im europäischen Kontext" lautete das Thema einer Fachkonferenz, die am 20. und 21. November 2000 im Leipziger Haus des Buches stattfand. Eingeladen hatte der British Council Leipzig, der in der Verantwortung von Jens Lazarus auch für die hervorragende Organisation zeichnet. Es kamen 80 wissenschaftliche Bibliothekare und Bibliothekspolitiker, ungefähr doppelt so viele wie erwartet, aus der ganzen Bundesrepublik. Überschattet wurde die Veranstaltung von der jüngst aus der Presse zu entnehmenden Nachricht, dass der British Council vier seiner fünf Niederlassungen in Deutschland, darunter auch Leipzig, 2001 schließen will. Der Enttäuschung, mit der gerade in der deutschen Bibliotheks- und Informationswelt dieser Entschluss aufgenommen wurde, begegnete Tony Andrews, Direktor des Berliner Regionalbüros des British Council Deutschland mit der Zusage, dass der British Council weiterhin, wenn auch nurmehr von einem Standort, von Berlin aus planend, ein kompetenter und zuverlässiger Partner bleiben werde.

Was gab Anlass zur Diskussion über die Ausbildung zum höheren Bibliotheksdienst? Die Arbeitsgruppe Bibliotheken der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) wird in einer ihrer Sitzungen 2001 eine Beschlussfassung der KMK-Amtschefkonferenz zur künftigen Ausbildung für den höheren Bibliotheksdienst in Deutschland vorbereiten. Da lag der Gedanke nahe, den Diskutanten auf politischer Ebene das Meinungsbild eines weiter gefassten Expertenkreises anzubieten. Diese Initiative zur Leipziger Konferenz ist Jürgen Heeg vom Kultusministerium Sachsen-Anhalt zu danken, selbst Mitglied der KMK-Arbeitsgruppe Bibliotheken. Mit an der Veranstaltung beteiligt waren der Verein deutscher Bibliothekare, der Deutsche Bibliotheksverband, die Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände sowie das Goethe-Institut. Die Publikation der Konferenzbeiträge ist für die Frühjahrsnummer 2001 der Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie vorgesehen, so dass sich dieser Tagungsbericht auf die Erwähnung einiger Aspekte und Ergebnisse beschränken kann.

In einer Zeit, die so sehr von kommunikationstechnischer Entwicklung geprägt ist, dass Information und Wissen als charakteristische Merkmale unserer heutigen Gesellschaft gelten können, ist die Frage nach Form und Inhalt adäquater Ausbildung von entsprechenden Kompetenzen für die Vermittlung von Information und die Organisation und Aufbereitung von Wissen von großer Bedeutung. Hierzu gehört u.a. die Frage, ob eine Ausbildung zum höheren Bibliotheksdienst, wie wir sie bisher kennen, auch in Zukunft das Richtige ist. Wissenschaftlich ausgebildete Fachleute, also Bibliothekare, werden jedenfalls weiterhin gebraucht in einem Land wie Deutschland, dessen informationstechnischer Standard im internationalen Vergleich an prominenter Stelle rangiert. Das führte Georg Ruppelt sehr lebendig in seinem Grußwort aus. Denn Bibliotheken, sagt er, werden umso dringender benötigt, je entwickelter die Technik ist. Andererseits müsse berücksichtigt werden, dass Digitalisierung kein Ersatz für Originale ist.

Es gibt zur Zeit in Deutschland sechs Einrichtungen, die zum höheren Dienst ausbilden. Gemäß einer Länderumfrage werden für den Zeitraum 1999 - 2008 ca. 450 neue Beschäftigte im höheren Bibliotheksdienst gebraucht. Steckt man den Horizont so eng und interessiert sich ausschließlich für den Ersatzbedarf nach bisherigem bewährtem Muster in bestehenden Strukturen, ohne zu fragen, ob dies ausreichend sein kann angesichts des zu erwartenden Wandels, dann ist die Frage, wie viele verschiedene Möglichkeiten der Ausbildung für solch eine kleine Zahl "Unterzubringender" nebeneinander bestehen sollen, schnell beantwortet. Daher war es ermutigend, dass Volker Hartmann, Vorsitzender der KMK-Arbeitsgruppe Bibliotheken, als Moderator des einführenden Programmpunkts "Setting the Scene" für die weitere Diskussion forderte, nicht über den höheren Dienst nachzudenken, sondern über die Aufgaben, die künftig erfüllt werden müssen und darüber, wie für diese Aufgaben ausgebildet werden sollte.

Joachim-Felix Leonhard, derzeitiger Vorstand des Deutschen Rundfunkarchivs und ehemals Präsident der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation, der neben Jürgen Heeg und Annette Rath-Beckmann (Bremen) an dieser Diskussionsrunde teilnahm, machte folgende Aspekte für das Berufsbild des wissenschaftlichen Bibliothekars geltend: Die Beziehung zu den Nachbardisziplinen sei wichtig, so dass der Bibliothekar dem Archivar, dem Dokumentar und anderen verwandten Berufen mehr anzugleichen sei. Methodische Qualifikation und Management-Fähigkeiten seien erforderlich, nicht zu viel Spartenspezialisierung. Ferner werde Entwicklungsfähigkeit in einem organisatorischen Rahmen benötigt, mithin auch die Durchlässigkeit vom gehobenen zum höheren Dienst. Wozu man Bibliothekare als Beamte brauche, sei allerdings zu fragen. Notwendig erscheint, dass die Beschäftigten flexibel sind, auch hinsichtlich von Standortwechseln. Schließlich sei nach wie vor zu beherzigen, dass der Bibliothekar ein nutzerorientierter Dienstleister ist.

Vor dem Tagesordnungspunkt "Deutsche Modelle" - die Rede war hier von den Ausbildungsstätten Berlin, Frankfurt am Main, Darmstadt, Köln, München, Stuttgart - brachte das Konferenzprogramm eine Betrachtung europäischer Beispiele. Vorgestellt wurde die wissenschaftliche bibliothekarische Ausbildung in Großbritannien, Skandinavien und Ungarn durch Kate Wood von der Londoner "Library Association", Brendan Loughridge von der Universität Sheffield, Ole Pors von der Kopenhagener Bibliothekshochschule und Peter Ötvös von der Universität Szeged. Obwohl die britische Ausbildung große Unterschiede zur deutschen aufweist, ist hervorzuheben, dass dem System hier wie dort das Prinzip einer Grundausbildung zugrunde liegt, auf die Spezialisierungen aufgesetzt werden. In Ungarn wird das Studium der Bibliothekswissenschaft an der Universität im Anschluss an ein Grundstudium als Hauptfach angeboten, das durch meist geisteswissenschaftliche Nebenfächer und eine Spezialisierung ergänzt wird.

Einen besonders wichtigen Bestandteil der Spezialisierungen bildet in Großbritannien neben der elektronischen Kommunikation und Publikation und dem Informationsmanagement im Gesundheitswesen das Fach Wissensmanagement, das bekanntlich nicht mehr auf einen rein betriebswirtschaftlichen Kontext beschränkt ist, sondern längst Einzug gehalten hat in das spezifische Umfeld des "Information Professional". Wie in Großbritannien, so hat auch in den skandinavischen Ländern die bibliothekarische Ausbildung inzwischen Universitätsstatus; das Fach Bibliotheks- und Informationswissenschaft ist eine anerkannte wissenschaftliche Disziplin. Es werden BA- und MA- sowie Ph.D.-Abschlüsse angeboten, da man Wert legt auf interdisziplinäre Flexibilität. Wie in Großbritannien, so liegt derzeit auch in Skandinavien der Schwerpunkt auf einer generalistischen Ausbildung, nicht auf einer Berufsausbildung. Da man jedoch mit einer künftigen Knappheit an Informationsspezialisten weltweit rechnet, hält man es für notwendig, eine größere, dem Bedarf des Marktes entsprechende Bandbreite an Ausbildungsangeboten, von der Forschung bis zur Praxisnähe zu ermöglichen.

So erfreulich es ist, dass die Konferenz mit diesen internationalen Beiträgen einen Blick über den Tellerrand ermöglichte, so sehr mag man bedauern, dass das, was im Programm als "Europäischer Kontext" gedacht war, vielleicht aufgrund der Schwierigkeit, das Eigene für Fremdes zugänglich zu machen, letztlich nur als ein farbiger Schnörkel wahrgenommen wurde. Nicht wenige Konferenzteilnehmer äußerten, sobald von Internationalität die Rede war, Befürchtungen hinsichtlich des Verlusts von (bisher) Bewährtem und einer europäischen Nivellierung. So wurden interessante Entwicklungen anderer Länder denn auch leider nicht in die Diskussion über die deutsche Ausbildung einbezogen. Dazu gehört die Praxis skandinavischer Hochschulen, renommierte internationale Konferenzen in den Bibliotheks- und Informationswissenschaften zu organisieren, was die Wahrnehmung Skandinaviens auf diesem Wissenschaftsgebiet sehr gefördert hat. Ferner gehören dazu die ermutigenden Kooperationserfahrungen sehr verschiedener Strukturen der einzelnen Bildungseinrichtungen in Skandinavien, wie auch die Einführung von Internet-Fernstudien in Großbritannien den Austausch über die so gewonnenen Erfahrungen mit einem grenzüberschreitenden Interesse verdient hätte; desgleichen die Feststellung, dass es eine Unterscheidung zwischen der Ausbildung zum wissenschaftlichen und zum öffentlichen Bibliotheksdienst in anderen Ländern gar nicht gibt.

Das soll aber nicht heißen, dass die deutschen Hochschulen ohne Neuorientierung wären, wie die anschließende, von Klaus Hilgemann (Münster) moderierte Diskussionsrunde zeigte. So konnte Wofgang Jänsch das postgraduale Fernstudium der Berliner Humboldt-Universität hervorheben, während Gerhard Knorz auf das Darmstädter Angebot einer Ausbildung zum Diplom-Informationswirt einging, die im Bereich Informations- und Wissensmanagement einen Schwerpunkt hat.

Herbert Buck erläuterte die zu erwartenden Veränderungen, die sich für die Frankfurter Hochschule durch die Aufgabe der Ausbildung im bisherigen Stil ab September 2003 ergeben werden. Fachinformation und Medien-Informationsdienste werden neu gestaltete Ausbildungsschwerpunkte. Theorie- und Praxisanteile soll es zu gleichen Teilen geben. Als Kerninhalte für die Ausbildung zum höheren Dienst werden die Bereiche Fachinformation, Informationsmanagement und Leitungsaufgaben gesehen.

Achim Oßwald hatte im derzeitigen Kontext der Ausbildung zum höheren Bibliotheksdienst zweifellos die umfangreichsten Neuerungen vorzustellen. Das Kölner Modell hat sich eine Öffnung der Berufsperspektiven zum erklärten Ziel gesetzt wie auch die Anerkennung seiner Ausbildung in der EU. Der angebotene Master-Zusatzstudiengang, der auch reichlichen Praxisanteil vorsieht, führt - erstmalig in Deutschland - zum Abschluss eines "Master of Library and Information Science", dessen Zertifizierung im In- und Ausland (GB, USA) angestrebt wird. Auch in Köln ist das Wissensmanagement ein wichtiges Thema der Lehre neben dem betrieblichen Management in Leitungspositionen, fachspezifischen Informationsdienstleistungen und Informations- und Kommunikationstechnik.

Johann Leiß, erst seit kurzem an der Bayerischen Bibliotheksschule, führte in eindrucksvoller Weise die Situation in Bayern vor. Dort bewegt man sich streng im engen Rahmen einer verwaltungsinternen Ausbildung traditionellen Stils und versucht innerhalb dieses Rahmens, Lehrinhalte und Curriculum dem aktuellen Bedarf der Berufsausübung anzupassen, übrigens in teilweise gemeinsamen Lehrveranstaltungen für den höheren und den gehobenen Dienst. Eine intensivere Kooperation mit den Universitäten ist immerhin bzgl. des Lehrpersonals geplant. Neu für Bayern ist die Öffnung seines Ausbildungsangebots auch für Studenten aus Baden-Württemberg.

Peter Vodoseks Vorstellung der Stuttgarter Hochschulreform wirkte in dieser Diskussionsrunde fast ein wenig exotisch, da man in Stuttgart zum höheren Bibliotheksdienst streng genommen (noch ?) gar nicht ausbildet. Zwar wird der bisherige Stuttgarter Diplomabschluss durch einen BA-Abschluss abgelöst werden, der die Grundlage für ein MA-Studium bildet. Aber es handelt sich hier um einen so genannten affinen, auf eine Bibliotheksausbildung aufbauenden Master-Abschluss, nicht um einen Conversion Master, der dem Universitätsstudium einer anderen Fachrichtung folgt. Allerdings sollten, so Peter Vodosek, die durch das Hochschulrahmengesetz gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden: Für betriebliche Leitungsfunktionen erschiene der Affine Master geeignet, für Aufgaben inhaltlicher Art wie z.B. die eines Fachreferenten, der Conversion Master. Eine beachtliche Neuerung hinsichtlich des Angebots der Lehrinhalte ergibt sich in Stuttgart aus der Fusionierung von Medien- und Bibliothekshochschule zu einer neuen Hochschule der Medien und eine entsprechend breite Palette der beruflichen Spezialisierungsmöglichkeiten.

Die Darstellung der einzelnen Hochschulen war vor der Konferenz durch eine Umfrage vorbereitet worden, an der sich auch der Verein deutscher Bibliothekare e.V. (VDB) beteiligte. Sie umfasste folgende Fragen:

Nach der Vorstellung und Diskussion der deutschen Modelle wurden die Anwesenden befragt, wo sie sich anmelden würden, wenn sie Studienbewerber wären, und von welcher Ausbildungseinrichtung sie als Bibliotheksdirektor am liebsten einen Referendar oder eine Referendarin annehmen würden. Für beide Fragen ergab sich, wenn auch mit geringfügig unterschiedlichen Werten die gleiche Rangliste:

Zur Vertiefung einzelner Gesichtspunkte der Ausbildungsthematik erfolgte eine Aufteilung der Konferenzteilnehmer in vier Arbeitsgruppen:

Die von Hella Klauser (Goethe-Institut Paris) geleitete erste Arbeitsgruppe zur Frage der internationalen Anerkennung von Abschlüssen erstellte ein Meinungsbild, das eine modulare Ausbildungsstruktur mit Bewertung in Credit-Points befürwortet, die praktische Ausbildungsteile und Fortbildungsveranstaltungen integriert, eine Ausbildungsstruktur, die ausländische Lehrbeauftragte hat und neben den Fachkenntnissen auch Fremdsprachkenntnisse vermittelt. Solch eine internationale Ausrichtung der Ausbildung könnte den "Studienstandort Deutschland" auch für den Bereich der Bibliotheks- und Informationswissenschaft attraktiv erscheinen lassen und die deutsche Ausbildung innerhalb des europäischen Studienangebots wettbewerbsfähig machen. Berndt Dugall (Frankfurt a.M.) machte in der Plenumsdiskussion eine Reihe von kritischen und provokativen Anmerkungen, die sich mit der Frage resümieren lassen, warum wir überhaupt eine internationale Ausrichtung unserer Ausbildung brauchen. Hans-J. Schubert von der Bayerischen Bibliotheksschule entgegnete, wer nicht selbst agiert, müsse sich mit der Verordnung von Entscheidungen anderer abfinden. Peter Vodosek erinnerte daran, dass es kaum Internationaleres gibt als den Bereich der Information.

Eine zweite Arbeitsgruppe befasste sich unter der Leitung von Herbert Buck mit dem Thema "Ausbildungsstrukturen und ihre administrative Anbindung". Sie empfiehlt auch weiterhin ein Universitätsstudium als Grundlage einer durch Zusatzqualifikationen ergänzbaren Ausbildung. Der verwaltungsinternen, also nicht international kompatiblen Ausbildung misst diese Arbeitsgruppe Priorität zu, spricht sich aber für Alternativangebote, z.B. ein Universitäts- oder Fachhochschulstudium aus. Es wird für eine Einflussnahme seitens der Bibliotheken - von anderen Arbeitgebern war nicht die Rede - auf die Auswahl der Studienbewerber plädiert. An der Frage im Plenum nach Verbindungsmöglichkeiten von Ausbildung zum höheren und zum gehobenen Dienst (Umstätter, Berlin: Gemeinsame Lehrveranstaltungen wie in Bayern praktiziert sind nicht akzeptabel; Leiß: Bibliotheksgeschichte z.B. kann man doch gleichzeitig beiden Gruppen vermitteln) entzündete sich erneut ein Disput zwischen Traditionalisten und Progressiven, der schließlich zu einer Abstimmung führte. Wenn man zwischen den unvereinbaren Polen "internationale Anerkennung" und "verwaltungsinterne Ausbildung" entscheiden sollte, welchem man den Vorrang gäbe, so stimmten 43% der Teilnehmer für Internationalität und 33% für verwaltungsinterne Ausbildung. Der Rest war Enthaltung. Die Zweifel, die die Kritiker einer internationalen Orientierung immer wieder anführten, betrafen die Vorstellung, dass man keine Berufschancen für deutsche Informationsexperten im Ausland sehe und folglich die internationale Anerkennung der deutschen Ausbildung unnütz sei. Dass möglicherweise aber deutsche Studenten eine ausländische Ausbildung der einheimischen vorziehen könnten, weil sie sich so ein größeres Spektrum von Arbeitsmöglichkeiten erhoffen, ist ein Gedanke, der nicht erwogen wurde. Vielleicht weil man letztlich doch nur den verbeamteten Bibliotheksdirektor einer deutschen wissenschaftlichen Bibliothek als Ziel vor Augen hat ?

Achim Oßwald hatte als Leiter der dritten Arbeitsgruppe, die sich mit der Aufteilung des Studiums in Theorie- und Praxisanteile befasste, die konsensfähige Auffassung mitzuteilen, dass der Praxisanteil wichtig sei und die Hälfte der Studienzeit ausmachen solle. Neue denkbare Modelle wären mehr projektbezogene Praxisteile oder auch der Aufbau theoretischer Modulblöcke auf einer permanenten Praxisphase. Die Frage der Finanzierung von Praxisphasen konnte allerdings nicht einem eindeutigen Lösungsvorschlag zugeführt werden.

Mit dem Berufsprofil im Medienzeitalter beschäftigte sich die vierte, von Annette Rath-Beckmann geleitete Arbeitsgruppe. Hier konzentrierte man sich auf die Skizzierung von Kernkompetenzen für den Bibliothekar des höheren oder wissenschaftlichen Dienstes. Sie wurden in drei Bereiche eingeteilt. Die fachwissenschaftliche Information und das Wissensmanagement mit den inhaltlichen Komponenten der Beschaffung, Erschließung, Vermittlung, Präsentation und Archivierung von Informationen und Medien sowie der Informations- und Medienlogistik und der bedarfsgerechten Fachinformation gehört ebenso zum Berufsbild wie der Bereich der Führungs- und Leitungskompetenz. Dieser zweite Bereich umfasst konzeptionelle und strategische Planung sowie Projektmanagement, Marketing, soziale und kommunikative Kompetenz und Personalentwicklung. Drittens ist eine spezielle IT-Kompetenz erforderlich und zwar für Erstellung und Nutzung von Daten- und Wissensbanken, für die Adaptation von Software-Lösungen, die Kenntnis und Analyse von Informations- und Kommunikationsnetzen, die multimediale Informations- und Wissensaufbereitung und Archivierung. Dieses Profil macht deutlich, dass, wie auch das Plenum der Teilnehmer fand, das Spektrum des bibliothekarischen Berufsstandes neu definiert werden muss.

Volker Hartmann vertrat bei der abschließenden Zusammenfassung der Konferenzergebnisse die Auffassung, dass die KMK die Diskussion in dem in Leipzig aufgezeigten Spannungsbogen fortsetzen sollte und zwar vom Votum für eine modularisierte Ausbildung, um eine Verzahnung mit der Ausbildung anderer Länder zu ermöglichen, bis zur Akzentuierung der verwaltungsinternen Struktur; vom Festhalten am einheitlichen Bild des Bibliothekars bis zur Neudefinierung eines breit gefächerten Aufgaben- und Kompetenzspektrums. Sibyllinisch, der Leipziger Expertenrat? Erfreulich ist jedenfalls, dass die Fronten aufgeweicht wurden, ein Ergebnis, das für die KMK-Diskussion sehr nützlich sein dürfte.


Zur Autorin

Christiane Bohrer ist Leiterin des Bereichs "Informationsarbeit - Planung und Steuerung" in der Zentralverwaltung des Goethe-Instituts

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