Lobbyarbeit für Bibliotheken:
politisch denken - strategisch handeln


Hrsg. von Ulla Wimmer.
- Berlin: Ehemaliges Deutsches Bibliotheksinstitut, 2000, 82 S.
ISBN 3-87068-996-X (DBI-Materialien; 196)

Es ist schon eine Ironie des Schicksals. Wenige Monate vor dem Aus der Schriftenreihe des schon ins Abseits gelangten und mit dem merkwürdigen Begriff "Ehemaliges" versehenen Deutschen Bibliotheksinstituts wird ausgerechnet ein Thema abgehandelt, dessen Grundlagen diese Institution bei ihrem Überlebenskampf (1) nur unzureichend angewandt hat, denn "im Prinzip handelt es sich bei der Lobbyarbeit um die Interessenvertretung bei einem politischen Entscheidungsträger" (S. 7).

Das Anliegen der acht Beiträge besteht nach Auffassung der Herausgeberin Ulla Wimmer nicht in der Vorgabe konkreter Handlungsweisen. Sie gibt sich viel bescheidener: "Wenn es gelingt, die Leserinnen und Leser zu sensibilisieren, ihren Blick dafür zu schärfen, wo Bibliotheksarbeit überall ,politisch' ist, welche politische Dimension unsere Außendarstellung und unser Kooperationsverhalten haben, und worauf bei der Interaktion mit Politik und Verwaltung - jenseits der Sachebene - zu achten ist, dann ist schon viel gewonnen" (S. 5). War nicht für ein solches (minimales!) Anliegen die von Rolf Busch auch in dieser Reihe herausgegebene Schrift "Sponsoring für Bibliotheken" gedacht, die - als Ergebnis einer sehr erfolgreichen Fachtagung - neben Begriffsklärungen vier Beiträge zum Sponsoring in Öffentlichen Bibliotheken und fünf Beiträge zum Sponsoring in Wissenschaftlichen Bibliotheken enthält? (2)

Die Herausgeberin hätte mit einem korrekteren Titel und in Auswertung der von Busch herausgegebene Schrift im Vorwort klar ausdrücken müssen, dass sich ihre Autoren mit einem ganz kleinen Ausschnitt des Sponsoring beschäftigen: "Lobbyarbeit für Öffentliche Bibliotheken: Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit kommunalen Einrichtungen".

Ulla Wimmer liefert in diesem Sinne im ersten Beitrag die theoretischen Grundlagen mit Definition, Bedeutung und Bestandteilen der Lobbyarbeit, wobei im Mittelpunkt die "Lobbyarbeit im politischen Zusammenhang" steht (S. 13-20). Inhaltlich schließt sich direkt das Thema von Jürgen Heckel "Lobbyarbeit und Kommunikation" an, das die Herausgeberin unverständlicherweise nach den praxisbezogenen Beiträgen an das Ende der Broschüre verbannt hat, obwohl sie es zurecht als besonders wichtig bezeichnet: "Die Art und Weise, wie wir mit Außenstehenden sprechen und sie wahrnehmen, bestimmt ganz entscheidend, welche Atmosphäre, welcher Umgang und welches gegenseitige Verständnis zwischen Bibliothek und Politik/Verwaltung entstehen - und damit auch, welches Ansehen die Bibliothek genießt" (S. 6).

Barbara Linson liefert uns in Anlehnung an Erich Kästners "Lyrische Hausapotheke", basierend auf René Paul Buholzers Ausführungen (3), frei Haus eine sehr gelungene "Kleine Hausapotheke des Lobbying für Bibliothekare", die bestens für die Aus- und Fortbildung geeignet ist. Christa Grün, Klaus-Peter Böttger und Cornelia Berg bringen leider viel zu kurze Beispiele aus Öffentlichen Bibliotheken.

Unter den Pseudonymen "Politicus" und "Martin Schneebaum" führen uns zwei Autoren in die Welt der sensiblen Beziehungen zwischen Macht und Ohnmacht. Der erste Beitrag ist ein Aufruf, informelle Strukturen zu nutzen, der zweite eine vorzügliche Glosse zu den Beziehungen zwischen Macht und Bibliothek am Beispiel kommunalpolitischer Entscheidungen und bibliothekarischen Sachverstandes. Das alles getreu dem Motto von Machiavelli: "Egal, um welche Sache es geht: es geht immer um Personen" (S. 57). Der Rezensent hat sich köstlich amüsiert und dabei ertappt, die Fiktionen mit realen Personen auszugestalten.

Fazit: Ein Heft mit interessanten Beiträgen zu den Methoden politischer und bibliothekspolitischer Lobbyarbeit in den Kommunen.


Anmerkungen:

1. Altenburg, Herbert: Eine Lobby für die Bibliotheken! In: Ossietzky 3 (2000) 22, S. 788-789.

2. Sponsoring für Bibliotheken / Hrsg. von Rolf Busch. Berlin, 1997. 151 S. (dbi-materialien ; 167)

3. Buholzer, René Paul: Legislatives Lobbying in der Europäischen Union. Bern, 1998.


Anschrift des Rezensenten:
Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin