Die Dresdner Fahrbibliothek jetzt online unterwegs

von Arend Flemming und Detlef Tempel


1. Geschichte der Dresdner Fahrbibliothek
2. Die Online-Fahrbibliothek

Der größte Stolz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fahrbibliotheken im Netz der Städtischen Bibliotheken Dresden bestand bis zum Ende des Jahres 2000 darin, dass es gelang, eine der ältesten Fahrbibliotheken Deutschlands in Betrieb zu halten, obwohl die Technik zum Teil mehr als 30 Jahre alt war. Ab Februar 2001 rollen nun zwei neue Fahrzeuge zu den 30 Haltestellen und sind dort in der Lage, den vollen Service einer Stadtteilbibliothek anzubieten. Im Folgenden soll nach einem geschichtlichen Abriss das neue Konzept vorgestellt werden.

1. Geschichte der Dresdner Fahrbibliothek

Bereits 1927 schlug der Oberbibliothekar Sandmann, der im 1. Weltkrieg eine fahrbare Feldbücherei geleitet hatte, für Dresden die Inbetriebnahme eines Busses vor.

Am 01.09.1929 stellte der Oberbürgermeister der Stadt, Dr. Bernhard Blüher, die erste deutsche fahrbare Großstadtbücherei, die Bestand und Ausleihe vereinte, in Dienst. Der in der Werdauer Waggonfabrik gebaute Wagen (Vemag) hatte einen Anschaffungswert von 30.000 RM, umfasste 3.000 Bücher, dazu kamen noch 12.000 Bände im Magazin. Zu Beginn wurden 13 Haltestellen eingerichtet und jährlich durchschnittlich 3.000 Leser betreut. Die Fahrbücherei hatte 6 Mitarbeiter.

1939 musste die Fahrbibliothek kriegsbedingt ihre Arbeit einstellen. Der Bus wurde zum Sanitätswagen umgebaut. Die Buchbestände verteilte man auf die Außenstellen. Das weitere Schicksal des Fahrbüchereiwagens ist unbekannt.

Am 20. Juli 1950 wurde aus Anlass des III. Parteitages der SED durch die KWU Dresden (Kommunales Wirtschaftsunternehmen) der erste Nachkriegs-Büchereibus Dresdens in Betrieb genommen. Er sollte rund 60 Betriebe und Betriebsteile des Betriebes mit Literatur versorgen. Der Bus (ein Büssing), Baujahr 1924, konnte 3.500 Bücher aufnehmen. Die erste Ausfahrt fand am 21.08. statt.

Der damalige Direktor der Städtischen Bücherei, Jan Pepino, hatte sich selbst auf dem Autofriedhof am Schlachthof einen weiteren Bus gesucht. Er fand einen Citroen, der in den Dresdner Verkehrsbetrieben umgebaut und am 13.02.1952 mit 2.800 Büchern in Dienst gestellt wurde.

Der Einsatzrahmen der Fahrbibliothek zog immer weitere Kreise. Die Wagen fuhren bis in die Umlandgemeinden. Da die Haltezeiten in größeren Abständen stattfanden, gab es zunehmend Schwierigkeiten, die entliehenen Bestände zurück zu erhalten.

1969 wurden die beiden bisherigen Wagen schrittweise durch zwei neue, bis zum Jahr 2000 noch genutzte Fahrzeuge ersetzt. Die neuen Bibliotheksbusse baute man als Sattelauflieger mit bis zu 6.000 Büchern, so waren die Zugmaschinen (H6) flexibel zu nutzen.

Weitere Investitionen für Aufleger und Zugmaschine ermöglichten 1974 die Nutzung eines dritten Bibliotheksbusses.

1981 und 1982 kam es durch staatliche Engpässe zu einschneidenden Einsparungsmaßnahmen bezüglich des Dieselkraftstoffes. Die Forderungen des Rates der Stadt reichten bis zur völligen Stilllegung. Das konnte durch die Mitarbeiter verhindert werden. Es wurden von 40 Haltestellen 13 geschlossen, die verbleibenden besonders wichtigen Ausleihpunkte sicherte man durch einen Kreisverkehr.

1990 bis 1991gingen alle drei Wagen wechselweise in die Generalinstandsetzung, eine Zugmaschine wurde in Ludwigsfelde ausgetauscht. So gab es reale Ausfallzeiten insgesamt für fast ein Jahr. Die Bestände wurden erheblich aktualisiert und neue Medienarten aus dem AV-Bereich aufgenommen.

1992 brachte der zunehmende Straßenverkehr für die großen Wagen neue Probleme, häufig wurden die Haltestellen zur gegebenen Zeit zugeparkt. An zentralen Stellen übernahmen die Politessen die Haltestellen in ihr überprüfungsprogramm.

Da das Depotgrundstück 1996 einen Eigentümerwechsel erlebte, wurde der Mietvertrag vakant. Nach längerem Suchen erfolgte der Umzug in das Industriegelände.

2. Die Online-Fahrbibliothek

2.1 Depot

Die unbefriedigende Situation des Depots und die schlechten Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter der Fahrbibliothek sollten im Rahmen der Optimierung des Netzes der Stadtteilbibliotheken (1996-1999) durch Zusammenlegung mit einer Zweigstelle gelöst werden.

Im Rahmen des mit der Bertelsmann Stiftung durchgeführten Projektes „Projekt Bibliotheksfilialen – Optimierung von Angebot und Organisation“ gelang es, unterstützt durch Stadtsanierungsmittel, ein altes Feuerwehrgebäude für die Stadtteilbibliothek Pieschen und die Fahrbibliothek umzubauen. So konnten stationäre und mobile Bibliothek bald in nachbarlicher Gemeinsamkeit ein effektives, modernes und zweckvolles Ambiente erfahren.

Am 22. Januar 2001 fand die Eröffnung der neuen Fahrbibliothek statt.

Diese gemeinsame Lösung bringt folgende Vorteile:

2.2 Fahrzeuge

Da die vorhandenen drei Bibliotheksfahrzeuge seit 30 Jahren im Betrieb waren und Reparaturen und die damit verbundenen Kosten sowie Schließungszeiten überhand nahmen, erwies sich die Investition in die Fahrzeugtechnik als dringend notwendig. Der Umzug der Depots war ein geeigneter Anlass. So gelang es zu Beginn des Jahres 2000, Bundesfördermittel zum Erwerb eines neuen Bibliotheksbusses zu erhalten.

Am Beginn der neuen Fahrbibliothekskonzeption standen folgende überlegungen:

Die Kostenfrage war dabei von größter Bedeutung, da erstens die kommunalen Komplimentärmittel zur Förderung nicht zur Verfügung standen und zweitens die Bibliothek im Jahr 2000 eine Budgetkürzung von 600.000 DM umsetzen musste. Nach Abschluss der Optimierung der zentralen Angebote (Haupt- und Musikbibliothek, medien@age) und des Stadtnetzes blieb nur eine auf Verkleinerung der Ressourcen ausgerichtete Optimierung der Fahrbibliothek.

Das Haltestellennetz blieb erhalten, wurde jedoch entsprechend der Nutzerfrequenz so umgeplant, dass nur noch zwei Fahrzeuge mit ihren Teams notwendig waren. Auf der einen Seite verkürzten sich die Standzeiten und die Anfahrfrequenz erhöhte sich, auf der anderen Seite sollte den Nutzern der Fahrbibliothek in modernen und ästhetisch ansprechenden Fahrzeugen der komplette Service angeboten werden.

Die Frage nach Sattelzug- oder Busvariante war schnell geklärt, denn nachdem die Dresdener Fahrbibliothek 31 Jahre Sattelauflieger betrieben hatte, fiel diese Entscheidung relativ leicht. Wir fanden einen Partner, welcher uns für den Preis eines Busses zwei Auflieger produzieren konnte.

Auch die Frage nach dem Einstieg stellt sich in der heutigen verkehrsintensiven Zeit kaum. Schwieriger war da schon das Problem der Theke zu lösen. Hier konnte auf umfangreiche Kenntnisse anderer Fahrbibliotheken zurückgegriffen werden, die der Leiter der Fahrbibliothek im Laufe seiner Tätigkeit in der Expertenkommission „Fahrbibliotheken“ des Deutschen Bibliotheksinstitutes gewonnen hatte.

Zur Minimierung der Kosten trug unser Entschluss bei, die Fahrzeuge Schritt für Schritt unter ständigen Vorortabsprachen aufbauen zu lassen, eine aus heutiger Sicht nervenaufreibende Verfahrensweise. Entgegen kam uns allerdings dabei, dass die von uns favorisierte Firma eine ortsansässige war. Wenn auch nicht problemlos und keinesfalls termingerecht, so konnten wir doch die Fahrzeuge kurz vor dem Endtermin am 28.12.2000 übernehmen.

2.3 EDV

Bereits seit mehreren Jahren existieren die Bemühungen, die Ausleihe per Klappkarte auf die Verbuchung mittels EDV-Technik umzustellen, ohne ein Sondersystem für die Fahrbibliothek zu installieren. Die Orientierung lag von Anfang an bei einer kostengünstigen und gleichzeitig stabilen Online-Lösung für die Verbuchung und Recherche, daher stellte die Angebotsoptimierung den Startschuss dar, sich intensiv um eine solche Lösung zu bemühen.

Das Ziel war, die Vorteile einer Fahrbibliothek – flexible Haltestellen und öffnungszeiten – beizubehalten und gleichzeitig den vollen Service einer Stadtteilbibliothek – Recherche im Gesamtbestand, Nutzung des Leserausweises im gesamten Netz – zu bieten. Wurde zu Beginn noch über eine Lösung via Bündelfunk oder Betriebsfunk nachgedacht, konnte durch die sinkenden Mobilfunkpreise auf das wesentlich sicherere und besser ausgebaute deutsche Mobilfunknetz zurückgegriffen werden.

Die Fahrbibliothek sollte dabei keine abgespeckte Form einer Zweigstelle sein, sondern ebenfalls den gesamten Service anbieten.

Folgende Leistungen gegenüber früher müssen angeboten werden:

Zunächst musste eine schnelle und stabile, dabei jedoch kabelunabhängige Verbindung zum Zentralrechner gefunden werden. Nach intensiven (Preis-)Recherchen bot sich mit D1 ein Anbieter an, welcher sich u.a. durch eine sehr hohe Netzabdeckung auszeichnet und im Preis Entgegenkommen zeigte.

Außerdem musste die Entscheidung zwischen Terminaltechnik und unabhängigen PCs, auf welchem dann eine Terminalemulation laufen sollte, fallen. Die Wahlmöglichkeit ergab sich daraus, dass wir uns bei der Stromversorgung, die schon immer ein spezielles FB-Problem war, kurzfristig für ein Stromaggregat entschieden hatten. Unsere Wahl fiel auf die Ausstattung mit PCs, wobei wir die Variante Laptop wählten, da diese weniger Platz beanspruchen, auch netzunabhängig arbeiten können und – ein nicht unwesentlicher Punkt – die teils extremen Bedingungen (Hitze, Kälte, Erschütterungen) besser vertragen.

Beim Einbau der Geräte traten u.a. noch folgende Probleme auf:

Sicherung gegen Herunterfallen bzw. Diebstahl:
Der OPAC-PC wurde fest, aber drehbar, mit der Tischplatte verbunden.
Der Theken-Laptop steht während der Ausleihe frei beweglich, wird aber während derFahrt durch Gummibänder gesichert.
Der Drucker ist fest mit der Tischplatte verschraubt, die Kasse ist in ein Regal hinter der Theke eingebaut.

Unterbrechungsfreie Strom- und Datenverbindung der Handys:
Mobiltelefone sind vorrangig für den mobilen Einsatz konzipiert. Dabei schließt man in der Regel ein Ladegerät nur kurzzeitig an; ebenso verhält es sich mit einem Datenanschluss. Deshalb haben – zumindest unsere Geräte – einen einzigen Anschluss, der sowohl für die Strom- als auch für die Datenanbindung genutzt wird. Da wir aber einen Dauerbetrieb über Stunden aufrechterhalten müssen und der Akku mehrmals am Tag nachgeladen werden musste, war es unumgänglich, eine Möglichkeit zu finden, beides gleichzeitig anzuschließen. Gelungen ist uns dies erst durch einen Eigenbau der EDV-Abteilung.

Die ersten Testläufe im Wagen brachten positive Ergebnisse; unklar war noch, ob dies auch an den einzelnen Haltestellen so sein würde. Die Zeit für eine intensive Erprobung war aber – bedingt durch die Verzögerungen seitens des Herstellers – nicht mehr vorhanden, also verzichteten wir auf eine „Generalprobe“ vor der feierlichen Eröffnung am 22.01.2001.

Aber auch nach der Testphase lief im Großen und Ganzen alles reibungslos. Die Nutzer nahmen die neue Fahrbibliothek bereits in den ersten Tagen sehr gut an. So wurden im ersten vollen Monat nach der Eröffnung (Februar 2001) 20% mehr Entleihungen gezählt und 14% mehr Benutzer angemeldet als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Die Fahrbibliothek war damit die einzige Bibliothek des Netzes mit einer positiven Bilanz, da die Städtischen Bibliotheken Dresden durch die Einführung der Jahresbenutzungsgebühren insgesamt 38% weniger Nutzeranmeldungen und 12% weniger Entleihungen verzeichneten.

Zur Zeit wird noch am Problem der übertragungsgeschwindigkeit gearbeitet. Die wechselnden Verzögerungszeiten sind sehr gewöhnungsbedürftig. Zur Zeit kann der OPAC als solcher nur selten angeboten werden, da sich sonst auf Grund der geringen Geschwindigkeit an der Theke lange Warteschlangen bilden. Eine Recherche am Theken-PC ist deshalb nicht möglich, und das Personal nutzt den OPAC zur Auskunftstätigkeit und zur Bewältigung der zahlreichen neuen Anmeldungen.


Zu den Autoren

Dr. Ing. Arend Flemming, Direktor und Detlef Tempel

Städtische Bibliotheken Dresden
Postfach 12 07 37
D-01008 Dresden
E-Mail:
flemming@bibo-dresden.de