Leserzuschrift


Antwort des Autors
Antwort der Redaktion

Sehr geehrte Damen und Herren,

den Vortrag von Herrn Prof. Rauch in B.I.T.online Heft 4/2000 habe ich mit Interesse gelesen. Ich stimme ihm rückhaltlos zu, finde nur, dass er seine Überlegungen nicht zu ihrer doch so naheliegenden Konklusion geführt hat. Das möchte ich nachholen, damit erkennbar wird, welcher Seite mit solchen Einlassungen Munition angedient wurde.

Nach ausführlichem Referat der absehbaren Entwicklung im EDV-Bereich und kritischer Betrachtung zweier Aufgabenkataloge für Bibliotheken fokussiert der Verfasser seine Überlegungen auf drei Bereiche künftiger Bibliotheksarbeit: Zertifizierungsfunktion, Archiv-Funktion und Dorfbrunnen-Funktion.

Es zeichnet seinen nach allen Seiten offenen Denkansatz aus, dass er bei Erörterung jedes Aspekts unverzüglich darauf hinweist, dass dies zwar eine Bibliothek, ebenso aber auch eine andere Einrichtung leisten könne. Dergleichen verrät Durchblick und stützt die Argumentation ungemein.

Dankbar werden Geldgeber auch vermerken, dass stets nur von Universitäts-, nie hingegen von mittleren und kleineren Bibliotheken die Rede ist. Diese deklariert der Verfasser dadurch, zumindest implizit, als entbehrlich. Da winkt doch Sparpotential!

Zu den drei genannten Tätigkeitsfeldern:

Zertifizierung von Dokumenten zählt der Verfasser zu den kommenden Aufgaben für Bibliotheken. Jedoch „Wissenschaftliche Vereinigungen können sie ebenso erfüllen wie Verlage, ...“ Siehe oben!

Die Archiv-Funktion ist auf den technoiden Aspekt reduziert. Und deshalb liegt dann auch der Hinweis nahe, dass diese Arbeit auch „Computer- und Elektronikfirmen, neue private Anbieter, wissenschaftliche Vereinigungen, Verlage, Filmarchive“ übernehmen könnten. Eben! Outsourcing ist Trumpf!

(Und der „gesetzliche Auftrag“, auf den Bezug genommen wird, wäre durch einen Federstrich des Gesetzgebers zu annullieren. Lockende Einsparungen würden das Tempo der Legislative gewiss ungewöhnlich beflügeln.)

Das ländliche Bild vom Dorfbrunnen zeigt die Bibliothek als Platz für kommunikative und soziale Interaktion ihrer Benutzer. Eine schöne Metapher!

Ich bin absolut überzeugt, dass in Zeiten knappen Geldes die Zuwendungen uns die Mittel für ein derart präzis beschriebenes Aufgabenfeld geradezu aufdrängen werden.

Abgesehen davon fördert jedoch eine anheimelnde Cafeteria das angestrebte Ziel weitaus effektiver und wäre noch dazu geeignet, das Budget aufzubessern, statt Kosten zu verursachen.

Im Resümee: Man braucht den Vorschlägen des Verfassers samt deren höchst ambivalenter Begründung nur zu ihrem erkennbaren Zielpunkt zu folgen, um die Titelfrage „Bibliothek wozu?“ konzis beantworten zu können: for nothing! –

Gibt es in Österreich einen Innovationspreis, mit dem zündende Ideen und Argumentationshilfen zur Kostengroßreduktion im öffentlichen Sektor honoriert werden? Dem Verfasser sollte er umgehend angetragen werden.

Und mir wird vielleicht irgendwann verständlich, weshalb eine Zeitschrift, die ich auf unserer Seite wähnte, ein so zwiespältiges Begründungsarsenal abdruckt, aus dem sich Sparkommissare jedweder Couleur dann mit dem Verweis auf Äußerungen eines Fachmannes bedienen können.

Sie werden mir hoffentlich nachsehen, wenn ich Ihnen zu diesem Bärendienst nicht allzu überschwenglich gratuliere.

Mit freundlichem Gruß

gez. Manfred Lücking
Bibliothek des GKSS-Forschungszentrums Geesthach GmbH
Max-Planck-Strasse
D-21502 Geesthach

Antwort des Autors

Vielen Dank für den Hinweis zum Lesebrief von Manfred Lücking. Schade, dass Herr Lücking meinen Aufsatz nicht bis zum Ende gelesen hat. Ich glaube, dass ich die Frage „Bibliothek – wozu?“ keineswegs mit „for nothing“ beantwortet habe, sondern mit dem letzten Absatz meines Beitrags: „Erstens, damit der Rohstoff Wissen jene Qualität erhält, die er als Produktionsfaktor braucht; und zweitens, damit in der Zukunft Wissen eben nicht auf seine Rolle als Produktionsfaktor beschränkt werden wird!“

Ich möchte daher auf den Beitrag von Herrn Lücking mit dem Zitat von Mao Tse-tung antworten: „Der Mann, der den Wind der Veränderung spürt, sollte keinen Windschutz, sondern eine Windmühle bauen.“

Mit herzlichen Grüßen

gez. o.Univ.Prof. Dr.Wolf Rauch
Institut für Informationswissenschaft
Universität Graz
Universitätsstraße 15
A-8010 Graz


Antwort der Redaktion

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