Portale in Internet, Betrieb und Wissenschaft

Marktplatz und Instrument des Kommunikations- und Wissensmanagements

von Hermann Rösch


Abstract

1. Portalbegriff
2. Entstehung

3. Funktionalitäten

4. Typologie

5. Entwicklungsperspektiven


1. Portalbegriff

Die Portalmetapher ist in der zweiten Hälfte der 90er Jahre im Umfeld des Internet aufgegriffen worden und hat binnen kurzem enorme Popularität erlangt. Im Englischen wie im Deutschen steht das lateinische Lehnwort Portal für den

repräsentativen Eingang eines bedeutenden Bauwerkes.

Neben der primären Funktion des Einlasses wird dem Portal als Grenze und Vermittler zwischen Außenwelt und Innenraum magische, allegorische oder symbolische Bedeutung zugeschrieben.

Weitere homonyme Portalbegriffe sind medizinischem und konstruktionstechnischem Fachvokabular zuzuordnen. Hinzu tritt nunmehr die im Kontext des Internets entstandene Bedeutung von Portal.

Dass die von Microsoft usurpierte Windowsmetapher in der Portalmetapher eine logische Ergänzung fand, erscheint retrospektiv selbstverständlich. Die Wirkungskraft des Portalbegriffes ist sicher auch zurückzuführen auf die Weiterentwicklung DV-technischer und telekommunikativer Möglichkeiten bzw. der dadurch hervorgerufenen Vorstellungen. Cyberspace und virtuelle Welten nur durch Fenster, von außen also, betrachten zu können, musste sich als unbefriedigend erweisen. Solche Welten und Räume machen nur dann Sinn, wenn sie, zumindest virtuell, auch betreten werden können. Eine Möglichkeit musste daher geschaffen werden, um sich diese neuen Räume bedeutenden Ausmaßes erschließen zu können. Die Sinnfälligkeit des Portals als des "Ortes", an dem der Einlass in die begehrte andere Welt gewährt wird, liegt damit auf der Hand. Im Kampf um Kunden greifen Portalbetreiber in ihrer Werbung mit Vorliebe auch auf das allegorische, symbolische und magische Potential des Portalbegriffes zurück.

Die internetspezifische Bedeutung freilich, die mittlerweile im Kontext von betrieblichem Wissensmanagement und wissenschaftlicher Kommunikation adaptiert wurde, ist in Gefahr, der epidemischen Verbreitung des Portalbegriffes und marktstrategisch motiviertem Etikettenschwindel zum Opfer zu fallen. Um Internetsurfer und potentielle Kunden auf die eigene Site zu locken, versehen die Betreiber der unterschiedlichsten Angebote ihre Produkte mit dem Prädikat "Portal". Häufig bestehen derartige Webseiten aus bloßen Linklisten, die mit geringem Aufwand und noch weniger Sachverstand zusammengestellt worden sind. In den USA werden solche "Schein-" oder "Blendportale" als "portalwannabes" bezeichnet.

Damit der Portalbegriff nutzbringend im bibliotheks- und informationswissenschaftlichen wie auch im informationswirtschaftlichen Zusammenhang angewendet werden kann, muss er deutlich vom alltagssprachlichen Pendant und von Deformationsvarianten abgegrenzt werden. Diesem Zweck sollen die folgenden Überlegungen zu Entstehungsgeschichte, Typologie und Funktionalitäten der wichtigsten Portalkonzeptionen dienen.

2. Entstehung

2.1. Internetportal

Internetspezifische Portalkonzeptionen wurden von Web-Katalogen und Suchmaschinen entwickelt. Ende 1996 boten die Betreiber des Web-Kataloges Yahoo! ihren Kunden erste Personalisierungsmöglichkeiten an, die bald darauf als "MyYahoo!" bezeichnet wurden. In der Personalisierungsoption liegt ein konstitutives Merkmal, das Internetportale von bloßen Suchmaschinen, Web-Katalogen und anderen Diensten unterscheidet. Die ursprüngliche Beschränkung auf Navigationsfunktionalitäten wurde aufgegeben, das Angebot nun um hochwertige Informationen ("Content") und die Einbindung diverser Anwendungen ("Application Tools") wie E-Mail-Account, Adressbücher, Hypothekenplaner, Software zum Preisvergleich usw. angereichert. Die konzeptionelle Weiterentwicklung von Suchwerkzeugen zu Portalen ist auf deren Marketingstrategie zurückzuführen.

Page Impressions Anzahl der Sichtkontakte beliebiger Nutzer mit einer werbeführenden HTML-Seite
Unique Users Anzahl der einzelnen auf eine Webseite zugreifenden Nutzer in einem bestimmten Zeitraum
Ad Clicks Häufigkeit der Clicks auf einzelne Werbe-Banner
Visits Zahl der zusammenhängenden Nutzungsvorgänge eines Internetportals
View Time Verweildauer pro Seite oder Besuch
Clickstream Zahl der Seitenabrufe während eines Visits
Paid Submission Gebühren für die grundsätzliche Aufnahme von Websites in einen Web-Katalog bzw. für die Indexierung durch eine Suchmaschine
Paid Inclusion Gebühren für die vollständige Erschließung von Websites über alle hierarchischen Ebenen
Paid Placement Gebühren für die hochrangige Platzierung von Links in den Ergebnismengen, im Idealfall ausgewiesen als "Sponsored Link"
Keyword-based Advertising Einblenden des Banners, wenn Benutzer ein verwandtes Suchwort eingegeben hat
Transaction Fees Anteil des Portalbetreibers am Transaktionsvolumen
Direct Marketing Campaigns Produktwerbung per E-Mail auf der Grundlage der beim Portal hinterlegten Kundenadressen

Abbildung 1: Einnahmequellen von Internetportalen

Web-Kataloge und Suchmaschinen bieten ihre Dienste in der Regel kostenlos an. Die Finanzierung erfolgt überwiegend mittels Werbeeinnahmen. Die Preise für Bannerwerbung werden zumeist über die Anzahl der Sichtkontakte (Page Impressions) einer werbeführenden Seite berechnet. Weitere Messgrößen können sein Unique Users (Anzahl der einzelnen auf eine Webseite zugreifenden Nutzer in einem bestimmten Zeitraum), Ad Clicks (Häufigkeit der Clicks auf einzelne Banner), Visits (Zahl der zusammenhängenden Nutzungsvorgänge eines Webangebotes), View Time (Verweildauer pro Seite oder Besuch) und Clickstream (Zahl der Seitenabrufe während eines Visits). In jüngerer Zeit schöpfen Suchwerkzeuge weitere Einnahmequellen aus. Einige Web-Kataloge erheben für die grundsätzliche Aufnahme von Websites in ihr Angebot mittlerweile Gebühren ("Paid Submission"), gegen Bezahlung garantieren manche Suchmaschinen die Tiefenerschließung von Websites, d.h. die vollständige Indexierung aller auf dem Server eines Anbieters vorhandener Dokumente unabhängig von der Hierarchieebene [Sullivan 2000]. Dieses als "Paid Inclusion" bezeichnete Verfahren habe keinerlei Auswirkungen auf das Ranking der Ergebnisse, beeilen sich die Anwender zu versichern, denn die Werbetreibenden erhielten keinerlei Garantie über die Platzierung: eine Aussage, die seriöser Überprüfung wohl kaum Stand halten kann. Manche Suchmaschinen wie z.B. GoTo bekennen sich auch offen dazu, dass das Ranking der Suchergebnisse kommerziellen Gesichtspunkten folgt. Die Werbetreibenden können durch entsprechende Bezahlung eine hochrangige Platzierung ihrer Links erkaufen. Häufig werden solche "Paid Placements" aber offen ausgewiesen und neben der eigentlichen Ergebnisliste separat als "Sponsored Links" oder "Featured Listings" aufgeführt [Sullivan 2001].

Web-Kataloge und Suchmaschinen aber können erheblich höhere Einnahmen bei ihren Geschäftspartnern erzielen, wenn sie Informationen über die Aktionen ihrer Nutzer nicht nur summarisch sondern höchst detailliert erfassen und weiterverwerten. An diesem Punkt kommt die Personalisierung und damit die Entwicklung zum Portal ins Spiel. Durch Abfrage oder automatische Generierung eines individuellen Interessenprofils wird sogenanntes Keyword-based Advertising möglich. Der Kunde findet bei der Präsentation seiner Suchergebnisse Werbebanner vor, die inhaltlich mit seinen Suchbegriffen korrelieren. Unter Marketinggesichtspunkten kommt es damit zu zielgruppenspezifischem Einsatz der Werbung, die höhere Erfolgsquoten verspricht [vgl. Sander-Beuermann 2000 und Schumacher/Schwickert 1999, S. 20]. Ebenfalls auf der Weiterverwertung individueller Interessenprofile beruhen Direct Marketing Campaigns. Auf der Grundlage der beim Portal hinterlegten Kundenadressen wird per E-Mail für spezifische Produkte geworben. Zusätzliche Einnahmen sind für Internetportale schließlich zu erzielen durch Transaction Fees, d.h. Anteile an jedem Kauf, der über Werbung im Suchwerkzeug initiiert und unmittelbar darauf realisiert worden ist. Mit diesen Intermediärfunktionen übernehmen Portale klassische Marktfunktionen und erweisen sich als elektronische Marktplätze bzw. integrale Komponenten des E-Commerce. Je häufiger deren einzelne Seiten aufgesucht werden, je länger die jeweiligen Besuche dauern und je mehr Kaufaktionen über die Werbebanner von den Suchwerkzeugen aus initiiert werden, desto teurer kann der einzelne Werbeplatz vermarktet werden. Sämtliche Tools und Features der Internetportale zielen darauf, wie es im Jargon heißt, "Stickiness" zu entfalten. Aus der Marketingstrategie geht klar hervor, dass Portale eben nicht nur Einstiegsseiten, sondern darüber hinaus möglichst ständiger Begleiter sein wollen:

"They want surfers to remain with them, and they have gone to great lengths to entice users to stay longer - the so-called stickiness factor. As a result, the portal has morphed into one of the most complex, integrated Web properties imaginable. Most every major portal now offers news, search, chat, email, calendars, personalization, content, music downloads and video streaming.”[Ince 2001]

Die Entstehung von Internetportalen liegt in der Entwicklungslogik der internetspezifischen Suchwerkzeuge. Bei entsprechender funktionaler Erweiterung mutiert die ursprünglich tatsächlich als Einstieg dienende Navigationshilfe zum ständigen Begleiter aus Sicht der Nutzer, zum elektronischen Marktplatz mit erheblich gesteigertem Marketingpotential aus Sicht der Betreiber und Produktanbieter.

Web-Kataloge und Suchmaschinen gelten als erste Generation der internetspezifischen Suchwerkzeuge, Meta-Suchmaschinen und Hybrid-Suchwerkzeuge als zweite. Deren Kennzeichen bestehen in der Sekundärverwertung primärer Suchtools, der Erweiterung der erschlossenen Informationsräume durch parallele Auswertung mehrerer Suchwerkzeuge und der Kombination von intellektuell erzeugter klassifikatorischer Erschließung (Web-Kataloge) mit automatisch generierter Volltextindexierung (Suchmaschinen). Als dritte Generation sind schließlich die Portale auf der Basis einer deutlich erweiterten Marketingstrategie entstanden [Rösch 2001]. Zu den Erfolgsparametern zählen jetzt nicht mehr nur die Page Impressions, Visits, Ad Clicks, Unique Users usw., sondern darüber hinaus Clickstream, Keyword-based Advertising, Direct Marketing Campaigns und Transaction Fees. Die Erweiterung des Suchtools um "Content", "Community-building Services" und "Application Tools" sowie der Ausbau des bloßen Werbemediums zum elektronischen Markplatz geht damit einher.

Abbildung 2: MyYahoo mit zahlreichen Personalisierungsoptionen

Yahoo! hatte Ende 1996 die Entwicklung zum Internetportal ("My.Yahoo") eingeläutet (www.my.yahoo.com). Excite (www.excite.com) und Lycos (www.my.lycos.com) griffen das Portalkonzept im darauffolgenden Jahr auf, indem sie ihre Suchmaschinen und Kataloge um weitere Dienste anreicherten und erste Personalisierungsoptionen integrierten. Die Betreiber von Internetportalen stammten zunächst im wesentlichen aus vier unterschiedlichen Bereichen. Nach Suchmaschinen bzw. Web-Katalogen als erstem Typus bildeten die Internet Service Provider die zweite Gruppe von Portalanbietern. Im Sommer 1997 boten Planet Direct, c/net und andere den Providern Software an, die es erlaubte, nutzerspezifische Homepages zu erzeugen. Die Softwareanbieter nannten diese individuellen Homepages Portale und brachten Begriff und Konzept erstmals zueinander [Portal Time 1999]. AOL (www.aol.com/mynews) und CompuServe (www.compuserve.com), die mittlerweile zueinander gehören, zählen zu den klassischen Service Providern, die auf dieser Grundlage auf den Portalmarkt drängten. Ebenfalls noch 1997 stießen mit Netscape (my.netscape.com) und Microsoft Network (www.msn.com) Browserhersteller als dritte Gruppe von Portalanbietern hinzu. Eine vierte Gruppe von Portalanbietern bildeten Medienkonzerne. Der Disneykonzern etwa hat den Portalmarkt als zukunftsträchtiges Aktionsfeld entdeckt und den Einstieg durch eine Kooperation mit der Suchmaschine InfoSeek, später Go gewählt. In Deutschland ist das Nachrichtenmagazin Focus (www.focus.de) auf dem besten Weg, sein Internetangebot zu einem Portal auszubauen. Abzuwarten bleibt, in welchem Umfang weitere Betreiber von Internetportalen aus anderen Branchen auftreten werden. Prädestiniert sind dafür in erster Linie aktive Umschlagszentralen des E-Commerce, von denen bereits jetzt einige als Portal fungieren wie etwa Amazon.com und andere virtuelle Kaufhäuser. Aber auch Handelskonzerne, Vertriebsketten usw. könnten bald auf die Idee kommen, dass die eigene Mall attraktiver wird, wenn die Besucher mit den typischen Features eines Internetportals angelockt werden. Auch die klassischen Hosts als Content Provider stehen vor der Entscheidung, sich zu Portalbetreibern aufzuschwingen oder sich weiterhin auf die reine Zulieferfunktion zu konzentrieren.

2.2. Unternehmensportal

Der neue Portalbegriff war also 1997 geprägt und zunächst ausschließlich im Kontext des Internet gebraucht worden. Mitte 1998 fanden Begriff und Konzept in einem weiteren Bereich Anwendung: Anbieter diverser Software-Tools zum betrieblichen Informationsmanagement, verwendeten in ihren Pressemitteilungen erstmals den Begriff Corporate Portal. Den Auftakt zur Entwicklung eines eigenständigen Portaltyps für den Unternehmensbereich markierte eine Studie der Investmentbank Merrill Lynch im November 1998 [Shilakes/Tylman 1998]. Noch 1998 veröffentlichte das Knowledge Management Magazine eine Fallstudie zu den jetzt als Corporate Portals bezeichneten Produkten [Roberts-Witt 1998]. Im Februar 1999 publizierten führende IT-Magazine erste Artikel über Corporate Portals. Marktforschungsfirmen präsentierten umfassende Analysen und White Papers zur Situation und zu Entwicklungsperspektiven auf dem Markt für Corporate, Business oder Enterprise Information Portals. Im Vergleich zum Internetportal weist das Unternehmensportal bei allen strukturellen Gemeinsamkeiten markante Unterschiede auf. In Unternehmen geht es natürlich nicht darum, Benutzer zu motivieren, das Portal so oft und so lange wie möglich zu benutzen. Allein die instrumentelle Funktion im Kontext sowohl des klassischen Informationsmanagements als auch des modernen Wissensmanagements steht hier im Vordergrund. Die Übertragung des Portalkonzeptes auf den betrieblichen Sektor konnte daher nicht als schlichte Übernahme erfolgen, sondern setzte die funktionale Erweiterung und Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse des umgebenden Systems voraus [vgl. dazu Rösch 2000a]. Unternehmensportale sind jedoch nicht nur als konzeptioneller Import entstanden, sondern müssen zudem als logische Weiterentwicklung vorhergehender Entwicklungsstufen verstanden werden. Im betrieblichen Sektor sind dies das Intranet und weitere Software zur Optimierung vor allem des Informationsmanagements. Darüber hinaus umfasst das Unternehmensportal wichtige Funktionen des Wissensmanagements. Dazu gehören neben dem einheitlichen und konsistenten, dynamisch generierbaren Zugang zu diversen internen und externen Informationsquellen Tools zur Identifizierung vorhandenen Expertenwissens innerhalb und außerhalb des Unternehmens, Software zur Unterstützung von Erkenntnisprozessen durch Integrations- und Analysewerkzeuge (Reporting, Business Intelligence oder Executive Information Systems), Werkzeuge zur Unterstützung von Arbeitsprozessen durch Integration von Workflow-Funktionalitäten zur Weiterleitung und Verteilung von Informationen und Analyseergebnissen sowie Software zur Unterstützung themenzentrierter Kommunikation und Kollaboration [Koenemann/Lindner/Thomas 2000, S. 326].

Abbildung 3: Unternehmensportal von Plumtree

Der so charakterisierte Typus des Unternehmensportals, der vor allem von Großunternehmen wie z.B. Siemens, BMW, E.ON eingesetzt wird, hat allein betriebsinterne Funktion. Ab 2000 etwa entstehen im betrieblichen Kontext weitere Portalvarianten, über die der Geschäftsverkehr zwischen den Unternehmen abgewickelt wird und die Interaktionen zwischen Unternehmen und Endkunden im Sinne von Customer Relationship Management ermöglichen und erleichtern.

2.3. Wissenschaftsportal

Nach dem Internet und dem Unternehmenssektor wurde das Portalkonzept mit dem Wissenschaftssektor in ein weiteres gesellschaftliches Subsystem importiert. Innovationsbereite Bibliothekare haben die Bedeutung des Portalkonzeptes für ihre Handlungsfelder erkannt. Darauf deuten nicht nur die Mottos des 91. deutschen Bibliothekartages 2001 ("Bibliotheken - Portale zum globalen Wissen") und der IFLA-Generalkonferenz 2003 ("Bibliothek als Portal") hin. In Deutschland freilich wird der Begriff gegenwärtig zumeist reduktionistisch gebraucht. Bibliotheksportale bieten demnach kaum mehr als den Einstieg ins Internet und einen strukturierten Zugriff auf qualitativ geprüfte und sachlich erschlossene Quellen, die für Benutzer wissenschaftlicher Bibliotheken von Belang sind. Leider entsprechen diesem Zuschnitt auch die von der UB Bielefeld seit März 2001 angebotenen "Fachportale" (http://www.ub.uni-bielefeld.de/portals) ebenso wie das seit Ende 2000 zugängliche "Library Portal" der UNESCO (http://www.unesco.org/webworld/portal_bib), dessen Zielgruppe die Bibliothekare selbst sind.

Abbildung 4: Fach"portal" Theologie, Kunst, Musik der UB Bielefeld

"Bibliotheks-" oder "Wissenschaftsportal" in diesem reduktionistischen Verständnis und "Virtuelle Bibliothek" erweisen sich als bloße Synonyme. Die Einführung eines solchen Portalbegriffes in die bibliothekarische Terminologie wäre überflüssig und allenfalls als Tribut an den aktuellen publicitywirksamen Sprachgebrauch zu erklären. Mit ähnlicher Motivation haben manche Betreiber von Web-Katalogen und die Anbieter z.B. von Data Warehouses ihren Produkten das Prädikat eines Internet- bzw. Unternehmensportales zugesprochen, ohne freilich die Leistungsmerkmale im mindesten zu verändern.

Um aus der Ursprungskonzeption des Internetportals ein für das Wissenschaftssystem brauchbares Wissenschaftsportal zu gewinnen, bedurfte es ebenfalls funktionaler Erweiterungen und Anpassungen, die typologisch dem Unternehmensportal nahe stehen [vgl. dazu Rösch 2000b]. Vor allem in den USA und Großbritannien sind bereits Prototypen entwickelt worden, die mittlerweile mit Erfolg eingesetzt werden. Den ersten Anstoß gab Eric Lease Morgan 1998 mit seinem Vorschlag, Internetauftritte und netzbasierte bibliothekarische Dienstleistungen durch Personalisierungsoptionen zu optimieren: "MyLibrary in Your Library Could Make for Satisfied Patrons" [Morgan 1998]. Die Bezeichnung "MyLibrary" in Anlehnung an "MyYahoo" verweist auf die Verwandtschaft dieses bibliothekarischen Konzeptes mit dem Typus des Internetportales. Die Umsetzung dieser Idee erfolgte parallel an mehreren Stellen. MyLibrary-Portale wurden z.B. entwickelt an den Bibliotheken der University of California, Los Angeles (http://www.my.ucla.edu), der Virginia Commonwealth University, Richmond (http://www.library.vcu.edu/mylibrary), der Cornell University, Ithaca/New York (http://mylibrary.cornell.edu), der North Carolina State University, Raleigh (http://my.lib.ncsu.edu) oder der University of Washington, Seattle (http://myuw.washington.edu). Unter Leitung des Boston College (Newton, Massachusetts) und in Kooperation mit knapp zwei Dutzend weiteren US-amerikanischen Universitäten wurde im Dezember 1999 eine Arbeitsgruppe gegründet mit dem Ziel, ein "University-Wide Information Portal" zu entwickeln, das inzwischen im Einsatz ist [Gleason 2000]. Die amerikanischen Portalkonzepte für den Wissenschaftssektor sind zumeist zugeschnitten auf die dort vorherrschende spezifische Kultur, die den Campus als sozialen Kosmos, die Hochschule als eigenständiges kulturelles und ökonomisches Kraftzentrum ausweist. Diese Portale sind durch ausgesprochenen institutionellen Bezug gekennzeichnet, sie avisieren die einzelnen Funktionsbereiche ("academic", "administrative" und "community") nicht zuletzt mit dem Ziel, der eigenen Hochschule Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Im Mai 2000 wurde bei der Mitgliederversammlung der Association of Research Libraries in Baltimore/Maryland umfassend über die Entwicklung eines sogenannten Scholars Portal diskutiert, das im Gegensatz zu MyLibrary-Portalen institutionenübergreifenden Charakter haben soll [Campbell 2001].

Abbildung 5: MyLibrary als Bibliotheksportal der Cornell University Library

Dass in den USA der theoretischen und praktischen Beschäftigung mit Portalen für den bibliothekarischen Sektor bzw. die wissenschaftliche Informationsversorgung hohe Priorität beigemessen wird, ist nicht zu bestreiten. So konstatiert Jeff Barry im Library Journal: "Personalization, a longstanding innovation in e-commerce on the internet, is slowly coming to libraries.” [Barry 2000]. Ende 2000 widmete die im Auftrag der American Libraries Association herausgegebene Zeitschrift "Information Technology and Libraries" dem Thema "User-Customizable Library Portals" (http://www.lita.org/ital1904) ein Sonderheft. Seit Januar 2001 erscheint sogar eine eigene Zeitschrift zu diesem Komplex, die bezeichnenderweise den Titel "Portal. Libraries and the Academy" trägt und von der renommierten John Hopkins University herausgegeben wird (http://muse.jhu.edu/journals/pla/). Getragen werden diese Initiativen von der Überzeugung, dass Tätigkeitsfelder und Methoden wissenschaftlicher Bibliotheken einem dramatischen Wandel unterworfen sind: "The portal may be one of the change agents" [Lakos/Gray 2000].

Der in Großbritannien entwickelte Typus des Wissenschaftsportals hat stärker fach- bzw. disziplinspezifischen Bezug. Ausgangspunkt sind hier die Subject Gateways. Dabei handelt es sich ursprünglich um Zusammenstellungen netzbasierter fachspezifischer Quellen, die von Informationsspezialisten nach Qualitätsgesichtspunkten ausgewählt, mittels Metadaten erschlossen und über einen einheitlichen Zugang zur Benutzung bereit gestellt werden. Strukturell verwandt sind sie mit Bibliothekskatalogen und Bibliographien. Als Trend zeichnet sich mittlerweile ab, dass die Subject Gateways als "managed collection of resources" um zusätzliche Dienstleistungen, ein "integrated service environment" ergänzt werden, die sie typologisch in die Nähe zum Wissenschaftsportal rücken. Diese konzeptionelle Erweiterung findet im Begriff des "Subject Portal" ihren Niederschlag und wird seit Mitte 2000 als "Subject Portal Development Project (SPDP)" systematisch vorangetrieben. SPDP "will be investigating and proto-typing various cross-searching and community services" [MacLeod 2000]. Herausragendes Beispiel eines aus solcher Tradition entstandenen Wissenschaftsportals bildet neben der Edinburgh Engineering Virtual Library (EEVL) das an der University of Bristol betreute "Social Science Information Gateway (SOSIG)" (http://sosig.ac.uk/about_us/What_is.html). Neben dem originären Internet Catalogue und der Search Engine werden mit Social Science Grapevine und MyAccount zwei Segmente angeboten, in denen über Personalisierung hinaus weitere Kernfunktionen eines Wissenschaftsportals realisiert werden.

Abbildung 6: Wissenschaftsportal SOSIG

In Deutschland werden diese Entwicklungen aus dem amerikanischen und britischen Kontext, wenn überhaupt, erst sehr zögerlich zur Kenntnis genommen. Dabei lassen sich durchaus Ansätze erkennen, deren Ausbau zu portalähnlichen Strukturen naheliegend und sinnvoll erscheint. Für die Digitale Bibliothek Baden-Württemberg bestehen Planungen, die zumindest implizit auf die Entwicklung zu einem Wissenschaftsportal weisen. Bei [Schütte 2000] ist von Portal zwar nur im Sinne des bloßen Einstiegs die Rede, doch umfassen die nach diesem Konzept für die Digitale Bibliothek Baden-Württemberg vorgesehenen Funktionalitäten mit Personalisierung, Profildiensten und Benutzeragenten wesentliche Bestandteile eines Wissenschaftsportals. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft entwickelte und geförderte Konzept der "Verteilten Digitalen Forschungsbibliothek" bzw. der "Virtuellen Fachbibliothek" weist ebenfalls das Potential zu einem Wissenschaftsportal auf. Dies gilt z.B. für die virtuelle Fachbibliothek Anglo-Amerikanischer Kulturkreis, als deren Aufgabe allerdings beschrieben wird, "traditionelle und elektronische Informationsangebote über ein Portal zu bündeln" [Eck/Huber 2001, S. 48]. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch unter Begriffen wie "Informationsverbund Medizin" oder "Internetportal Wirtschaft" im Frühjahr 2001 vorgestellte Initiativen. Die Vielzahl der Bezeichnungen und die damit verbundenen teilweise höchst unterschiedlichen Portaldefinitionen stellen unter Beweis, dass eine begriffliche und inhaltliche Klärung überfällig ist. Andernfalls werden Verständigung und Kooperation unnötig erschwert oder gar verhindert.

Entstanden also sind Portalkonzeptionen im Umfeld des Internet. Die typologischen Grundstrukturen und Funktionalitäten der Internetportale sind umgehend aufgegriffen und modifiziert für andere gesellschaftliche Subsysteme nutzbar gemacht worden. Als Adaption des Urtypus Internetportal sind so die abgeleiteten Typen des Unternehmensportales und des Wissenschaftsportales entstanden.

3. Funktionalitäten

Konstitutiv für Internetportale sind sieben Funktionalitäten, bei Unternehmens- und Wissenschaftsportalen treten zwei weitere hinzu. Diese Kernfunktionen werden in den einzelnen Anwendungsbereichen aufgrund jeweils unterschiedlicher Zweckbestimmungen entsprechend modifiziert.

1. Einheitlicher Einstiegspunkt: Eine Vielzahl von Datenbanken, Dienstleistungen und Anwendungen wird gebündelt und kann über ein einziges Login genutzt werden. Die Portalmetapher ist sicher mit Blick auf dieses Merkmal entstanden, wenngleich der Typus Portal natürlich nicht darauf reduziert werden darf.

2. Simplizität: Portale basieren in der Regel auf den Standards verbreiteter Internetbrowser, deren Handling einfach und einer möglichst großen Zahl von Kunden vertraut ist. Auch die über das Portal zugänglichen sonstigen Tools wie Adressbücher, Kalender, Programme zur Generierung eigener Homepages usw. müssen sich an verbreiteten Standards orientieren. 3. Leistungsfähige Suchwerkzeuge: Der Benutzer erwartet, auf seiner Einstiegsseite sowohl auf eine Suchmaschine als auch auf eine thematische Liste zugreifen zu können. In der Verbindung von "Search" und "Browse", automatischer und intellektueller Indexierung wird der Komplementarität beider Typen Rechnung getragen. Besondere Features bilden die dateitypspezifische Suche nach Foto-, Audio- oder Videodateien aus dem Web.

Für alle Portaltypen sind möglichst leistungsfähige Suchwerkzeuge grundlegend.

4. Aggregation großer Informationsmengen: Im Vergleich zu bloßen Suchmaschinen oder Web-Katalogen präsentieren Portale zusätzliche Informationsangebote und werden damit zu Content Providern. Zu diesem Zweck sichern sie sich mittels strategischer Allianzen möglichst wichtige und qualitätvolle Inhalte von im jeweiligen Segment ausgewiesenen Partnern.

5. Strukturierung und Aufbereitung von Informationen: Tools und Applikationen werden bereitgestellt, die es erlauben, aufgaben- und projektrelevante Informationen so präzise wie möglich und so umfassend wie nötig ohne Zeitverzug identifizieren, bewerten und weiterverarbeiten zu können. 6. Integration von Zusatzfunktionalitäten: Zuvor isoliert angebotene Programme, Datenbanken und Dienstleistungen werden in eine einheitliche Informationsumgebung integriert, die standardisierte und intuitive Browseroberfläche des Portals. Unternehmensportale und Wissenschaftsportale erfüllen mit den bisher genannten Eigenschaften vorwiegend Funktionen des klassischen Informationsmanagements. Um die volle Funktionalität eines Portals zu erreichen, muss zu der für das Informationsmanagement typischen Objektorientierung die Subjektorientierung treten. Mit den folgenden drei Merkmalen erfüllen Unternehmensportal und Wissenschaftsportal auch Aufgaben des Wissensmanagements. Sie verbinden damit nicht nur "Needs" und "Skills", sondern auch "Peers".

7. Personalisierung: Methodisch erfolgt Personalisierung durch reaktive Verfahren wie Registrierung durch individuelle ID und Passwort, Eingabe persönlicher Daten seitens des Nutzers oder Definition des individuellen Interessenprofils im Check-Box-Verfahren und durch nichtreaktive Verfahren. Mittels statistischer Auswertung der über das Portal ausgeführten Aktivitäten werden z.B. Clickstreams und Clickrates ermittelt, die weitere Verwendung zu regelbasierter Segmentierung und Collaborative Filtering-Verfahren finden [vgl. Janetzko 1999, S. 165-191]. Der typologische Unterschied zwischen Internetportalen und Suchwerkzeugen, Unternehmensportalen und z.B. Data Warehouses, Wissenschaftsportalen und etwa Subject Gateways oder virtuellen Bibliotheken basiert wesentlich auf den Personalisierungsoptionen.

8. Kommunikation und Kollaboration: Neben der Personalisierung ist als weiteres portalkonstituierendes Merkmal vor allem die Bereitstellung von Kommunikationskanälen und -räumen hervorzuheben. Im Falle der Unternehmensportale und der Wissenschaftsportale sind die kommunikativen Infrastrukturen zweckgebunden und zielen darauf, kollaborative Arbeits- und Erkenntnisprozesse über das Portal nicht nur zu ermöglichen sondern auch zu optimieren. 9. Validierung von Informationen: Die kollaborativen Tools von Unternehmens- und Wissenschaftsportalen bilden die Voraussetzung für Informationsbewertungs- und -validierungsprozesse.

Kernfunktionen Internetportal Unternehmensportal Wissenschaftsportal
Einheitlicher Einstiegspunkt XXX
Simplizität XXX
Leistungsfähige Suchwerkzeuge XXX
Aggregation großer Informationsmengen XXX
Strukturierung und Aufbereitung von Informationen (X)XX
Integration von Zusatzfunktionalitäten XXX
Personalisierung XXX
Kommunikation und Kollaboration XXX
Validierung von Informationen  XX

Abbildung 7: Kernfunktionalitäten von Portalen

Auf der Grundlage der beschriebenen Kernfunktionalitäten lässt sich für alle drei Anwendungsbereiche ein Portalbegriff definieren, der sich deutlich abhebt von dem inflationär gebrauchten reduktionistischen Modebegriff. Wirkliche Portale können damit abgegrenzt werden von sogenannten "portalwannabes".

4. Typologie

4.1. Funktionale Grundtypen

Zu unterscheiden sind zunächst horizontale und vertikale Portale. Horizontale Portale ("Hortals") zielen auf einen breiten Massenmarkt oder eine unspezifische Grundgesamtheit und sind tendenziell vollständigkeitsorientiert. Dies gilt hinsichtlich des thematischen Spektrums und der Klientel. Auch die Erschließung von Informationen, die Präsentation zusätzlicher Inhalte ("content") und die bereitgestellten Anwendungsprogramme orientieren sich an Breite statt an Tiefe. Internetportale wie My.Yahoo!, My.Netscape usw. verkörpern den Typus des horizontalen Portals. Als synonyme Bezeichnungen tauchen auf Consumer Portal, Public Portal, General Interest Portal oder Generic Portal. Aber auch die Metaportale von Großunternehmen und Wissenschaftslandschaften, die eine durch zahlreiche Subportale vernetzte große Grundgesamtheit vollständig umfassen, können als horizontale Portale gelten.

  Horizontales Portal Vertikales Portal
Inhalt Breites Spektrum Spezifische Themen
Zielgruppe Massenpublikum Spezifische Zielgruppe
Produktpalette der Werbung und Transaktionen Breites Spektrum Spezieller Bedarf
Marktabdeckung Massenmarkt Spezifisches Marktsegment
Synonyme Consumer Portal
Public Portal
General Interest Portal
Generic Portal
Affinity Portal
Niche Portal
Vortal

Abbildung 8: Merkmale von horizontalen und vertikalen Portalen

Vertikale Portale ("Vortals") beziehen sich durchgängig auf Ausschnitte oder definierbare Untermengen. Beschränkung erfolgt im Hinblick auf Themen, Zielgruppen und Marktsegmente. Die fachliche Beschränkung führt dazu, dass Informationen und Dienstleistungen zu dem je spezifischen Themenbereich tiefer strukturiert werden. Der Akzent liegt also eindeutig auf Qualität statt Quantität, auf Differenzierung und Spezialisierung, d.h. Tiefe statt Breite. Vertikale Internetportale werden auch als Affinity Portals, Niche Portals oder Special Interest Portals bezeichnet.

4.2. Varianten nach Systembezug

Mit dem Internetportal, dem Unternehmensportal und dem Wissenschaftsportal sind gegenwärtig drei typologische Varianten unter dem Aspekt des Systembezugs zu unterscheiden.

Internetportale: Die bekanntesten und am stärksten frequentierten Internetportale zielen auf ein nicht spezifiziertes Massenpublikum. Dem Massenmarkt tragen auch die in diesen horizontalen Portalen angebotenen Inhalte und Dienstleistungen Rechnung. Vertikale Internetportale richten sich an eine durch demografische oder soziologische Faktoren bzw. durch thematische Interessen definierte Untermenge. Im vertikalen Internetportal werden also ein spezifisches Thema und Menschen mit besonderem Interesse daran zueinander gebracht. Der ökonomisch interessante Aspekt besteht darin, dass nicht nur "Content" und "Community" sondern auch "Commerce" in Beziehung gebracht werden. Das vertikale Portal ist daher für zielgruppenspezifische Marketingstrategien von besonderer Attraktivität. Während die "Clickthroughrate" bei Bannern auf horizontalen Portalen im Schnitt bei 0,5 Prozent liegt, ist der entsprechende Wert bei Special Interest Portalen deutlich größer. Daher liegen die Preise für Bannerwerbung bei vertikalen Portalen sehr viel höher als bei horizontalen [Hartmann 2000, S. 11].

Unternehmensportale: Als konzeptionelle Weiterentwicklung klassischer Intranets sind Unternehmensportale zu verstehen. Hervorstechend ist die Erweiterung des Informationsmanagements um Funktionen des Wissensmanagements. Synonyme Begriffe sind Business Portal, Corporate Portal, Enterprise Information Portal oder Business-to-Employee-Portal (B2E-Portal).

Neben diesem unternehmensintern orientierten Typus sind Business-to-Business-, kurz B2B-Portale entstanden. Dabei handelt es sich um vertikale Portale, die unternehmensübergreifende Wertschöpfungsketten bzw. Produktmärkte erschließen, also Zulieferer, Dienstleister, Hersteller und Distributionspartner miteinander verbinden und in der Tradition der Extranets stehen. Manche Unternehmen bieten zusätzlich Portale mit einer dem Internet zugewandten offenen Seite an, um die Kundenbindung zu stärken und den Direktvertrieb unter Ausschluss von Intermediären zu ermöglichen. Diese Business-to-Consumer-, kurz B2C-Portale sind Weiterentwicklungen der frühen öffentlichen Internetauftritte von Unternehmen via Homepage.

Wissenschaftsportale: Neue Medien und globale Vernetzung sorgen auch im Wissenschaftssystem für eine deutlich spürbare Veränderung der Kommunikationskultur. Als Infrastruktur für den gestiegenen Informations- und Kommunikationsbedarf, als Instrument eines optimierten Informationsmanagements und eines neu hinzutretenden Wissensmanagements fungiert das Wissenschaftsportal.

Besonderes Gewicht kommt dabei der vertikalen Kumulation der am wissenschaftlichen Kommunikations-, Erkenntnis- und Verwertungsprozess beteiligten Personen und Institutionen zu. Das Wissenschaftsportal ist damit typologisch verwandt mit dem Unternehmensportal, zeigt jedoch zudem ausgeprägte Merkmale eines B2B-Portals. Varianten des Wissenschaftsportals unterscheiden sich durch den Bezug auf einzelne Hochschulen (Lokales Wissenschaftsportal, Universitätsportal), einzelne Disziplinen (Vertikales Wissenschaftsportal, Wissenschaftliches Fachportal, Subject Portal) und territorial oder typologisch definierte Wissenschaftslandschaften (Nationales oder internationales Wissenschaftsportal, Scholars Portal, Academic Portal). Als Betreiber von Wissenschaftsportalen kommen neben Hochschulbibliotheken auch Verbundzentralen oder sonstige Dienstleister, wissenschaftliche Fachgesellschaften, Interessenverbände, Verlage, Hosts oder andere kommerzielle Träger in Frage.

5. Entwicklungsperspektiven

Mit ihrem Funktionsumfang und ihrem Leistungsvolumen erweisen sich Internetportale, Unternehmensportale und Wissenschaftsportale als Infrastrukturen, die es erlauben, den für die Informationsgesellschaft spezifischen Ansprüchen in ihren jeweiligen Anwendungsfeldern gerecht zu werden. Internetportale übernehmen als elektronische Marktplätze zentrale Funktionen des E-Commerce. Unternehmensportale sorgen betriebsintern für optimiertes Informationsmanagement und integriertes Wissensmanagement, im B2B-Bereich verschaffen sie dem Rationalisierungspotential des E-Business Geltung. Wissenschaftsportale präsentieren einen adäquaten Rahmen für wissenschaftliche Lern- und Kommunikationsprozesse auf lokaler, fachspezifischer oder interdisziplinärer Ebene.

Im Internet dominieren ursprünglich horizontalen Portale, die mit breitem inhaltlichen Spektrum auf ein Massenpublikum zielen. Dieser Portaltypus wird vermutlich deutlich zurückgehen zugunsten einer Vielzahl vertikaler Portale oder auch Nischenportale, die konzentriert auf spezifische Themen eine spezifische Zielgruppe avisieren. Im Unternehmenssektor zeigen sich mehrere Trends. Zum einen integriert in großen Umgebungen ein horizontales Metaportal mehrere vertikale interne Portale. Zum anderen werden Portale im betrieblichen Kontext immer stärker eingesetzt, um die Business-to-Business-Aktivitäten zu koordinieren. Branchenspezifische B2B-Portale gewinnen spürbar an Bedeutung. Einige Unternehmen setzen Portalstrukturen nicht nur für unternehmensinterne Zwecke und zur Organisation zwischenbetrieblicher Kooperation ein, sondern auch für den Direktvertrieb. Damit tritt die Business-to-Consumer-Relation hinzu, die ansonsten von den Internetportalen hergestellt wird. Wissenschaftsportale sind im angloamerikanischen Umfeld bereits im Einsatz. Vor allem aufgrund der Personalisierungsoptionen und der integrierten Infrastruktur für Kommunikation und Kollaboration werden Portale mittelfristig auch im Wissenschaftssystem eine tragende Rolle spielen. Offen ist freilich, ob Bibliotheken, neue Infrastruktureinrichtungen, wissenschaftliche Fachgesellschaften, Verlage oder andere kommerzielle Träger die Betreiber von Wissenschaftsportalen sein werden.


Literaturverzeichnis

[Barry 2000]
Barry, Jeff: Delivering the Personalized Library. In: Library Journal 2000, 13, August, S. 60f.

[Campbell 2001]
Campbell, Jerry D.: The Case for Creating a Scholars Portal to the Web: A White Paper. In: Portal. Libraries and the academy. 1, 2001, 1, S. 15-21; http://muse.jhu.edu/journals/portal_libraries_and_the_academy/v001/1.1campbell.html.

[Eck/Huber 2001]
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Zum Autor

Prof. Dr. Hermann Rösch

Fachhochschule Köln
Fachbereich Bibliotheks- und Informationswesen
Claudiusstrasse 1
D-50678 Köln
E-Mail: Hermann.Roesch@fh-koeln.de