Scholarly Communication and the role of University Libraries
Bericht von der 22. IATUL-Konferenz vom 28. Mai bis 1. Juni 2001 in Delft/Niederlande

von Irmgard Lankenau

Wenn sich die internationale Vereinigung der technischen Universitätsbibliotheken zu ihrer jährlich stattfindenden Konferenz trifft, so kann man neben einer wahrlich internationalen Beteiligung - in diesem Jahr 135 Teilnehmer aus 32 Ländern - interessante und zukunftsweisende Vorträge und Diskussionen erwarten. Zudem finden diese Konferenzen meist an Orten statt, an denen interessante Bibliotheksbauten und -dienstleistungen besichtigt und diskutiert werden können. Allein das architektonische und bibliothekarische Konzept des Neubaus der Universitätsbibliothek Delft mit dem weithin sichtbaren Grasdach ist eine Reise wert und so erfreuten sich auch die Führungen durch die Bibliothek während der Tagung großer Beliebtheit (www.library.tudelft.nl). Erwähnt werden soll auch das hervorragend organisierte Beiprogramm, das neben den üblichen Empfängen auch einen Besuch der Bibliothek in Tilburg oder wahlweise bei SwetsBlackwell in Lisse bot. Der bei IATUL-Konferenzen schon traditionelle Halbtagesausflug führte die Teilnehmer in diesem Jahr nach Rotterdam, von wo aus eine längere Fahrt im Mündungsgebiet des Rheins gemacht wurde. Die Zeit auf dem Schiff wurde zu ausgiebigen Diskussionen und Gesprächen genutzt und trug ganz wesentlich zur entspannten und kollegialen Atmosphäre während der Konferenz bei.

Im Mittelpunkt des diesjährigen Treffens standen die Rolle der Bibliotheken und ihr wesentlicher und unverzichtbarer Beitrag für die wissenschaftliche Kommunikation. Dabei konzentrierte man sich auf vier Aspekte:

Zur Einführung in diese Themenbereiche gab es zu Beginn der Konferenz eine sog. "Information Agora" mit Berichten aus der bibliothekarischen Praxis: 16 Teilnehmer der Konferenz präsentierten ihre konkreten Planungen, aber auch ihre Visionen für die kommenden Jahre. Auf der einen Seite wurde durch diese Beiträge deutlich, dass die vier Hauptthemen der Konferenz tatsächlich diejenigen sind, die Bibliotheken in aller Welt beschäftigen. Auf der anderen Seite aber wurde auch klar, dass es hier durchaus verschiedene Ansichten gibt, u.a. zu der Frage, ob es denn nun wirklich sinnvoll und nützlich ist, wenn jede Bibliothek ihr eigenes fachliches Portal aufbaut oder ob hier nicht mehr Kooperation angesagt sein könnte. Gleiches gilt für den Aufbau und das Angebot von Online-Tutorials. Zweifel beschlichen einige Zuhörer auch bei der radikalen Forderung, die vor allem von amerikanischen Bibliothekaren erhoben wird, nämlich nach der Übernahme der Universitätsverlage durch die Bibliotheken. Mag dies in einzelnen Fällen auch sinnvoll sein, so stellt sich doch die Frage, ob für Bibliotheken nicht auch gelten sollte, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Die unterschiedlichen Ansichten zu diesen Fragen wurden auch in den Diskussionen deutlich, die nicht nur im Plenum, sondern auch in Arbeitsgruppen geführt werden konnten. Als Ergebnis hielt Ulrike Eich von der Bibliothek der RWTH Aachen fest: "Vorherrschend ist der Eindruck, dass die wissenschaftlichen Bibliotheken unter den Bedingungen wachsender Kommerzialisierung und Globalisierung eine intensive Orts- und Funktionsbestimmung betreiben und sich dabei auf ihre spezielle Kompetenz und Professionalität stützen: Informationen zu ermitteln, zu ordnen und zu bewerten und dies als Dienstleistung anzubieten, sowohl in der Vermittlung von Informationskompetenz als auch in der Erledigung von Anfragen und Rechercheaufträgen".

Interessant bei diesen Präsentationen, dass nur die absolute Minderheit der Bibliotheken es (noch) als ihre Aufgabe ansieht, den Altbestand zu sichern, zu pflegen und retrospektiv zu katalogisieren und eine sinnvolle Mischung von traditionellen und elektronischen Dienstleistungen anzubieten.

Die Idee, die Konferenz mit diesen Statements beginnen zu lassen, erwies sich als sehr glücklich. Denn damit waren Problemkreise angesprochen und nicht in theoretischer, sondern in ganz praktischer Hinsicht, die auch zu Diskussionen außerhalb der Veranstaltungen führten.

Unter den Beiträgen zur Konferenz waren aus persönlicher Sicht einige, die man für verzichtbar oder uninteressant für den eigenen Aufgabenbereich hielt. Jedoch kann gesagt werden, dass es in jedem der vier Themenbereiche interessante Präsentationen gab, einige davon können ohne zu übertreiben als "Highlights" bezeichnet werden.

Im Themenkreis (E)-publishing wurde überwiegend die Rolle von Bibliotheken, kommerziellen Verlagen und der Wissenschaftler selbst im Prozess der Veröffentlichungen diskutiert. Selbstverständlich kam hier das Unbehagen über die gegenwärtige Veröffentlichungspraxis und die Preispolitik der Verlage zum Ausdruck, dem auch die anwesenden Vertreter von Verlagen nichts entgegenzusetzen hatten. Es kündigte sich auf jeden Fall an, dass in diesem Bereich eine Verschärfung der Situation erwartet wird, die sicherlich auch zukünftige Fachkonferenzen beschäftigen werden.

Das Thema "Logistics" fand seinen Höhepunkt in der Präsentation von Herbert van de Sompel (http://www.cs.cornell.edu/people/herbertv/), der im übrigen auch als der "Vater" von SFX gelten darf. In seinem Beitrag "The Metadata Harvesting Protocol of the Open Archives Initiative and Systems for Scholarly Communication" überzeugte er mit seiner Vision, wie verteilte elektronische Informationsquellen zu neuen Dienstleistungen organisiert werden können, in dem verschiedene Dienste über das metadata harvesting protocol miteinander verknüpft werden können. Dies kann die Basis für neue integrierte Dienstleistungen sein und ist sicherlich nicht nur für Bibliothekare, sondern auch für kommerzielle Informations- und Softwareanbieter von zukunftsweisender Bedeutung.

In das Thema "Benutzerschulung und -ausbildung" führte Ross Todd aus Australien, zur Zeit Gastprofessor an der Rutgers University/USA, in überaus überzeugender Weise ein. Gestützt auf kürzlich durchgeführte Untersuchungen zeigte er auf wie wichtig es ist, beim Angebot von Endnutzerdienstleistungen wieder mehr die Kenntnisse, das Informationsverhalten und die Wünsche der Benutzer zu berücksichtigen. Spannend war in diesem Zusammenhang die Präsentation von Theo Bothma (http://is.up.ac.za/staff/bothma.htm) und Johannes Cronjé (http://hagar.up.ac.za/catts/abchome.html) von der Universität in Pretoria: sie zeigten auf, welche kreativen und überzeugenden Lösungen es für e-teaching und -learning geben kann. Allerdings wurde auch bestätigt, dass die Zeit, die Lehrende für diese Form des Lehrangebotes investieren müssen, weit über das Gewohnte hinausgeht.

Das Thema Marketing von Dienstleistungen zeigte, dass dies noch immer ein Stiefkind der bibliothekarischen Aufmerksamkeit ist und dass sich nur wenige Bibliotheken - auch in den USA und Skandinavien - hier professionellem Wissen bedienen.

Der letzte Tag, der unter dem Thema "Mission" stand, war der Höhepunkt der Konferenz. Nicht nur die Vortragenden glänzten mit ihren Beiträgen, sondern es stellt sich auch heraus, dass durch diese Grundsatzreferate ein Bogen über die ganze Konferenz geschlagen wurde und viele der angesprochenen Themen in einen neuen Zusammenhang gestellt wurden, so dass dem Programmkomitee ein großes Kompliment zur Auswahl der Referenten gemacht werden muss.

Zunächst hielt der allseits bekannte Entwicklungsdirektor der finnischen Nationalbibliothek, Juha Hakala, eine überzeugende Vorlesung über "Libraries, metadata and preservation of electronic resources". Seine Begabung, diesen komplexen Themenbereich zu strukturieren und zu erläutern und nicht nur an der Oberfläche zu bleiben, verdient besonders erwähnt zu werden. Diese Einführung, die nicht nur die technischen, sondern auch die organisatorischen und nicht zuletzt bibliothekarischen Aspekte aufzeigte und die Notwendigkeit von Metadaten nicht nur zur Wiedererkennung von elektronischen Ressourcen, sondern auch für deren Kennzeichnung zur Bewahrung demonstrierte, ließ die Zuhörer erahnen, was in diesem Bereich nicht nur auf Bibliotheken, sondern auf die Gesellschaft an sich zukommt.

Leo Waijers, der diesjährige Gastgeber der IATUL-Konferenz, griff in seinem Beitrag, der den Titel der Konferenz trug, nochmals die Problematik der Wissenschaftlichen Kommunikation auf und appellierte an Bibliothekare und Wissenschaftler, das Feld nicht (nur) den kommerziellen Verlagen und Anbietern zu überlassen, sondern die Rolle anzunehmen, die ihnen durch die heutige Informations- und Kommunikationsinfrastruktur vorgegeben ist.

Den fulminanten Schlusspunkt der Konferenz setzte Eugenie Prime (www.hpl.hp.com/features/eugenie_prime_interview.html), Leiterin der Hewlett Packard Forschungsbibliotheken. Unter dem Motto "The future is so bright, I gotta wear shades" ermunterte sie nicht nur, sondern forderte von den Bibliothekaren mehr Mut, die Zukunft zu gestalten und sich dazu bekannter Managementmethoden zu bedienen. Ihre professionelle Art der Präsentation und die Art, wie sie ihre Zuhörer als Persönlichkeit überzeugte, waren geeignet, den Teilnehmern der diesjährigen IATUL-Konferenz Selbstvertrauen und einen positiven Blick in die Zukunft mit auf den Weg zu geben.

Zusammenfassend kann man sich als Teilnehmerin der Konferenz ohne Vorbehalt dem Urteil von Irma Pasainen aus der Bibliothek der Technischen Universität in Helsinki anschließen:

"Once again it was possible to position one's library among its peers in an encouraging atmosphere. The conference offered up-to-date cyberspace navigation theories, technique and tools for libraries in a format which I find most useful. Workshops, presentations and discussions regarding the role of university libraries were all quite interesting and paved the way for many new ideas."

Die Volltexte der Konferenzbeiträge sind ebenso wie die Einladung zur IATUL-Konferenz 2002, die in Kansas City, Missouri, stattfinden wird, auf der Homepage von IATUL zu finden: www.iatul.org


Zur Autorin

Dr. Imgard Lankenau ist Direktorin der

Universitätsbibliothek Koblenz-Landau
Im Fort 7
D-76829 Landau
E-Mail: Lankenau@uni-koblenz-landau.de