Bilanz in Büchern: Pädagogisch wichtige Bücher im 20. Jahrhundert


- Katalog zur Ausstellung. Berlin:
Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, 2000. 52 S.

Aufgabe von Spezialbibliotheken ist nicht nur die Sammlung von Schrifttum auf einem eng begrenzten Gebiet, sondern auch - in enger Beziehung mit den jeweiligen Fachwissenschaftlern - dessen Auswertung. In diesem Sinne setzt die von der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung und der Sektion Historische Bildungsforschung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft gemeinsam vorbereitete und durchgeführte und um eine Tagung ergänzte Ausstellung "Bilanz in Büchern" mit dem Untertitel "Pädagogisch wichtige Bücher im 20. Jahrhundert" (1) Zeichen und stellt ein interessantes Experiment vor (2).

Die Ausstellungsmacher kamen mit diesem Beitrag einem "Bedürfnis nach umfassender Bilanzierung" nach (S. 3). "Für eine Bibliothek, die sich der Aufgabe verschrieben hat, die bildungsgeschichtliche Forschung mit ihren Dienstleistungen zu unterstützen, ist es nahe liegend, eine Bilanz in Form von Büchern vorzulegen - Büchern, die für die Pädagogik von Bedeutung waren und sind." (S. 4)

In der Einleitung von Klaus-Peter Horn und Christian Ritzi wird die Vorgehensweise beschrieben. Im Februar 2000 wurde an 1.600 hauptberuflich mit pädagogischer und erziehungswissenschaftlicher Literatur arbeitende Wissenschaftler ein Fragebogen mit folgender Aufforderung versandt: "Teilen Sie uns bitte von bis zu zehn zwischen 1900 und 1999 erschienene Bücher mit, die Ihrer Ansicht nach herausragende Bedeutung für die Pädagogik hatten bzw. haben" (S. 13). Leider wurden nur 168 ausgefüllte Fragebogen zurückgesandt. Diese enthielten 626 verschiedene Veröffentlichungen von 421 Autoren. Der am häufigsten genannte Titel "Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung" des Psychoanalytikers Siegfried Bernfeld (1. Aufl. 1925) erhielt 42 Nennungen. Es folgen mit 34 Nennungen "Demokratie und Erziehung" von John Dewey, einem der führenden Vertreter der pädagogischen Reformbewegung in den USA (1. dt. Aufl. 1930), und mit 30 Nennungen "Führen oder Wachsenlassen: eine Erörterung des pädagogischen Grundproblems" des Erziehungswissenschaftlers und Vertreters der "geisteswissenschaftlichen" Pädagogik Theodor Litt (1. Aufl. 1927). 453 Bücher wurden dagegen nur einmal aufgeführt.

Ausstellung und Katalog berücksichtigen jene 100 Veröffentlichungen, die mindestens dreimal genannt wurden.

Diese 100 Bücher werden im Katalog in der Reihenfolge der abnehmenden Häufigkeit der Nennungen aufgeführt und mit einer ausführlichen Titelaufnahme und der Anzahl der Nennungen versehen. Bei den ersten zehn Titeln werden eine Kurzbiographie des Autors, die Anzahl der Auflagen und eine Kurzfassung des Inhaltsverzeichnisses hinzugefügt.

Sicherlich kann das Ergebnis dieser Umfrage nur einen ersten Eindruck vermitteln. Trotzdem zeigt sich in Umrissen die deutsche Bildungsgeschichte als Teil der deutschen Geschichte mit all ihren Brüchen und Neuanfängen, insbesondere den Einfluss der beiden Weltkriege und der Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands. Dabei sind die Antworten auch immer ein Spiegelbild der Befragten selbst.

Durch diese Umfrage konnten auch einige für die bildungshistorische Forschung interessante Fragen ansatzweise beantwortet werden. Zum Beispiel: In welchen Verlagen sind die für die Pädagogik wichtigsten Bücher erschienen? Welcher zeitliche Abstand existiert zwischen den Erscheinungsjahren von der zunächst in einer anderen Sprache erschienenen Originalausgabe und der ersten deutschen Übersetzung?

Ausstellung und Katalog sind ein Glücksfall. Der Rezensent beglückwünscht die Herausgeber und Initiatoren zu diesem Ergebnis. Mögen sie viele Nachahmer finden!

Der Katalog vermittelt viele Erkenntnisse und kann der bildungshistorischen Forschung wichtige Impulse geben. Den Spezialbibliotheken gibt er Hinweise auf eine weitere Möglichkeit der Darbietung ihrer Bestände .


Anmerkungen

1. Die Ausstellung fand vom 2.10.2000 bis zum 5.1.2001 in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung statt. Die Tagung "Klassiker und Außenseiter" ergänzte die Ausstellung mit 10 Beiträgen zu einzelnen Titeln sowie der Fragebogenauswertung, die die Grundlage für die Ausstellung gewesen ist.

2. Dass derartige Rückbesinnungen auch in anderen Bereichen durch Ausstellungen begleitet werden, zeigte die Galerie Brusberg Berlin Kurfürstendamm 213 vom 18.11.2000 bis 27.1.2001 mit "Kreuzfahrt 1900 - 2000. Bilder aus einem Jahrhundert". Die "Künstlerliste" des Prospekts umfasst 43 Künstler von Gerhard Altenbourg über Salvador Dalí, Max Klinger und Pablo Picasso bis Hans Uhlmann.


Anschrift des Rezensenten:
Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin