Werner Hartmann, Michael Näf, Peter Schäuble:
Informationsbeschaffung im Internet -
Grundlegende Konzepte verstehen und umsetzen.


- Zürich: Orell Füssli Verlag, 2000. 158 S.
ISBN: 3-280-02793-4. DM 38,-

Wer richtig rangiert hat mehr vom Leben: "Informationsbeschaffung im Internet"

Wer heute das Internet betritt, begibt sich in Gefahr, darin unterzugehen. Die gigantische Menge an Informationen und Daten, die hohe Dynamik und die nur geringe Konstanz der Angebote, die noch immer ungewohnte nicht-lineare Informationsaufbereitung, das nicht erkennbare Verhältnis von wichtigen, seriösen Informationen und unzähligem Datenmüll machen Hilfen für die Navigation im Internet zu viel gelesenen Handbüchern. Die Stichwortsuche nach dem Begriff "Internet" in den deutschen OPACs ergibt eine Trefferzahl von mehr als 7500. So wundert es nicht, dass sich Autoren aus allen möglichen und unmöglichen, häufig mit dem Internet nur marginal zusammenhängenden Bereichen berufen fühlen, dem Laien oder Profi Handreichungen für das Überleben im Internet angedeihen zu lassen. Werner Hartmann, Leiter der Didaktikausbildung am Department Informatik der ETH Zürich und Leiter des Bildungsservers EducETH, Michael Näf, Informatiker und freier Kursleiter sowie Peter Schäuble, Geschäftsführer der Eurospider Information Technology AG haben ein solches Werk geschrieben und bei Orell Füssli verlegt.

"Informationsbeschaffung im Internet - grundlegende Konzepte verstehen und umsetzen" ist der Titel ihres Buches. Dabei richtet sich dieses Buch, genau wie die unzähligen Angebote im Internet eigentlich an alle Personen, die im Internet Informationen suchen möchten. Nun, wer sich heute ins Internet begibt hat eigentlich kein anderes Ziel und so überrascht es nicht, dass sich die Autoren an Datenschutzbeauftragte, Medienschaffende, Entwicklungsingenieure, Bankfachleute, Wissenschaftler, Marketingspezialisten, natürlich an Mediziner, an Studenten und Schüler aller Fachrichtungen gleichermaßen wenden, kurzum eigentlich doch wieder an alle. Ach ja, auch an Bibliothekarinnen (nicht an Bibliothekare!) und damit auch wieder an Vertreter unserer Profession. Als Voraussetzung für die Nutzung des Buches werden von den Autoren grundlegende Fertigkeiten und Erfahrungen im Internet angegeben und diese unspezifische Angabe genügt auch, wenn man die einzelnen Kapitel näher ansieht. Das 158 Seiten starke Buch mit einem kleinen Stichwortverzeichnis ist als Lehrbuch aufgebaut. Einige Fragen jeweils zu Beginn der 10 Kapitel leiten in die jeweilige Problemstellung ein (mit eindeutigen Piktogrammen für all diejenigen, die mehr schauen als lesen), deren Beantwortung dann im Kapitel (wieder mit den unvermeidlichen Piktogrammen) versucht wird.

Kapitel 1 liefert einen allgemeinen Überblick über das "Internet als Informationsquelle" und stellt einige Grundweisheiten, die man schon immer kannte und doch ganz gerne wiederholt sieht zusammen und kombiniert dies mit dokumentarischem Halbwissen, das sicher mehr den "Bankfachleuten" als den "Bibliothekarinnen" von Nutzen sein wird. Datenkollektion, Informationsdienste, Informationssysteme sind einige der behandelten Unterpunkte und am Ende des Kapitels erfährt der Leser, dass sich die Autoren bei der Lösung der Übungsfragen bewusst gänzlich von der Internet-Realität fernhalten und (zu allem Überfluss) zwei völlig fiktive Informationsdienste qua Suchmaschinen durch das Lehrbuch führen werden. Auf knapp 20 Seiten werden im nachfolgenden Kapitel "Moderne Suchmethoden" beschrieben und anschaulich vorgeführt. Es dauert allerdings eine Weile, bis man sich an die Schweizer Terminologie gewöhnt hat, denn wer mit den sechs "Rangierungsprinzipien" des Internets konfrontiert wird, muss zunächst scharf nachdenken, ob dieses Kapitel nicht doch eher dem Fachangestellten an Schweizer Staatsbahnen zugedacht ist. Aber nichts anders als Ranking- und Sortierungsprinzipien sind gemeint und diese konnten die Autoren recht anschaulich darstellen und erläutern. Auch wenn dieser "Grundkurs im Dokumenten-Retrieval" zunächst banal erscheint, so wünscht man dessen Beherrschung doch so manchem Fachreferenten an deutschen Hochschulbibliotheken.

In einer stark didaktisierenden Weise geht es dann weiter mit dem Kapitel zur Indexierung von Textdokumenten. Hier wirkt es sich besonders bedauerlich aus, dass die Autoren auf die Prinzipien existierender Suchmaschinen verzichten und damit zugleich auf die Möglichkeit, konkret anzuwendende Hilfestellung und Optimierung von Suchstrategien zu erlauben. Dass in Kapitel 4 die "Funktionsweise von Suchsystemen" erklärt wird, erscheint an dieser Stelle ein wenig zusammenhanglos und hätte besser in das Einleitungskapitel gepasst, wo es sicher interessant ist zu erfahren, wie WEB-Seiten im Index landen und WEB-Roboter funktonieren. Metadaten, Bool?sche Suchmethoden und interaktive Suchtechniken erläutern Kapitel 5 und 6. Hier wird man in einem Rundumschlag mit den genannten Begriffen vertraut gemacht. Auch wenn man hier die Schweizer Terminologie (normalisierte Daten statt Normdaten) verstanden hat, verlieren sich viele Beispiele im Abstrakten und erneut wünscht sich der Interessierte anwendbare Beispiele aus der Internet-Realität und nicht fiktive Suchergebnisse auf fiktive Suchanfragen von fiktiven Suchmaschinen, die so strukturiert und konfiguriert im realen Internet gar nicht vorhanden sind. Sollte eine der vorgestellten Suchstrategien dann doch nicht weiterhelfen, geben die Autoren den recht banalen, aber immerhin doch für unsere "Bibliothekarinnen" tröstlichen Rat: "Auch im Internet-Zeitalter ist ein Telefonat an die richtige Stelle oder der Gang in die Bibliothek manchmal vielversprechender als die endlose Suche im Netz der Netze" (S. 100). Wenn dann auch noch auf die Gefahr des "Abdriftens" bei der Internet-Suche hingewiesen wird, glaubt man sich ganz am Anfang eines Anfängerkurses fürs Internet.

Katalog- und Push-Dienste werden im Kapitel 7 und 8 vorgestellt. Hier bleiben die Autoren recht flach, zu den Katalogdiensten wird lediglich eine grobe Kategorisierung versucht, während man über die Push-Dienste außer einigen Sätzen allgemeiner Theorie nichts konkret Anwendbares lesen kann. Sicher sind Informatiker keine Philologen, aber ein Satz wie "In diesem Kapitel geht es um ein Bedürfnis, das sich grundlegend von den bisherigen Bedürfnissen unterscheidet" (S.124) sollte in einem Hardcover-Lehrbuch zu vermeiden sein. Das Kapitel "Evaluation von Informationsdiensten" bleibt zu sehr im Vagen und ist zu knapp und wiederum nicht anwendungsorientiert und anwendbar aufgebaut. Statt einer Zusammenfassung geben die Autoren dem Leser dieses Handbüchleins noch acht fein umrandete "Suchtipps" mit auf den virtuellen Weg durchs Internet. Mindestens zwei davon hätten sie sich sparen können. Denn dass man das "bestrangierte Dokument vollständig untersucht" und "irrelevante Dokumente in der Rangliste ignoriert", weiß heute nicht nur jede Bibliothekarin, sondern auch ein Bankfachangestellter.

Wer dieses Buch zur Hand nimmt, sollte nicht zuviel erwarten. In zwei Stunden gemütlicher Lektüre erfährt der Leser das eine oder andere Neue und Brauchbare, aber wer sich dann dem Hinweis auf Weiterführendes im natürlich beigefügten Internet-Link zuwendet, erkennt schnell, wozu diese Art der Link-Hinweise in eigener Sache dient: Sie führt zum Angebot von Internet-Kursen der Buchautoren. Dafür werden sie sich vielleicht die wirklich guten Tipps aufgespart haben.


Anschrift des Rezensenten:
Dr. Rafael Ball
Forschungszentrum Jülich
Zentralbibliothek
D-52425 Jülich
E-Mail: r.ball@fz-juelich.de