Das Nutzungskonzept der neuen Universitätsbibliothek Kiel1

von Else Maria Wischermann


Abstract

1. Vorbemerkungen
2. Lage des Neubaus im Universitätsgelände

3. Funktionen des Neubaus als Hauptgebäude der Zentralbibliothek

4. Die Publikumsbereiche im Neubau

5. Funktionsänderungen für das Personal

6. Fazit und Ausblick


1. Vorbemerkungen

"Die neue Universitätsbibliothek Kiel" - unter diesem Titel erschien im Frühjahr 2001, rechtzeitig zur Eröffnungsfeier des neuen Gebäudes am 27. April 2001, ein Aufsatzband mit zehn Beiträgen, in denen es um Vorgeschichte und Entstehung des Neubaus geht.2 Der Schwerpunkt des um zahlreiche Photos und Pläne angereicherten, 80 Seiten umfassenden Bandes liegt darin, die Realisierung des Gebäudes im Miet-Kauf-Verfahren zu dokumentieren und die Schwierigkeiten darzulegen, denen sich die am Bauvorhaben Beteiligten gegenübergestellt sahen. Partner waren:

Im folgenden Beitrag soll dagegen das dem Bau und seinem vom Bibliotheksdirektor Günther Wiegand schon in den Grundzügen 1976 entwickelten und immer wieder überarbeiteten und aktualisierten Raumbuch zugrundeliegende Nutzungskonzept im Vordergrund stehen. Dabei geht es sowohl um Planungen für die Benutzereinrichtungen als auch um die Verwirklichung von neuen Ideen im Verwaltungsbereich.

2. Lage des Neubaus im Universitätsgelände

Das Gebäude befindet sich am westlichen Rand des Universitätscampus in unmittelbarer Nachbarschaft der aus den siebziger Jahren stammenden sog. Fakultätenblöcke, in denen überwiegend Institute der Theologischen, der Rechtswissenschaftlichen und der Philosophischen Fakultäten untergebracht sind, und den Einrichtungen des Physik- und des Biologiezentrums. In Fußentfernung befindet sich auch das derzeit noch von der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät genutzte Gebäude, das nach Integration der didaktischen Fächer in die übrigen Fakultäten andere Universitätseinrichtungen beherbergen wird.


Die neue Universitätsbibliothek Kiel - Dachansicht von Westen.
Photos: Grimmenstein, Hamburg
Im ursprünglich geplanten Ausbau des Universitätscampus3 an der Leibnizstraße nimmt die neue Universitätsbibliothek wie auf einer „Drehscheibe“ eine zentrale Position zwischen den bestehenden und den noch zu verwirklichenden Fakultätsgebäuden ein. Aus dieser Lage heraus erklärt sich der Baukörper, dessen Grundriss einem Dreieck ähnelt. An der Nordostecke befindet sich ein dreigeschossiger Gebäudeteil mit Büroräumen, während die langen Fronten nach Norden und Osten fast fensterlos erscheinen. Zwischen diesen Fronten öffnen sich fächerartig große Lese- und Buchereiche auf zwei Ebenen nach Südwesten mit Blick in die noch unbebaute Grünfläche. Auf dem Vorplatz zwischen Bibliothek und Physikzentrum ist ein Ladenzeile mit Café, Kopierladen und Buchhandlung geplant. Nahebei ist eine Bushaltestelle eingerichtet; die Fahrzeiten der Buslinie in den Abendstunden und sonnabends sind auf die Öffnungszeiten der Bibliothek abgestimmt.

Der frühere Standort der Bibliothek am östlichen Rand des Campus ist ca. 2,5 km entfernt. Es ist daher vorgesehen (konnte aber bisher wegen der notwendigen Umnutzungs- und Umbauplanungen noch nicht realisiert werden), für die in der dortigen Umgebung liegenden Institute einen sog. Bibliotheksstützpunkt im Altbau einzurichten, in dem ausgeliehene Bücher zurückgegeben, Verlängerungen oder Vormerkungen vorgenommen werden können.

3. Funktionen des Neubaus als Hauptgebäude der Zentralbibliothek

Der Neubau ist das Hauptgebäude der Zentralbibliothek, der innerhalb des Bibliothekssystems der Universität Kiel als Hauptaufgaben die Ausleihe der aktuellen Studien- und Forschungsliteratur sowie die Archivierung älterer und weniger häufig gebrauchter Publikationen aus allen Teilbibliotheken zukommen. Demgegenüber bieten die 54 Fachbibliotheken (also Bibliotheken, die einer Fakultät, einzelnen oder mehreren Instituten, Seminaren und anderen Universitätseinrichtungen zugeordnet sind), ihren Buch- und Zeitschriftenbestand in der Regel nur zur Präsenznutzung an.4


Von den Kieler Architekten
Dr. Werner + Wolf
entwickeltes Logo
Abgesehen von den beiden Abteilungen der Zentralbibliothek, die wegen ihrer fachlichen Ausrichtung und der räumlichen Zuordnung zu den jeweiligen Einrichtungen bestehen bleiben (die Medizinische Abteilung in unmittelbarer Nähe des Kieler Universitätsklinikums und die Ingenieurwissenschaftliche Abteilung im Haus der Technischen Fakultät auf dem Ostufer der Kieler Förde), sind damit die Ausleihbestände der bis dato drei Abteilungsbibliotheken im neuen Hauptgebäude der Zentralbibliothek zusammengefasst. Mit dem im April 2001 abgeschlossenen Umzug sind sowohl für die Geisteswissenschaften, deren Bestand bisher im alten Hauptgebäude am Westring fast überwiegend in Magazinen aufbewahrt war, als auch für die Naturwissenschaften, für die 1987 in einem umgenutzten Firmengebäude ein Freihandbestand von rund 120.000 Bänden eingerichtet worden war, alle freihandwürdigen Publikationen in einem Haus untergebracht. Anfang 2002 sollen auch die Bestände der bisherigen fünften, der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät fachlich zugeordneten Abteilung in den Neubau integriert werden. Die Zusammenführung dieser Bestände, teils aus Magazinen, teils aus Freihandbereichen, ging einher mit der Rückführung älterer Zeitschriftenbestände in das Magazingeschoss des bisherigen Hauptgebäudes am Westring, das für Archivierungszwecke weiterhin der Zentralbibliothek zur Nutzung überlassen ist.

Der Zersplitterung der Bestände und der damit verbundenen Benutzungsschwierigkeiten ist damit ein Ende gesetzt. Zwischen Hauptabteilung, Medizinischer Abteilung und Ingenieurwissenschaftlicher Abteilung bestehen klare fachliche Abgrenzungen; für die Unterbringung des weniger genutzten Bestandes (Monographien aus dem 19. und 20. Jahrhundert sowie ältere und nicht freihandwürdige Zeitschriftenbände) im Altbaumagazin gilt eine strenge Trennung nach Signaturen bzw. Erscheinungsjahren.


1. Obergeschoss

Erdgeschoss
Der Verwirklichung der Ausleihmöglichkeit in Selbstbedienung im Neubau ging eine seit Ende der 1970er Jahre dauernde Vorbereitung voraus, in der die mit der sachlichen Erschließung der Buchbestände betrauten Fachreferenten für Freihandaufstellung geeignete Fachsystematiken entwickelten, die in Frage kommenden Bestände für die Freihandaufstellung unter den Neuerwerbungen, aber auch im bereits magazinierten älteren Bestand aufsuchten und für die zukünftige Freihandaufstellung kennzeichnen ließen. Der Umzug und die damit verbundene neue Aufstellung bedeuteten ein großes logistisches Unterfangen, das sich insgesamt über fünf Monate erstreckte und verschiedene Zwischenumzüge erforderlich machte. Für den größten Teil des Bestandes mussten aus der Numerus-Currens-Aufstellung die für die zukünftige Freihandaufstellung gekennzeichneten Werke herausgesucht und in neuer Feinordnung nach sog. Fachnummern, unter der die zu einem Thema veröffentlichten Bücher zusammengefasst sind, aufgestellt werden. Diese den Umzug vorbereitenden Maßnahmen konnten wegen des Platzmangels im alten Haus nur teilweise und nur unter schwierigen Bedingungen vorgenommen werden, so dass Feinsortierungen und Teilumzüge erst im Mai 2001 im Neubau endgültig abgeschlossen werden konnten.

Nunmehr kann die neue Hauptabteilung mit einer maximal 700.000 Bände umfassenden Freihandbibliothek für die Sofortausleihe und einem auf die Zukunft hin gesehen ausreichend dimensioniertem Magazinstellplatz beiden Hauptaufgaben der Ausleihe und der Archivierung nachkommen. Im Hinblick auf eine effiziente Nutzung der Freihandaufstellung und der guten Arbeitsmöglichkeiten in den Lesezonen wurde die Zugänglichkeit des Hauses zudem spürbar verbessert. Die Öffnungszeit wurde um 6,5 auf 73 Wochenstunden erhöht und die Ausleihzeiten wurden um 22,5 Stunden wöchentlich verlängert.

Als weitere wichtige Funktion hat die Zentralbibliothek die Aufgabe, als bibliographisches Zentrum des Bibliothekssystems zu dienen, was sich in der Bereitstellung zahlreicher allgemeiner und fachlicher Literaturnachweise in Form von Druckwerken, CD-ROM-Ausgaben und Online-Datenbanken zeigt. Ferner beherbergt sie die EDV-Zentrale für das gesamte Bibliothekssystem.

4. Die Publikumsbereiche im Neubau

Wie die Funktionen der Zentralbibliothek im Neubau verwirklicht worden sind, lässt sich am besten auf einem Gang durch die Bibliothek schildern.

Der Besucher gelangt über eine lang angelegte Rampe und Treppen von der Leibnizstraße aus zum einem etwas erhöht liegenden Vorplatz zwischen dem Physikzentrum und der Bibliothek mit dem Haupteingang, der sich an einer spitzwinkligen Ecke des Neubaus befindet und für manchen Betrachter im niedrigen, da zweigeschossig überdachten Entrée zu verschwinden scheint. Nach dem Eintreten ins Gebäude wird man jedoch in einer dreigeschossigen Eingangshalle in Empfang genommen, die den Blick freigibt auf alle wichtigen Benutzungseinrichtungen.5

Genau im Blickfeld des hereinkommenden Besuchers liegt die runde Informationstheke, an deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er sich mit ersten Fragen zur Orientierung im Gebäude oder zu den Benutzungsbedingungen wenden kann. Diese sog. Wegweisungstheke zieht durch ihre außergewöhnliche Form eines nach unten sich verjüngenden Kubus aus schichtförmig aufeinandergelegten Ringen aus Birkenholzfurnier den neuen Besucher geradezu an. Links von dieser Theke befindet sich der in L-Form langgestreckte Tresen der Leihstelle, an dem bestellte Bücher abgeholt und alle ausgeliehenen Werke zurückgegeben werden können. Form und Tiefe dieser Theke sind bestimmt durch die im Korpus für den Benutzer nicht sichtbare Führung der Buchförderanlage, über die nach Rückgabe und Rückbuchung eines Bandes der sofortige Abtransport in eine im UG gelegene zentrale Sammelstelle bewerkstelligt wird. Jeweils rechts und links an der Wegweisungstheke führen – an Verbuchungsplätzen, die für die Ausleihe aus den Freihandbereichen dienen, und großen Lichthöfen vorbei – Flure zu den drei Segmenten im Erdgeschoss bzw. zu den Freitreppen, über die man ins 1. OG und ins UG zum offenen Magazin, das das gesamte mittlere Segment umfasst, gelangt. Der Blick im EG reicht dabei bis hinunter zu den großen Fensterfassaden, an denen die Leseplätze mit Blick in freies Gelände angeordnet sind. In den dem Betrachter zunächst gelegenen Bereichen der Segmente sind große Zonen mit Bildschirmarbeitsplätzen einsehbar.


Eingangshalle mit Infothek und Leihstelle
Bevor man jedoch die öffentlichen Arbeitsbereiche betreten kann, müssen Mäntel und Taschen usw. abgelegt werden. Dafür stehen im rechten Teil der Eingangshalle hinter arkadenartigen Durchgängen Münzschließfächer neben einem öffentlichen Fernsprechgerät und einem Briefmarkenautomaten zur Verfügung. Durch die lange Reihe der Schließfächer, die in jeder Bibliothek notwendig sind, aber meistens keine optische Attraktivität aufweisen, abgetrennt befinden sich im nördlichen Arm der Eingangshalle Räume, die für viele Benutzer eine willkommene Ergänzung zu den Buchbereichen darstellen. Dies sind ein Erfrischungsraum (mit Automaten für Getränke und Speisen) und ein Zeitungsleseraum mit frei ausliegenden Zeitungen und Informationsmaterial; ferner ein Schulungsraum, der für die Unterweisung von Studienanfängern und Erstbenutzern in der Nutzung elektronischer Kataloge und Datenbanken sowie multimedialer Anwendungen gedacht ist.

In einem einzigen Rundblick durch die Eingangshalle sind somit nahezu alle wichtigen Benutzungsbereiche erfassbar. Bei der schnellen Orientierung helfen zudem gleich links am Eingang aufgestellte Tafeln mit Grundrissen der Geschosse und in einem speziell für die Bibliothek entworfenen Informationsständer ausliegende Faltblätter mit der Angabe, wo die Buchbestände der einzelnen Wissenschaftsfächer und wo Kopierräume, Mikrofilm-Lesegeräte, Gruppenräume, Arbeitskabinen u.ä. zu finden sind.

Dennoch ist es nicht immer leicht, sich im Innern des Gebäudes aufgrund seiner großen Fläche und dem gleichförmigen Wechsel von Lese- und Buchzonen zurechtzufinden. Dabei hilft es, sich den Grundriss als spitzwinkliges Dreieck, an dessen Spitze der Haupteingang liegt, vorzustellen mit der nach Südwesten gerichteten Glasfront als längster Seite. Damit sich die Benutzer diesen Grundriss besser einprägen, sind alle Merkblätter mit diesem dankenswerterweise von den Architekten zur Verfügung gestellten Logo versehen.

Auch die Gliederung der Geschosse mit jeweils drei nebeneinanderliegenden, fächerförmigen Segmenten ist einprägsam: sie sind an den Außenseiten und in den innenliegenden Bereichen durch langgestreckte Riegel voneinander getrennt, in denen Einzel- und Gruppenarbeitsräume, Arbeitskabinen für Benutzer, Kopier- und Technikräume sowie sanitäre Anlagen untergebracht sind. Im Innern des komplexen Gebäudes gelangt durch Lichthöfe Tageslicht auf die "Brücken", über die die Segmente miteinander verbunden werden. Jeweils an diesen Übergängen zwischen den Segmenten befinden sich behindertengerechte Aufzüge und verglaste Treppenhäuser für den schnellen Zugang in die übrigen Freihandgeschosse.

Wählt man aus der Eingangshalle kommend den Durchgang rechts an der Wegweisungstheke vorbei, gelangt man auf kürzestem Weg zur separat aufgestellten Lehrbuchsammlung für Recht, Wirtschaft und Vorklinische Medizin im dritten Segment des EG. Für diese Fächer wurde eine vom übrigen Buch- und Zeitschriftenbestand gesonderte Aufstellung wie zuvor im Altbau beibehalten, da hier das Ausleihverhalten der studentischen Benutzer auf wenige Titel mit extrem hoher Entleihfrequenz ausgerichtet ist. Dieser Benutzergruppe sollte daher der schnelle und direkte Zugriff auf diese Grundlagenliteratur weiterhin ermöglicht werden. In allen anderen Fächern sind die immer durch ein blaues Signaturschild hervorgehobenen Mehrfachexemplare von Lehr- und Studienbüchern in den Bestand gemischt, um den jeweiligen fachlichen Zusammenhang zur übrigen angebotenen Literatur deutlich zu machen und so den Benutzer vom Lehrbuch zur Forschungsliteratur zu leiten und gegebenenfalls alternative Titel anzubieten.

Direkt an die Lehrbuchsammlung grenzt das sog. Bibliographische Zentrum mit gedruckten Bibliographien und Bibliothekskatalogen. In Stehhöhe sind Fachböden aus hellem Holz in die Regale integriert, die in wechselnder Folge jeweils die Fläche eines Doppelbodens ausmachen und damit eine ausreichende Tiefe zum Aufschlagen der oft großformatigen und schweren Bände bieten. Geht man an der Lehrbuchsammlung und dem Bibliographischem Zentrum vorbei in Richtung Fensterzone, läuft man direkt auf die zentrale Auskunftstheke zu, die während der gesamten Öffnungszeit der Bibliothek mit Fachpersonal besetzt ist. Gleich daneben ist die Lesesaalauskunft platziert, die für Fragen zum Lesesaalbestand und zur Betreuung von Benutzern, die mit nur im Lesesaal einsehbaren älteren und wertvollen Bibliotheksbeständen oder mit Material, das aus anderen Bibliotheken beschafft werden musste, arbeiten. Damit diese Beratungsgespräche oder das Klingeln des Telefons nicht die im Lesesaal Arbeitenden stören, ist der Lesesaal vollständig von den Theken und vom übrigen Buchbereich durch eine Glaswand abgetrennt. Die Geräuschbelästigung war im alten Gebäude eine Quelle ständigen Ärgernisses. Für Personen, die über längere Zeit den Lesesaal zum ungestörten Arbeiten nutzen wollen, stehen eigens für die Universitätsbibliothek Kiel entworfene gläserne Bücherwagen bereit, in denen ständig benötigte Arbeitsmittel, private und ausgeliehene Bücher (nicht aber Bücher des Lesesaalbestandes) eingeschlossen werden können. Diese "Kieler Bücherwagen", die man sich für einen Monat unentgeltlich reservieren lassen kann, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, und die vorhandenen 33 Exemplare sind beständig belegt, so dass bereits eine Nachbestellung beantragt ist. Neu ist die Bestandsauswahl der Werke, die mit striktem Präsenzcharakter im Lesesaal angeboten werden. Im Gegensatz zu den in Freihandzonen aufgestellten Präsenzbeständen (für manche besteht die Möglichkeit der Wochenendausleihe), die aufgrund ihres Charakters als Gesamtdarstellung oder Handbuch besser bei der übrigen Fachliteratur ihren Platz haben, stehen im Lesesaal allgemeine und fachliche, vor allem auch fachlich übergreifende Nachschlagewerke, Enzyklopädien und Wörterbücher, die zumeist für das schnelle und gezielte Nachlesen geeignet sind. An diese neue inhaltliche Aufteilung zwischen Lesesaalbestand und Freihandbestand mit Präsenzbeständen, die es in dieser Form in der Bibliothek bisher nicht gab, müssen sich Benutzer wie Bibliothekare noch gewöhnen. Als altbewährte Einrichtung gibt es auch im neuen Lesesaal eine alle 14 Tage wechselnde Ausstellung von Neuwerbungen aller Fächer, für deren Entleihe man sich vormerken kann.

Benutzer, die für das Aufsuchen von Buchbeständen den Katalog6 benutzen müssen oder eine Datenbank-Recherche durchführen wollen, wählen in der Eingangshalle am besten den Weg links an der Wegweisungstheke vorbei. Hier erschließen sich im ersten und zweiten Segment große Arbeitszonen mit Bildschirmarbeitsplätzen. Zum größeren Teil sind diese als Sitzplätze in schulklassenartigen Reihen angeordnet. An den Durchgängen sind für eine schnelle Katalogsuche Flachbildschirme auf Stehpulten in unterschiedlichen Höhen vorgesehen. Jeder Benutzerplatz ist mit einer speziell auf die Bildschirmnutzung abgestimmten Leuchte ausgestattet, die im Zusammenhang mit der indirekten Deckenbeleuchtung ein Lichtkonzept verwirklich, das ergonomischen wie wirtschaftlichen Anforderungen genügt.

Allerdings lässt die Geräteausstattung und die Anzahl der ausgestatteten Plätze noch sehr zu wünschen übrig. Aufgrund der nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellten Mittel für EDV-Geräte ist hier noch nicht die geplante Ausstattung mit Flachbildschirmen und modernen Rechnern nebst den erforderlichen Netzgeräten vorhanden, sondern vorerst müssen unsere Benutzer noch mit den aus dem Altbau umgezogenen teilweise bis zu 8 Jahre alten Personal Computern vorlieb nehmen. Daher können auch nicht - wie für das neue EDV-Konzept vorgesehen - an allen Geräten in gleicher Qualität Zugriffsmöglichkeiten auf den eigenen Katalog, auf Datenbanken oder Internetseiten geboten werden. Die derzeitige Geräteausstattung an diesen Benutzerplätzen gleicht eher einer kuriosen Mischung aus Alt und Neu: hier einige wenige Flachbildschirme, dort ältere Bildschirme mit voluminösem Gehäuse, hier PCs mit Katalogzugang, dort andere mit CD-ROM-Laufwerken oder mit Datenbankzugang, an wieder anderer Stelle Plätze für die Internetrecherche oder solche mit Zugang zum Online-Fernleihsystem des GBV. Das Ziel der einheitlichen Benutzeroberfläche, aus der man sich seine gewünschte Anwendung auswählt, kann erst mit dem geplanten Servernetz verwirklicht werden. Die Anzahl der Geräte kann auch erst dann erhöht werden, wenn weitere Flachbildschirme bewilligt werden, da nur diese die geringe Wärmeabstrahlung haben, für die die Klimatisierung und Belüftung dieser Benutzerbereiche beim Einbau konzipiert worden ist. Ferner fehlen noch in allen Gruppenräumen die dort vorgesehenen Benutzergeräte für die Multimedia-Nutzung. Insgesamt befinden sich in den Publikumsbereichen 317 Einzelplätze (davon 83 an Stehpulten), die für die PC-Nutzung vorgesehen sind; weitere 61 Plätze sind in den Gruppenarbeits- und Sonderräumen mit Strom- und Datenleitungen vorgerüstet. Wegen der mangelhaften EDV-Ausstattung ist die im ersten Segment des EG eingerichtete zweite Auskunftstheke, die insbesondere für Hilfestellung bei der Nutzung der Bildschirmarbeitsplätze konzipiert ist, derzeit nicht in Betrieb genommen.

Die Bereiche mit den Bildschirmarbeitsplätzen sind von den dahinter liegenden Buchaufstellungszonen durch Glaswände und –türen aus Brandschutz- und Schallschutzgründen abgetrennt, die jedoch den Blick auf die Bücher und die Fensterfronten frei lassen. An den hohen Glasfassaden nach Südwesten, die außen mit automatisch gesteuerten Sonneschutzlamellen versehen sind, befinden sich auf beiden Publikumsebenen die Leseplätze (insgesamt 387 Plätze, davon im Lesesaal 109). Alle Plätze verfügen über eine individuelle Tischleuchte. Ein Teil ist für die Laptopbenutzung vorgesehen: unter einem Deckel an der oberen Tischkante verborgen liegen die Anschlussdosen für das Strom- und Datenkabel.

Die im Neubau zusammengeführten Bestände sind oberirdisch auf 26.300 Regalmetern frei zugänglich aufgestellt; darüber hinaus ist im UG ein 7.920 Regalmeter fassender Buchbereich als für Benutzer offenes Magazin eingerichtet. Damit stehen Flächen für rund 700.000 Bände in Selbstbedienung zur Verfügung. Die fachliche Aufgliederung der Buchzonen in den zwei oberirdischen Geschossen mit jeweils drei nebeneinanderliegenden, fächerförmigen Segmenten ist - soweit möglich - an großen Wissenschaftsbereichen ausgerichtet, so sind z.B. die Fächer der Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, der Naturwissenschaften, der Historischen Wissenschaften, der Sprach- und Literaturwissenschaften in jeweils einem Segment untergebracht. Kleinere Fächer wie Theologie und die musischen Fächer sind mit anderen zusammengestellt.

Für die Buchregale, hin und wieder unterbrochen von Stehpulten mit Bildschirmgeräten für das schnelle Konsultieren des Katalogs, ist eine detaillierte Beschriftung aller Fachböden vorgesehen, die jedoch erst nach endgültiger Feinsortierung sämtlicher Freihandbestände fertiggestellt werden kann. Die Suche nach einem Fach wird durch Fahnen mit den mnemotechnischen Fachabkürzungen, wie sie für den gesamten Freihandbestand hier üblich sind (z.B. ger für Germanistik und inf für Informatik), erleichtert. Eine grobe Übersicht der fachlichen Aufstellung ist für jede Regalseite an der Stirnseite angebracht; ferner liegen Mappen mit der gesamten Aufstellungssystematik eines Faches aus. Am Anfang eines jeden Freihandfaches stehen im Alphabet ihrer Titel die wichtigsten Zeitschriften inkl. der Einzelhefte des laufenden Jahrgangs. Alle Bücher und alle gebundenen Zeitschriften sind entleihbar; dagegen dürfen die Zeitschriftenhefte nur in den Räumen der Bibliothek benutzt werden.

Dem Auffinden der Fächer in den Segmenten dienen auch die in der Eingangshalle aufgestellten großformatigen Standtafeln sowie weitere an jeder Wegabzweigung und an allen Treppenhäusern und Aufzügen angebrachte Tafeln mit der Übersicht der fachlichen Verteilung. Auffällig sind die durch ein kräftiges Gelb und die Aufschrift "Bücherablage" hervorgehobenen Fachböden, die in Stehhöhe in den Regalreihen verteilt sind. Sie dienen dem Benutzer zur Ablage von Büchern, in denen er geblättert hat, die aber seinem aktuellen Interesse nicht entsprechen. Die Bibliothek fordert mit der "Bücherablage" auf, die Bände nicht an irgendeiner Stelle in der fachlichen Aufstellung zu „verstecken“, sondern sie einfach hier abzulegen. Für die Mitarbeiter sind diese Fachböden gut aufzufinden; das Rückstellen der Bücher ist schneller zu erledigen.

Auf dem Rückweg aus den Buchbereichen zum Ausgang an der Gebäudespitze passiert der Benutzer zwangsläufig einen der Verbuchungsplätze, die an der engsten Stelle des Gebäudes gelegen sind. Hier werden Freihandausleihen verbucht und zugleich können Kontrollfunktion übernommen werden. Diese Plätze können in den schwächer genutzten Zeiten personalsparend besetzt werden und dennoch ist die Ausgangskontrolle sichergestellt. Zusätzlich ist eine Buchsicherungsanlage installiert.

Der freie Zugang zur häufig benutzten Literatur aller Wissenschaftsfächer ist für jeden Benutzer der am deutlichsten erkennbare Fortschritt, den das neue Haus bietet. Mit der Freihandnutzung und den darauf abgestimmten verbesserten Öffnungs- und Ausleihzeiten verbunden ist die Attraktivität der Leseumgebung: je nach individuellem Bedürfnis kann man in den großflächigen Fensterzonen einen Lesetisch belegen, dort seinen eigenen Laptop nutzen oder sich in den Lesesaal zum ungestörten Arbeiten zurückziehen. Für Arbeitsgruppen stehen vier Gruppenräume zur Verfügung, von denen drei für die PC- und Multimedia-Nutzung im Vorwege mit Datenleitungen ausgestattet sind. Prüfungskandidaten können sich für eine begrenzte Zeit eine der insgesamt 42 einzeln verschließbaren Arbeitskabinen reservieren. Derlei Möglichkeiten entsprechen der Vielfalt der Benutzerwünsche und machen die Bibliothek zu einem attraktiven Lernort innerhalb der Universität.

5. Funktionsänderungen für das Personal

Mit dem Neubau waren nicht nur erhebliche Verbesserungen für die Benutzer geplant, sondern es war auch beabsichtigt, für das bibliothekarische Personal moderne Arbeitsbedingungen und ausreichende Räumlichkeiten zu schaffen.

Sämtliche Büroarbeitsräume für Mitarbeiter aller Sachgebiete sind an das universitäre Datennetz angeschlossen, ein Teil davon mit Leitungen für die Übertragungen von multimedialen Daten. Die Ausschreibung der Netzwerkkomponenten erfolgte so spät wie möglich, so dass zum Zeitpunkt des Einkaufs das Material nach dem Stand der Technik erworben und auf die um die gleiche Zeit neu angeschaffte Netzwerktechnik des Universitätsrechenzentrums abgestimmt werden konnte. Leider fehlt auch hier noch - wie oben bei den PC-Arbeitsplätzen für Benutzer - die Ausstattung mit neuen Computern und Flachbildschirmen. Die aus dem Altbau übernommene Gerätetechnik entspricht nicht dem geplanten qualitativen Planungsvolumen. Moderne leistungsstarke Server fehlen, um die neue Netzwerktechnik zum Einsatz zu bringen.


Lesesaal im 1. OG
Für das traditionell als Magazinmitarbeiter bezeichnete Personal ändert sich durch die überwiegende Freihandaufstellung die tägliche Arbeit grundlegend. Waren bisher nahezu alle Tätigkeiten, die mit der Bereitstellung und Rückordnung von Beständen verbunden waren, in geschlossenen Magazinen zu verrichten (nur die bisherige Naturwissenschaftliche Abteilung war als Übergangslösung 1987 bereits als Freihandbibliothek eröffnet worden), so ist im Neubau die meiste Arbeit oberirdisch zu erledigen. Hinzu kommen die in Freihandbereichen unvermeidbaren Sortier- und Ordnungsarbeiten, die einen wesentlich höheren Anteil als in reinen Magazinbibliotheken mit Numerus-Currens-Aufstellung ausmachen. Täglich müssen die von Benutzern auf den als Bücherablage markierten gelben Fachböden abgelegten Bände wieder eingestellt werden und je nach Menge der Neuzugänge Aufstellungen angepasst werden. Neu und für viele Mitarbeiter der Buchbereiche ungewohnt ist zudem der tägliche Kontakt mit Benutzern, die hilfesuchend nach jemandem Umschau halten. Um die Ansprechbarkeit zu erleichtern, tragen alle Mitarbeiter Schilder mit ihrem Namen bzw. mit dem UB-Kennzeichen. Dieser Benutzerservice am Regal ist von hohem Wert, erfordert Übersicht über den Bestand und ggf. Weiterleitung von fachspezifischen Fragen an das bibliothekarische Auskunftspersonal. Auch im UG befindet sich im mittleren Segment im offenen Magazin ein für das Publikum zugänglicher Bereich mit fachübergreifenden Beständen (allgemeine und interdisziplinäre Zeitschriften, Akademieschriften und landeskundliche Literatur) sowie neueren, aber nicht freihandwürdigen Monographien. Lediglich ältere Literatur, Dissertationen, Groß- und Überformate, Film- und Sondermaterialien werden in geschlossenen Magazinen aufbewahrt.

Zur Überwindung der langen Wege und zur schnellen Bedienung der drei Etagen mit Buchbeständen wurde eine Buchförderanlage der Firma Swisslog-Telelift installiert. Die aus der Entleihe zurückkommenden Werke werden in Transportbehälter, die je nach Buchformat zwischen fünf und zehn Bänden fassen, gepackt und in die zentrale Verteilerstelle im UG direkt unter der Leihstelle gebracht. Hier werden die Bestände nach ihren Aufstellungsorten in 11 Behälter umsortiert und weitergeleitet. Die dafür notwendigen Trassen verlaufen unter der Decke des UG und führen in strahlenförmiger Anordnung in die Riegel der drei Segmente zu Buchaufzügen für die oberirdischen Etagen. An den Endpunkten der Förderstrecken, den sog. Bahnhöfen, mit einem Fassungsvermögen von fünf Behältern im Bahnhof selbst und weiteren Speichermöglichkeiten auf fest zugeordneten Staustrecken im UG, müssen die Bücher auf Bücherwagen umgepackt und in die Freihandbereiche gefahren werden. Ein auf das Haus abgestimmtes Programm sorgt dafür, dass in jeden Bahnhof je nach Stand der Abarbeitung weitere gefüllte Behälter eingefahren werden oder ggf. für Nachschub an leeren Behältern gesorgt wird. Der letzte Teil des Transports der Bücher in die Regale ist selbstverständlich derjenige mit dem höchsten Personalaufwand, deshalb ist die Koordinierung des Einsatzes in den ausleihintensiven Fachgebieten und die beständige Besetzung der zentralen Verteilerstelle von Wichtigkeit. Für den umgekehrten Weg des Transports bestellter Bücher kann von jedem Zielbahnhof aus auch ein Behälter in die Leihstelle geschickt werden. Die Bedienung der Anlage ist einfach, so dass die Eingewöhnung rasch vonstatten ging. Schwieriger, um nicht zu sagen äußerst kritisch, gestaltete sich die Inbetriebnahme aus technischer Sicht. Es dauerte über drei Monate - und das bei vollem Bibliotheksbetrieb - bis die Anlage ohne nennenswerte Störungen funktionierte.

Für das Personal an der Leihstelle änderte sich durch die Anbindung jedes einzelnen Mitarbeiterplatzes an das Buchfördersystem ebenfalls die Alltagsroutine. Da die Trassenführung der Anlage innerhalb des im L-Winkel gebauten Tresens verläuft, musste eine Distanz von 1,32 m zwischen dem stehenden Benutzer und dem sitzenden Mitarbeiter in Kauf genommen werden. Hier ist aus ergonomischen Gründen noch Abhilfe nötig. Die Fernleihausgabe und -rücknahme wurde mit der Leihstellentätigkeit verbunden. Es muss also kein separater Fernleihschalter mehr besetzt werden. Die Beratung in Fernleihfragen erfolgt - wie bisher - durch das bibliothekarische Fachpersonal an der Auskunftstheke.

Um der Menge unterschiedlichster Benutzeranfragen gerecht zu werden, sind im neuen Gebäude eine Reihe von Änderungen eingeführt worden, die sowohl in räumlicher als auch in inhaltlicher Sicht vom bisherigen Stand abweichen. War bisher für telefonische und persönliche Anfragen die Stelle der zentralen Auskunft zuständig - hier liefen also bunt gemischte, im Schwierigkeitsgrad sehr unterschiedliche Fragen auf -, so wird im Neubau unterschieden. Das Personal an der inmitten der Eingangshalle gut sichtbar positionierten Wegweisungstheke nimmt allgemeine Bibliotheksfragen (Öffnungszeiten, Anmeldung, Ausleihbedingungen, Gebührenfragen etc.) entgegen und leitet Spezielleres, z.B. zur Fernleihe oder zu bibliographischen Ermittlungen, an die entsprechenden Dienststellen weiter. Ebenso wird mit telefonischen Anfragen verfahren, so dass die eigentliche bibliographische Auskunft am Tresen im Bibliographischen Zentrum entlastet ist zugunsten der Beratung von persönlich erschienenen Benutzern. Neben dem zuletzt genannten Tresen ist ein zweiter, als PC-Auskunft bezeichneter Tresen im ersten Segment des EG vorhanden.

Um alle Auskunftsplätze ausreichend besetzen zu können, wurde die Gruppe der Auskunftsbibliothekare durch Umschichtung der Kräfte des gehobenen Bibliotheksdienstes derart verstärkt, dass montags bis freitags in der Zeit von 9 bis 15.30 Uhr beständig zwei oder drei Personen zur Verfügung stehen (ausgenommen sind Zeiten schwacher Nutzung in der vorlesungsfreien Zeit). Aus dieser Gruppe rekrutieren sich auch die Mitarbeiter der Schulungsgruppe, die täglich von montags bis donnerstags in der Vorlesungszeit Einführungen in die Benutzung anbieten. Das Schulungsangebot soll erweitert werden (z.B. Nutzung des Internets für bibliographische Recherchen, CD-ROM- und Datenbanknutzung etc.), sobald die im Benutzerschulungsraum dafür geplante Ausstattung mit Benutzergeräten installiert ist.

Der für die Verlängerung der Öffnungs- und Ausleihzeiten des Neubaus erforderliche Personaleinsatz (abgestützt durch eine neue Dienstvereinbarung des Rektorats mit den Personalräten der Universität) ist durch Teilnahme aller Mitarbeiter im Abend- und Sonnabenddienst teils im Auskunftsbereich, teils im Ausleihbetrieb montags bis freitags von 15.30 bis 22 Uhr und sonnabends von 9 bis 17 Uhr geregelt.

Die dem Dezernat Ausleihdienste zugeordneten Räume (Dezernatsleitung und Mahnstelle) und die Kopierstelle, in der Auftragskopien angefertigt werden, befinden sich im EG nahe der Eingangshalle, also in vom Publikum leicht erreichbaren Zonen. Ebenfalls im EG liegt die Fernleihstelle, die neben der Leihstelle eingerichtet ist, da die besorgten Bücher und Aufsatzkopien über den Leihtresen an die Benutzer ausgegeben werden. Die enge räumliche Verbindung beider Leihstellen war schon im Raumbuch gefordert, um einen separaten Fernleihschalter mit eigenen Öffnungszeiten und eigenem Personal zu vermeiden.

Sämtliche Sachgebiete, die mit der Buchbearbeitung befasst sind, liegen im 1. OG und sind in Abfolge und Zuordnung der Räume auf den Buchgeschäftsgang ausgerichtet. Lieferanten (Postzusteller, Buchhändler, Buchbinder und andere) gelangen über eine Rampe ins UG direkt zum Lastenaufzug, zu dem alle Befugten mit Schlüssel Zugang haben. Lieferungen werden entweder im UG in einem Zwischenlager deponiert oder gleich ins 1. OG gebracht. Dem Verlauf des Geschäftsgangs: Akzessionierung und Signaturvergabe, Katalogisierung, sachliche Erschließung, Einband, Schlussbearbeitung (Eigentumskennzeichnung und Ausstattung mit Etiketten für Aufstellung und Verbuchung) entspricht die Abfolge der Mitarbeiterräume, die sich im entgegengesetzten Uhrzeigersinn um die Empore der Eingangshalle reihen. Die Anordnung dieser Räume ist nach den Vorgaben des bibliothekarischen Raumkonzepts durch die Architekten zweckmäßig gelöst worden und ermöglicht kurze Liegezeiten zwischen den einzelnen Schritten der Buchbearbeitung. Von der letzten Station im Geschäftsgang, der sog. Schlussbearbeitung aus, werden die ausleihfertigen Bestände vom hiesigen Absendebahnhof der Buchförderanlage aus in den dem jeweiligen Aufstellungsort der Werke zunächst gelegenen Zielbahnhof transportiert.

Die meisten Räume der Bibliotheksverwaltung sind Drei-Personen-Räume. Diese Entscheidung des Raumprogramms geht auf ausführliche Diskussionen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Aufstellung des Raumprogramms in der ersten Hälfte der 1980er Jahre zurück. Hinter der Vorliebe für diese Raumgröße suche man allerdings nicht mehr als eine am damaligen Ist-Zustand orientierte konservative Gestimmtheit der Mitarbeiter.

Das Raumprogramm vom November 1986, das später in den Hauptzügen realisiert wurde7, setzt den "integrierten Geschäftsgang" voraus, ohne diesen damals noch nicht gängigen Ausdruck zu verwenden. Für die Anlieferung der Bücher wurde eine für die Lieferanten und die Bibliothekare zugängliche "Verteilerstelle" vorgesehen, an die sich durchgängig“ als "Einarbeitung" bezeichnete Räume (zumeist die besagten Drei-Personen-Räume) anschließen. Dahinter stand die Vorstellung, dass sich die Mitarbeiter-“Teams“ die Bücher aus der Verteilerstelle in die Einarbeitungsräume holen und in allen Arbeitsgängen ("integriert") bearbeiten würden. Eine Arbeitsgruppe, die zusammentrat, um die Einzelheiten des sofort nach dem Umzug einzurichtenden integrierten Geschäftsgangs festzulegen, kam zu dem für die meisten Beteiligten überraschenden Ergebnis, dass der scheinbar so moderne integrierte Geschäftsgang als umfassendes Modell zumindest unter den Kieler Bedingungen keinesfalls eine ökonomisch sinnvolle und den personellen Gegebenheiten angemessene Lösung darstellen würde. Es gibt Gesichtspunkte, unter denen der integrierte Geschäftsgang in der gewöhnlichen Bedeutung dieses Begriffs als unzeitgemäß gelten muss.8„"Integriert" arbeiten an der Universitätsbibliothek Kiel nach wie vor nur die Sachgebiete Zeitschriftenstelle, Dissertationsstelle (beide materialbedingt), Sondersammelgebiet (sprachlich bedingt) und Pflichtstelle (bedingt durch die besondere Erwerbungs- und Erschließungsart). Glücklicherweise ermöglicht der Zufall, dass ein an passender Stelle liegender Raum nicht nur drei, sondern acht Mitarbeitern Platz bietet, die Fortführung der klassischen Buchakzession.

Integriert wurde nach einem ganz anderen Aspekt. Die meisten Diplomkräfte wurden in einem neuen Dezernat "Katalogbearbeitung/Information" zusammengefasst, das einen Teil der gleichfalls neugeschaffenen Abteilung „Benutzung und Information“ bildet und sich aus dem Personal der vormaligen Katalogabteilung und den im Auskunftsdienst eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammensetzt. Auch bisher schon war der Einsatz im Auskunftsbereich als Schichtdienst organisiert und die betroffenen Personen waren daneben in anderen verwaltungsinternen Funktionen tätig. Diese „Mischarbeit“ hat im Zuge der Verlagerung von Tätigkeiten in die Benutzerberatung und Benutzerschulung immer mehr Bedeutung erlangt. Schon im alten Gebäude musste der Auskunftsdienst personell verstärkt werden. Dieser Einsatz ist im Hinblick auf den Neubau auf alle Angehörigen des gehobenen Bibliotheksdienstes ausgeweitet worden (der höhere Dienst war seit eh und je im Auskunftsdienst eingesetzt). So ergab sich aus der Zusammenführung des Wissens von Auskunftsexperten und Katalogisierungsspezialisten in logischer Folge die Bildung eines Dezernats, in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zeitweise in der Katalogisierung und zeitweise im Informationsdienst an den Auskunftstheken arbeiten, zusammengefasst sind.

Die Stellen für Pflicht- und Dissertationenbearbeitung liegen im 2. OG, da sie weniger häufig mit anderen Stationen im Geschäftsgang in Kontakt treten müssen, während alle anderen Räume für die Einarbeitung von Erwerbungen im 1. OG liegen. Hier wurde auch das Sachgebiet Direktlieferdienste, Teil des neuen Dezernats "Dokumentenlieferdienste" untergebracht, zu dem noch die Fernleihe im EG gehört. Die räumliche Trennung musste aufgrund des im EG nicht ausreichend verfügbaren Raumes vorgenommen werden. Die elektronisch übermittelten Bestellungen für den Direktlieferdienst werden in der Fernleihstelle angenommen, die Bände werden dort bestellt und müssen zum Scannen ins 1. OG transportiert werden. Das Dezernat "Dokumentenlieferdienste" ist mit den bereits genannten Dezernaten "Katalogbearbeitung/Information" und "Ausleihdienste" in der Abteilung "Benutzung und Information" zusammengeschlossen, deren Leitung ebenfalls im 1. OG untergebracht ist Unabhängig von den Diskussionen um den integrierten Geschäftsgang haben weitere Überlegungen und Diskussionen im Haus stattgefunden, die einer Beschleunigung des Geschäftsgangs dienen sollten. Sie konzentrierten sich auf die Sacherschließung. Wurden bisher nach der Katalogisierung die Neuerwerbungen nach Zuständigkeit auf die Fachreferenten verteilt und in deren Zimmer gebracht, danach von dort wieder abgeholt und, ggf. über die Einbandstelle, zur Schlussbearbeitung gebracht, was Liegezeiten in allen Stellen unweigerlich zur Folge hatte, werden jetzt nach der Katalogisierung sämtliche Werke in einen Großraum, in dem jeder Fachreferent seinen zweiten Bildschirmarbeitsplatz hat, zusammengeführt. Hier wird die Notations- und Schlagwortvergabe vorgenommen, für die Einfügung von Nebenstellen und die fachliche Abstimmung muss das Buch nur an den Kollegen im gleichen Raum weitergereicht werden. Die Arbeit in diesem sog. Sacherschließungsraum, der für alle Betreuer von Fachgebieten inkl. Direktor zwingend vorgegeben ist, bringt insbesondere für diejenigen, die als reine Fachreferenten tätig sind, eine deutliche Änderung ihres bisherigen Alltags mit sich. Aufgrund der Zuordnung der Einzelzimmer dieser Referenten in der Nähe ihrer Fächer in den Buchaufstellungszonen, und das heißt in ziemlicher Entfernung von den Verwaltungseinrichtungen, erhält gerade dieser Raum funktionelle Bedeutung, denn hier treffen sich die Fachkollegen eher als in den weitläufigen Buchbereichen. Die Durchlaufzeit für mehrfach zu erschließende, weil thematisch in mehrere Disziplinen hineinreichende Publikationen wird reduziert. Ein weiterer Vorteil liegt auf der Hand: an einer Stelle gelagert können Bücher, die im Geschäftsgang wegen eines dringenden Benutzerwunsches gesucht werden, leichter gefunden werden. Die Zukunft wird zeigen, ob die Überlegungen für eine solche konzentrierte Sacherschließungsbearbeitung richtig sind.

Für die nicht auf die Neuerwerbung ausgerichteten Arbeiten steht jedem Fachreferenten ein Einzelraum zur Verfügung, teils in unmittelbarer Nähe zur Freihandaufstellung seiner Fächer, teils im Verwaltungstrakt in der Nähe seiner Mitarbeiter, dies gilt insbesondere für die Abteilungsdirektoren und Dezernenten.

Im 2. OG konzentrieren sich - ausgenommen die bereits erwähnten Dienststellen für Pflichterwerbungen und Dissertationen - vom Buchgeschäftsgang unabhängige Verwaltungsbereiche. Dies sind vornehmlich jeweils für eine Person bestimmte Räume der Direktion und der EDV-Abteilung. Ferner befinden sich im 2. OG die Buchbinderei inklusive Buchpflege, die der Sacherschließung zugeordnete Dienststelle für die Pflege der Aufstellungssystematiken und der Regalbeschriftung, die Bearbeitung des Buchbestandes im Bibliographischen Zentrum und die Rechnungsstelle sowie ein Reserveraum für besonderen Buchbestand.

Für kleinere und größere Zusammenkünfte gibt es auf dieser Etage zwei Sitzungsräume. Im sog. kleinen Sitzungsraum für maximal 8 Personen kann man - je nach Zusammensetzung der Gruppe - Trapeztische in der passenden Anordnung aufstellen. Im großen Sitzungsraum finden um einen Besprechungstisch bis zu 24 Personen Platz. Beide Räume sind mit Wand- und Projektstafeln sowie mit EDV-Anschlüssen für Unterrichts- und Vorführungszwecke ausgestattet und durch eine Faltwand voneinander getrennt. Bei Bedarf lassen sich die Räume zu einem großen Raum, der für 30 Personen geeignet ist, erweitern. Gegenüber den Sitzungsräumen liegt die Teeküche, in der die Mitarbeiter in abschließbaren Fächern ihre mitgebrachten Utensilien aufbewahren können. Für die Pausengestaltung sehr erfreulich konnten zwei Aufenthaltsräume (getrennt für Raucher und Nichtraucher) sowie zwei Freisitze, sogar teilweise überdacht, mit Blick nach Südwesten auf die ein Stockwerk niedriger errichteten Buch- und Lesesegmente geschaffen werden. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in keinem Büro des Verwaltungstraktes ihren Stammplatz haben, sondern in der Leihstelle oder in den Buchstellbereichen arbeiten, gibt es im EG und im UG zusätzliche Pausenräume.

Für das gesamte Personal gleichermaßen spürbar ist die Großflächigkeit des Neubaus. Zwar sind die Verwaltungsbereiche im Kopfbau konzentriert, verteilen sich aber auf drei Geschosse. Die Wege in die Buchaufstellungsbereiche, zum Lesesaal und zu den Auskunftstheken sind bedeutend länger als in einer Magazinbibliothek. Für die Kontaktaufnahme untereinander hat sich neben dem herkömmlichen Telefon schon der Einsatz eines Rufsystems bewährt, mit dem Personen, die im Hause unterwegs sind, angefunkt und aufgefordert werden, sich bei einer im Display des Rufgerätes angezeigten Nummer im universitätsinternen Telefonnetz zu melden.

6. Fazit und Ausblick

Auf zukünftige Erweiterungen oder Nutzungsänderungen ist der Neubau vorbereitet. Die Magazinflächen für Bücher lassen sich auf zwei Wegen erweitern, einmal durch die Umrüstung der bisherigen Standregal auf Fahrregale (circa 90 Prozent der unterirdischen Flächen sind umrüstbar und bereits mit den im Boden verlegten Führungsschienen versehen), zum anderen durch einen unterirdischen Ausbau der Magazine nach mehreren Seiten. In den Publikumsbereichen sind im EG und im 1. OG die Lesebereiche mit Hohlfußboden versehen, so dass eine weitere Verkabelung dieser Zonen zur Einrichtung zusätzlicher Internet-Arbeitsplätze möglich ist.

Mit der Verwirklichung des Neubaus hat nach fast 25 Jahren (von Oktober 1975 datiert die erste Stellungnahme des damaligen und heutigen Bibliotheksdirektors zu den Stellplatznöten der Bibliothek) die Sorge um eine dem Wissenschaftsbetrieb der Universität angemessene moderne und funktionale Zentralbibliothek endlich ein Ende. Mit diesem Neubau ist die Universität Kiel bibliothekarisch gesehen für die nächsten Jahrzehnte gut gerüstet.

Der Neubau präsentiert sich Benutzern wie Mitarbeitern in einer sicherlich in manchen Bereichen gewöhnungsbedürftigen Form. Über die architektonische Gestaltung des gesamten Bauwerks mit seinen großflächigen Glasfassaden, über die Verwendung von grauen großformatigen Brederosteinen für die Außenfassaden, von grauem Beton im Inneren und dem wenig kontrastreichen Steinboden (Bianco sardo) in der Eingangshalle, über die offene Deckengestaltung mit den sichtbaren Lüftungskanälen und –auslässen, über die Farbgestaltung des sonnenblumengelben Nadelfilz in Verbindung mit Möbeln aus Birkenholz und schwarz gepolsterten Stühlen von Arne Jacobsen - über all diese Dinge lassen sich viele verschiedene Meinungen hören. Hier ging es darum, dass bibliothekarische Konzept eines hoffentlich zukunftsweisenden Neubaus darzulegen. Über die Ästhetik mögen Berufenere urteilen.


Fußnoten

1. Die grundlegenden Gedanken zum bibliothekarischen Konzept des Neubaus gehen auf den Direktor der Universitätsbibliothek, Herrn Dr. Günther Wiegand, zurück. Ihm ist daher dieser Beitrag als Dank für sein Wirken für die Realisierung dieses Gebäudes in fast 25jähriger mühevoller Arbeit gewidmet. Dank schulde ich ihm darüber hinaus für zahlreiche Gespräche, in denen ich an seinen Ideen und Planungen teilhaben durfte.

2. Erschienen Kiel: Universitätsbibliothek 2001. Zu beziehen über die Universitätsbibliothek Kiel, Leibnizstraße 9, D-24118 Kiel zum Preis von 44,– DM (22,50 Euro) zuzüglich Versandkosten.

3. Vgl. dazu die Ausführungen zum Städtebaulichen Wettbewerb, den 1989 das Kieler Architektenbüro Dr. Werner + Wolf ebenso wie den Ideenwettbewerb zum Bau der Universitätsbibliothek gewann, im Beitrag von Jörg Werner und Cornelius Wolf, Zum architektonischen Entwurfskonzept (wie Anm. 2) S. 33f.

4. S. dazu ausführlich Günther Wiegand, Das bibliothekarische Konzept des Neubaus (wie Anm. 2), S. 9-15, hier S. 10-12.

5. Klarheit und Transparenz des Neubaus lobt Diethelm Hoffmann, Eine Entwurfskonzeption von überzeugender Klarheit (wie Anm. 2), S. 41-45.

6. Der Gesamtbestand der Universitätsbibliothek ist rechtzeitig zum Einzug in den Neubau elektronisch erfasst worden, dazu: Klára Erdei: Kein Umzug für Zettel. Die digitalisierten Kataloge im Neubau der UB Kiel. In: Bibliotheksdienst 35 (2001) S. 453-457.

7. Vgl. Günther Wiegand, Eine lange Geschichte kurz berichtet (wie Anm. 2) S. 5-8, hier S. 6f.

8. Näheres dazu wird von Günther Wiegand an anderer Stelle veröffentlicht.


Zur Autorin

Dr. Else Maria Wischermann ist Abteilungsdirektorin für Benutzung und Information der Universitätsbibliothek Kiel

Universitätsbibliothek Kiel
Westring 400
D-24118 Kiel
E-Mail: wischerman@ub.uni-kiel.de