Strategien für die Zukunft - Management & Marketing im Bibliothekswesen

Leitbild - Berufsbild -Management

von Sigrid Reinitzer


1. Vorbemerkungen
2. Ist-Zustand

3. Ziele der Universitätsbibliothek

4. Die Ziele von Universitätsbibliotheken können durch weitere Überlegungen ergänzt bzw. abgerundet werden

5. Diese Ziele können durch folgende Begleitmaßnahmen bei den MitarbeiterInnen gefördert werden

6. Die Grundlage des Leitbilds

7. Leistungsindikatoren für wissenschaftliche Bibliotheken

8. Bibliotheksmanagement und Bibliotheken im Wettbewerb

Die Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB) und die Universitätsbibliothek Wien hielten anlässlich des 60. Geburtstags von Hofrätin Dr. Ilse Dosoudil am 25. und 26. September 2001 ein viel besuchtes Symposium an der Universitätsbibliothek Wien ab. Gekommen waren der Rektor sowie Vertreter der Universität Wien, des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur (BM:BWK) sowie zahlreiche aktive und auch schon pensionierte Kolleginnen und Kollegen der Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationsberufe aus Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Themenschwerpunkte waren am ersten Tag:

Berufsbild und Leitbild: "Leitbild, Berufsbild, Management" von Sigrid Reinitzer (UB-Graz); "Ausbildung - Rohstoff des Wissens" von Gabriele Pum (Österreichische Nationalbibliothek / Ausbildungsabteilung); "Personalentwicklung und Mitarbeitermotivation" von Gerda Mraczansky (Universität Wien, Büro für Personalentwicklung).

Leistungsmessung und change management: "Leistungsmessung an österreichischen wissenschaftlichen Bibliotheken" von Robert Horvath (BM:BWK, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wien) und Dorothea Scherzer (Frankfurt); "The dance of change, - eine Minimalkunst im Bibliothekswesen" von Josef Friedl (UB-Wien).

Marketingstrategien: "König Kunde" von Wolfram Neubauer, Bibliotheksdirektor der ETH Zürich; "Arbeitsgemeinschaft für Bibliotheksautomation - Ausgliederung und Zusammenarbeit, ein Widerspruch?" Wolfgang Hamedinger, (AGBA-Wien).

In einer abendlichen Festveranstaltung erhielt die Gefeierte die Festschrift:

"Artibus atque modis", herausgegeben von Renate Klepp und Maria Seißl, Wien: Universitätsverlag, 238 Seiten. Das Werk umfasst 16 Beiträge aus vielen Interessenbereichen von Ilse Dosoudil und eine Bibliographie ihrer Publikationen aus den Jahren 1980-2001.

Der zweite Tag galt den Themenbereichen:

Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation der Bestände mit folgenden Beiträgen: "Öffentlichkeitsarbeit - oder nicht?" von Anton Knoll (ÖNB, Wien); "Nachfrage decken, Nachfrage schaffen: elektronische Bestände" von Werner Schlacher (UB-Graz); "Damit es nicht verloren geht" - die Erschließung und Präsentation der Sammlung russischer Mikrofilme an der Fachbibliothek für Zeitgeschichte", ein Projektbericht von Peter Malina, Hannes Leidinger und Verena Moritz (UB-Wien); "Die UB-Wien im Internet", Horst Prillinger (UB-Wien).

Bauten und Bauvorhaben: "Neue Häuser im Zeitalter der Neuen Medien? Weshalb die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek ein neues Gebäude bekommt" von Jürgen Hering (Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek, Dresden); "So weit waren wir noch nie. Funktionssanierung und Erweiterungsbau der UB-Wien" von Maria Seissl (UB-Wien); "Die neue Hauptbibliothek am Gürtel" von Alfred Pfoser (Büchereien Wien).

1. Vorbemerkungen

Leitbild und Berufsbild einer Institution, die Serviceleistungen für einen großen Kundenkreis zu erbringen hat, stehen in unmittelbarem Zusammenhang, beide werden durch das Management der Institution bestimmt und strategisch kooperativ aber manchmal natürlich auch autoritär festgelegt.

Das Leitbild einer wissenschaftlichen Bibliothek, das Berufsbild der Bibliothekarinnen und Bibliothekare sowie das Management einer wissenschaftlichen und zugleich öffentlichen Bibliothek sind eng miteinander verbunden. Gerade der in den letzten Jahren in die Wege geleitete universitäre Globalhaushalt veränderte die Strukturen der wissenschaftlichen Bibliotheken nachhaltig. Plötzlich scheint die Konkurrenz unter den Bibliotheken ein wichtiger Aspekt geworden zu sein und Kooperationen müssen vorrangig der eigenen Institution nützen. Die Leitungsgremium der Universitäten überlegen, wofür das Budget ausgegeben werden soll? - natürlich für die Forschung insbesondere der "harten Wissenschaften", das sind die STM-Bereiche, Science, Technology und Medicine. Die Soft-Sciences, wie die Religions- und Geisteswissenschaften, wie z.B. Philosophie, Geschichte, alte Sprachen oder Kunstwissenschaften, scheinen wenig Anerkennung zu bringen, wodurch für diese Fächer kaum Sponsoren zu finden sind, die bereit wären, Geld von der Wirtschaft bereitzustellen. Das Kultursponsoring bringt kaum Ansehen und unterbleibt.

Bibliotheken müssen ihre Positionen neu definieren, müssen innerhalb der Universitäten ihren Standpunkt aufzeigen und oftmals sogar verteidigen und sehen sich auf der anderen Seite immer höher werdenden Erwartungshaltungen der Kundinnen und Kunden der Bibliotheken gegenüber. Universitäten nehmen neue Forschungszweige auf und vergessen Vorsorge zu treffen, dass hierfür die geeignete Literatur (Bücher und Zeitschriften) angeschafft werden müssen.

Das Leitbild einer Bibliothek steht in engem Zusammenhang mit dem Kundenkreis, der durch sie zu versorgen ist, das sind sowohl die Universitätsangehörigen als auch die BürgerInnen des Landes.

Ehe das Leitbild einer Bibliothek definiert wird, muss zuvor noch der Ist-Zustand dargelegt werden, da Bibliotheken ja nicht nur die aktuelle Literaturversorgung für Universitätsangehörige zu leisten haben, sondern auch das literarische und kulturelle Erbe von Jahrhunderten bewahren, wofür die einzelne Universität nicht zwingend Interesse mitbringt und daher auch hierfür nicht gerne Geld bereitstellen möchte. Hier bleibt es oftmals der Bibliothek überlassen, eigene Wege zu beschreiten, was eine hohe moralische Verpflichtung bedeutet aber auch eine hohe personelle und finanzielle Belastung darstellt.

2. Ist-Zustand

Hier werden folgende Fakten angeführt:

3. Ziele der Universitätsbibliothek

4. Die Ziele von Universitätsbibliotheken können durch weitere Überlegungen ergänzt bzw. abgerundet werden

Was wünschen sich die Benützer von ihrer Bibliothek und wie kann die Bibliothek die Benützer am besten zufrieden stellen. Wie kann das erforderliche Wissensmanagement für alle Interessenten verbessert werden.

Der Kunde wünscht sich ein Maximum an Information aus der Bibliothek mitzunehmen. Die Information soll optimal aufbereitet sein. Das Ergebnis ist dann der multifunktionale Benützerarbeitsplatz. In der Praxis bedeutet das, dass die elektronischen Angebote unter einer graphischen Arbeitsoberfläche angeboten werden. Die Bibliothekare stehen vor der Aufgabe, alle Anwendungen bedienen zu können, erforderlich ist hierfür ein verbesserter Transfer zwischen EDV-Technologie und Bibliotheksanwendungen mit kontinuierlicher Möglichkeit der Fortbildung der Bibliotheks- und Informationsfachleute. Es entstehen neue Strukturen innerhalb der Bibliothek. Der multifunktionale Bibliotheksbenützerarbeitsplatz stellt die Bibliothek vor neue Aufgaben. Die Kernfrage lautet also, was braucht der Benützer, um schnell, einfach, vielfältig, fachbezogene Informationen, Literaturangaben und Literatur auffinden zu können. Das Rollenverständnis der Bibliothek ändert sich im Zuge der Technisierung. Zu ihrer historischen Aufgabe, Literatur zu sammeln, zu bewahren und anzubieten, kommt das Informations- und Wissensmanagement. Elektronische Daten sind zu analysieren, zu sammeln, zu speichern und darzubieten. Dies alles führt zu Strukturveränderungen in der Bibliothek. Die heutige Bibliothek ist auch abhängig von Netzwerktechnologie, Infrastruktur der Kommunikationstechnologie, Hardware- und Softwareausstattung.

Wurden bisher die Wünsche und Bedürfnisse des Benützers schrittweise vorgebracht und erfüllt, will heute der Benützer grundsätzlich alles und alles zugleich. Er möchte wissen, welche Veröffentlichungen es zu seiner Frage gibt, möchte die Veröffentlichungen in digitaler Form ausgegeben haben bzw. wenn es sich um Bücher handelt, den Standort lokalisieren und den Bestell- bzw. Ausleihevorgang online am PC einleiten. In der Praxis braucht er einen Informationsaustausch von E-Mail bis OPAC, von WWW bis CD-ROM und zwar alles an einem Benützerarbeitsplatz. Diese Gleichzeitigkeit ist heute noch nicht möglich, aber als Ziel in Vorbereitung, derzeit ist eine von äußeren Umständen abhängige Arbeitsaufteilung erforderlich.

Die Ablauforganisation der Bibliothek ist in mehrere Bereiche geteilt.
1. Verwaltung und EDV
2. Klassische Benützung und Fachinformation
3. Die Medienbearbeitung

Die klassische Gliederung der Bibliothek in Erwerbung, Titelaufnahme im Haus sowie Institutskatalogisierung und Bearbeitung von Zeitschriften besteht noch weiter, die Abteilungen der Bibliothek werden aber durch ein wichtiges Glied ergänzt, die multimediale Informationsabteilung. Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die durch die neue Technologie in der Erwerbung, Katalogisierung und Medienbearbeitung wesentliche Unterstützung erhalten, können zusätzliche Aufgaben wahrnehmen: retrospektive Konversion von Daten zur Vereinheitlichung der Kataloge, verbesserte Benützerinformation, um die veränderten Anforderungen der Leser zu erfüllen.

Das neue Bild der "Teaching Library" wird schrittweise verwirklicht.

5. Diese Ziele können durch folgende Begleitmaßnahmen bei den MitarbeiterInnen gefördert werden

6. Die Grundlage des Leitbilds

Das Leitbild basiert also auf einer Vereinbarung von Zielen und Leistungen mit den jeweiligen Partnern:

Weiters wird das Leitbild durch Leistungsindikatoren definiert:

7. Leistungsindikatoren für wissenschaftliche Bibliotheken

Leistungsindikatoren geben Auskunft über die Qualität bibliothekarischen Handelns und müssen daher die wichtigen bibliothekarischen Tätigkeitsfelder aufzeigen:

Diese sieben Leistungsindikatoren wurden auch von der IFLA (IFLA - International Federation of Library Associations and Institutions) zusammengestellt und kurz beschrieben:

Gemessen wird der Geschäftsgang in der Bibliothek und die Bereitstellung von Dokumenten:
- Beschaffungsdauer
- Durchlaufzeit
- Verfügbarkeit
- Bereitstellungszeit / Ortsausleihe
- Bereitstellungszeit / Fernleihe und Dokumentenlieferdienst

8. Bibliotheksmanagement und Bibliotheken im Wettbewerb

Bibliotheken stehen aber notwendiger Weise zueinander nicht in Konkurrenz sondern stärken sich selbst und stärken einander durch Kooperation:

Abschließend kann gesagt werden, dass das Leitbild der Bibliothek dem Benützer in zeitgemäßer Sprache sagen soll, was er erwarten kann. Die Bibliothek bleibt die für jedermann zugängliche Instanz, die jederzeit Auskunft über die Welt geben kann. Die Bibliothek ist der Ort des positiven Wissens aber zugleich der Platz der unermesslichen Menge der Information, wo es stets schwierig bleibt, die richtige Information zu erhalten und zu geben.


Zur Autorin:

Hofrätin Dr. Sigrid Reinitzer ist Bibliotheksdirektorin der Universitätsbibliothek Graz und Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB)

Universitätsbibliothek Graz
Universitätsplatz 3
A-8010 Graz
E-Mail: sigrid.reinitzer@kfunigraz.ac.at