Die Bibliotheken der kroatischen Hochschulen
Ein Workshop über die Kooperation von Universitätsbibliotheken in Kroatien

von Rafael Ball

Zum wiederholten Male trafen sich die kroatischen Informationsspezialisten und Informationsmanager der Universitäts- und Spezialbibliotheken sowie der Nationalbibliothek zu einem Workshop am 29./30. Oktober 2001 in Split. Das Treffen stand ganz unter dem Thema "Elektronische Informationsressourcen für kroatische wissenschaftliche Bibliotheken". Schwerpunkt war die Erwerbung von digitalen Medien, besonders von elektronischen Zeitschriften und Datenbanken.

Der zweitägige Workshop wurde veranstaltet und organisiert vom kroatischen Bibliotheksverband 1 und seiner Kommission für Hochschulbibliotheken in Zusammenarbeit mit der Regionalgruppe Split.

Besonderes Interesse fanden die Vorträge zum Thema "Konsortiallösungen für den Bezug elektronischer Zeitschriften und Datenbanken". Die Beiträge diskutierten die verschiedenen Modelle von Konsortien weltweit. Auf der Grundlage der Gegenüberstellung einer europäischen Vorstellung von Konsortien und der amerikanischen Ausprägung von Konsortien entstand eine heftige Diskussion. Während man in Europa ein Konsortium eher als Organisationsstruktur für den effektiven Einkauf elektronischer Medien betrachtet, ist ein Konsortium nach US-Vorstellung (und US-Realität) eher eine Organisation, die eine ganze Bandbreite verschiedenster Bibliotheksservices anbietet (etwa OCLC). Gleichzeitig haben amerikanische Konsortien meist eine feste und gut strukturierte Organisation mit hauptamtlich Beschäftigten und festen Arbeitsgruppen, während in Europa Konsortien eher als Spontanarbeitskreise mit ehrenamtlichen Mitgliedern verbreitet sind.

Diese Sicht wurde dann mit den real existierenden Bedingungen des kroatischen Bibliothekswesens einerseits und der Wissenschaftspolitik des Landes andererseits konfrontiert. Schnell kam man zur Einsicht, dass das amerikanische Modell wegen seiner professionellen Organisation für Kroatien durchaus in Frage kommt. Man sah die Nationalbibliothek in der Pflicht, personelle Ressourcen für solche Aufgaben zur Verfügung zu stellen und Leitung wie Organisation solcher Konsortien zu übernehmen.

Die Nationalbibliothek selbst scheint damit ebenfalls keine Probleme zu haben und wird entsprechende Aufgaben gerne übernehmen. So appellierte der Direktor der kroatischen Nationalbibliothek in Zagreb, Dr. Josip Stipanov in deutlichen Worten an die Solidarität und den Zusammenhalt der Bibliotheken und Bibliothekare im "Kampf" um Mittel für elektronische Informationsressourcen. Tatsächlich haben viele der Universitätsbibliotheken einen außerordentlich geringen oder gar keinen Erwerbungsetat. Alle Mittel müssen daher über Sonderprogramme direkt von den Kommunen oder beim Ministerium beschafft werden. Zwar werden immer wieder Gelder für Bibliotheken und die Beschaffung elektronischer Informationen zur Verfügung gestellt, doch hängt dies meist von den persönlichen Kontakten der Bibliotheksleitung zu den Zuständigen im Ministerium ab und ist damit sehr unzuverlässig, nicht vorhersehbar und zufällig. Es besteht damit keinerlei Planungssicherheit für die meisten Bibliotheken des Landes. Ohnehin sind die Universitätsbibliotheken in Kroatien eigentlich nicht mit den entsprechenden Einrichtungen etwa in Deutschland vergleichbar, da sie meist ohne organistorische, verwaltungstechnische und personelle Einbindung zur Universität stehen. Oft sind sie dem Ministerium direkt finanziell und administrativ unterstellt und haben keine Verbindung mehr zu ihrer Hochschule2.

Wenn auch dem amerikanischen Modell der Konsortialbildung hinsichtlich der Organisationstrukturen Vorrang gegeben wird, so wünschen sich die kroatischen Bibliothekare ein nationales Konsortium für alle wissenschaftlichen Bibliotheken, welches dann zentrale Staatsmittel einwerben und für den Abschluss von Lizenzen einsetzen kann.

Fragen der Archivsicherheit elektronischer Medien oder die Diskussion "Print holdings vs. Elektronischer Information" treten angesichts des Basisbedarfs in den Hintergrund. Die kroatischen Bibliothekare wären schon sehr glücklich, wenn sie ihren Benutzern die elektronische Version der Printmedien in ausreichender Zahl zur Verfügung stellen könnten.

Längst ist man sich aber der Verantwortung für das Copyright bewusst und weist die früheren laissez faire Vorwürfe heute zurecht weit von sich. Zu Fragen der bestimmungsgemäßen Nutzung digitaler Medien und zum Problem des Copyright war ein Hochschuljurist eingeladen.

Der Workshop konnte aufzeigen, dass nicht nur der Wunsch nach einer gesicherten Lösung für den Bezug digitaler Zeitschriften und Datenbanken besteht, sondern bereits Konzepte klar formuliert und ausgearbeitet vorliegen, die von den meisten Beteiligten mit getragen werden. Bleibt nur noch die nicht ganz leichte Aufgabe, die kroatische Regierung davon zu überzeugen, jene Mittel, die für elektronische Informationen benötigt werden an anderer Stelle im Staatshaushalt einzusparen.


Anmerkungen

1. Croation Library Association: http://pubwww.srce.hr/hkd

2. Katalanac, D.: Zvona za sveucilisne knijzice, Glasnik,br. 7/2000, S. 122-138


Zum Autor

Dr. Rafael Ball ist Leiter der Zentralbibliothek des

Forschungszentrum Jülich GmbH
D-52425 Jülich
E-Mail: r.ball@fz-juelich.de