3. Frankfurter Treffen des Forum Zeitschriften - GeSIG e.V.

Bericht über die Veranstaltung am 12. Oktober 2001 anlässlich der Frankfurter Buchmesse

"Elektronische Fachinformation im Spannungsfeld von politischen Vorgaben, ökonomischen Realitäten und bibliothekarischem Alltag"

Der Titel spannt den weiten thematischen Bogen der diesjährigen Veranstaltung von Forum Zeitschriften (GeSIG), zu der zum dritten Mal aus Anlass der 53. Frankfurter Buchmesse Mitglieder, Förderer und interessiertes Fachpublikum geladen waren.

Dr. Christine Thomas vertrat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und vermittelte in ihrer Eigenschaft als neue Referatsleiterin - "Digitale Bibliothek" - profunde Zukunftsstrategien. Mit deutlichem Fokus auf die Nutzersicht - "Der Nutzer verlangt die Verfügbarkeit von Informationen schnell, vollständig und zielgenau" -, möchte das Bildungsministerium durch abgestufte Maßnahmen die Zunahme von Internet-Nutzungsmöglichkeiten forcieren und unterstützen. Erklärtes Ziel ist dabei, den Zugriff direkt vom Arbeitsplatz aus mit nur einem Zugang zu ermöglichen. Allerdings scheitere diese Vision noch zu oft in der Realität, so Frau Dr. Thomas. Der Strukturwandel in der Informationswelt hat neuartige Problemstellungen geschaffen, vor allem in ökonomischer Hinsicht. Zur genaueren Analyse der Situation hat das Bundesministerium bei der Unternehmensberatung Arthur D. Little eine Studie in Auftrag gegeben. Deren Ergebnisse sollen bis Ende diesen Jahres vorliegen und die Grundlage für weitere Planungen des BMBF bilden. "Sicher ist", so Frau Dr. Thomas, "die Zukunft gehört den elektronischen Zeitschriften". Nicht zukunftsfähig dagegen sei das parallele Existieren von Print und E-Journals. Aus dieser Situation ergebe sich die Notwendigkeit einer Neudefinition der Bibliotheksaufgaben und deren weitere Spezialisierung. Gebremst wird diese Wunschvorstellung jedoch mitunter von den Verlagen selbst - von fehlenden finanziellen Möglichkeiten auf Seiten der Hochschulen einmal abgesehen. Die Verlage lassen bis jetzt eine einheitliche Strategie bei der Zugangsproblematik vermissen. Für das BMBF stellen sich vordringlich u.a. folgende Aufgaben: z.B. Schaffung von Einheitlichkeit bei den Lizenzvereinbarungen (unterstützt durch die Arbeitsgemeinschaft der Informationsverbünde) und neue Ansätze bei der Konsortialbildung, z.B. durch fachliche Orientierung in den Bibliotheken anstelle einer regionalen. (Weitere Informationen zu Projekten des BMBF unter www.dl-forum.de.

Durch die elektronischen Zugangsmöglichkeiten hält auch Lex Lefebvre, Geschäftsführer des Internationalen Verbandes der STM Verlage, eine Neudefinition des "publishing" generell für nötig. In seinem Referat hob er ebenfalls die neuen Herausforderungen an alle am Informationsprozess Beteiligten hervor und verwies auf die Notwendigkeit einer erhöhten Kooperation zwischen Bibliotheken und Verlagen. Die elektronischen Zugangsmöglichkeiten änderten komplett das gesamte Umfeld der Akteure, meint Lefebvre. Einer "public library of science" mit einer völlig neuartigen Infrastruktur gehöre die Zukunft, dafür seien ebenso Umstrukurierungen im Haushaltsbudget dringend notwendig. Ein Modell dafür könnte die British Library in London sein. Auch die Initiative CrossRef (mit 83 Verlagen) könne als Beispiel für eine gelungene Entwicklung gesehen werden. Auf die von ihm diagnostizierten Ungleichzeitigkeiten bei der technischen Entwicklung einerseits und den legislativen Regelungen andererseits reagiere allerdings die Regierung der Bundesrepublik eher rückwärts gewandt mit ihrem Vorstoß eines neuen Urhebervertragsrechts.

Eine nüchterne Sicht auf die Dinge zeigte Dr. Alice Keller, zugespitzt formuliert im Titel ihres Vortrages "Wer überlebt länger, die Bibliotheken oder die Zeitschriften?"

Als Erwerbungsleiterin der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich fordert sie offensiv "Geld für die Bibliotheken". Frau Dr. Keller gab einen plastischen Einblick in die Zwangslage der Bibliotheken. Generell sieht sie für den Bibliothekshaushalt eine kritische Preisentwicklung bei den Fachzeitschriften. Doch ob ein flächendeckendes Angebot an E-Journals die Lösung aus diesem Dilemma bedeuten könnte, bleibt für sie mehr als fraglich. Anlässlich einer von ihr durchgeführten Studie im Rahmen der europaweiten Delphi-Untersuchung kam sie zu interessanten, und mitunter auch überraschenden Ergebnissen. De facto ergibt sich eine sehr große Nachfrage nach E-Journals (Zunahme um den Faktor 10 gegenüber den Prints), aber auch noch immer eine rege Nachfrage nach Print-Journals. Das digitale Doppelgängertum ist jedoch auch in ihren Augen lediglich ein Stadium des Übergangs. Lösungen wären zu suchen durch Pre-Print-Archive, Dokumentenserver (wie z.B. OPAC) oder in Pay-per-Use-Verfahren. Mit diesen Vorstellungen liegt sie nicht sehr weit von den Ideen aus dem Hause des BMBF entfernt, allerdings war von dieser Seite nichts Konkretes über finanzielle Ausgestaltungen zu hören gewesen. So bleibt zu hoffen, dass der Appell nach mehr Geld nicht ungehört verhallt

Anne Bein (Swets Blackwell) und Dr. Knut Dorn (Harrassowitz) gingen gemeinsam der Frage nach, wie sich in diesem veränderten Umfeld die Zeitschriftenagenturen neu positionieren können. Zwar haben sich die Agenturen längst vom Zeitschriftenlieferanten zum "Informationsprovider" entwickelt, doch auch sie stehen vor neuen Herausforderungen und müssen ihre Geschäftspolitik entsprechend justieren. Dies nicht zuletzt deswegen, weil sie ihre Rolle im Spannungsverhältnis zwischen Bibliotheken einerseits und Verlagen andererseits neu definieren müssen. So lässt sich die Dynamik der Problemfelder bei der Zusammenarbeit mit den Verlagen folgendermaßen zusammenfassen: eine ständig zunehmende Anzahl der Titel in einer Vielfalt von Erscheinungsformen und oft unregelmäßiger Erscheinungsweise, sich stetig verändernde Verkaufs- und Preismodelle und darüber hinaus stetig sinkende Rabatte (weitere Beschleunigung durch deep discounts und Konsortiallösungen) und die Änderung von Verkaufsmustern ohne vorherige Einbindung der Geschäftspartner. Die Bibliotheken auf der anderen Seite erwarten eine immer breitere Servicepalette über die traditionelle Pflege des Abonnements hinaus, dies natürlich insbesondere im Bereich der elektronischen Zeitschriften. So müssen ständig neue Daten vorgehalten und Zugangsschaltungen vorgenommen werden, Lizenzverhandlungen geführt werden. Und das alles bei sinkenden Budgets der Bibliotheken, was zwangsläufig zu einem geringeren Geschäftsvolumen führt. Dies erweist sich als fatale Situation für die Agenturen, denn die erhöhten Leistungsprofile machen verstärkte Investitionen nötig - und dies in besonders kostenintensiven Bereichen. Manch eine Agentur ist bei diesem Spagat schon auf der Strecke geblieben. Die alles entscheidende Überlebensfrage bleibt also, ob es den Agenturen gelingt, erweiterte Serviceleistungen anbieten zu können, die von den Bibliotheken auch als Mehrwert anerkannt werden und somit zusätzliche Berechnung rechtfertigen. Die Rolle der Bibliotheken innerhalb dieser Entwicklungen könnte sein, über eine stringente Titelauswahl und die Vergabe ihrer Aufträge die Vielfalt der Verlage und Agenturen am Markt zu erhalten.

Forum Zeitschriften (GeSIG) bedankt sich bei allen Teilnehmern für das rege Interesse; Informationen zu den nächsten Veranstaltungen, über laufende Projekte, Protokolle etc. finden Sie unter http://gesig.ub.uni-konstanz.de.