Brown, John Seely; Duguid, Paul:
The Social Life of Information. - 3. Aufl.


- Boston, MA: Harvard Business School Press, 2000. - X, 317 S.
ISBN 0-87584-762-5 $ 25,95

Dieses Buch handelt von einer wichtigen Frage: Wie kann man die Informationstechnologie so einsetzen, dass sie die sozialen (Arbeits- oder Lern-)Prozesse so gut unterstützt, wie ihre Protagonisten bzw. jene einer "Informationsgesellschaft" immer behaupten? Sie merken, es handelt sich um einen kritischen Ansatz, der hier verfolgt wird, kritisch gegenüber dem "Tunnelblick" der Techniker und Technikenthusiasten, die nur sehen, was in der technischen Entwicklung strikt geradeaus möglich ist, ohne bei der Einführung der Technik darauf zu achten, was links und rechts des Weges an sozialen Gruppen und Prozessen liegt, welche bei der optimalen Einbettung und Zielerreichung eigentlich zu berücksichtigen wären. Und solcherart - so die Kernthese des Buches - verfehlt die Informationstechnik ihren eigentlichen Zweck, die sozialen Prozesse zu optimieren, sie wird suboptimal oder gar kontraproduktiv eingesetzt.

Dieses Urteil gilt übrigens nach Ansicht der Autoren, der eine Leiter der Forschungseinrichtung von Xerox, der andere Recherchespezialist einer kalifornischen Universität, nicht nur für die Informationstechnik im Besonderen, sondern auch für den Informationsbegriff im Allgemeinen. Es sei beispielsweise ein Mythos, dass man im Informationszeitalter keine Institutionen oder Hierarchien mehr benötige. Es seien jeweils die Menschen, welche die Entscheidungen träfen, was Information aussagt und wofür sie relevant ist. Damit sei der soziale Bezug von Information jeweils unmittelbar gegeben.

Der Beweis, dass dem so ist? Nun, beweisen lässt sich das nicht, aber die Autoren belegen ihre Thesen anhand verschiedener Studien, welche die grundsätzliche Skepsis plausibel erscheinen lassen und zugleich die Perspektive auf einen sinnvolleren Einsatz von Informationstechnik eröffnen.

Die Studien behandeln Themen wie z.B. den Einsatz von push-agents in der Informationssuche und -dienstleistung, die Telearbeit, das Knowledge-Management bei Service-Mitarbeitern, das Lernen in Organisationen, die Digitalisierung von Dokumenten und was dabei an Bedeutung verloren geht und das Long-distance learning an Universitäten. Alle diese Studien unterstützen die These, dass Informationsübertragung und -speicherung eben nicht das Zaubermittel ist, um soziale Prozesse und Kontakte zu ersetzen. Es muss vielmehr sorgfältig berücksichtigt werden, wie in diesen Bereichen soziales Lernen geschieht und wie es dabei durch den Einsatz von IT-Technologie unterstützt werden kann. Beispielsweise merken die Autoren bezüglich der gerade modischen Ansätze von Knowledge- und Content-Management an, dass Wissen keine Sache ist, die digital einfach aufgenommen, gespeichert und wieder abgerufen werden kann, sondern dass Erwerb und Weitergabe von Wissen damit zu tun hat, dass die Menschen dieselbe Praxis teilen. Man kann oft das "know how" der Praxis nicht in das "know that" eines Datenbankeintrags verwandeln, ohne dass dabei wichtige Information verloren geht.

Man könnte noch viel mehr aus dem Inhalt referieren, doch: Lesen Sie lieber selbst! Es ist ein dichter und dabei anschaulicher, gut lesbarer Text, der keine größeren fachlichen Anforderungen an die Lektüre stellt. Mit $ 25,95 stellt der Preis keine große Hürde dar, laut Verlags-Homepage ist auch eine Paperback-Version für knapp 17 US-Dollar erhältlich.


Anschrift des Rezensenten:
Dr. Jürgen Plieninger
Bibliothek des Instituts für Politikwissenschaft
Universität Tübingen
E-Mail: juergen.plieninger@uni-tuebingen.de