Aus PISA nichts gelernt?

Wie das Innovationszentrum für Bibliotheken an einer beleidigten Bürokratie zu scheitern droht

Groß war die Aufregung der Politiker aller Parteien nach Veröffentlichung der PISA-Studie. Keine Sonntagsrede, die nicht energisch forderte, man müsse etwas für die Bildung tun. Eifrig applaudierte man, wenn Bibliotheksverbände oder die Stiftung Lesen daran erinnerten, dass die Leseförderung vor allem in Kindergärten und Bibliotheken verstärkt werden müsse. Soweit die Reden am Sonntag, in der Woche wird anders gehandelt.

Weil der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen sich weigert, einen Beitrag von rund 198.000 € für ein von Bund und Ländern gewünschtes kleines, aber effektives Innovationszentrum für Bibliotheken (IZB) bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu fördern, steht dieses, nachdem es vor gut einem Jahr gezeugt wurde, jetzt kurz vor der Abtreibung. Grund dafür ist groteskerweise nicht die sogenannte Entflechtungsdebatte oder extreme Sparsamkeit, sondern anscheinend ein albernes Beleidigtsein des Finanzministeriums, das meint, Wissenschafts- und Kultusressort hätten sich nicht ordentlich mit ihm abgestimmt.

Man erinnert sich: Vor zwei Jahren wurde in Berlin das Deutsche Bibliotheksinstitut zerschlagen - die einzige Einrichtung, die zentral Bibliotheken aller Größen förderte und internationale Kontakte sicherte. Während andere europäische Länder über ähnliche Einrichtungen verfügen oder sie, wie Österreich, aufbauen, wurde sie in Deutschland abgeschafft. Immerhin sollte stattdessen eine kleine schlagkräftige Gruppe bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz neue Entwicklungen auf dem Informationssektor beobachten und fördern und internationale Kontakte aufbauen. Konkret heißt das u.a.: Einwerben von Geldern für Deutschland. Die Beteiligung an EU-Bildungsprojekten ist in Deutschland unterentwickelt. Viele Millionen Projektgelder, die etwa das deutsche Bi-bliotheks- und Informationsnetz leistungsfähiger machen könnten, gehen wegen des Fehlens einer zentralen Einrichtung verloren.

Am 1. Januar dieses Jahres sollte das Innovationszentrum in Berlin seine Arbeit aufnehmen. Nun droht das Aus.

Mag Deutschland sich von der internationalen Entwicklung abhängen, mag es sich einer Kulturnation unwürdig verhalten, mag der schiefe deutsche Bildungsturm in eine noch schlimmere Schräglage kippen - was soll's? Wir haben ja Sonntagsredner genug und eine standhafte Bürokratie!

Dr. Georg Ruppelt
Ltd. Bibliotheksdirektor
Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände e.V. (BDB)
D-10623 Berlin

bdb@bibliotheksverband.de
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