Informationsqualität für alle und ihre Kosten
Bielefeld 2002 Konferenz vom 5. bis 7. Februar 2002

von Irmgard Lankenau

Zum sechsten Male versammelten sich Informationsspezialisten zu einem aktuellen Thema in Bielefeld. Besonders erfreulich ist zu bemerken, dass neben British Council, dem traditionellen Sponsor und Mitveranstalter, auch TICER (Tilburg Innovation Centre for Electronic Resources) und die Universität Tilburg, als Mitveranstalter auftraten. Diese Internationalisierung ist sehr zu begrüßen und es ist zu hoffen, dass die Konferenz dadurch für ausländische Teilnehmer noch interessanter werden wird.

Die Pensionierung des langjährigen Leitenden Bibliotheksdirektors der Universitätsbibliothek Bielefeld und Initiators der Bielefeld Konferenz, Dr. K. W. Neubauer, gab natürlich Anlass zu einem Rückblick und zu einem Fazit der vorherigen Konferenzen. Dass dieses sehr positiv ausfällt ist vor allem der geschickten Auswahl der Konferenzthemen zu verdanken, die jeweils die aktuellen Fragen nicht nur des Bibliothekswesens im engeren Sinne, sondern auch der Informationsversorgung generell aufgegriffen haben. Damit spiegeln die Konferenzthemen die Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre in eindrucksvoller Weise wider. Allerdings muss dann auch die Frage nach den Antworten gestellt werden und um es vorab zu sagen: leider gab es in diesem Jahr keine schlüssige Antwort darauf, wie die Kostenlawine in den Bibliotheken aufgehalten werden kann. Aber - um fair zu sein - dies konnte man bei diesem komplexen Thema auch nicht erwarten. Zumal auf politische Aussagen zu diesem Thema verzichtet werden musste. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Jürgen Möllemann, der über "politische Strategien für die Wissensgesellschaft" sprechen sollte, musste leider kurzfristig auf die Teilnahme verzichten. Und auch Dr. Christine Thomas, Leiterin des Referates "Digitale Bibliothek im Bundesministerium für Bildung und Forschung" musste aus nachvollziehbaren Gründen leider absagen. Dies war umso bedauerlicher, da die Konferenzteilnehmer mit Spannung den Beitrag "Die Zukunft der wissenschaftlichen Information: Empfehlungen und politische Konsequenzen in Deutschland" erwartet hatten. Es steht zu hoffen, dass dieser Vortrag bei nächster Gelegenheit nachgeholt werden kann und dass das Fehlen der beiden "politischen Referenten" kein Hinweis auf den Grad des Interesses zu Fragen der Informationspolitik im Wahljahr bedeutet.

Aber auch ohne die beiden eingeplanten politischen Beiträge gab es interessante und zu Diskussionen anregende Beiträge. So die Ausführungen von Dr. Friedrich Bode vom Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen, der die radikale Abkehr von den üblichen Finanzierungsmodellen für Bibliotheken vorschlug und stattdessen forderte, dass Bibliotheken zunächst eine strategische Planung und eine Zielorientierung vorlegen müssten, bevor sie noch mehr Geld für den Erwerb von klassischen Bibliotheksprodukten oder auch für Konsortien erhalten könnten. Auch wenn dies dem einen oder anderen Teilnehmer sehr provokant und als zu weit gehend erschien, so muss doch festgehalten werden, dass es für Bibliotheken überlebensnotwendig ist, sich zu bewegen, neue Modelle der Steuerung zu erproben und das eigene Selbstverständnis und die Rolle in ihrer Organisation zu überdenken.

Wie dies aussehen kann, zeigten drei Beiträge aus der Industrie (Eugenie Prime, Manager Corporate Libraries, Hewlett Packard Company, Palo Alto; Dr. Anne Petry-Eberle, Leiterin Fachinformation und Dr.Ehrfried Büttner, Leiter Corporate Information Research Center, Siemens AG). Alle drei Referenten hoben die Bedeutung ihrer Einheiten nicht nur für die Versorgung mit Informationen und Literatur, sondern auch für das Wissensmanagement in ihren Firmen hervor. Am eindringlichsten jedoch versuchte Eugenie Prime in einem mitreißenden Appell die Konferenzteilnehmer nicht nur zu mehr Selbstbewusstsein, sondern auch dazu zu motivieren, der Zukunft voraus zu sein und Dienstleistungen zu entwickeln, die von den Benutzern nachgefragt werden. Dass dies nicht nur für den Bereich der Industrie gelten kann, sondern in besonderer Weise auch für Hochschulbibliotheken, die sich in dem sich wandelnden Umfeld neu positionieren müssen, liegt auf der Hand.

Der Themenkomplex Struktur und Finanzierung der künftigen elektronischen Informationsversorgung war durch zwei Absagen von Referenten leider etwas ausgedünnt und so hatte Jens Thorhauge, Generaldirektor der dänischen National Library Authority Gelegenheit, ausführlich über "Skandinavische Informationspolitik und Finanzierungsmodelle" zu sprechen. Leider konzentrierte er sich dabei lediglich auf Dänemark und schilderte die Versuche, durch nationale Konsortien den Zugang zu elektronischen Informationsquellen sicherzustellen. Dies war umso bedauerlicher, da man aus den nordischen Ländern, die für Ihre Innovationsfähigkeit im Bibliothekswesen bekannt sind, doch neue interessante Ansätze erwartet hätte.

Die Vorträge von ISI, Elsevier und OCLC/PICA zu ihren kommerziellen Strategien wären m.E. unter den Hauptvorträgen verzichtbar gewesen, zumal nichts wirklich Neues präsentiert worden ist. Es mag zwar die Zuhörer erfreut haben zu hören, dass Elsevier nun "satt" ist, aber es wäre zu raten, diese Art von Selbstdarstellungen in einen kleineren Rahmen, z.B. bei den Firmenpräsentationen, unterzubringen.

Unter dem Stichwort "Popularisierung der Information" stellten Henk T.Das, der Direktor der Public Library in Eindhoven, Modelle vor, mit denen versucht wird, die soziale Kluft zwischen denen, die Zugang zum Internet haben und solchen, denen dies nicht möglich ist, zu schließen. Andrew Duncan (Social Inclusion and Learning Technologies, Department for Education and Skills) stellte Projekte aus Grossbritannien vor, die das gleiche Ziel verfolgen und versuchen, möglichst breite Bevölkerungsschichten für die Schulung zur Nutzung moderner Informations- und Kommunikationsangebote zu erreichen.

Erfreulich zu beobachten war, dass sich die von vielen geforderte Kooperation zwischen Bibliotheken, Rechenzentren, Fachwissenschaftlern, Informationsproduzenten und -anbietern auch bei den Teilnehmern niederschlug, zu denen auffallend viele "Nichtbibliothekare" gehörten. So wurden dann konsequenterweise die Konferenz von zwei Schlüsselvorträgen eingerahmt, für die zwei Nichtbibliothekare gewonnen werden konnten:

Den Eingangsvortrag hielt Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Maurer, renommierter Informatiker und Direktor des Grazer Instituts für Informationsverarbeitung und Computergestützte Neue Medien, er sprach über "Wissensmanagement - ein neuer Hype der Informatiker?". Auch wenn viele Teilnehmer die Visionen des Referenten von "implantierten" intelligenten Systemen, die uns irgendwann das Denken abnehmen werden, nicht teilen konnten, so war dieser sicherlich gewollt provozierende Vortrag dazu geeignet, die Diskussion anzuregen und auf neue Wege zu führen, nämlich darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten - aber auch Gefahren - Wissensmanagementsysteme, die mit Zusammenhangserkennung arbeiten, in sich bergen.

Wesenstlich konkreter und - wenn man so will - auch "bodenständiger" war der Abschlussvortrag von Prof. Dr- Eberhard R. Hilf. Der pensionierte Physikprofessor, der heute Geschäftsführer des Institutes for Science Networking ist, appellierte nachhaltig an alle an der Vermittlung von Information und Wissen Beteiligten, sich den neuen Methoden und Möglichkeiten des Lehrens und Lernens nicht zu verschließen und ihre Angebote diesen Entwicklungen anzupassen. Dabei ging er auch auf neue Angebotsformen von elektronischer Information ein und betonte die Notwendigkeit von Schulungsmaßnahmen für alle Nutzergruppen. Damit schloss sich der Vortrag von Hilf an die Ausführungen von Hans Roes von der Universitätsbibliothek in Tilburg an, der kenntnisreich und sehr konkret zum Thema "e-learning and libraries" sprach. Dabei wurde sehr deutlich, dass Bibliotheken im Umfeld des elektronischen Lernens eine wichtige Rolle spielen und wesentliches zu entsprechenden Curricula und zur Ausbildung von Studierenden beitragen können. Dabei wurden einige Bereiche diskutiert, in denen Bibliotheken wichtiger Kooperationspartner sein können, nämlich bei der Vernetzung von digitalen Bibliotheken und digitalen Lernumgebungen, beim Aufbau von digitalen Portfolios, bei der Vermittlung von Informationskompetenz, bei der Entwicklung von Kursen und bei der Verknüpfung zwischen physikalischer und virtueller Lernumgebung. Möglicherweise kündigte sich ja mit diesem Konferenzsegement "Die neue Rolle von Bibliotheken für die Entwicklung von Informationskompetenz in der Gesellschaft" bereits das Thema für die Bielefeld Konferenz 2004 an.

Während eines Empfangs von Stadt und Universität Bielefeld wurden die Leistungen von K.W. Neubauer nicht nur als Initiator der Bielefeld Konferenz gewürdigt. Dabei wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass es die Bielefelder Konferenz auch in der Zeit nach Neubauer geben wird. Dies entspricht sicherlich auch dem Wunsch der mehr als 400 Teilnehmer. Allerdings sollte man das Konzept überdenken, denn die diesjährige Veranstaltung hat gezeigt, dass die Teilnehmerzahl mittlerweile für Frontalvorträge zu groß geworden ist und dass es daher sinnvoll sein könnte, neben Schlüsselvorträgen auch Workshops und zentrale, kleinere Diskussionsforen einzurichten. Damit könnte auch die Kommunikation und die Kontaktaufnahme unter den Teilnehmern gefördert werden. Gerade durch die neue Allianz mit den niederländischen Partnern und durch das verstärkte Engagement von British Council ergibt sich hier die große Chance, mit den Kollegen aus dem Ausland ins Gespräch zu kommen und miteinander zu arbeiten und voneinander zu lernen.

Die Vorträge der Bielefeld Konferenz liegen im Netz unter der URL:
http://www.ub.uni-bielefeld.de/2002conf/prog_dt.htm


Zur Autorin

Dr. Irmgard Lankenau ist Direktorin der

Universitätsbibliothek Koblenz-Landau
Im Fort 7
D-76829 Landau
E-Mail: Lankenau@uni-koblenz-landau.de