Klatt, Rüdiger:
Elektronische Information in der Hochschulausbildung: innovative Mediennutzung im Lernalltag der Hochschulen


- Opladen: Leske und Budrich, 2001 - 225 S.: graph. Darst.
ISBN 3-8100-3365-0, € 24,90

Im April 2000 beauftragte das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Sozialforschungsstelle Dortmund (sfs) zusammen mit der Universität Dortmund und der GAUS mbH, die Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Informationen an deutschen Hochschulen zu untersuchen und ggf. Maßnahmen für deren Verbesserung vorzuschlagen. In dem vorliegenden Buch werden die Ergebnisse und die vorgeschlagenen Maßnahmen der SteFi-Studie (Studieren mit elektronischen Fachinformationen) präsentiert.1

Der Bericht ist in sieben Kapitel aufgeteilt. Kapitel 1 fasst die Ergebnisse der schriftlichen Befragungen der Dekanate, der Studierenden, der Lehrenden und die Gegenüberstellung der drei Befragungen zusammen. Das zweite Kapitel beschreibt die Explorationsphase: Zur Vorbereitung der Studie wurden insgesamt 20 Interviews mit Vertretern der verschiedenen Fachgesellschaften und Fakultäten an Universitäten und Fachhochschulen, sowie 3 Interviews mit Vertretern des Bibliothekswesens geführt, Gruppendiskussionen mit Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen veranstaltet, sowie die einschlägige Literatur rezipiert. Ziele der Explorationsphase waren die Feststellung des Status Quo der Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Informationen und die Bildung von Fragen und Hypothesen für die schriftlichen Befragungen der Dekanate, der Lehrenden und der Studierenden. Kapitel 3 berichtet über die schriftliche Befragung der Dekanate. Hier werden die institutionellen Aspekte wie technische Infrastruktur, personelle Ausstattung, Integration der Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Informationen in Studien- und Prüfungsordnungen und Studieninhalten untersucht. Kapitel 4 und 5 stellen die Befragungen der Studierenden und Lehrenden vor, wobei auch jeweils eine Auswertung der Antworten nach Geschlecht, Fachdisziplin und Hochschulart erfolgt. In Kapitel 6 werden die schriftlichen Befragungen der Dekanate, der Lehrenden und der Studierenden einander gegenüber gestellt. Im siebenten und letzten Kapitel schließlich werden ein "Worst-Case"- und ein "Best-Case-Szenario" entworfen und in einem Fünf-Punkte-Katalog Maßnahmen für die Verbesserung der Nutzung elektronischer Informationen in der Hochschulausbildung und für die Vermittlung von Informationskompetenz vorgeschlagen: 1. Verankerung der Nutzung elektronischer Informationen in der Lehre durch entsprechende Anreize und Weiterbildungsmaßnahmen für die Lehrenden, 2. Förderung von Tutorien zur Vermittlung von Informationskompetenz für die Studierenden, 3. Bereitstellung elektronischer Informationen auf den Fachbereichs-Homepages zur Bündelung des Angebots, 4. die Vernetzung von Lehre und Unternehmenspraxis, um Studierende und Lehrende für die wachsende Bedeutung der Schlüsselqualifikation "Informationskompetenz" zu sensibilisieren und 5.die Förderung der hochschulinternen- und hochschulübergreifenden Zusammenarbeit von Fakultäten, Bibliotheken, Rechenzentren, Verlagen und Fachinformationszentren.

Die Studie ist verständlich geschrieben, wenn auch der Lesefluss durch vereinzelt fehlende, doppelt eingedruckte oder in ihrer Reihenfolge vertauschte Wörter leidet. Eine redaktionell überarbeitete Neuauflage erscheint hier wünschenswert. Redundanzen im Aufbau wie in der Formulierung sorgen für eine gewisse Langatmigkeit, so dass die Versuchung groß ist, sich nur auf die Zusammenfassungen zu beschränken. Das ist schade, denn interessante und wichtige Aspekte, die in den Ausführungen oft leider nur am Rande diskutiert werden, drohen so unbeachtet zu bleiben.

Die Studierenden werden nur als Individuen befragt, nicht jedoch studentische Vertreter in den Hochschulgremien. Daraus aber könnten sich, quasi als Pendant zu den Dekanate-Befragungen, interessante Erkenntnisse bezüglich der Strukturen der Informationsversorgung an den Hochschulen und deren Entwicklungsmöglichkeiten und -barrieren aus Sicht der Studierenden ergeben.

Bei der Expertenbefragung konsultiert die Studie Fachexperten der Wissenschaftsdisziplinen. Die Informationsexperten der Bibliotheken, Rechenzentren, Verlage, Datenbankhersteller und -anbieter werden nur am Rande oder gar nicht befragt. Die Gegenwart des Informationsmarktes schimmert trotzdem immer wieder in der Studie durch, sein Einfluss, obwohl nicht Gegenstand der Studie, wird gleichsam intuitiv erfasst. Hier offenbart sich die neue Qualität der elektronischen Informationen: Ihre Nutzbarkeit und damit ihre Nutzung werden in viel stärkerem Maße durch technische, organisatorische, rechtliche und finanzielle Parameter, also durch Lizensierung und Bereitstellung, bestimmt, als das bei Printformaten der Fall ist. Das kann als implizites Ergebnis der Studie gelten, denn nur so lässt sich erklären, warum die verschiedenen Marktteilnehmer im siebenten Kapitel bei den vorgeschlagenen Maßnahmen plötzlich eine Rolle spielen.

Die Studie stellt den Status Quo, Potentiale und Hemmnisse der Integration und Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Informationen an deutschen Hochschulen auf engem Raum dar. Aussagen der Befragten werden kritisch hinterfragt und Widersprüche durch Gegenüberstellung der Antworten der verschiedenen Gruppen verdeutlicht. Leider konzentriert sich die Anlage der Studie auf den hochschulinternen Bereich der Dekanate, Lehrenden und Studierenden. Der Maßnahmenkatalog in Kapitel 7 kann deshalb nicht den endgültigen Anspruch erheben, der mit der Mahnung an alle Akteure, die Vorschläge umzusetzen und so das "Best-Case-Szenario" zu realisieren und das "Worst-Case-Szenario" zu verhindern, erhoben wird. Die Maßnahmen bedürfen aus Sicht des Rezensenten der Ergänzung und Erweiterung durch weitere Untersuchungen, wenn es darum geht, Nutzung und Integration elektronischer wissenschaftlicher Informationen und ein Bewusstsein für deren Wert im Hochschulalltag nachhaltig zu etablieren.

Da sich die Aussagen der Befragten notwendigerweise auf das ihnen bekannte Angebot an elektronischen wissenschaftlichen Informationen und Informationsdienstleistungen beschränken muss und dieses überwiegend als unübersichtlich qualifiziert wird, ist eine systematische Erhebung des tatsächlich vorhandenen Angebotes an den Hochschulen, dessen Zugangsmechanismen und Präsentation und eine Gegenüberstellung des bekannten und des tatsächlich vorhandenen Angebotes notwendig. Es besteht sonst die Gefahr, kostspielige und ineffiziente Mehrfachstrukturen mit Laborcharakter zu fördern, die in dieser besonderen Qualität im späteren Berufsleben von den Absolventen nicht wiederzufinden sind.

Um die von den Machern der Studie vorgeschlagenen Maßnahmen abzusichern und weiter zu entwickeln, sind weiterhin ergänzende Untersuchungen auf der Grundlage der SteFi-Studie erforderlich, die vor allem die bisher unberücksichtigt gebliebenen Beteiligten des Informationsprozesses mit einbeziehen. Sollte sich dabei herausstellen, dass Marktmechanismen für die Verbreitung elektronischer wissenschaftlicher Informationen eine Rolle spielen, wäre eine weitere Untersuchung der Möglichkeiten und Grenzen von Kooperationen der verschiedenen Marktteilnehmer erforderlich. Konsequenzen hätte dies auch für die hochschulinterne Zusammenarbeit zwischen Fachbereichen, Bibliotheken und Rechenzentren.


Anmerkung

1. Die Studie ist unter http://www.stefi.de im Internet zugänglich. Hier finden sich auch die Fragebögen, die der Rezensent entgegen dem Hinweis auf einen entsprechenden Anhang in dem vorliegenden Bericht vergeblich gesucht hat.


Anschrift des Rezensenten:
Michael Normann
Universitätsbibliothek Karlsruhe
Postfach 6920
D-76049 Karlsruhe
normann@ubka.uni-karlsruhe.de