Dr.Wolfgang Dittrich: Ein Bibliothekar alter Schule verabschiedet sich

Er wollte Ingenieur werden und wurde dann doch Bibliothekar, als Jugendlicher unterhielt er mit seinem Akkordeon so manche Hochzeitsfeier, in späteren Jahren spielte er mit der Familie klassische Hausmusik, sein Leben lang sammelt er Metallbaukästen der Marken "Stabilo" und "Meccano" und für Katzen, das weiss man sicher, opfert er so manche Stunde seiner Freizeit. Als Bibliothekar hat er in Berlin zwölf Jahre Bauzeit der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz miterlebt, an über dreißig Bibliothekartagen teilgenommen und eine bedeutende Freimaurer-Bibliothek aufgebaut. Nur eines ist ihm bis heute nicht vergönnt gewesen: ein Besuch der Bayreuther Festspiele.

Am 06. Juni 2002 wird Dr. Wolfgang Dittrich nach über 35 verdienstvollen Berufsjahren als Leitender Bibliotheksdirektor der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover verabschiedet. Sein Wunsch ist es, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.

Der gebürtige Breslauer, geboren am 23.05.1938, studierte Germanistik und Geschichte in Berlin und Bonn. Nach dem Bibliotheksrefendariat (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz) und der Fachprüfung in Köln begann er als Bibliotheksrat zur Anstellung wieder in seiner alten Bibliothek. 1979 wechselte er nach Wolfenbüttel in die Herzog August Bibliothek als Stellvertreter von Prof. Dr. Paul Raabe und Leiter der Benutzungsabteilung.

1986 wurde er als Nachfolger von Prof. Dr. Wilhelm Totok an die Niedersächsische Landesbibliothek berufen. Er übernahm eine wissenschaftliche Universalbibliothek mit dem Schwerpunkt Geistes- und Sozialwissenschaften, die zugleich die Zentralbibliothek der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachbereiche der Universität Hannover ist. Haupt- und Teilbibliotheken umfassen heute über 2,4 Millionen Medieneinheiten mit rund 200 Beschäftigten.

In seiner 16jährigen Amtszeit in Hannover beendete er mit seinem Stellvertreter Hinrich Vollers zusammen unter anderem den Ausbau der sechs geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachbereichsbibliotheken der Universität Hannover, er begann mit einer umfassenden Ausstattung der Bibliothek mit EDV und ihrer Integration in das niedersächsische Verbund-System. Die Bestände wurden seitdem um weit mehr als 500.000 Einheiten vermehrt. Das Ausleihvolumen hat sich in seiner Amtszeit um ein Vielfaches erhöht.

Großes Interesse zeigte Dr. Wolfgang Dittrich an kulturellen Aktivitäten. Sie wurden während seiner Amtszeit intensiv gefördert. Zahlreiche Ausstellungen und Vortragsveranstaltungen in diesem Bereich haben die Bibliothek weit über den Kreis ihrer Benutzerinnen und Benutzer hinaus bekannt gemacht. Seine Sympathie galt ebenso der Arbeit des Leibniz-Archivs, einer Sonderabteilung der Landesbibliothek, das neben der wissenschaftlichen Edition des Gesamtwerks von Gottfried Wilhem Leibniz ein in Fachkreisen anerkanntes Vorlesungsprogramm rund um das Wirken des Universalgenies anbietet.

Dr. Dittrichs ausgeprägte Bereitschaft, sich auch verbandspolitisch zu engagieren, wurde in Bibliothekskreisen sehr geschätzt. So zählte er nicht nur im Landesverband Niedersachsen (LVN) über Jahre hinaus zu einer festen Größe. Auch im Niedersächsischen Beirat für Bibliotheksangelegenheiten war er lange Zeit Vorsitzender, im Verein der Bibliothekare (VDB) hatte er bis vor kurzem den Vorsitz, in der Arbeitsgemeinschaft der Regionalbibliotheken amtierte er über einen langen Zeitraum und in der DBI-Kommission "Handschriften und das alte Buch" wirkte er über neun Jahre. Darüber hinaus arbeitet er seit Jahren in unterschiedlicher Verantwortung in einer Reihe von literarischen Gesellschaften mit. Seine kommunikative Art war in den Sitzungen der Verbände, Vereine und Gesellschaften geschätzt, denn sie hatte nie den Anstrich allzu bürokratischer Umgangsformen. Im persönlichen Gespräch pflegte er bisweilen sehr freimütig zu werden. Sein Sinn für Humor war jederzeit belebend.

Dr. Wolfgang Dittrich ist Mitglied der hannoverschen Freimaurer-Loge "Die Ceder". In dieser Eigenschaft hat er einen bedeutenden Bestand an freimaurerischer Literatur in der Landesbibliothek archiviert und ausgebaut. Privat ist er ein leidenschaftlicher Büchersammler und bevorzugt Erstausgaben. Unter den rund 13.000 Bänden seiner Bibliothek finden sich viele wertvolle Editionen seiner Lieblingsautoren Wilhelm Raabe, Ricarda Huch, Christoph Martin Wieland und Heinrich Mann.

Für seinen neuen Lebensabschnitt wünschen wir ihm Lebensfreude, Glück und Erfolg für neue, frei gewählte Aufgaben.

(rmh)


Dieser "Verabschiedungstext" von Rolf Manfred Hasse erschien auch in der "Festgabe", die das Mitteilungsblatt der Bibliotheken in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt im Juni 2002 herausgab. Nachfolger von Dr. Wolfgang Dittrich wird ab 1. Juli 2002 Herr Dr.Georg Ruppelt, Ltd.Bibliotheksdirektor, Herzog August Bibliothek.