Endlich: das Bibliotheksbauarchiv des ehemaligen Deutschen Bibliotheksinstituts (EDBI) ist gerettet!

von Robert Klaus Jopp

Das Bibliotheksbauarchiv des ehemaligen DBI war mit der endgültigen Auflösung und Abwicklung des Instituts in Gefahr geraten und kann nun, auf der Grundlage einer Empfehlung des Wissenschaftsrates, "unverzichtbare überregionale Serviceaufgaben" auf andere Träger zu übertragen, erhalten werden. Das Bibliotheksbauarchiv arbeitet jetzt und in Zukunft unter dem Dach der Senatsbibliothek Berlin. Die offizielle Wiedereröffnung fand im Juni 2001 statt.

Die nunmehr fast vierzigjährige Geschichte des Bauarchivs ist eng verknüpft mit der Baukommission des DBI und ihrer Vorgänger - und Anlass zu einem kurzen Rückblick. Schon im Jahre 1960 hatte Clemens Köttelwesch - damals Vorsitzender des Vereins Deutscher Bibliothekare - eine erste Anregung gegeben, innerhalb des VDB eine Kommission, die sich mit Baufragen beschäftigen sollte, zu schaffen. Die Notwendigkeit, eine für die Arbeit einer solchen Kommission erforderliche Bestandsaufnahme der Bibliotheks-bauten und -bauvorhaben zu erarbeiten, ergab sich von selbst. Ein erster Schritt war die Aufstellung eines Fragebogens, der - wohl weil er zu umfangreich geraten war - von nur einem kleineren Teil der mit seiner Hilfe befragten Bibliotheken beantwortet wurde; die Befragung ergab daher nur ein Ergebnis von begrenztem Aussagewert. Unabhängig davon wurde 1962 von Rainald Stromeyer ein Überblick über Europäische Bibliotheksbauten seit 1930 veröffentlicht. In der Folge beschäftigten sich immer mehr Bibliothekare mit dem Thema Bibliotheksbau, was sich in einer zunehmenden Zahl von entsprechenden Veröffentlichungen niederschlug. Ende der 50er Jahre hatte auch die IFLA (International Federation of Library Associations) eine Baukommission gegründet und schließlich richtete 1962 auch der VDB auf dem Bibliothekartag in Darmstadt eine Kommission für Baufragen ein. Als wesentliche Aufgaben der Kommission des VDB wurden die Materialsammlung über deutsche Bibliotheksbauten, Literaturzusammenstellungen, die Beratung in Bibliotheksbaufragen sowie die Aufnahme von Kontakten mit der Baukommission des Deutschen Büchereiverbandes und der IFLA genannt. Es gab zunächst einige Meinungsverschiedenheiten, in deren Folge die Kommission wieder aufgelöst, aber 1964 neu gegründet wurde. Die Aufgaben wurden nun genauer beschrieben, wobei auch die Information der Öffentlichkeit durch Beratungen und Veröffentlichungen hervorgehoben wurde. Bei Gelegenheit der Einweihung der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main fand die konstituierende Sitzung der Baukommission am 30.April 1965 statt. Im Jahr darauf, 1966, ergab sich eine Möglichkeit, das geplante Bibliotheksbauarchiv beim Lehrstuhl Prof. Matthias Ungers an der Technischen Universität Berlin anzusiedeln; in mehreren Sitzungen wurde die Weiterentwicklung des fünf Jahre früher erarbeiteten Fragebogens, als Grundlage für das einzurichtende Bibliotheksbauarchiv, diskutiert; der Fragebogen wurde schließlich in tabellarischer Form fertiggestellt. 1967 konnte Gerhard Schlitt aus Hannover zur Mitarbeit in der Baukommission gewonnen werden, mit dessen Hilfe dann zunächst die schon früher in Angriff genommene Bibliotheksbau-Dokumentation fertiggestellt und herausgegeben werden konnte. Es folgte eine Literaturdokumentation, die ab 1970 zunächst in Fortsetzungen in der Zeitschrift DFW veröffentlicht wurde; die Literaturdokumentation wurde ab 1981 von Werner Ruddigkeit und Petra Schmidt erarbeitet und jährlich in der Zeitschrift ABI-Technik veröffentlicht.

Die Schwierigkeit bei der Auswertung der bereits 1971 versandten Fragebögen bestand darin, dass hierfür weder der Einsatz eines Diplomingenieurs noch die Nutzung der Möglichkeiten der EDV verwirklicht werden konnte. Dies war um so bedauerlicher, als gerade in den 70er Jahren mit dem Ausbau der Universitäten (als Folge des sogenannten Sputnik-Schocks) eine erhebliche Anzahl von Bibliotheksbauten anstand. Das Material aus der Fragebogenaktion - es waren nicht nur ausgefüllte Fragebögen sondern auch Pläne und anderes Material zurückgeschickt worden - bot eine solide Grundlage für ein schon seit längerem angestrebtes Bibliotheksbauarchiv, das natürlich zur Beratung der an den Bibliotheksbauvorhaben beteiligten Bibliothekare und Architekten hätte genutzt werden können.

Wesentlichen Anteil hatten die Mitglieder der Baukommission auch an der Veröffentlichung 1973 von Band 11 der Reihe Bibliothekspraxis Bibliotheksbau und Bibliothekstechnik, eines Baukompendiums auf der Grundlage des Materials aus Unterrichtskolloquien der Frankfurter Bibliotheksschule. Der 1974 herausgegebene Band 12 der gleichen Reihe fasste unter dem Titel Informationen zum Bibliotheksbau Beiträge von Mitgliedern der Baukommission zusammen.

Zu Beginn der 70er Jahre begann sich, im Zusammenhang mit einer zunehmenden Zahl von Bibliotheksbauvorhaben, die Aufmerksamkeit immer mehr auf die Frage der Ermittlung von Flächenrichtwerten für die verschiedenen Nutzungsbereiche von wissenschaftlichen Bibliotheken zu richten. Mit der Erarbeitung von Richtwerten für Institutsbauten im Hochschulbereich waren bereits mehrere Institutionen und Arbeitsgruppen von Bund und Ländern beauftragt, so das Zentralarchiv für Hochschulbau in Stuttgart und das Hochschul-Informationssystem (HIS) in Hannover. Das Thema Flächenrichtwerte für Bibliotheken wurde auch dort diskutiert und so ergaben sich für die Baukommission nützliche Arbeitskontakte. Als Ergebnis der Arbeit der Baukommission konnten schließlich 1973, zusammen mit Richtwerten für öffentliche Bibliotheken, Flächenrichtwerte für wissenschaftliche Bibliotheken in dem von der Deutschen Bibliothekskonferenz veröffentlichten Bibliotheksplan 73 vorgestellt werden. Die weitere Bearbeitung der Richtwerte, unter Einbeziehung der Auswertung der Fragebogenaktion und der inzwischen gemachten praktischen Erfahrungen, führte schließlich 1978 zur Veröffentlichung des DIN-Entwurfs 31 622 T 1 Raumbedarf und Lastannahmen für wissenschaftliche Bibliotheken durch das Deutsche Institut für Normung (DIN). Die Einführung als DIN-Norm scheiterte zunächst am Einspruch der Länderarbeitsgemeinschaft Hochbau (LAG), die allgemein eine Flut weiterer Normen eindämmen wollte. Der Inhalt der geplanten Norm wurde weiter bearbeitet und ergänzt und konnte 1988 in dem mittlerweile im In- und Ausland bekannten DIN-Fachbericht 13 Bau- und Nutzungsplanung von Wissenschaftlichen Bibliotheken veröffentlicht werden.

Mitte der 70er Jahre kam die Baukommission in die Obhut der Arbeitsstelle für das Bibliothekswesen (AfB) des Deutschen Bibliotheksverbandes und hatte damit zunächst eine solide finanzielle Basis für ihre Arbeit gefunden. Damit wurde es auch möglich, das aus der Umfrage stammende, das bei der AfB sowie das seit längerem von Werner Ruddigkeit gesammelte Daten- und Planmaterial nun zu einem Bibliotheksbauarchiv zusammenzufassen. Das Archiv wurde zum April 1977 mit einer ganzen und einer halben Stelle ausgestattet, der Architekt Ulrich Beyer und die Diplombibliothekarin Petra Schmidt konnten ihre Arbeit aufnehmen; die fachliche Leitung hatte weiterhin Werner Ruddigkeit. Die Aufgabe bestand zunächst darin, das Material zu sichten und einen Daten- und Merkmalkatalog zu erarbeiten.

Im Oktober 1978 wurde das Deutsche Bibliotheksinstitut (DBI) gegründet, das mit der Eingliederung der AfB auch das Bibliotheksbauarchiv - zunächst als Projekt - übernahm. Auf dieser Basis konnte nun die Auskunfts- und Beratungstätigkeit erheblich ausgebaut werden, die bis dahin nur begrenzt von den Mitgliedern der Baukommission ausgeübt werden konnte. Von 1980 an wurde das Bibliotheksbauarchiv als eigener Arbeitsbereich des DBI geführt. Auch die Baukommission wurde nun dem DBI zugeordnet. Es ergab sich auf diesem Wege nicht nur eine intensive und gedeihliche Zusammenarbeit zwischen dem Bibliotheksbauarchiv und der Baukommission des DBI; auch für die Baukommission war damit eine gute Grundlage für die Durchführung einer ganzen Reihe von Forbildungsseminaren geschaffen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Bezeichnung Archiv auch in diesem Zusammenhang etwas irreführend ist, da die Bestände des Bibliotheksbauarchivs vor allem zur Beratung von Bibliothekaren und Architekten bei Planungsaufgaben und erst in zweiter Linie zur Bewahrung von Material und Dokumenten dienen, wie es der Begriffsbestimmung von Archiv entspricht.

Mit der Wende kamen seit 1990 erheblich erweiterte Aufgaben auf das DBI, damit auf das Bibliotheksbauarchiv und letzten Endes auch auf die Baukommission zu. Dies drückte sich vor allem in einer beträchtlichen Zunahme der erforderlichen Beratungen für Bibliotheksplanungen in den Neuen Bundesländern aus; das Bibliotheksbauarchiv und die Baukommission waren damit gleichermaßen in Anspruch genommen. Der Informationsbedarf war sehr groß. Natürlich nahm auch der Umfang des Neuzugangs von Materialien zu Bibliotheksbau und Bibliothekseinrichtung zu, was auch in den inzwischen erarbeiteten Dokumentationen des Bibliotheksbauarchivs zum Ausdruck kommt.

Das Bibliotheksbauarchiv hat - auch in Zusammenarbeit mit der Baukommission - eine Reihe von Veröffentlichungen vorgelegt. Zu nennen sind hier zunächst die drei Bändchen Materialien zu neueren Bibliotheksbauten, die bereits in der "Vor-DBI-Zeit" zwischen 1974 und 1979 als Beihefte zum Bibliotheksdienst erschienen, danach das 1979 als Projektabschlussdokumentation schon vom DBI veröffentlichte Materialverzeichnis Bibliotheksbauarchiv, das einen Überblick über die bis zu der Zeit gesammelten Bestände gibt. Zusammen mit der Baukommission wurden 1997 und 2000 in der Reihe dbi-Materialien zwei Bände einer Dokumentation über neue Bibliotheksbauten herausgegeben. Die Bände fassen jeweils in einer Auswahldokumentation Neubau, Umnutzung und Sanierung von Bibliotheksgebäuden in den Jahren 1994/1995 sowie in den Jahren 1996 bis 1998 zusammen. Die übersichtlich nach Bundesländern, Orten und Bibliothekstypen gegliederte Dokumentation liefert sehr brauchbare Hilfe und Anregung bei der Vorbereitung von Baumaßnahmen. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn diese Dokumentation auch in Zukunft fortgeführt werden könnte.

Seit seiner Gründung 1978 wurde das DBI gemeinsam von Bund (30%) und allen Bundesländern (70%) im Rahmen der "Blauen Liste" finanziert. Ein folgenschwerer Rückschlag für die Arbeit des DBI und damit auch für die Fortführung des Bibliotheksbauarchivs war 1997 die Empfehlung der Bund-Länder-Kommission für Forschungsförderung und Bildungsplanung (BLK), das DBI nicht mehr über die "Blaue Liste" zu finanzieren, was praktisch die Auflösung der Einrichtung bedeutete.

Das DBI ist die einzige Einrichtung ihrer Art nicht nur in Deutschland, sondern auch in den benachbarten europäischen Ländern. Insbesondere nach dem politischen Wandel in Deutschland und Europa zu Beginn der 90er Jahre wurden die Beratungsleistungen des DBI und insbesondere des Bibliotheksbauarchivs und der gegenwärtigen und früheren Mitglieder der Baukommission zunehmend in Anspruch genommen. Insofern ist die Auflösung des DBI eine nicht recht nachvollziehbare Maßnahme, die der kulturpolitischen Rolle Deutschlands in Europa nicht gerecht wird. Auch im Lichte des PISA-Gutachtens müsste diese Entscheidung erneut überdacht werden. Dass die verschiedenen Tätigkeitsbereiche des DBI nun zerstückelt und personell unzureichend sehr unterschiedlichen Einrichtungen zugeordnet werden, kann nur recht negativ beurteilt werden. Die Baukommission beendet ihre Tätigkeit mit einer letzten Veranstaltung auf dem Bibliothekartag in Augsburg.

Ein Lichtblick ist dagegen unter den gegebenen Umständen die organisatorische Angliederung des Bibliotheksbauarchivs an die Senatsbibliothek Berlin mit Wirkung vom 15. März 2001; die offizielle Wiedereröffnung fand am 14. Juni 2001 statt. Diese Lösung ist wesentlich den Bemühungen von Frau Marion Hecker von der Senatsbibliothek und der Unterstützung bibliothekarischer Fachleute aus ganz Deutschland zu verdanken. Das Bibliotheksbauarchiv, das nun in einem freundlichen Raum der Senatsbibliothek an der Straße des 17.Juni untergebracht ist, wird zur Zeit von Frau Sommerfeld, einer Mitarbeiterin des EDBI, betreut; nach ihrem absehbaren Ausscheiden im Zusammenhang mit der Abwicklung des DBI - auch eine Frage der Haltung der Bürokratie zur Erhaltung von Sachkompetenz - ist für die Wahrnehmung dieser Aufgabe Frau Hauer, eine Mitarbeiterin der Senatsbibliothek, vorgesehen und wird derzeit entsprechend eingearbeitet.

Für die Berliner Senatsbibliothek ist die Integration des Bibliotheksbauarchivs eine Bereicherung ihres durchaus auch überregional ausgerichteten Aufgabenspektrums. Das Angebot des Bibliotheksbauarchivs wendet sich wie bisher vor allem an Bibliothekare, Architekten, Bauingenieure und Firmen sowie Studierende der entsprechenden Fachgebiete, aber natürlich auch an andere mit der Planung von Bibliotheksbauten befasste Einrichtungen, Verwaltungen und Einzelpersonen. Es gibt bundesweit - und weitgehend auch im Ausland - keine vergleichbare Einrichtung.

Bislang sind mehrere hundert Bibliotheken im Bibliotheksbauarchiv dokumentiert. Die Materialien umfassen vor allem Raumprogramme, Wettbewerbsunterlagen, Pläne, Fotos, Dias, Informationsbroschüren und Publikationen sowie bislang auch Zeitungsberichte. Die genannten Informationsmaterialien werden von den jeweiligen Bibliotheken schriftlich erbeten; der Zeitungsausschnittdienst, der insbesondere für die Informationen über Öffentliche Bibliotheken wichtig war, musste aus Kostengründen eingestellt werden. Vielleicht lässt sich in Zukunft die regelmäßige Belieferung des Bibliotheksbauarchivs mit Informationen über Öffentliche Bibliotheken über die regionalen staatlichen Fachstellen organisieren. Die Materialien werden nach etwa 18 Kriterien in die Datenbank LARS eingegeben und stehen im Bibliotheksbauarchiv für Anfragen zur Verfügung. Das Archiv kann - je nach verfügbarer Personalkapazität - Anfragen mündlich, per Kopie des jeweils angeforderten Materials, per Verweis auf bestimmte Bibliotheken oder auch per Verweis auf Bibliotheksbauberater beantworten.

Anfragen an das Bibliotheksbauarchiv können telefonisch, per Fax oder per E-Mail gerichtet werden an:

Senatsbibliothek Berlin - Bibliotheksbauarchiv
Straße des 17. Juni 112
Ernst-Reuter-Haus
D-10623 Berlin
Tel.: (030) 399 87 - 319
Fax: (030) 399 87 - 322
E-Mail: bibl.bauarchiv@senatsbibliothek.de

Für persönliche Anfragen wird um telefonische Anmeldung gebeten.


Zum Autor

Robert Klaus Jopp ist Architekt und Bibliotheksbauberater

Fürstenstraße 6
D-14163 Berlin


Quellen

Feldsien-Sudhaus, Inken: Konzeptentwurf "Archiv zum Bibliotheksbau (Bauarchiv)" 2/2000 (unveröffentlicht)

Fuhlrott, Rolf und Gerhard Schlitt: Das Bauarchiv. - In: Das Buch und sein Haus, Bd.2:Vom Bauen neuerer Bibliotheken. Wiesbaden: Reichert, 1979, S.15-17.

Hecker, Marion: Senatsbibliothek Berlin: Bibliotheksbauarchiv des EDBI übernommen. In: Bibliotheksdienst 35 (2001) H.9, S.1187-1188.

Sommerfeld, Marion: Geschichte des Bibliotheksbauarchivs des Deutschen Bibliotheksinstituts. 2001 (unveröffentlicht)