Das neue Informationszentrum der UB Mainz
Umgestaltungen in einer Benutzungsabteilung als offenes Projekt

von Stephan Fliedner und Elisabeth König-Frank


Abstract

1. Einleitung
2. Die Planungsphase ab März 2000

3. Vorarbeiten und Bereinigungen bis Juni 2001

4. Umsetzungsphase Juli bis Oktober 2001

5. Wie geht es nun weiter?


1. Einleitung

Die Organisation der Informationsdienste an der Universitätsbibliothek Mainz unterlag – wie in vergleichbaren Einrichtungen auch – schon immer der Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen. Dies geschah unter anderem durch Einrichtung eines bibliographischen Zentrums mit einer Konzentration bibliographischer Nachweisinstrumente (gedruckt und elektronisch) sowie dem Angebot fachlich kompetenter Auskunftsdienste dort und in weiteren Bereichen des Publikumsbereiches wie Kataloghalle und Lesesaal. Die Verfügbarkeit von Katalogdaten wurde mit OPAC-Geräten erweitert und fortgeschrieben, später wurde ein Multimedia-Lesesaal mit rund 30 Internet-Arbeitsplätzen ausgestattet. Parallel zu dieser nicht unüblichen Entwicklung hielten und halten verstärkt neue Medien Einzug in das Geschäft der Informationsweitergabe. Beispielhaft seien die elektronischen Volltexte in E-Journals oder elektronischen Dissertationen erwähnt, auch Nachweis-, Volltext- und Faktendatenbanken, ob online oder auf CD-ROM, gehören zu den neuen Verbreitungsformen. Und die Suche etwa über ein Rechercheinstrument wie den Web-OPAC kann (und soll ja) immer öfter zu dem Link auf einen solchen Volltext führen und unversehens aus dem OPAC-Platz einen "Volltextplatz“ machen, wie er in einen virtuellen Lesesaal gehören mag. Womit wir beim Problem wären: Die Begriffe und Medien vermischen sich, daneben verschwimmen auch die klassischen Grenzen zwischen ehemals besser trennbaren Bereichen wie Katalog (lokal, überregional), Ausleihe (Orts-, Fern-) und Dokumentlieferung sowie Lesesaal (physisch, virtuell).

Für die Benutzungsabteilung der Universitätsbibliothek Mainz ergaben sich u.a. aus räumlichen Gegebenheiten Probleme bei der Bewältigung dieser neuen Anforderungen. Daneben drohten aber auch Personalreduzierungen und Mitteleinsparungen, den erreichten hohen Qualitätsstandard zu vermindern. Eine zukunftsfähige Infrastruktur würde nur durch Umgestaltungen in der Benutzungsabteilung auf- und ausgebaut werden können. Der folgende Text berichtet von den Bemühungen, unter den beiden Gesichtspunkten Nutzenoptimierung und Kostenminimierung und durch Überwindung räumlicher und baulicher Unzulänglichkeiten, die Qualität unseres Informationsangebotes zu sichern.

2. Die Planungsphase ab März 2000

Die Leitung der UB hat das Projekt gestartet, um gemeinsam mit den Mitarbeitern eine Verbesserung herbeizuführen. Dabei ist u.a. das Ziel einer räumlichen Integration der Auskunfts- und Informationsdienstleistungen vorgegeben worden, die Wege zur bestmöglichen Realisierung waren jedoch bewusst zur Diskussion freigegeben. Im Rahmen von Informationsveranstaltungen wurden ab März 2000 die Management-Runde der UB und das Personal der Abteilung mit dem Vorhaben bekanntgemacht. Es wurde außerdem eine Arbeitsgruppe gebildet, die zunächst mögliche Varianten erarbeitet hat, in welche die Vorschläge und Ideen der Mitarbeiter einflossen. Die Mitglieder der AG wurden teilweise bestimmt, teilweise vom betroffenen Personal aus den eigenen Reihen gewählt bzw. benannt, so dass in der AG die Vertrauensträger mitwirkten. Personalratsvertreter wurden zu den Veranstaltungen dazugebeten.

Im Anfangsstadium kam die Frage nach Beauftragung einer Beraterfirma auf, welche eine Ablaufplanung zu erstellen hätte. Dies wurde von uns – sicher nicht ohne das Risiko des Scheiterns – schnell verworfen, da es unserer Ansicht nach für einen derartigen Bereich intensivster Absprachen und Kenntnisse bedurft hätte, um den Beratern Einblick in bibliothekarische, magazintechnische und ähnliche Besonderheiten zu geben. Die Arbeitsgruppe aus dem eigenen Haus hat die Aufgabe allerdings bestanden und eine Umsetzungslogistik in den Rahmen der Notwendigkeiten und Möglichkeiten eingepasst.

Im Oktober 2000 wurden verschiedene Vorschläge den Mitarbeitern im Haus vorgestellt. Die Direktion traf daraufhin eine Entscheidung für eine Variante. Nun gab sich die Arbeitsgruppe den neuen Auftrag, aufgrund dieser Entscheidung eine Konzeption zu erarbeiten und umzusetzen. Ein Antrag an die Universitätsleitung erläuterte das gesamte Vorhaben und enthielt als Anlage eine möglichst genaue Kostenplanung. Daneben entstand ein detailliertes Umsetzungspapier, welches dann laufend fortentwickelt wurde (Logistik, Abfolge, externe Hilfen). Eine Zeitablauftabelle diente als weitere begleitende Grundlage für die anstehenden Arbeiten. Ausgliederungen aus der Gesamtplanung für die Bereiche EDV und Technik, Hilfskrafteinsatz und z.B. die nicht zu verachtenden Reinigungsbelange dienen den jeweils betroffenen Dienstleistern als Arbeitsgrundlage. In dieser Phase im Herbst und Winter 2000/2001 wurde von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe auf den Meter genau alle in Frage kommenden Bereiche und Bestände ausgemessen, gezählt, bewertet und verzeichnet. Diese Aufgabe erforderte von allen ein Höchstmaß an Genauigkeit und Einsatz, da von der Richtigkeit der Daten alle nachfolgenden räumlichen Festlegungen abhingen. Auf eine lückenlose Dokumentation der Ideen-, Planungs- und Umsetzungsphase mit den relevanten Unterlagen und Hilfsmitteln wurde von Anfang an Wert gelegt.

Im März 2001 dann wurden in zwei großen Veranstaltungen die Benutzungsabteilung und der Rest des Hauses sowie Vertreter des Baudezernats sowie der Vizepräsident der Universität über Technik und Arbeitsschutz und die erarbeitete Umsetzungsplanung informiert. Hierbei wurden nochmals die ursprünglichen Ziele, welche ein Jahr zuvor als Ausgangspunkt festgelegt worden waren, in Erinnerung gerufen sowie Details erläutert und Fragen beantwortet. Somit sind nicht nur der Ablauf und die Veränderungen bekannt, sondern auch die Gründe und die damit verbundenen Erwartungen.

Die bislang getrennten Bereiche Bibliographisches Zentrum, Auskunft und Information, Lesesaal und Lesesaalsperre sollten mit ihrem Personal und den Beständen in einer zentralen Lösung zusammengeführt und – wo sinnvoll – integriert werden. Zu diesem Zweck ließen wir eine große Informationstheke planen, welche an einer zentralen Stelle der UB gegenüber der Ausleihtheke aufgebaut werden sollte. Besucher würden in Zukunft in die Auskunfthalle kommend links die Ausleihe und rechts die gesamte Information mit Sperre und Lesesaalauskunft vorfinden. In der Halle selber waren rund 20 OPAC-Geräte und etwa 30 Multimedia-Rechnerarbeitsplätze vorgesehen.

Diese personelle und funktionale Konzentrierung wurde begleitet durch die Ineinanderführung und Neuaufstellung der gesamten ehemaligen bibliographischen und Lesesaalbestände in einen Lesesaalbestand, welcher nun von der zentralen Information direkt und leicht zu erreichen ist. Die gesamten, jetzt fachlich zusammengeführten Zeitschriftenab- und auslagen erhielten eine neue Bleibe im ersten OG, dem ehemaligen Bibliographischen Zentrum. Dort beginnt auch die Aufstellung der gebundenen Zeitschriftenbände.

3. Vorarbeiten und Bereinigungen bis Juni 2001

Nachdem Umsetzungspapier, Zeitablauftabelle und Kostenplanung als Grundlagen der Umsetzung erstellt waren, ging es, zunächst in Einzelgesprächen und Lokalterminen, an die Verwirklichung. Das universitäre Baudezernat musste in die Planungen für Wandaufbauten, Installationen etc. eingebunden sein, ebenso für die Koordinierung von Elektro-, Maler- und Bodenlegearbeiten. Mit der Zentralen Materialwirtschaft wurden Konditionen für die Mobiliarlieferungen besprochen, die Haushaltsabteilung stellte auf Antrag erhebliche Sondermittel bereit. Die gesamte Finanzierung konnte so zwischen Universität und UB aufgeteilt werden. Vorabsprachen mit dem Umzugskoordinator der Uni zwecks Abbruch, Abtransporten und Hilfskraftbereitstellung waren ebenfalls notwendig – immerhin rechneten wir mit rund 1.600 Hilfskraftstunden nur für den Büchertransport, bei dem insgesamt rund 6.500 laufende Meter zu bewegen sein würden.

Einige Räum- und Umsignierungsmaßnahmen konnten wir bereits ab Dezember 2000 vorziehen, außerdem wurden weit über tausend Regalböden und entsprechendes Zubehör aus anderen, damals gerade aufgelösten dezentralen Bibliotheksbereichen organisiert und zwischengelagert. Im Zuge einer Neuordnung eines der offenen Zeitschriftenmagazine entstand ebenfalls im Vorfeld genügend Raum für notwendig werdende Zwischenlagerungen einiger Bestände. Schon im März und April erfolgten die wichtigen koordinierenden Gespräche mit Technik, EDV und Umzugskoordinator. Wichtige Terminabsprachen waren zu diesem frühen Zeitpunkt noch unproblematisch, die Firmen hatten Vorlaufzeit. Außerdem empfiehlt sich dieses Vorgehen, weil im Zuge der Planungsgespräche etliche Arbeiten dann als vorzuziehen bzw. vorziehbar erkannt werden.

4. Umsetzungsphase Juli bis Oktober 2001

Nach der langen, arbeitsintensiven Planungsphase begann im Juli 2001 die nicht minder arbeitsintensive Umsetzungsphase. Wir glaubten uns gut gerüstet mit einer detaillierten Planung für die unterschiedlichen Funktionsbereiche (Lesesäle, Computerarbeitsplätze Halle, Auskunftsbereiche), mit genauen Berechnungen, wo welche Bücher stehen sollen und mit einer genauen Zeitplanung. Dass manches anders kam und wir bisweilen umgedacht und neu geplant haben, mag niemanden verwundern, der schon ähnliche Projekte begleitet hat. Insgesamt stellte sich die vorbereitete Logistikplanung jedoch als sehr zeitgenau und realistisch heraus.

Die eigentliche Schwierigkeit in diesem Projekt bestand weniger in dem Umfang der Bau- und Räummaßnahmen, als in der Koordination der unterschiedlichen Maßnahmen bei laufendem Benutzungsbetrieb. Viele Bereiche mussten erst freigeräumt werden, damit die entsprechenden Baumaßnahmen durchgeführt werden konnten. Ab September waren wir dann in der Situation, dass Bauaktivitäten und Mobiliarräumaktionen zeitlich abgekoppelt waren von den Bestandsbewegungen. Dank des Engagements vieler KollegInnen wurden alle Arbeiten ohne Schließung der Bibliothek durchgeführt. Wir konnten dank der universitären Sondermittel und der Investitionsbereitschaft der UB-Leitung im Rahmen dieser Aktion Mobiliar im Benutzungsbereich erneuern (z.B. Austausch der Erstbestuhlung gegen komfortablere und den ergonomischen Anforderungen entsprechende Stühle, Austausch alter Holztische im ehemaligen Multimedia-Bereich gegen neue EDV-Tische mit Kabelkanälen) und somit die Attraktivität der Räumlichkeiten erhöhen.

An dieser Stelle soll nicht berichtet werden, wie viele Bücher bewegt, Fachbodenbeschriftungsetiketten oder Regalfahnen neu geschrieben, wie viele Quadratmeter Wand neu gestrichen oder wie viele Meter Kabel neu verlegt wurden (obwohl diese Zahlen beeindruckend sind). Vielmehr möchten wir kurz auflisten, welche "Einzelprojekte" notwendig waren, um diese Reorganisationsmaßnahme durchzuführen:

Jeder einzelne dieser Punkte beschreibt eigentlich ein kleineres, oft aber auch größeres "eigenes" Projekt mit entsprechenden Anforderungen an die Arbeitskapazitäten.

In wöchentlichen Besprechungen der Arbeitsgruppe Informationszentrum, die in der "heißen Phase" zusätzlich unterstützt wurde von den Hausmeistern und einer Kollegin, die die Öffentlichkeitsarbeit übernahm, wurden alle wichtigen Schritte besprochen und ggf. Änderungen am ursprünglichen Plan überdacht. Natürlich gab es darüber hinaus täglich Gespräche mit den jeweiligen Hauptbeteiligten, so dass Probleme kurz und schnell beseitigt werden konnten, sofern möglich.

Wie bereits erwähnt, fand der komplette Umbau mit allen Räummaßnahmen bei laufendem Benutzungsbetrieb statt. Dies stellte auch an die Öffentlichkeitsarbeit entsprechende Herausforderungen. Hausintern (für alle MitarbeiterInnen auch in den Spätdiensten) und für unsere Benutzer mussten laufend aktuelle Informationen über den Stand der Arbeiten und über die in unmittelbarer Zukunft bevorstehenden Maßnahmen verteilt werden. Dies erfolgte durch Plakate, Handzettel und über unsere Web-Site. Aufgrund unserer aktiven Informationspolitik konnten wir (heftigere) Benutzerproteste und einen Rückgang der Besucherzahlen während der Umbauphase vermeiden.

Aufgrund der guten und intensiven Vorarbeit für das gesamte Projekt konnten auftretende Probleme rasch analysiert und oft auch gelöst sowie Entscheidungen schnell getroffen werden, da die Alternativen jeweils klar waren. Wesentliche Voraussetzung für die gute Vorarbeit war die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe (Vertreter aus den betroffenen Bereichen: Magazin, Ausleihe, Auskunftsstellen, Lesesaal), die gewährleistete, dass der erforderliche Sachverstand vorhanden war und die MitarbeiterInnen aus den Bereichen ihre Wünsche und Vorstellungen einbringen konnten. Selbstverständlich konnten nicht alle Wünsche aus den einzelnen Bereichen realisiert werden; in solchen Fällen war den Mitgliedern der Arbeitsgruppe sehr wohl bewusst, warum und wie diese Entscheidungen getroffen wurden und sie konnten dies in die jeweiligen Arbeitsbereiche transportieren. Dies war und ist wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz der Maßnahme. Wir waren dadurch außerdem in der Lage, in vielen Punkten im laufenden Umbau Optimierungen vorzunehmen sowie auch durch Mitnahmeeffekte mehrere kleinere Problemzonen aus anderen Bereichen "glattzuziehen". Diese Vorgehensweise hat sich in dem komplexen Projekt durchaus bewährt. Überaus wichtig für das Gelingen war die große Motivation aller Beteiligten und die Hilfsbereitschaft der Abteilungen. Denn alle Abteilungen des Hauses haben in bestimmten Phasen des Projektes Aufgaben in ihrem jeweiligen Bereich übernommen und so zum positiven Ergebnis beigetragen!

5. Wie geht es nun weiter?

Die Bücher sind neu aufgestellt, die Arbeitsplätze im neuen Informationszentrum sind in Betrieb genommen, die Computerarbeitsplätze für Benutzer entsprechend neu konzipiert. Die Arbeit scheint nun "geschafft" zu sein.

Oder doch nicht? Kleinere Veränderungen oder Verbesserungen an den neu gestalteten Arbeitsplätzen konnten wir beispielsweise aufgrund der im täglichen Betrieb im neuen Bereich gewonnenen Erfahrungen sehr schnell umsetzen. Andere Arbeitsbereiche werden uns gemeinsam noch länger beschäftigen, so müssen wir uns z.B. mit dem neuen, erweiterten Informationsangebot vertraut machen (Stichwort: Lesesaal-Bestände) und werden mit Inbetriebnahme der Computerarbeitsplätze unsere Betreuungsarbeit auf diesem Gebiet intensivieren. Hier geht es darum, Navigations- und Recherchestrategien sowie Vor- und Nachteile der einzelnen Informationsquellen darzustellen und Grundlagen ihrer Nutzung zu vermitteln. Wir müssen künftig unsere Schwerpunkte im Bereich der dienstleistungsorientierten Nutzerbetreuung noch stärker ausbauen. Dies setzt für uns natürlich auch permanente eigene Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen voraus. Die Arbeit wird also nicht ausgehen.

Mit all diesen Maßnahmen können wir uns in der Zentralbibliothek für die Zukunft gut gerüstet fühlen. Die inzwischen veröffentlichten "Empfehlungen zur digitalen Informationsversorgung durch Hochschulbibliotheken" des Wissenschaftsrates (Drs. 4935/01 vom 13.07.2001) sind nachgerade eine Bestätigung für all unsere Überlegungen und Bemühungen, und hätten wir unsere Hausaufgaben in diesem Punkt nicht schon gemacht, so müssten wir nun wohl ein Projekt "Informationszentrum" starten.


Zu den Autoren

Dr. Stephan Fliedner ist stellvertretender Direktor und Leiter der Benutzungsabteilung der

Universitätsbibliothek Mainz
Jakob-Welder-Weg 6
D-55128 Mainz
E-Mail: fliedner@ub.uni-mainz.de

Elisabeth König-Frank ist stellvertretende Leiterin der Benutzungsabteilung der

Universitätsbibliothek Mainz
E-Mail: koenig@ub.uni-mainz.de