6. Innovationsforum (BIB) und 4.Verleihung des B.I.T.online-Innovationspreises

Zum 92. Deutschen Bibliothekartag "Die Bibliothek zwischen Autor und Leser" fanden am 10. April 2002 das Innovationsforum und die Verleihung des B.I.T.online-Innovationspreises im Tagungscenter der Messe Augsburg statt. Das Innovationsforum bietet Studierenden und Berufsanfängern in Informationsberufen die Möglichkeit, ihre Arbeiten und Projekte dem Fachpublikum zu präsentieren . Für besonders innovative und praxisbezogenen Arbeiten und Projekte stiftete die Zeitschrift B.I.T.online zum vierten Mal den B.I.T.online-Innovationspreis.

Aus einer Vielzahl von Arbeiten wurden ausgewählt und mit jeweils 1000 Euro prämiert:

Moderiert wurde die von etwa fünfzig Zuhörern besuchte Veranstaltung von Frau Prof. Dr. Ute Krauß-Leichert von der Fachhochschule für angewandte Wissenschaft in Hamburg.

Nach der feierlichen Preisverleihung erhielten die Preisträgerinnen Gelegenheit, in kurzen Vorträgen Inhalte ihrer Arbeiten darzustellen.

Accessibility-Websitegestaltung für Blinde und Sehschwache

Erst die Bekanntgabe des Wissens, dass Sehgeschädigte und Blinde Computer und Internet nutzen können, ermöglicht eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema. Diese Aussage ist der Anlass für die Arbeit von Frau Breßer.

Ihre Arbeit und ihr Vortrag beschreiben, wie blinde und sehbehinderte Menschen mit dem Computer interagieren. Ein blindengerechter Arbeitsplatz wird vorgestellt und es werden die Vorteile der Internetnutzung für Blinde und Sehschwache, sowie deren Probleme damit gezeigt und Lösungen angeboten.

Neben der konkreten Webseitengestaltung wird die Rolle Sehgeschädigter im E-Commerce beleuchtet. Anschließend werden Parameter für einen Accessibility-Test entwickelt und ein vergleichender Test an Homepages der Deutschen Bibliothek und der Library of Congress durchgeführt.

Frau Breßer erhielt den B.I.T.online-Innovationspreis besonders für ihre Vorschläge zur Webseitengestaltung.

Gerade blinden und sehschwachen Menschen ermöglicht erst die Erwerbstätigkeit die Teilnahme am öffentlichen Leben. Mit dem Aussterben traditioneller Blindenberufe wie Telefonist oder Maschinenschreiber mussten neue Berufsfelder erschlossen werden. Für blinde und sehschwache Menschen bedeutet der Computer große Erleichterung: Orts- und Zeitunabhängigkeit und Ungebundenheit von sehenden Helfern. Mit Hilfe des Computers kann ein blinder oder sehgeschädigter Mensch visuelle Informationen in auditive oder taktile umwandeln. Ein solcher Computer erschließt sich jedoch erst durch spezielle Hard- und Software. Er muss mit Braillezeile- und/oder Sprachausgabe sowie Scanner und Brückensoftware ausgestattet sein. Die Eingabe von Informationen erfolgt nur über die Tastatur. Hinweise über die Position von Objekten auf dem Bildschirm können nur durch akustische Wiedergabe erfolgen.

Bibliotheken fungieren als Informationsvermittler für alle Bevölkerungsschichten. Um blinden und sehschwachen Menschen Internet-Seiten zugänglich zu machen, sollten diese hardware- und softwareunabhängig gestaltet sein. Die Navigation sollte stets auch rein tastaturbasiert möglich sein.

Ist es nicht möglich, eine reine Textversion der Website parallel bereitzustellen, sollten einige Regeln beachtet werden: wie die Verwendung von Alternativtexten für Bilder oder der Verzicht auf Java-Script, sowie die Verwendung aussagekräftiger Link- und Elementbeschreibungen. Wichtig sind der Verzicht auf Pop-Up, Frames und Browser-Weichen, um eine einfache und schnelle Suche zu ermöglichen.

Die Library of Congress und Die Deutsche Bibliothek erarbeiten zur Zeit blinden- und sehschwachengerechte Seiten. Für viele Kollegen, die sich mit dieser Art von Website-Gestaltung befassen, sollten der Vortrag und die Diplomarbeit eine Anregung sein.

Konzeption eines E-Learning-Portals und seine Realisation für die Bereiche Information und Neue Medien

Einen weiteren Preis erhielten Frau Kuhn und Frau Mattheis für ihr unter http://www.elp.de.vu abrufbares E-Learning-Portal.

Durch eigene Recherchen hinsichtlich Weiterbildungsmöglichkeiten im bibliothekarischen Umfeld kamen Frau Kuhn und Frau Mattheis auf die Idee, ein anbieterunabhängiges Portal zu den Bereichen Information und Neue Medien zu erstellen.

Nicht nur eine theoretische Betrachtung des Themas E-Learning, sondern auch ein Screenbook als Grundlage für den Aufbau des Portals sowie der Internetauftritt als Umsetzung aller Erkenntnisse und Ideen beinhaltet die verfasste Diplomarbeit.

E-Learning, das Lehren und Lernen mit Unterstützung der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien ist in aller Munde, um den Herausforderungen der Informations- und Wissensgesellschaft zu begegnen. Durch diese zeit- und ortsundabhängige Form der Wissensvermittlung können Lerninhalte on-demand und on-the-job abgerufen werden. Besonders im Hochschul- und Unternehmensbereich gewinnt E-Learning zunehmend an Bedeutung. Ebenso in der bibliothekarischen Fachwelt, insbesondere im Bereich der Vermittlung von Informationskompetenz.

Im theoretischen Einführungsteil der Arbeit werden Fachbegriffe erläutert und aktuelle Entwicklungen und Projekte an Hochschulen und Universitäten dargestellt und diskutiert.

Für den Hochschulbereich wurden dabei sechs Hauptfaktoren des Wandels ausgemacht, die den bisher noch nicht sehr weit gehenden Einsatz von E-Learning vorantreiben. In den Unternehmen stellen die Koppelung von E-Learning und Coroprate Universities oder von E-Learning und Wissensmanagement sowie das sogenannte Customer Focused Learning die momentanen Schwerpunkte dar. In Deutschland sind häufig noch herkömmliche Lernformen mit CD-ROM üblich, aber zunehmend auch Web-based-training. E-Learning wird entgegen einiger Prognosen die konventionelle Form des Lernens nicht verdrängen, diese aber ergänzen.

In der Arbeit folgen die Betrachtung des deutschen Marktes, die Festlegung der Zielgruppen für das E-Learning-Portal und die Erarbeitung eines Ebenenmodells mit Kategorisierung der Strukturen.

Für die Realisierung der Website wurde mit Power-Point-Folien ein sogenanntes Screenbook erstellt, das die formalen Standards für das Design und die Präsentation der Inhalte im Web festlegt.

Die inhaltliche Struktur des Internetportals wurde nach Sichtung schon vorhandener Informationpools und einer ständigen Beobachtung der E-Learning-Branche mit Hilfe der Mind-Map-Technik von den Autorinnen gemeinsam entwickelt.

Entstanden sind dabei acht thematische Hauptrubriken, die wiederum in entsprechende Unterkategorien gegliedert sind: Topnavigation, Lernangebote, Anbieter, Institutionen, Qualität, Termine, Infopool, Literatur und Jobs.

Wert gelegt wurde auf Übersichtlichkeit und Durchgängigkeit der Web-Seiten, den Einsatz weniger und für das Web geeigneter Farben sowie schnelle Seiten. Beim Einsatz von Graphiken wurden alternative Text eingesetzt, auf Tabellen und Frames wurde verzichtet.

Das Portal umfasst aus dem deutschsprachigen Raum ausgewählte, strukturierte und aggregierte Informationen und Dienstleistungen und soll den Nutzern helfen, sich einen Überblick über Möglichkeiten des Online-Lernens zu verschaffen.

Electronic Commerce - Chancen für Bibliotheken

Die große Medienresonanz zum Electronic Commerce in Presse, Funk und Fernsehen und die gleichzeitige Finanzmisere der öffentlichen Haushalte führte dazu, dass sich Frau Reinhard in ihrer Diplomarbeit und ihrem Vortrag mit der Frage nach der Möglichkeit der Nutzung von E-Commerce in Bibliotheken befasste.

Wie können Öffentliche Bibliotheken E-Commerce in ihre täglichen Arbeiten integrieren und welche Chancen und Risiken ergeben sich daraus für die wirtschaftliche Situation der Bibliotheken?

Im Rahmen des Vortrages und der Arbeit sollte aufgezeigt werden, was Electronic Commerce überhaupt ist und welche Besonderheiten dieses System beinhaltet.

Zuerst werden Ziele von Unternehmen und Bibliotheken dargestellt, deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufgezeigt. Weiterhin wird Electronic Commerce definiert und es werden die Beziehungsformen des E-Commerce dargestellt.

Unternehmen handeln nach erwerbswirtschaftlichen Prinzipien, ihre Effektivität orientiert sich an den Bedürfnissen der Kunden und ihre Effizienz am Verhältnis von Kosten und Leistungen. Bibliotheken haben allgemeinnützige Ziele und müssen zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit entsprechenden personellen, sachlichen und finanziellen Mitteln ausgestattet sein. Bibliotheken stehen wegen der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte immer öfter vor dem Problem, mit weniger Mitteln ihre Ziele erreichen zu müssen. Daher müssen sich Bibliotheken Gedanken über einen wirtschaftlicheren Umgang mit Ressourcen machen.

Beziehungen bestehen von Bibliothek zu Bibliothek, von der Bibliothek zum Kunden und von der Bibliothek zu Unternehmen. Dabei werden Dienstleistungen und Produkte ausgetauscht.

In der Arbeit werden anschließend Chancen und Risiken beleuchtet, die sowohl für Unternehmen als auch für Bibliotheken entstehen, die E-Commerce einsetzen.

Als Chance ist die Kundenfindung und -bindung mit Informationen über die Bibliothek, über Bibliotheksprodukte wie Medien, Veranstaltungen und Dienstleistungen zu betrachten. Weiterhin die Kostenreduzierung durch Zeitersparnis, die mit der Rationalisierung interner und externer Geschäftsabläufe, interner Kommunikation und der Vermeidung von Mehr- und Doppelarbeit entsteht. Als Risiko stellt sich die eventuell mangelnde Akzeptanz durch Sicherheitsrisiken bei der Übermittlung persönlicher Daten oder finanzieller Transaktionen heraus.

Gleichzeitig ist E-Commerce eine Form der Öffentlichkeitsarbeit: ein freundlicher und benutzerorientierter Web-Auftritt, der sich an Bedürfnissen der Kunden und Geschäftspartner orientiert, bringt eine größere Zahl von Kunden, ein schnelleres Erreichen von Entscheidungsträgern und einen Image-Gewinn, eventuell können Sponsoren gewonnen werden.

Kommunikation kann sich positiv gestalten durch personalisierte Einstiegsseiten, E-Mail mit direkten und persönlichen Kontakten, Newsletter sowie schnellere und unkompliziertere Zahlungsweisen für Kunden.

Für Bibliotheken gilt: Electronic Commerce als Chance erkennen, ausbauen und aktiv gestalten, um Ressourcen effektiver und effizienter einzusetzen. Ohne Kosten für den Aufbau eines solchen Systems unberücksichtigt zu lassen: zuerst muss dem Benutzer ein Angebot unterbreitet werden, damit der Benutzer das Angebot auch wahrnehmen kann...

Die Diplomarbeit ist als erster Einstieg in das Thema Electronic Commerce zu verstehen, der zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema anregen soll.

Insgesamt bot das Innovationsforum wieder kompetent und engagiert vorgetragene Informationen von jungen Kolleginnen, die mit neuen, praxisorientierten Ansätzen Stoff zum Nachdenken und Anregungen zum Nachmachen gaben. Wie interessant die Veranstaltung war, zeigte sich beim abschließenden Sekt- und Saft-Umtrunk der Zeitschrift B.I.T.online an den angeregten Gesprächen.

Alle drei mit umfangreichen Literaturverzeichnissen und Internetquellen versehenen Diplomarbeiten werden in Band 4 von B.I.T.online-Innovativ erscheinen.

Die Kommission Aus- und Fortbildung des Berufsverbandes Information Bibliothek wird das Innovationsforum im Jahr 2003 in Stuttgart fortführen. Bewerbungen dafür können bei der Kommission eingereicht werden.

Heike Brückner
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft
Agrarwissenschaftliche Bibliothek
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